Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die selbstständige Tätigkeit der Klägerin als "R für Steuerseminare" der Rentenversicherungspflicht
unterliegt.
Die 1982 geborene Klägerin ist seit 05.03.2015 S und als solche Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Steuerberater in Baden-Württemberg.
Den Beruf der S übte sie bis Juni 2017 als Angestellte und seit 01.07.2017 als Selbständige aus.
Seit dem 01.09.2016 ist die Klägerin auch als "R für Steuerseminare" tätig. Die Seminare finden in den Berufsbildungszentren
der D AG vorrangig im süddeutschen Raum statt. Die Aufträge, solche Seminare durchzuführen, erhält die Klägerin von der L.
Die Seminare richten sich an Existenzgründer, insbesondere an Vermögensberater. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen sieben
und 25 Personen. Die Teilnehmer sind der Klägerin vor Beginn der Veranstaltung nicht persönlich bekannt. Die Klägerin lernt
die Teilnehmer erst während der Veranstaltung kennen. Die Teilnehmer erteilen der Klägerin vor Beginn der Veranstaltung kein
Mandat zu Steuerberatung und unterzeichnen keinen schriftlichen Steuerberatungsvertrag. Die Teilnahme an den Veranstaltungen
der Klägerin ist kostenlos. Für die "Durchführung [der] Seminarveranstaltungen" stellt die Klägerin der L ein zuvor vereinbartes
Honorar in Rechnung (z. B. 2.096,99 € am 23.09.2016, 2.120,68 € am 21.11.2016, 1.851,93 € am 29.11.2016). Die Klägerin beschäftigt
im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als "R für Steuerseminare" keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer.
Im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach §
7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) bei der Beklagten erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 16.02.2017: "Der Gegenstand der Unterrichtstätigkeit ist vertraglich
nicht festgelegt. [Es ist meine Aufgabe,] anhand der Seminarunterlagen Seminare frei zu halten, Fragen der Teilnehmer spontan
zu beantworten und weiterführende Fragen in den Pausen zu klären. Dem Auftraggeber ist es nicht möglich, vertraglich methodische
und didaktische Anweisungen zur Gestaltung des Unterrichts beizutragen. Die Vergütung erfolgt über ein festgelegtes Honorar
pro Seminartag. Das Honorar wurde nach Einzelabsprache festgelegt. Die Rechnungstellung erfolgt durch mich, den Auftragnehmer,
an den Auftraggeber. Die Unterrichtsräume werden gestellt. Die Unterrichtsmaterialien werden vorgegeben."
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.03.2017 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Klägerin als "R für Steuerseminare"
für die S. L nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und daher in dieser Tätigkeit keine
Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosigkeitsversicherung bestehe.
Mit Bescheid vom 28.02.2018 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in ihrer selbständigen Tätigkeit als R für Steuerseminare
ab 01.09.2016 gemäß §
2 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sei und daher für die Zeit ab 01.09.2016 monatliche Pflichtbeiträge
in Höhe von 271,62 € (halber Regelbeitrag), ab 01.01.2017 monatliche Pflichtbeiträge in Höhe von 278,16 € (halber Regelbeitrag)
und ab 01.01.2018 monatliche Pflichtbeiträge in Höhe von 283,19 € (halber Regelbeitrag) zu zahlen seien.
Hiergegen erhob die Klägerin am 05.03.2018 Widerspruch. Als Existenzgründerin habe sie Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
für die ersten drei Jahre seit dem Gründungsdatum 01.09.2016. Zudem zähle die Tätigkeit als R für Steuerseminare zu den Aufgaben
einer S und sei deshalb ihrer Tätigkeit als S zuzuordnen.
Bereits am 22.11.2016 hatte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt. Mit
Schreiben vom 12.11.2017 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie sei als S für mehrere Auftraggeber tätig. Darüber hinaus
erfolge die freiberufliche Referententätigkeit für Steuerseminare.
Mit Bescheid vom 14.06.2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Die
Klägerin unterliege aufgrund ihrer Tätigkeit als R für Steuerseminare vorrangig der Versicherungspflicht nach §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI. Hierfür sei eine Befreiung nicht möglich.
Hiergegen erhob die Klägerin am 06.07.2018 Widerspruch. Sie machte geltend, keine Lehrerin zu sein. Sie bilde die Teilnehmer
in ihren Seminaren nicht aus, sondern biete ihnen eine Orientierung, welche Aufgaben und Verpflichtungen in steuerlicher Hinsicht
auf sie als Existenzgründer zukämen. Dies stelle eine Beratung dar. Die Teilnehmer nutzten die erworbenen Kenntnisse lediglich
für ihre individuelle Buchhaltung und Steuererklärung.
