Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen in Höhe von insgesamt 79.890,76
Euro im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 für die Tätigkeit des Beigeladenen, eines Gesellschafters der klagenden GmbH.
Die Klägerin ist im Bereich des Heizungs- und Sanitärbaus tätig. Sie wurde am 29.06.2009 in der Rechtsform einer haftungsbeschränkten
Unternehmergesellschaft (UG) mit einem Stammkapital von 5.000 Euro von dem Beigeladenen und dem weiteren Gesellschafter H.
gegründet. Nach dem notariellen Gründungsvertrag vom selben Tag übernahmen die Gesellschafter jeweils einen Geschäftsanteil
von 2.500 Euro. Zum Geschäftsführer wurde der Gesellschafter H. bestellt, der von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit wurde.
Mit Beschluss vom 08.07.2009 bestellte die Gesellschafterversammlung der Klägerin den Beigeladenen zum "vertretungsberechtigten
Betriebsleiter". Am selben Tag wurde mit dem Beigeladenen mit Wirkung zum 01.08.2009 ein "Betriebsleiter-Anstellungsvertrag"
geschlossen, der u.a. folgende Regelungen enthielt:
" [...]
Vorbemerkung
Die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft hat am 08.07.2009 Herrn F. mit Wirkung zum 01.08.2009 zum vertretungsberechtigten
Betriebsleiter bestellt.
§ 1 Aufgaben und Pflichten
(1) Herr F. ist Betriebsleiter der Gesellschaft. Er vertritt die Gesellschaft nach Maßgabe der Vorschriften des Gesellschaftsvertrags
und der Geschäftsordnung der Gesellschaft in ihrer jeweiligen Fassung sowie der Bestimmungen der Gesellschafter als stellvertretender
Geschäftsführer und Betriebsleiter.
(2) Die Gesellschaft kann weitere Betriebsleiter bestellen.
(3) Im Rahmen der Geschäftsführung hat der Betriebsleiter für die wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Belange
der Gesellschaft in bester Weise zu sorgen.
(5) Bei allen Entscheidungen muss sich der Betriebsleiter allein vom Wohl der Gesellschaft leiten lassen.
(6) Der Betriebsleiter hat die ihm obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen.
(7) Der Betriebsleiter hat seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft
zur Verfügung zu stellen, soweit sich nicht aus Nachfolgendem etwas anderes ergibt. Die Übernahme einer entgeltlichen oder
unentgeltlichen Nebentätigkeit, von Ehrenämtern, von Aufsichtsrats-, Beirats- und ähnlichen Mandaten sowie von Gutachten,
Veröffentlichungen und Vorträgen bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter.
(8) Dem Betriebsleiter ist untersagt, sich während der Dauer dieses Anstellungsverhältnisses selbst oder mittelbar an einem
Unternehmen zu beteiligen, das mit der Gesellschaft in Konkurrenz steht oder in wesentlichem Umfang Geschäftsbeziehungen mit
der Gesellschaft unterhält. Ausnahmen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter.
§ 2 Vertragsdauer
(1) Dieser Vertrag beginnt am 01.08.2009.
(2) Er wird unbefristet abgeschlossen.
(3) Der Vertrag ist jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Ein wichtiger Grund liegt für die Gesellschaft insbesondere
vor, wenn
- der Betriebsleiter Aufgaben und Pflichten gemäß § l des Vertrags verletzt,
- der Betriebsleiter gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt.
(4) Die Kündigung dieses Vertrags bedarf der Schriftform. Die Kündigung durch den Betriebsleiter ist, wenn ein weiterer Geschäftsführer
vorhanden ist, gegenüber der Gesellschaft zu erklären, sonst gegenüber dem Gesellschafter mit der höchsten Kapitalbeteiligung
an der Gesellschaft. Die Kündigung durch die Gesellschaft erfolgt durch schriftliche Mitteilung eines entsprechenden Beschlusses
der Gesellschafter.
(5) Nach einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung dieses Vertrags, gleich durch welche Partei, ist die Gesellschaft
jederzeit befugt, den Betriebsleiter von seiner Verpflichtung zur Dienstleistung für die Gesellschaft sofort freizustellen.
Die übrigen Ansprüche aus dem Betriebsleitervertrag bleiben unberührt.
(6) Die Bestellung von Herrn F. zum Betriebsleiter kann durch Beschluss der Gesellschafter jederzeit widerrufen werden, unbeschadet
seiner etwaigen Entschädigungsansprüche aus diesem Vertrag. Der Widerruf gilt als Kündigung dieses Vertrags zum nächstmöglichen
Zeitpunkt.
