Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin ab 01.01.2019 ein Anspruch auf weitergehende Berücksichtigung ihrer Kindererziehung und damit
auch auf eine höhere Altersrente für Frauen zusteht.
Die 1942 geborene Klägerin hat vier Töchter, die 1975 geborene Tochter K. , die 1977 geborene Tochter A., die 1978 geborene
Tochter C. sowie die 1981 geborene Tochter S. .
Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf ihren Antrag mit Bescheid vom 03.07.2002 Altersrente für Frauen in Höhe eines monatlichen
Zahlbetrags von 457,32 €. Der Berechnung legte sie Kindererziehungszeiten im Umfang von einem Jahr pro Kind zugrunde. Bereits
hiergegen erhob die Klägerin zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage mit der Begründung, die Berücksichtigung der Kindererziehung mit insgesamt lediglich 3,9984 Entgeltpunkten verstoße
gegen die Verfassung (S 4 RA 3363/02). Nach einem zeitweiligen Ruhen des Verfahrens wegen anhängiger Verfahren beim Bundessozialgericht (BSG) und Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die Klägerin ihre wieder angerufene Klage (S 13 R 3974/07) am 08.10.2007 zurück.
Mit Bescheid vom 04.09.2014 berechnete die Beklagte die Rente für die Zeit ab dem 01.07.2014 neu, wobei sie für die Kindererziehung
pro Kind einen Zuschlag in Höhe eines persönlichen Entgeltpunktes berücksichtigte (sog. Mütterrente). Der monatliche Zahlbetrag
erhöhte sich auf 588,01 €. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, es sei verfassungswidrig, dass
Mütter, deren Kinder ab 1992 geboren worden seien, mehr Entgeltpunkte erhielten. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren
(Widerspruchsbescheid vom 10.12.2014) erhobene Klage beim SG (S 4 R 5837/14) wurde mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2015 zurückgewiesen. Die anschließend von der Klägerin eingelegte Berufung wurde mit
Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 21.09.2015 (L 10 R 1088/15) zurückgewiesen.
Mit Bescheid vom 24.04.2019 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 01.01.2019 neu, wobei sie für die Kindererziehung eines
jeden Kindes einen (weiteren) Zuschlag in Höhe eines halben persönlichen Entgeltpunktes berücksichtigte (sog. Mütterrente
II). Der monatliche Zahlbetrag der Rente belief sich fortan auf 701,86 €.
Hiergegen legte die Klägerin am 28.05.2019 Widerspruch ein und beantragte einen Zuschlag von einem Entgeltpunkt pro Kind,
anstatt eines halben. Zur Begründung führte sie aus, hierin liege eine Ungleichbehandlung zu den Müttern, die nach 1992 ihre
Kinder geboren hätten und insgesamt drei Entgeltpunkte (statt zweieinhalb) erhielten, die nicht zu rechtfertigen sei. Insbesondere
gehörten frühere Argumente für die Verfassungsmäßigkeit, wie etwa Geldmangel in der Rentenversicherung der Vergangenheit an.
Beispielsweise koste die Frühverrentung viel mehr als die zusätzlichen 0,5 Entgeltpunkte für die Mütterrente.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Für die Zuerkennung weiterer, über den bereits
anerkannten halben Entgeltpunkt hinausgehende Entgeltpunkte gäbe es keine gesetzliche Grundlage. Die Beklagte sei bei ihrem
Handeln an Recht und Gesetz gebunden (Art.
20 Abs.
3 Grundgesetz -
GG).
Hiergegen hat die Klägerin am 19.08.2019 Klage zum SG erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihre Widerspruchsbegründung verwiesen und beantragt, die Beklagte zu
verurteilen, ihr eine höhere Rente unter Berücksichtigung von insgesamt jeweils drei Entgeltpunkten für die Kindererziehung
ihrer vier Kinder zu gewähren, >hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG gemäß Art.
100 Abs.
1 Satz 1
GG zur geltend gemachten Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung einzuholen, höchst hilfsweise, das Verfahren auszusetzen
und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Art. 276 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Frage vorzulegen, ob die bisherige Regelung zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder
gegen höherrangiges Recht verstoße.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.06.2020 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angefochtene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig und verletze die
Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Berechnung der Rente stehe im Einklang mit der geltenden Gesetzeslage. Insbesondere sei
die Regelung des §
307d Abs.