Mit Bescheid vom 24.09.2018 setzte die Beklagte die Höhe der ab 01.09.2016 zu zahlenden einkommensgerechten Pflichtbeiträge
auf monatlich 176,81 € und die vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 zu zahlenden einkommensgerechten Pflichtbeiträge auf monatlich
180,89 € fest (Gesamtsumme der Pflichtbeiträge vom 01.9.2016 bis 31.12.2017: 2.877,92 €). Sie führte aus, der Bescheid vom
24.09.2018 werde gemäß §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Bescheid vom 25.09.2018 stellte die Beklagte die Versicherungsfreiheit der Klägerin in ihrer Tätigkeit als R für Steuerseminare
für die Zeit ab 01.01.2018 fest. Da die Klägerin ihre selbständige Tätigkeit seit dem 01.01.2018 in geringfügigem Ausmaß ausübe,
bestehe gemäß §
5 Abs.
2 SGB VI Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bescheid vom 25.09.2018 werde gemäß §
86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Gegen den Bescheid vom 25.09.2018 erhob die Klägerin am 23.10.2018 ebenfalls Widerspruch.
Am 15.10.2018 beantragte sie ihre Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit
als S.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 28.02.2018 -
soweit ihm nicht durch die Bescheide vom 24.09.2018 und 25.09.2018 abgeholfen worden sei - als unbegründet zurück. Zur Begründung
wurde ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit als R für Steuerseminare gemäß §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI versicherungspflichtig. Der Begriff der Lehre sei weit auszulegen. Er beinhalte jegliches Übermitteln von Wissen, Können
und Fertigkeiten, wobei Art und Umfang der Unterweisung nur von untergeordneter Bedeutung seien. Dabei könne bereits jede
Anleitung zu einem gemeinsamen Tun genügen. Die erstrebte "Gemeinsamkeit" entstehe dabei aus der Vermittlung von Wissen und
Kompetenzen des Lehrenden an einen Lernenden unabhängig von einem konkreten Anwendungsbezug. Der Unterricht beziehungsweise
die Unterweisung könne sowohl in Kursform (Gruppen) als auch durch Einzelunterricht oder Einzelunterweisung erfolgen. Selbst
eine bestimmte pädagogische Qualifikation werde nicht vorausgesetzt. Auch wenn diese Tätigkeiten ganz oder überwiegend nach
gewerblichen Grundsätzen ausgeübt würden, handle es sich um Lehrtätigkeiten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) knüpfe die Versicherungspflicht nach §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI nicht an ein normativ geregeltes Berufsbild des (selbständigen) Lehrers an. Die Vorschrift erfasse vielmehr alle selbständig
Tätigen, soweit ihre Tätigkeit der Art nach darin bestehe, anderen Unterricht zu erteilen. Sie stelle nicht darauf ab, auf
welchen Gebieten Wissen und Kenntnisse vermittelt würden, auf welche Weise der Lehrer seine Kenntnisse und die Lehrfähigkeit
erworben habe oder wie er den Wissensstoff anderen vermittle. Es komme auch nicht darauf an, ob die Erwerbstätigkeit innerhalb
eines eigenen Betriebes ausgeübt werde. Ferner sei unerheblich, welche Geisteshaltung der Lehrtätigkeit zu Grunde liege, welches
Niveau die ausgeübte Tätigkeit habe und ob sich der Unterricht nur an Laien wende. Es spiele für die Beurteilung der selbständigen
Tätigkeit des Weiteren keine Rolle, ob deren Inhalt Gedächtnisspuren hinterlasse und inwieweit er außerhalb des Unterrichts
reproduzierbar sei. Der Rechtsbegriff "Lehrer" sei bereits dann erfüllt, wenn eine (wenn auch flüchtige) spezielle Fähigkeit
durch praktischen Unterricht vermittelt werde. Der Verfolgung weitergehender Lernziele bedürfe es dagegen ebenso wenig wie
der verpflichtenden Teilnahme am Unterricht, der Abnahme von Prüfungen und des Ausstellens von Zeugnissen oder Bescheinigungen.