§ 3 Bezüge
(1) Der Betriebsleiter erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein Jahresgehalt von 30.000 EUR brutto. Das Jahresgehalt wird
in 12 gleichen Raten unter Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge zur Mitte eines jeden Kalendermonats gezahlt, erstmals zum
01.08.2009.
(2) Ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden, Sonntags-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit besteht nicht.
(3) [...]
§ 4 Bezüge bei Krankheit und Tod
(1) Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Betriebsleiters, die durch Krankheit oder aus einem anderen, von dem
Geschäftsführer nicht zu vertretenden Grund eintritt, werden die Bezüge gemäß § 3 Ziffer (1) für 3 Monate weitergezahlt, und
zwar unter Abzug eines Betrags, der dem von der Krankenkasse gezahlten Krankengeld entspricht. Die Fortzahlung der Bezüge
erfolgt jedoch längstens bis zur Beendigung dieses Vertrags.
(2) Stirbt der Betriebsleiter während der Dauer dieses Vertrags, so haben seine Witwe und seine ehelichen Kinder, soweit diese
das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und noch in der Berufsausbildung stehen, als Gesamtgläubiger Anspruch auf Fortzahlung
des Gehalts gemäß § 3 Ziffer (1) für den Sterbemonat und die drei folgenden Monate.
§ 5 Arbeitszeit
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden.
§ 6 Arbeitsverhinderung, Krankheit
(1) Ist der Mitarbeiter durch Krankheit oder sonstige unvorhergesehene Ereignisse an der Erbringung seiner Arbeitsleistung
gehindert, so hat er dies der Gesellschaft unverzüglich mitzuteilen und die Gründe hierfür anzugeben. Die voraussichtliche
Dauer der Verhinderung ist der Gesellschaft gleichzeitig mitzuteilen.
(2) Ist der Betriebsleiter infolge von auf Krankheit beruhender Arbeitsunfähigkeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung
gehindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so erhält er Gehaltsfortzahlung:
- für die Dauer von 12 Monaten
- nach den gesetzlichen Vorschriften.
(3) [...]
§ 7 Urlaub
Der Betriebsleiter hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Die beabsichtigte Urlaubszeit ist mit den Geschäftsführer
abzustimmen. ...
§ 8 Lebensversicherung
Der Betriebsleiter hat keinen Anspruch auf eine Pension der Gesellschaft. Soweit und solange dieser Anstellungsvertrag jedoch
besteht, wird die Gesellschaft dem Betriebsleiter - ggf. pro rata temporis - dessen Jahresbeitrag zu einer Lebensversicherung
erstatten. [...]
§ 9 Sonstige Leistungen
(1) Dem Betriebsleiter wird für seine Tätigkeit im Rahmen dieses Vertrags ein Firmenwagen der gehobenen Mittelklasse (BMW,
Audi o.ä.) zur Verfügung gestellt, der auch zu privaten Zwecken genutzt werden kann. ...
(2) Die Gesellschaft erstattet dem Betriebsleiter die Aufwendungen, die ihm in der Ausübung seiner Aufgaben entstehen, einschließlich
Reise- und Bewirtungskosten, im Rahmen der jeweils steuerlich zulässigen Höchstgrenzen, Der Betriebsleiter muss seine Auslagen
belegen, soweit üblicherweise Belege erteilt werden. Im Übrigen reichen Eigenbelege aus (z.B. für Telefonate und Trinkgelder).
(3) [...]
[...]".
Mit dem Gesellschafter H. wurde ebenfalls am 08.07.2009 ein "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag" mit Wirkung zum 01.07.2009
geschlossen. In dessen § 1 wurden folgende Regelungen getroffen:
"(1) Herr H. ist Geschäftsführer der Gesellschaft. Er vertritt die Gesellschaft nach Maßgabe der Vorschriften des Gesellschaftsvertrags
und der Geschäftsordnung der Gesellschaft in ihrer jeweiligen Fassung sowie der Bestimmungen der Gesellschafter.
(2) Die Gesellschaft kann weitere Geschäftsführer bestellen.
(3) Der Geschäftsführer führt die Geschäfte nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags, der von den Gesellschaftern
erlassenen Geschäftsordnung und der sonstigen Bestimmungen der Gesellschafter.
(4) Im Rahmen der Geschäftsführung hat der Geschäftsführer für die wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Belange
der Gesellschaft in bester Weise zu sorgen.