1 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) in der aktuellen Fassung vom 28.11.2018 (sog. "Mütterrente II") beachtet worden, welche ab dem 01.01.2019 einen Zuschlag
von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind vorsehe. Für eine weitere Zuerkennung von Entgeltpunkten
bestehe keine Rechtsgrundlage. Auch der Hilfsantrag, gerichtet auf die Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer Entscheidung
des BVerfG zur Frage der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung, sei abzulehnen. Das Gericht erachte die vorliegend
anzuwendende Regelung, soweit diese von der Klägerin beanstandet werde, nicht für verfassungswidrig. Für das Gericht seien
keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die in Rede stehende Regelung des §
307d SGB VI in der aktuellen Fassung vom 28.11.2018 deshalb nicht mit der Verfassung vereinbar sein könnte, weil der Gesetzgeber - ergänzend
zu der mit zum 01.07.2014 in Kraft getretenen Ausdehnung der in der Rentenversicherung zu berücksichtigenden Zeiten der Kindererziehung
für die vor dem 01.01.1992 geborenen Kinder (sog. Mütterrente) - eine weitere Verbesserung bewirkt hat (sog. Mütterrente II),
jedoch (immer noch) keine vollständige Angleichung an die Regelungen für die ab dem 01.01.1992 geborenen Kinder getroffen
habe, für die §
56 Abs.
1 SGB VI Kinderziehungszeiten in den ersten drei Lebensjahren vorsehe. Dass eine solche Angleichung aus verfassungsrechtlichen Gründen
nun zum 01.01.2019 geboten gewesen wäre, sei nicht ersichtlich. Ausgangspunkt sei weiterhin die Entscheidung des BVerfG vom
07.07.1992 (1 BvL 51/86) und der Kammerbeschluss vom 29.03.1996 (1 BvR 1238/95). Mit der Entscheidung vom 07.07.1992 habe das BVerfG bereits hervorgehoben, dass es dem parlamentarischen Gesetzgeber durch
Art.
3 Abs.
1 GG grundsätzlich nicht verwehrt sei, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag
unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringe. Betont worden sei, dass dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite Einschätzungsprärogative
zustehe. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtagsvorschriften sei deshalb darauf zu beschränken, ob der Gesetzgeber
den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt habe, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommende
Faktoren hinreichend gewürdigt habe und sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System
der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lasse oder als willkürlich erscheine. Mit Kammerbeschluss vom 29.03.1996
habe das BVerfG nochmals verdeutlicht, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unzulässig beschränkt würde, wenn es
ihm verwehrt wäre, eine derart komplexe Reform wie die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Altersversorgung
in mehreren Stufen zu verwirklichen. Eine solche Stufe sei die Einführung der "Mütterrente" ab dem 01.07.2014 durch den -
durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz in Kraft getretenen - §
307d Abs.
1 SGB VI. Bezüglich der 2014 eingeführten Mütterrente habe das BSG mit Urteil vom 28.06.2018 (B 5 R 12/17 R) und vom 10.10.2018 (B 13 R 63/18 B) entschieden, dass es nicht gegen die Verfassung verstoße, dass Versicherte mit Anspruch auf Rente mit vor dem 01.01.1992
geborenen Kindern und Versicherte mit ab dem 01.01.1992 geborenen Kindern nicht vollständig gleichgestellt seien. Das BVerfG
habe die gegen diese Entscheidungen eingereichten Verfassungsbeschwerden auch nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss
vom 10.01.2019 - 1 BvR 2364/18 und vom 11.02.2019 - 1 BvR 2669/18; beide in juris). Die hier streitgegenständliche sogenannte "Mütterrente II" stelle gerade einen weiteren Schritt zur Angleichung
dar. Vor diesem Hintergrund sehe das Gericht keinen Grund für die Annahme, dass der Gesetzgeber mit der nun erfolgten weiteren
Verbesserung der Leistungen für Kindererziehung den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum überschritten haben sollte. Im Gegenteil:
Wie schon ausgeführt, habe das BVerfG bereits die vor dem 01.07.2014 geltende Rechtslage, die für die Klägerin noch sehr viel
ungünstiger gewesen sei, und auch die Rechtslage vor dem 01.01.2019, die ebenfalls noch ungünstiger war als die jetzige Rechtslage,
für rechtmäßig und nicht verfassungswidrig erachtet. Insofern könne die jetzt verbesserte Rechtslage erst Recht nicht als