Die angewandten Methoden zur Wissensvermittlung würden häufig mit den Begriffen Training, Coaching, Moderation oder Supervision
umschrieben. Es stehe der Versicherungspflicht als selbständiger Lehrer nicht entgegen, wenn durch den Unterricht auch das
Wohlbefinden der Teilnehmer verbessert werde und wenn motivierende Elemente eingesetzt würden. In Anwendung dieser Maßstäbe
sei die selbständige Tätigkeit der Klägerin als R für Steuerseminare als Lehrtätigkeit im Sinne des §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI einzuordnen.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 13.02.2019 wies die Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.06.2018
zurück. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach §
6 Abs.
1a SGB VI sei nicht möglich. Die Regelung beziehe sich ausschließlich auf selbständig tätige Personen, die nach §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI der Rentenversicherungspflicht unterliegen würden. Da die selbständige Tätigkeit der Klägerin jedoch nach §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI zur Rentenversicherungspflicht führen würde, sei eine Befreiung nicht möglich.
Gegen die Bescheide vom 28.02.2018, 14.06.2018 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 24.09.2018 und 25.09.2018 sowie (sinngemäß
ausgelegt) beide Widerspruchsbescheide vom 13.02.2019 hat die Klägerin am 12.03.2019 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ausgeführt, ihre selbständige Tätigkeit als R für Steuerseminare sei nicht nach §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI versicherungspflichtig. Ihre Tätigkeit als R für Steuerseminare sei keine Lehrtätigkeit, sondern Steuerberatung. Sie könne
nur deshalb als R für Steuerseminare tätig sein, weil sie gemäß § 2 Steuerberatergesetz (StBerG) zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt sei. Sie hat behauptet, die Steuerseminare dienten nicht der Wissensvermittlung.
Vielmehr erwüchsen aus der Referententätigkeit konkrete Beratungsverträge. Es sei deshalb die künstliche Aufspaltung eines
einheitlichen Lebenssachverhalts, die Referententätigkeit als lehrende Tätigkeit einzuordnen und die teilweise in den Seminaren
angebahnten oder geschlossenen Steuerberatungsverträge der steuerberatenden Tätigkeit zuzuordnen. Der Übergang zwischen einer
Dozentur über allgemeines Steuerrecht und der konkreten verantwortlichen Beratung der Seminarteilnehmer im Einzelfall sei
fließend. Es handle sich hier nicht um die Vermittlung von (Fach-)Wissen, sondern um die Darstellung des Steuerrechts für
die Seminarteilnehmer mit anschließender konkreter Beauftragung. Die Referententätigkeit sei letztlich ein Akquisitionsinstrument
zur Gewinnung von Mandanten. Oftmals würden unmittelbar nach Abhaltung eines Seminars Mandatsbeziehungen begründet. Es sei
unter Steuerberatern nicht ungewöhnlich, mit Fachvorträgen Mandanten zu gewinnen. Die Würdigung dieser Tätigkeit als Lehrtätigkeit
im Sinne des §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI greife in die Berufsfreiheit der Steuerberater ein. Die Klägerin behauptet, die Vergütung der Referententätigkeit stehe nicht
im Vordergrund, sondern kompensiere lediglich ihren zeitmäßigen Verdienstausfall.
Die Beklagte hat zur Klageerwiderung ausgeführt, die Klägerin selbst habe im Rahmen des Anfrageverfahrens nach §
7a SGB IV ihre Tätigkeit als Erteilung von Unterricht bezeichnet. Die vorgelegten Rechnungen bezeichneten als Gegenstand der Seminarveranstaltung
die "Besteuerung und Buchführung des Vermögensberaters". Es sei unwahrscheinlich, dass auf einer solchen Veranstaltung kein
steuerliches Wissen vermittelt werde, sondern nur individuelle Steuerberatung stattfinde. Die Klägerin habe selbst in der
Klagebegründung die von ihr durchgeführten Veranstaltungen als Seminar bezeichnet. Ein Seminar definiere sich als Lern- und
Lehrveranstaltung, die dazu diene, Wissen in kleinen Gruppen interaktiv zu erwerben oder zu vertiefen.
Mit Bescheid vom 16.01.2020 hat die Beklagte Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 923,50 € für die rückständigen Pflichtbeiträge
für die Zeit vom 01.09.2016 bis 31.12.2017 festgesetzt.