(5) Bei allen Entscheidungen muss sich der Geschäftsführer allein vom Wohl der Gesellschaft leiten lassen.
(6) Der Geschäftsführer hat die ihm obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen.
(7) Der Geschäftsführer hat seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft
zur Verfügung zu stellen, soweit sich nicht aus Nachfolgendem etwas anderes ergibt. Die Übernahme einer entgeltlichen oder
unentgeltlichen Nebentätigkeit, von Ehrenämtern, von Aufsichtsrats-, Beirats- und ähnlichen Mandaten sowie von Gutachten,
Veröffentlichungen und Vortragen bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter.
(8) Dem Geschäftsführer ist untersagt, sich während der Dauer dieses Anstellungsverhältnisses selbst oder mittelbar an einem
Unternehmen zu beteiligen, das mit der Gesellschaft in Konkurrenz steht oder in wesentlichem Umfang Geschäftsbeziehungen mit
der Gesellschaft unterhält. Ausnahmen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter.
(9) Der Geschäftsführer berichtet den Gesellschaftern regelmäßig, mindestens einmal je Quartal, sowie unverzüglich im Falle
außergewöhnlicher Ereignisse schriftlich über die Entwicklung des Geschäfts.
[...]"
Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Vereinbarungen über die Bezüge, Arbeitszeit, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalls
und Urlaubsansprüche, entspricht der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag dem Betriebsleiter-Anstellungsvertrag.
Zum 30.07.2009 wurde die UG mit dem Geschäftsführer H. in das Handelsregister eingetragen (s. Handelsregisterauszug Bl. I
22 VA).
Das monatliche Gehalt des Beigeladenen betrug im Jahre 2013 3.500 Euro monatlich zuzüglich eines Verpflegungszuschusses von
90 Euro; ab 01.01.2014 wurde der Verpflegungszuschuss auf 180 Euro erhöht; ab 01.08.2014 betrug das Gehalt 4.000 Euro zuzüglich
eines Verpflegungszuschusses von 180 Euro. Im November 2013, 2015 und 2016 wurde ein Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils 2.000
Euro und im November 2014 in Höhe von 3.000 Euro gewährt. Im März 2014 wurde eine Tantieme in Höhe von 6.320,83 Euro ausgezahlt.
Sowohl H. als auch der Beigeladene verpflichteten sich zu selbstschuldnerischen Bürgschaften in jeweils gleicher Höhe (Darlehensverträge
mit der Volksbank Hohenlohe vom 16.01.2015 und 03.03.2016 mit selbstschuldnerischen Bürgschaften in Höhe von jeweils 90.000
€ bzw. 30.000 €).
Vom 03.05.2017 bis 29.11.2017 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 durch.
Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung gaben die Gesellschafter am 05.05.2017 an, dass die Firma vor
der Gründung der UG in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestanden habe. Inhaber seien auch damals H. und
der Beigeladene mit einem Kapitalanteil von je 50 Prozent gewesen. Das Stammkapital der Klägerin betrage 5.000 Euro; die Gesellschafter
hielten einen Anteil von jeweils 50 Prozent. Die Beschlussfassung erfolge mit einfacher Mehrheit. Im Rahmen seiner Tätigkeit
für die Klägerin unterliege der Beigeladene keinen Weisungen und könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Er könne
selbständig Personal einstellen und entlassen. Seinen Urlaub müsse er nicht genehmigen lassen. Es sei eine monatliche gleichbleibende
Vergütung in Höhe von 2.500 Euro und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vereinbart. Zudem erhalte er erfolgsabhängige Bezüge
in Form von Tantiemen. Er habe eine Kontovollmacht für sämtliche Konten der Gesellschaft und handele wie ein eingetragener
Geschäftsführer. Er sei nur deshalb nicht als Geschäftsführer eingetragen worden, weil eine Standardgründung mit nur einem
Geschäftsführer einfacher gewesen sei. Der Klägerin habe er ein Darlehen in Höhe von 5.250 Euro gewährt und für diese Bürgschaften
übernommen.
Weiter legte die Klägerin einen im Zusammenhang mit der Änderung der Rechtsform erstellten Business-Plan vor. In diesem werden
beide Gesellschafter als Gründerpersonen und verantwortliche Leiter der GbR genannt; der Verantwortungsbereich "Geschäftsleitung"
wird beiden zugeordnet.
Mit Wirkung vom 25.07.2017 wurde die UG in eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 Euro umgewandelt und nunmehr auch der
Beigeladene als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen (beide Geschäftsführer als einzelvertretungsberechtigt).
