Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende, Rechtsschutzbedürfnis bei einstweiligem Rechtsschutz im sozialgerichtlichen
Verfahren, Abwarten der Sanktionsentscheidung
Gründe:
I. Der 1954 geborene Antragsteller bezieht von der Antragsgegnerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Von Juni 2007 bis November 2007 bezog er monatliche Leistungen in Höhe von 545 EUR
und für die Zeit von Dezember 2007 bis Mai 2008 wurden ihm mit Bescheid vom 06.11.2007 Leistungen in Höhe von monatlich 547
EUR (347 EUR Regelleistung und 200 EUR Kosten der Unterkunft) zuerkannt. Mit Schreiben vom 11.10.2007 forderte ihn die Antragsgegnerin
auf, an einer Integrationsmaßnahme bei der Fa. I. mit der Bezeichnung "Job fit (Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit)"
teilzunehmen. Die Maßnahme sollte vom 17.10.2007 bis zum 14.10.2008 dauern. Der Antragsteller wurde in dem Schreiben u.a.
darauf hingewiesen, dass für die Dauer der Maßnahme Arbeitslosengeld II weitergewährt werde, soweit diese Leistung beansprucht
werden könne. Die Maßnahmekosten und die Kosten für die notwendige Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel würden von der Antragsgegnerin
getragen. Das Schreiben enthielt ferner eine Reihe von Hinweisen und Rechtsfolgenbelehrungen.
Der Antragsteller hat bislang an dieser Maßnahme nicht teilgenommen. Am 15.10.2007 hat er sich an das Landessozialgericht
Baden-Württemberg (LSG) gewandt mit dem Antrag, dass "die kommende Kürzung beim LSG in Stuttgart verhandelt wird." Es müsse
endlich durch richterliches Urteil geklärt werden, wie oft die Antragsgegnerin dieselbe Maßnahme, die ja nicht billig sei,
dem Arbeitsuchenden geben könne. Er werde sich überlegen, sich das Leben zu nehmen, wenn nicht endlich die Schikane aufhöre.
Das LSG hat sich mit Beschluss vom 29.10.2007 (L 2 AS 4950/07 ER) für unzuständig erklärt und den Antrag an das sachlich und
örtlich zuständige Sozialgericht Freiburg (SG) verwiesen. Mit Beschluss vom 21.11.2007 hat das SG den Antrag auf einstweiligen
Rechtsschutz abgewiesen. Der Antragsteller hat am 27.11.2007 Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt, der das SG nicht
abgeholfen hat.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Für den Erlass der vom Antragsteller begehrten Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes
fehlt es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach
§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.10.2007, in dem diese
dem Antragsteller die Teilnahme an der Integrationsmaßnahme vorgeschlagen hat, ist weder seinem Inhalt noch seiner Form nach
ein Verwaltungsakt. Zwar könnte darin (auch) ein Verwaltungsakt gesehen werden, mit dem dem Antragsteller eine (von ihm allerdings
nicht beantragte) Leistung bewilligt wird, obgleich - abgesehen von einem Hinweis auf § 16 SGB II - die konkrete Rechtsgrundlage
in dem Schreiben nicht bezeichnet wird. Doch fehlt es in jedem Fall an einer (belastenden) Regelung, die den Antragsteller
zur Teilnahme an der bewilligten Maßnahme verpflichtet. Da es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands
geht, kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung
verlangt nicht nur die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen
Entscheidung. Es muss auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis für eine Tätigwerden des Gerichts gegeben sein. Daran fehlt
es hier.
Soweit der Antragsteller die - vorläufige - Feststellung erstrebt, dass er zur Teilnahme an der von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen
Maßnahme nicht verpflichtet ist, hat sich sein Anliegen durch Zeitablauf erledigt. Die Maßnahme sollte nach dem Schreiben
der Antragstellerin vom 11.10.2007 bereits am 17.10.2007 beginnen. Durch sein Fernbleiben hat der Antragsteller bereits Tatsachen
geschaffen, die auch durch eine vorläufige Regelungsanordnung nicht mehr geändert werden können. Es kann deshalb nur noch
darum gehen, ob und ggf. welche Folgen sich für den Antragsteller hieraus ergeben.
Soweit der Antragsteller eine möglicherweise drohende Kürzung der Regelleistung wegen Nichtteilnahme an einer vom Grundsicherungsträger
vorgeschlagenen Maßnahme verhindern will, erstrebt er vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz gegen eine künftig zu erwartende
hoheitliche Maßnahme. Die Vorschrift des § 86b Abs. 2 SGG gewährt im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art.
20 Abs. 2 S. 2 GG) prinzipiell jedoch keinen vorbeugenden Rechtsschutz mit dem Ziel, die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung
und ihre Aufgabenerfüllung durch richterliche Anordnungen einzuengen, indem ihr durch Gerichtsbeschluss der Erlass eines belastenden
Verwaltungsakts verboten werden soll. Dem von einer solchen Maßnahme Betroffenen ist es grundsätzlich vielmehr zuzumuten,
den Verwaltungsakt abzuwarten und sodann die hiergegen eröffneten Rechtsbehelfe und Rechtsmittel auszuschöpfen. Seinem Rechtsschutzbedürfnis
ist regelmäßig dadurch Genüge getan, dass er die Aussetzung des Vollzugs des Verwaltungsakts erstreiten kann (vgl. BayVGH
Beschluss vom 31.05.2005, 11 CE 05.921, veröffentlicht in juris, mwN).
Anderes gilt wegen des Verfassungsgebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nur dann, wenn der Verweis auf die
Inanspruchnahme nachgängigen Rechtsschutzes, auch nachgängigen vorläufigen Rechtsschutzes, mit unzumutbaren Nachteilen verbunden
wäre. Deshalb muss ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse vorliegen
(vgl. dazu etwa BSG, Urt. vom 15. November 1995, - 6 Ka 17/95 -; BVerwGE 81, 329, 347). In besonderem Maße gilt das für das
Begehren nach vorläufigem vorbeugendem Rechtsschutz (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.04.2006, L 5 KR 890/06 ER-B,
veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Ein solches Rechtsschutzinteresse des Antragstellers ist im vorliegenden Fall weder dargetan noch ersichtlich. Dem Antragsteller
ist es vielmehr zuzumuten, den Erlass eines Kürzungs- oder Absenkungsbescheides abzuwarten und dann gegen diesen Bescheid
gerichtlich vorzugehen. Das Schreiben vom 11.10.2007 enthält zwar eine Reihe von Hinweisen und Rechtsfolgenbelehrungen. Ob
aber tatsächlich ein Kürzungsbescheid ergehen wird, ist fraglich. Denn abgesehen davon, dass unklar ist, auf welcher genauen
Rechtsgrundlage die vorgeschlagene Integrationsmaßnahme beruht - das Schreiben enthält nur einen Hinweis auf § 16 SGB II -
und auch eine konkret auf die vorgeschlagene Maßnahme bezogene Belehrung fehlt, wird nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II nur
der Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme sanktioniert. Nicht erfasst vom Sanktionstatbestand wird der Fall, dass eine Eingliederungsmaßnahme
gar nicht erst begonnen wird (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II § 31 RdNr. 22). Dies kommt auch in dem Schreiben der Antragsgegnerin
vom 11.10.2007 zum Ausdruck, in dem auf die Verletzung von Grundpflichten abgestellt wird und darunter nur den Abbruch einer
Maßnahme verstanden wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).