Das SG hat die Klage mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24.07.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Tätigkeit als R für Steuerseminare sei keine Tätigkeit, wegen der die Klägerin Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Steuerberater
in Baden-Württemberg und zugleich gemäß § 74 StBerG Mitglied einer Steuerberaterkammer in Baden-Württemberg sei. Die Tätigkeit der Klägerin als R für Steuerseminare sei kein
Inhalt ihrer Tätigkeit als S. Demnach liege kein Fall des §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI vor. Die Voraussetzungen einer für Lehrer oder Erzieher möglichen Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VI seien nicht erfüllt. Erstens sei die Klägerin nicht (an einer nichtöffentlichen Schule) beschäftigt, sondern selbständig
tätig. Zweitens habe sie aus ihrer Tätigkeit als R für Steuerseminare keine Versorgungsanwartschaften und Entgeltfortzahlungsansprüche
nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen erworben. Schließlich liege auch kein Fall des §
6 Abs.
1a Satz 1 Nr.
1 SGB VI vor. Die Kammer könne dabei offenlassen, ob die selbständige Tätigkeit der Klägerin als R für Steuerseminare im Auftrag des
D AG die Merkmale des §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI erfülle. Ob die Klägerin als sogenannte Solo-Selbständige gemäß §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege und hiervon gemäß §
6 Abs. la Satz 1
SGB VI zu befreien sei, spiele keine Rolle, weil sie gemäß §
2 Satz 1 Nr.
1 SGB VI versicherungspflichtig sei. Eine Befreiung hiervon sei in §
6 Abs.
1a Satz 1 Nr.
1 SGB VI nicht vorgesehen. Gemäß §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI seien versicherungspflichtig selbständig tätige Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit
regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten. Die Klägerin beschäftige im Zusammenhang mit ihrer
selbständigen Tätigkeit als R für Steuerseminare keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Sie übe ihre Tätigkeit als
R für Steuerseminare als Lehrerin im Sinne des §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI aus. Gegen eine Qualifikation der Tätigkeit der Klägerin als beratende Tätigkeit und damit gegen die lehrende Tätigkeit spreche
das Fehlen eines Beratungsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem einzelnen Seminarteilnehmer. Steuerberatung setze ein
Mandat bzw. ein Auftragsverhältnis zur Steuerberatung voraus. Dieses fehle hier. Zudem ließen die objektiven Rahmenbedingungen
der Seminarveranstaltungen keinen in der Akquise von Mandaten liegenden Schwerpunkt erkennen. Die Klägerin trage im vorliegenden
Fall kein für die Akquise typisches Risiko. Ort, Zeit und Gegenstand der Seminarveranstaltungen würden nicht von der Klägerin,
sondern von der D AG bzw. in deren Auftrag von der S. L bestimmt.
Gegen das der Klägerbevollmächtigten am 04.08.2020 zugestellte Urteil hat diese am 21.08.2020 Berufung zum Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
Die Klägerin ist der Ansicht, das SG unterstelle in rechtsfehlerhafter Art und Weise, dass die Tätigkeit als R für Steuerseminare von der Tätigkeit der Klägerin
als S zu unterscheiden sei. Ausgehend vom Wortlaut des §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI, der die Grenze der Auslegung bilde, liege hier gerade keine Tätigkeit als Lehrer oder Erzieher vor. Tatsache sei, dass die
Beitragspflicht für die streitgegenständliche Tätigkeit gegenüber dem Versorgungswerk der Steuerberater in Baden-Württemberg
von der Vollziehung ausgesetzt worden sei, bis eine Entscheidung in diesem Rechtsstreit ergangen ist. Das SG übersehe, dass die Durchführung der Referententätigkeit in Steuersachen nur dann durchgeführt werden könne, wenn eine Zulassung
als S bestehe. Die Abhaltung der Steuerseminare der Klägerin diene zur Akquisition und - zum Teil auch direkt innerhalb der
Veranstaltungen - der Beratung und Hilfeleistung in Steuersachen. Das SG maße sich an, in die Berufsfreiheit der Steuerberater einzugreifen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.02.2018 in der Fassung der
Bescheide vom 24.09.2018 und 25.09.2018 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2019 aufzuheben und festzustellen,
dass ihre selbständige Tätigkeit als R für Steuerseminare für die Zeit ab 01.09.2016 nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht
unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des SG.
Das mit Beschluss vom 13.07.2021 beigeladene Versorgungswerk der Steuerberater in Baden-Württemberg hat keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster
und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 28.02.2018 in der Gestalt der Bescheide vom 24.09.2018 und 25.09.2018
sowie des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2019, mit dem die Beklagte ab 01.09.2016 Rentenversicherungspflicht der Klägerin
(ausschließlich) für ihre selbständige Tätigkeit als R für Steuerseminare festgestellt und hierfür Beiträge angefordert hat.