Mit Schreiben vom 01.09.2017 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Festsetzung einer Nachforderung zur Sozialversicherung
in Höhe von insgesamt 79.870,76 Euro für die Tätigkeit des Beigeladenen an. Dieser übe seine Tätigkeit als mitarbeitender
Gesellschafter seit 01.08.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus.
Im Rahmen der Anhörung trug die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2017 vor, dass die UG ursprünglich von H. und dem Beigeladenen
als GbR gegründet worden sei, in der Risiken, Aufgaben, Pflichten und Rechte völlig gleich verteilt gewesen seien. Aus Haftungsgründen
hätten sich die Gesellschafter 2009 entschlossen, daraus eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft zu gründen. Im Innenverhältnis
zwischen den Gesellschaftern sei keine Veränderung eingetreten. Lediglich aus Gründen des Notarkostenrechts sei nur der Gesellschafter
H. als Geschäftsführer der neuen Gesellschaft eingetragen worden. Die Gründungskosten seien wesentlich niedriger, wenn ein
gesetzlich vorgegebenes Musterprotokoll verwendet werden könne, das nicht verändert werden dürfe. Dieses sehe maximal drei
Gesellschafter und einen Geschäftsführer vor. Dass H. und nicht der Beigeladene zum Geschäftsführer ernannt worden sei, beruhe
ausschließlich auf der zufälligen Tatsache, dass im ursprünglichen Firmennamen der GbR der Name des H. der erstgenannte gewesen
sei. H. habe zudem seit Beginn der gemeinsamen selbständigen Tätigkeit die gleichen Ansprüche auf ein monatliches Festgehalt,
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Erholungsurlaub. Der Anstellungsvertrag mit dem Beigeladenen sei insoweit
nichts anderes als ein laienhaft umgeschriebener Geschäftsführervertrag des H. Gerade die unübliche Dauer der vereinbarten
Entgeltfortzahlung zeige die besondere Stellung des Beigeladenen. Die Regelung im Anstellungsvertrag hinsichtlich der Vertretung
der Gesellschaft als "stellvertretender Geschäftsführer" sei als eine Geschäftsführerbestellung zu werten. Rechtlich sei der
Beigeladene dem Geschäftsführer H. gleichgestellt gewesen. Er habe auch eine umfassende Vollmacht für alle Konten der Gesellschaft.
Der Beigeladene könne die Zeit, den Ort und die Art der Arbeitsausführung selbst bestimmen. Er sei befugt, Personal einzustellen
und zu entlassen. Die beiden Gesellschafter hätten in gleicher Höhe selbstschuldnerische Bürgschaften für diverse Darlehen
der Gesellschaft übernommen. Mittlerweile sei die UG in eine GmbH umgewandelt und beide Gesellschafter seien formell zum Geschäftsführer
bestellt worden. Der Beigeladene übe seine Tätigkeit nach wie vor gleichberechtigt und gleichverpflichtet neben seinem Partner
H. aus. In der Gesamtbetrachtung sei für einen kurzen Zeitraum lediglich eine "kleine Formalie" missachtet worden, was nicht
zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen könne.
Mit Bescheid vom 10.01.2018 setzte die Beklagte für die Tätigkeit des Beigeladenen im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016
eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 79.870,76 Euro fest. Zur Begründung führte sie aus, die Tätigkeit als mitarbeitender
Gesellschafter sei im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden. Es habe Versicherungspflicht in
der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden. Entscheidend sei die Rechtsmacht
innerhalb der Gesellschaft. Im Anstellungsvertrag werde die Tätigkeit als "Betriebsleiter" und "stellvertretender Geschäftsführer"
bezeichnet. Eine Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister sei aber nicht erfolgt. Die Bezeichnung als "stellvertretender
Geschäftsführer" sei nicht relevant, solange keine tatsächliche, durch die Eintragung im Handelsregister nachgewiesene Bestellung
zum Geschäftsführer erfolgt sei. Für einen mitarbeitenden Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion sei eine abhängige Beschäftigung
grundsätzlich ausgeschlossen, wenn er über mehr als 50 Prozent des Stammkapitals verfüge. Mit seinem Kapitalanteil von 50
Prozent könne der Beigeladene aber keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Seine Rechtsmacht
erschöpfe sich darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Eine freie Bestimmung über Zeit, Ort und Art
der Arbeitsausübung sei bei Diensten höherer Art üblich. Auch weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines leitenden Angestellten
allein machten diesen nicht zu einem Selbständigen. Die vereinbarte feste Entlohnung und Ansprüche auf Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall und bezahlten Erholungsurlaub sprächen für eine abhängige Beschäftigung. Hinsichtlich der vereinbarten Anspruchsdauer
der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von drei Monaten (statt der gesetzlich vorgesehenen sechs Wochen) liege eine Besserstellung
gegenüber einem normalen Arbeitnehmer vor. Im Gegensatz zum eingetragenen Geschäftsführer H. trage der Beigeladene nicht das
Risiko der Geschäftsführerhaftung. Damit sei sein unternehmerisches Risiko geringer. Die Übernahme von Bürgschaften und die
Gewährung von Darlehen begründe für sich allein noch kein unternehmerisches Risiko.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Sie begründete dies
im Wesentlichen damit, dass die Beklagte fehlerhaft auf die fehlende Handelsregistereintragung abgestellt habe.