verfassungswidrig eingestuft werden. Dies gelte umso mehr, als dass das BVerfG gerade nie einen "Zeitplan" zur Angleichung
vorgeben habe. Auch seien die, in den genannten Entscheidungen angeführten Argumente gegen eine Verfassungswidrigkeit ohne
Weiteres auf die hier streitgegenständliche "Mütterrente II" übertragbar. Insbesondere sei durch das BVerfG immer wieder betont
worden, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Reformschritte die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation
der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen könne. Ausweislich der Drucksache 425/18 des Bundesrates (vgl. S. 19)
sei als Alternative zur Verlängerung der Kindererziehungszeiten um weitere sechs Monate (so die jetzige Regelung) die vollständige
Gleichstellung der Kindererziehung für vor 1992 und ab 1992 geborenen Kinder, also die Anerkennung von insgesamt drei Jahren
Kindererziehungszeit für alle Kinder, durch die an der Gesetzgebung beteiligten Organe geprüft worden. Da sich aber durch
eine solche Vereinheitlichung gegenüber der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Ausweitung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten
die Kosten ungefähr verdoppelt hätten (statt 3,8 Milliarden 7,7 Milliarden €) habe sich der Gesetzgeber dagegen entschieden
(vgl. ebenfalls S. 19 der BR-Drucksache 425/18). Insofern lägen - wie auch bereits bei der Einführung der Mütterrente 2014
(vgl. dazu BSG, Urteil vom 28.06.2018 - B 5 R 12/17 R) - weiterhin nachvollziehbare Gründe dafür vor, dass keine vollständige Angleichung vorgenommen worden sei; jedenfalls
könne die Entscheidung nicht als willkürlich eingestuft werden. Damit sei eine Überschreitung der Einschätzungsprärogative
nach Auffassung des Gerichts ausgeschlossen. Zusammengefasst habe das Gericht daher keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
des §
307d SGB VI in der aktuell gültigen Fassung und sehe keine Pflicht zur Vorlage an das BVerfG. Ebenso sei der weitere Hilfsantrag, gerichtet
auf die Vorlage an den EuGH, abzulehnen. Nach Maßgabe des Art. 267 Abs. 1 AEUV entscheide der EuGH ausschließlich über die Auslegung und die Gültigkeit von EU-Recht. Bei der hier angegriffenen Norm des
§
307d SGB VI handele es sich aber gerade nicht um EU-Recht, sondern diese rentenrechtliche Regelung sei eine rein innerstaatliche Norm
ohne EU-Auslandsbezug (anders als die von der Klägerin angeführte Autobahnmaut). Im Übrigen sei eine Vorlage nach Art. 367 AEUV an den EuGH nach Abs. 3 der Norm nur dann veranlasst, wenn die Entscheidung des erkennenden Gerichts mit nationalen Rechtsmitteln nicht anfechtbar
sei. Hier sei aber die Berufung möglich.
Gegen den ihr am 12.06.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30.06.2020 beim SG, eingegangen beim LSG Baden-Württemberg am 08.07.2020, Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf
ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren und im Klageverfahren vor dem SG. Ergänzend führt sie aus, eine im Vergleich zu Kinderlosen höhere Leistung für die langfristige Stabilisierung der umlagefinanzierten
Rente durch die Erziehung von vier Kindern müsse sich in der Rente widerspiegeln. Wenn nicht führe das Umlageverfahren vor
allem zu einer Umverteilung von Familien zu den Kinderlosen und zu Altersarmut durch Kinderreichtum. Diese Umverteilung zu
vermeiden sei der eigentliche Sinn der "Mütterrente". Leider sei die Politik kurz vor dem Ziel stehen geblieben. Wobei Rentenspezialisten
festgestellt hätten, dass drei Jahre Erziehungszeiten ohnehin viel zu gering seien; bis zu sechs Jahren pro Kind wären angemessen.
Dies werde durch die neueste Untersuchung bestätigt, dass auch heute noch Frauen mit Kindern viel weniger Rente im Alter bekämen,
als Kinderlose, obwohl die Berufstätigkeit der Frauen gegenüber ihrer, der Klägerin, Generation stark zugenommen habe. Insofern
bestünde eine nicht hinzunehmende Diskriminierung.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 09.06.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom
24.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2019 zu verurteilen, ihr eine höhere Rente unter Berücksichtigung
von insgesamt jeweils drei Entgeltpunkten pro Kind zu gewähren,
hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG gemäß Art.