Da die Beklagte mit Bescheid vom 25.09.2018 festgestellt hat, dass die Klägerin ab 01.01.2018 wegen Geringfügigkeit in ihrer
Tätigkeit versicherungsfrei ist, ist der Streitgegenstand auf die Zeit vom 01.09.2016 bis 31.12.2017 begrenzt.
Nicht Gegenstand ist, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, zudem der Bescheid vom 16.01.2020, mit dem die Beklagte Säumniszuschläge auf rückständige Beiträge
festgesetzt hat. Dieser Bescheid ändert oder ersetzt keinen vorangegangenen Bescheid.
Dass nach § 57 Abs. 3 Nr. 5 StBerG eine freie schriftstellerische Tätigkeit sowie eine freie Vortrags- und Lehrtätigkeit mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar
ist, führt nicht dazu, dass in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen
kann. § 57 Abs. 3 Nr. 5 StBerG enthält keine Regelung, dass solche Vortrags- und Lehrtätigkeiten Bestandteil oder Ausfluss der Steuerberatertätigkeit sind.
§ 57 Abs. 3 Nr. 5 StBerG erlaubt solche Tätigkeiten nur, wobei entgegen der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten nach dem Wortlaut die freien Tätigkeiten
nicht einmal im Zusammenhang mit dem Berufsbild des Steuerberaters stehen müssen. Vielmehr geht der Gesetzgeber sogar im Umkehrschluss
wohl davon aus, dass ein Steuerberater neben seiner Tätigkeit als Steuerberater noch eine freie Lehrtätigkeit ausüben kann
und diese nicht Teil der Steuerberatertätigkeit ist. Denn sonst wäre die Regelung überflüssig.
Eine künstliche Aufspaltung der Tätigkeit der Klägerin in steuerberatende Tätigkeiten und die hier gegenständliche Vortrags-
und Lehrtätigkeit erfolgt durch das SG nicht. Es kann als zutreffend unterstellt werden, dass die Abhaltung der Steuerseminare der Klägerin zur Akquisition von
Kunden diente. Deshalb wird die Tätigkeit für sich aber keine Steuerberatertätigkeit. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit der
Steuerberater kann der Senat nicht erkennen. Die freie Vortrags- und Lehrtätigkeit ist nicht untrennbarer Teil der Steuerberatertätigkeit.
Der Umstand, dass die Klägerin in den Steuerseminaren konkrete Fragen der Seminarteilnehmer, die am Anfang ihrer beruflichen
Selbständigkeit stehen, beantwortet, führt nicht dazu, dass die Klägerin insoweit im jeweiligen Mandatsverhältnis steuerberatend
tätig wird. Vielmehr ist die Beantwortung spezifischer Fragestellungen von Seminarteilnehmern in Anwesenheit aller Teilnehmer
regelmäßig Teil einer Lehrveranstaltung und keine individuelle Rechtsberatung im Mandantenverhältnis.
Zwar bedarf es grundsätzlich der Abgrenzung einer Lehrtätigkeit von einer Beratertätigkeit, welche regelmäßig nicht der Versicherungspflicht
nach §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI unterliegt. Anders als die Lehrtätigkeit, die wesentlich auf eine Wissensvermittlung für eine unbestimmte Vielzahl unbestimmter
Anwendungssituationen geprägt ist, liegt der Schwerpunkt der Beratertätigkeit gerade auf der Eröffnung konkreter Handlungsmöglichkeiten
zu einem bestimmten Anwendungszweck. Ein derartiges Verständnis, das Beratung und Lehre rechtlich wesentlich unterscheidet,
liegt etwa auch § 2 Abs. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) zugrunde. Wo sich die Bereiche der Lehr- und Beratertätigkeit überlagern, müssen sie nach ihrem sachlichen Schwerpunkt getrennt
werden: Während Lehrer eher generelles Wissen vermitteln, das die Lernenden aufnehmen und rezipieren sollen, gehen Berater
regelmäßig auf individuelle Probleme des jeweils Ratsuchenden konkret helfend ein. Dafür analysieren Berater aufgrund ihrer
fachspezifischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen typischerweise ein fachliches (Einzel-)Problem des Klienten, dem
sie ihr Wissen zur Verfügung stellen und dem sie in helfender Absicht spezifische und eher individualisierte Ratschläge erteilen.