Mit Schreiben vom 13.02.2018 setzte die Beklagte die Vollziehung des angefochtenen Bescheides wegen unbilliger Härte bis zum
Abschluss des Widerspruchsverfahrens aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung
der Tätigkeit relevanten und Entscheidung erheblichen Tatsachen überwögen weiterhin die Merkmale für eine versicherungspflichtige
Beschäftigung. So sei der Beigeladene im maßgeblichen Zeitraum weder zum Geschäftsführer bestellt noch ins Handelsregister
eingetragen worden. Insoweit sei er von den Kunden der Klägerin nicht als Geschäftsführer wahrgenommen worden. Die vom Beigeladenen
übernommenen Darlehen und Bürgschaften würden lediglich ein Indiz für eine selbständigen Tätigkeit darstellen.
Am 09.11.2018 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Sie macht in Ergänzung ihres Vortrags geltend, dass beide Gesellschafter auch während der Phase, als nur ein Gesellschafter
als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen war, gleichberechtigt und gleichverpflichtet gewesen seien. Die Annahme,
dass der eingetragene Geschäftsführer nur aufgrund seiner formalen Stellung seinem gleichberechtigten Partner in einem Zwei-Mann-Handwerksbetrieb
verbindliche Weisungen erteilen könne, sei fernliegend.
Mit Urteil vom 30.01.2020 hat das SG den Bescheid vom 10.01.2018 der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2018 aufgehoben: Zu Unrecht sei die Beklagte
davon ausgegangen, dass der Beigeladene abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte habe zu Unrecht angenommen, dass der
Beigeladene mangels einer formellen Eintragung in das Handelsregister nicht als Geschäftsführer anzusehen sei. Entscheidend
sei vielmehr, ob der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum eine Geschäftsführerstellung innegehabt habe. Da er nach
§ 1 Abs. 1 des Betriebsleiter-Anstellungsvertrages die Gesellschaft "als stellvertretender Geschäftsführer und Betriebsleiter"
vertrete, sei davon auszugehen, dass er zum stellvertretenden Geschäftsführer bestellt worden sei. Dies gelte umso mehr, weil
eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Beigeladenen im Innenverhältnis nicht ersichtlich sei. Selbst wenn die Bestellung
unwirksam gewesen wäre, hätte der Beigeladene in diesem Fall nach der "Lehre vom fehlerhaften Organ" oder jedenfalls als sog.
"faktischer Geschäftsführer" bis zur Beendigung der fehlerhaften Organstellung die gesetzlichen Pflichten eines ordnungsgemäß
bestellten Geschäftsführers zu. Denn er habe nach innen und außen als Geschäftsführer gehandelt. Unschädlich sei, dass der
Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum nicht als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen gewesen sei. Denn
die Eintragung als solche besitze lediglich deklaratorischen, keinen konstitutiven Charakter. Der Geschäftsführer (und damit
auch der stellvertretende Geschäftsführer) könne daher sofort nach der Bestellung, also noch vor der Anmeldung und Eintragung,
tätig werden. Im Übrigen habe der Beigeladene ein erhebliches unternehmerisches Haftungsrisiko mit den eingegangenen Darlehens-
und Bürgschaftsverpflichtungen getragen, welches nicht durch das im Betriebsleiter-Vertrag vereinbarte monatliche Gehalt und
andere Ansprüche ausgeglichen werde. Nach dem glaubhaften Vortrag der Gesellschafter sei der Beigeladene seit der Gründung
der GbR auch als selbständiger Mitinhaber des Unternehmens aufgetreten und von Geschäftspartnern als solcher angesehen worden.