100, Abs.
1 Satz 1
GG zur geltend gemachten Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung einzuholen,
höchst hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH vorzulegen mit der Frage, ob die seit 01.01.2019 gültige Regelung
zur Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder gegen das Diskriminierungsverbot verstößt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei
der Beklagten geführte Leistungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
2 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entscheidet (§
124 Abs.
2 SGG), ist nach §
143 Abs.
1 SGG statthaft, da sie laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG), und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Berufung der Klägerin hat jedoch inhaltlich keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
a) Streitgegenständlich ist allein der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2019,
mit dem die Beklagte die Regelung des §
307d Abs.
1 Satz 3
SGB VI in der ab 01.01.2019 geltenden Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung
vom 28.11.2018 (BGBl I 2016) umgesetzt hat und die ursprüngliche Rentenbewilligung wegen einer Rechtsänderung mit Wirkung
zum 01.01.2019 teilweise nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) abgeändert hat. Die geltend gemachte Beschwer der Klägerin liegt dabei darin, dass sie zwar einen Zuschlag von 0,5 persönlichen
Entgeltpunkten je Kind erhält, ihre Rente jedoch anders als im Regelfall des §
56 Abs.
1, 5
SGB VI unverändert nicht unter Berücksichtigung von drei Jahren Kindererziehungszeiten festgesetzt wird. Da der Regelungsgehalt
des angefochtenen Bescheids nicht über die Umsetzung des §
307d Abs.
1 Satz 3
SGB VI hinausgeht, kann die Klägerin mit ihrer hiergegen gerichteten Klage keine über die Anwendung (und Verfassungsgemäßheit) dieser
Norm hinausgehende Überprüfung ihrer Rente bewirken (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2018 - B 5 R 12/17 R -, in juris Rn. 11).
b) Die zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
4 SGG) ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 24.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2019 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Altersrente für Frauen unter
Berücksichtigung von insgesamt jeweils drei Entgeltpunkten pro Kind.
aa) Der angefochtene Bescheid steht in Einklang mit der geltenden Gesetzeslage.
Für einen Elternteil wird gemäß §
56 Abs.
1 SGB VI eine Kindererziehungszeit in den ersten drei Lebensjahren des Kindes (Satz 1) angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem
Elternteil zuzuordnen ist (Satz 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2), die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist
oder einer solchen gleichsteht (Satz 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3), und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist
(Satz 2 Nr.
3 i.V.m. Abs.
4). Nach §
249 Abs.
1 SGB VI (in der ab 01.01.2019 geltenden Fassung) sind Kindererziehungszeiten - abweichend von §
56 Abs.
1 SGB VI - für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder auf 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt begrenzt. Bei einer - wie
vorliegend - laufenden Rente an den Stichtagen 30.06.2014 und 01.01.2019 wird hingegen die Rentenhöhe unter zusätzlicher pauschaler
Berücksichtigung weiterer persönlicher Entgeltpunkte nach §
307d SGB VI neu bestimmt (vgl. §
249 Abs.
8 SGB VI). Nach §
307d Abs.
1 Sätze 1 und 2
SGB VI gilt für Renten, auf die am 30.06.2014 Anspruch bestand, dass ab dem 01.07.2014 ein Zuschlag in Höhe von einem Entgeltpunkt
für jedes vor dem 01.01.1992 geborenes Kind berücksichtigt wird, wenn (1.) in der Rente eine Kindererziehungszeit für den
zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und (2.) kein Anspruch nach den §§
294 und
294a SGB VI besteht. Nach §
307d Abs.
1 Satz 3
SGB VI wird für Renten, auf die am 30.06.2014 Anspruch bestand, ab dem 01.01.2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten
für ein vor dem 01.01.1992 geborene Kind berücksichtigt, wenn (1.) in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung
für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen §
57 Satz 2
SGB VI nicht angerechnet wurde und (2.) kein Anspruch nach den §§
294 und
294a SGB VI besteht. Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn (1.) vor dem 01.01.1992 Anspruch auf eine Rente
bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und (2.) für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit
wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene
nicht angerechnet wird.