Sie erarbeiten nach den Standards ihres jeweiligen Fachgebiets oftmals eine konkrete Lösung oder zeigen Handlungsoptionen
auf, deren Vor- und Nachteile sie in aller Regel erläutern. Dabei ist normalerweise unerheblich, ob die Beratenen den Lösungsweg
und die Gründe für die Handlungsempfehlung im Einzelnen nachvollziehen können. Ein begleitender Wissenstransfer ist daher
von eher untergeordneter Bedeutung, während er bei der Lehrertätigkeit im Fokus steht und gerade intendiert ist. Denn Lehrer
übertragen (im Idealfall) ihre Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen auf ihre "Schüler", wobei sie den Unterrichtsstoff
grundsätzlich (Ausnahmen: Einzelunterricht/Schulung von Kleinstgruppen) nicht spezifisch auf die Person und den Kontext des
Lernenden zuschneiden. Dagegen sind Beratungssituationen eher durch eine Nähe zur Lebenssituation des Klienten und dessen
konkreten Problemen gekennzeichnet. Wird Wissen an eine Gruppe von Teilnehmern vermittelt, so spricht dies eher für eine Lehrertätigkeit,
während sich Berater eher mit den spezifischen Problemen von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen befassen. Hauptmotiv für die
Teilnahme an einer Beratung (und für die Befolgung eines etwaigen Ratschlags) ist daher die Aussicht auf eine erfolgreiche
und gelingende Problemlösung, während der Antrieb zur Schulungsteilnahme primär im erhofften Wissens- und Erkenntnisgewinn
liegt und eher auf den Erwerb eigener Problemlösungskompetenzen ausgerichtet ist (BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 5 RE 23/14 R -, in juris). Für den Senat steht aufgrund des gesamten Akteninhalts zweifelsfrei
fest, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin als R für Steuerseminare um eine reine Lehrtätigkeit handelt. Dafür spricht
schon, dass die Klägerin in ihren Rechnungen die Veranstaltungen als "Seminarveranstaltungen" benennt und im Statusfeststellungsverfahren
von einer "Unterrichtstätigkeit" und einem "Lehrauftrag" spricht. Dort hat sie ausgeführt, dass sie anhand von Seminarunterlagen
Seminare frei halte, Fragen der Teilnehmer spontan beantworte und weiterführende Fragen in den Pausen kläre. All das ist typisch
für eine Lehrtätigkeit. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin zudem erklärt, dass vor Beginn der Veranstaltungen wohl keine Steuerberaterverträge geschlossen werden.
Vielmehr ergebe es sich oft, dass Teilnehmer im Nachhinein auf sie zugingen und sie um Leistungen in der Steuerberatung bäten.
Dann werde auch ein Mandat erteilt. Diese glaubhafte Aussage spricht auch gegen die Qualifizierung der Seminartätigkeit als
Beratungsleistung.
Der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsprechung zur Haftung eines Steuerberaters auch bei stillschweigend abgeschlossenen
Auskunftsverträgen führt zu keinem anderen Ergebnis. Sie betrifft sämtlich andere Sachverhalte und nicht eine Seminartätigkeit.
Im Übrigen würde auch die Annahme von einzelnen Auskunftsverträgen zwischen der Klägerin und einzelnen Seminarteilnehmern,
welche eine Haftung für Falschauskünfte begründen könnte, nicht gegen eine Lehrtätigkeit im Übrigen sprechen. Sie könnten
im Einzelfall bei konkreter individueller Rechtsberatung hinzutreten, ohne dass dadurch die gesamte Seminartätigkeit zu einer
Steuerberatertätigkeit wird.
Der Umstand, dass die Beitragsfestsetzung 2019 durch das Versorgungswerk der Steuerberater in Baden-Württemberg "vorbehaltlich
Änderungen bei Abweisung [der] Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund" erfolgte und das
Versorgungswerk 2016 mitteilte, dass es davon ausgehe, dass die Tätigkeit als R nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege,
führt nicht zum Erfolg der Klage. Die ursprüngliche Rechtsauffassung des Versorgungswerks ist unbeachtlich. Zudem versteht
der Senat die Beitragsfestsetzung vom 03.04.2019 so, dass bei Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung die Beitragsfestsetzung
hinsichtlich des Versorgungswerks angepasst wird.
Es steht für den Senat im Übrigen zweifelfrei fest, dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als R für Steuerseminare
jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitraum keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigte.
Fehler in der Beitragsbemessung und -festsetzung sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.