Die Beklagte hat den danach ab dem 01.01.2019 zu gewährenden Zuschlag von weiteren 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für jedes
vor dem 01.01.1992 geborene Kind der Kläger berücksichtigt und die Altersrente der Klägerin entsprechend neu berechnet. Dass
der Beklagten bei der Berechnung Fehler unterlaufen sein könnte, ist weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch ist
dies ersichtlich.
b) Der Senat hat keine Zweifel, dass §
307d Abs.
1 Satz 3
SGB VI mit der Verfassung in Einklang steht. Eine Aussetzung des Verfahrens nach Art.
100 GG kommt deshalb nicht in Betracht.
Das BSG hat bereits zu dem zum 01.07.2014 gewährten Zuschuss nach §
307d Abs.
1 Satz 1
SGB VI entschieden, dass es nicht gegen die Verfassung verstößt, dass Versicherte mit Anspruch auf Rente am 30.06.2014 mit vor dem
01.01.1992 geborenen Kindern und Versicherte mit ab dem 01.01.1992 geborenen Kindern nicht vollständig gleichgestellt sind
(Urteil vom 28.06.2018 - B 5 R 12/17 R -, in juris; vgl. auch BSG, Beschluss vom 10.10.2018 - B 13 R 63/18 B -, in juris). Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss
vom 10.01.2019 - 1 BvR 2364/18 -, in juris; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 11.02.2019 - 1 BvR 2669/18 -, in juris).
Es ist deshalb kein Grund ersichtlich, warum §
307d SGB VI in der ab 01.01.2019 geltenden Fassung gegen Grundrechte der Klägerin verstoßen soll, nachdem mit dieser Gesetzesänderung
lediglich eine weitere Vergünstigung geschaffen wurde, nämlich ein weiterer Zuschuss in Höhe von 0,5 Entgeltpunkten pro Kind.
Mit diesem Zuschuss ist die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder weiter an die
Rechtslage für Eltern von ab dem 01.01.1992 geborene Kinder angeglichen worden ist. Die Klägerin wird nicht dadurch in ihren
Grundrechten verletzt, dass sie weiterhin insofern anders behandelt wird, als bei ihr nicht wie es §
56 Abs.
1 SGB VI vorsieht drei Jahre, sondern nur der 1. bis 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt als Kindererziehungszeiten
berücksichtigt werden und zusätzlich pauschal ein persönlicher Entgeltpunkt ab dem 01.07.2014 und weitere 0,5 Entgeltpunkte
ab dem 01.01.2019 pro Kind Berücksichtigung finden (und damit im Wesentlichen den von §
249 Abs.
1 SGB VI erfassten Zugangsrentnern mit ebenfalls vor dem 01.01.1992 geborenen Kindern, bei denen seit 01.01.2019 die Kindererziehungszeit
30 Kalendermonate nach Ablauf der Geburt endet, gleichgestellt wird). Das BSG hat dies bereits im Urteil vom 28.06.2018 (a.a.O.) für den ab 01.07.2014 gewährten Zuschuss ausführlich geprüft und mit überzeugenden
Argumenten, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, verneint.
Die vom BSG angeführten Argumente, warum ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art.
6 Abs.
1 GG nicht vorliegt, haben auch für die seit 01.01.2019 geltende Fassung des §
307d SGB VI uneingeschränkte Gültigkeit. Die Differenzierung zwischen vor 1992 und ab 1.1.1992 geborenen Kindern wird nach wie vor durch
hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Wie schon das BVerfG in seinem für die Kindererziehungszeiten wegweisenden Urteil
vom 07.07.1992 (-1 BvL 51/86 ua -, in juris, Rn. 137 f.) herausgestellt hat, darf der Gesetzgeber die (nach damaliger Gesetzeslage) unzureichende Berücksichtigung
der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung in mehreren Reformstufen vornehmen. Mit dem Hinterbliebenenrenten-
und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG vom 11.7.1985, BGBl I 1450) hatte der Gesetzgeber bereits einen ersten Schritt zur Verbesserung
der Alterssicherung kindererziehender Personen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung getan. Ein zusätzlicher Schritt
bestand in der Verlängerung der anrechnungsfähigen Kindererziehungszeiten, die das Rentenreformgesetz 1992 brachte. So wurden
ab 01.01.1992 für ab diesem Zeitpunkt geborene Kinder drei Jahre Pflichtbeitragszeit für die Erziehung eines Kindes anerkannt
(§
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VI). Für vor dem 01.01.1992 geborene Kinder wurde eine Kinderziehungszeit von 12 Monaten zuerkannt (§
249 SGB VI). Hinzu kommt das Inkrafttreten zahlreicher weiterer Regelungen, die die leistungsrechtliche Position von Eltern in der gesetzlichen
Rentenversicherung verbessert haben (s. Urteil vom 28.06.2018 - B 5 R 12/17 R -, in juris, Rn. 21). Um den durch die Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung weiter abzubauen, hat
der Gesetzgeber zum 01.07.2014 die Kindererziehungszeiten für die vor dem 01.01.1992 geborenen Kinder durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz
um 12 Monate auf 24 Monate erhöht (vgl. §
249 Abs.
1 SGB VI a.F.) und diese Verbesserung durch den Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung nach §
307d Abs.
1 Satz 1
SGB VI auf die Bestandsrenten übertragen. Ein weiterer Schritt stellen die zum 01.01.2019 in Kraft getretenen Verbesserungen dar.
Dass der Gesetzgeber dabei aus Gründen der Finanzierbarkeit von einer vollständigen Angleichung der Regelungen abgesehen hat
(vgl. BT-Drs 19/4668, S. 24), ist nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber darf bei der Reform der Kinderziehungszeiten die Haushaltslage
und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen (BVerfG, Urteil vom 07.07.1992 -1 BvL 51/86 ua -, in juris, Rn. 138). Zudem entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BVerfG, dass der Gesetzgeber den Bedürfnissen
der Massenverwaltung durch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen Rechnung tragen darf, ohne allein
schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG, Urteil
vom 28.04.1999 - 1 BvL 11/94 -, in juris; BVerfG, Beschluss vom 11.05.2005 - 1 BvR 368/97 ua -, in juris). Insgesamt ist die Differenzierung zwischen den Rentenbeziehern mit vor 1992 geborenen Kindern und Rentenbeziehern
mit ab 01.01.1992 geborenen Kindern nach wie vor durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt und hält sich im Rahmen
des dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraums.
Aus denselben Gründen scheidet ein Verstoß gegen das von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung hervorgehobene Gleichberechtigungsgebot
aus Art.
3 Abs.
2 GG aus. Die Rechtfertigung einer ggf. faktischen Benachteiligung von Frauen kommt dann in Betracht, wenn die diskriminierende
Regelung auf hinreichenden sachlichen Gründen beruht. Dies ist - wie ausgeführt - der Fall (so auch BSG, Urteil vom 28.06.2018 - B 5 R 12/17 R -, in juris, Rn. 30 ff.).
Das europarechtliche Diskriminierungsverbot, insbesondere aus Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, auf
das sich die Klägerin ebenfalls beruft, bietet insoweit keinen weitreichenderen Schutz als das
Grundgesetz. Art. 157 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), wonach jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder
gleichwertiger Arbeit sicherstellt, ist nicht anwendbar, weil sich der Begriff des "Entgelts" nicht auf Sozialversicherungsleistungen
erstreckt (vgl. Erwägungsgründe 14 und 22 der Richtlinie 2006/54/EG, Amtsbl. EU 26.7.2006 L 204/23). Zudem verstoßen mittelbare Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts dann nicht gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot,
wenn die streitige Maßnahme - wie vorliegend - durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts zu tun haben (stRspr des Europäischen Gerichtshofs <EuGH> z.B. Urteile vom 30.03.2000 - C-236/98 -, in juris, Rn. 50, vom 10.03.2005 - C-196/02 -, in juris, vom 22.11.2012 - C-385/11 -, in juris, Rn. 32).
c) Auch der weitere Hilfsantrag der Klägerin auf Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH nach Art. 267 Abs. 1 AEUV ist abzulehnen. Danach muss der EuGH nur angerufen werden, wenn sich das nationale Gericht im Rahmen einer letztinstanzlichen
Entscheidung entscheidungserheblich auf europäisches Gemeinschaftsrecht stützt und an dessen Auslegung Zweifel bestehen. Diese
Voraussetzungen liegen nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
4. Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor. Die hier streitige Rechtsfrage der Differenzierung nach dem Stichtag 01.01.1992 ist höchstrichterlich
geklärt.