Für diese Außenwirkung spreche bereits der Umstand, dass der Nachname des Beigeladenen Teil des Firmennamens ist. Der Betriebsleiter-Anstellungsvertrag
vom 08.07.2009 gewähre zwar einige arbeitnehmertypische Vorteile, insbesondere Ansprüche auf ein monatliches Fixgehalt, Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall, bezahlten Urlaub und Erstattung von Reisekosten und anderen betriebsbedingten Aufwendungen. Diese Vorteile
würden das bestehende unternehmerische Risiko aber nicht ausgleichen.
Gegen das ihr am 24.02.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.03.2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg
eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung komme es maßgeblich auf die
Bestellung des hälftig am Stammkapital beteiligten GmbH-Gesellschafters zum Geschäftsführer an. Denn nur dann habe er nicht
lediglich eine Verhinderungsmacht (wie ein hälftig am Stammkapital beteiligter GmbH-Gesellschafter), sondern sei auch in der
Lage, die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich zu beeinflussen. Bezugnehmend auf die Urteile des Bundesozialgerichts (BSG) vom 09.08.2008 (Az.: B 12 KR 3/06 R) und vom 05.03.2014 (Az.: B 12 KR 1/12 R) sowie auf den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 15.04.2019 (Az.: L 5 BA 611/19 ER-B) sei maßgeblich auf die Eintragung im Handelsregister abzustellen. Denn eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen
und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit
sozialversicherungsrechtlich- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Andernfalls stünde es gerade bei kleinen
Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zielgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung der Betroffenen im
Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Hier werde ein einheitliches Abstellen auf das Datum
der Eintragung in das Handelsregister der vom BSG ausdrücklich geforderten Vorhersehbarkeit und Nachprüfbarkeit gerecht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.01.2020 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.01.2018
in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2018 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, die Beklagte arbeite sich nunmehr ausschließlich
an der fehlenden Handelsregistereintragung ab. Das maßgebende Gesamtbild der Arbeitsleistung spiele nach Auffassung der Beklagten
offensichtlich keine Rolle mehr. Auch stellvertretende Geschäftsführer seien organschaftliche Vertreter der Gesellschaft.
Richtig habe das Sozialgericht erkannt, dass im konkreten Innenverhältnis keine Beschränkung der Vertretungsmacht vorlag,
welche jedoch durchaus möglich gewesen wäre. Jeder der Geschäftsführer sei durchgehend mit den gleichen Rechten und Pflichten
ausgestattet gewesen. Dies sei auch von den Kunden, Lieferanten und den Mitarbeitern der Klägerin so aufgefasst bzw. wahrgenommen
worden. Die Eintragung nach § 39 GmbHG habe nur deklaratorische Wirkung. Auch gesellschaftsrechtlich spreche alles für eine selbstständige Tätigkeit. Der Beigeladene
trage dieselben gesetzlichen Haftungsrisiken, wie der ordentliche Geschäftsführer. Hier liege eine rechtlich wirksame Bestellung
zum stellvertretenden Geschäftsführer vor, welche gemäß § 44 GmbHG zur Anwendung aller für Geschäftsführer gegebenen Vorschriften führe. Seit der Gründung des Betriebs der Klägerin bestehe
dieser in der gleichen Besetzung, mit gleichen Rechten und Pflichten der beiden Gesellschafter.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vom 12.10.2020 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen
Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die gemäß §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung nach §§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG entscheidet, ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10.10.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat für die Tätigkeit des Beigeladenen
zu Recht im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 79.870,76 € festgesetzt.
Mithin war das mit der Berufung angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2018. Der
Bescheid beruht auf § 28p Abs. 1
SGB IV. Hiernach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen
Pflichten nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insb. die Richtigkeit
der Beitragszahlung und der Meldungen (§
28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Im Rahmen der Prüfung erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht
und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich
der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (§ 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV; vgl. zur Zuständigkeit für den Erlass von Nachforderungsbescheiden auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.07.2010
- L 11 R 2595/10 ER-B -, in juris).
Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V), in der Rentenversicherung nach §
1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach §
25 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) und in der Pflegeversicherung nach §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Die hierzu korrespondierende Pflicht des Arbeitgebers zur anteiligen Tragung
der Beiträge folgt aus §
249 Abs.
1 SGB V, §
168 Abs.
1 Nr.
1 SGB VI, §
58 Abs.
1 Satz 1
SGB XI und §
346 Abs.
1 Satz 1
SGB III. Die Verpflichtung zur Tragung der Insolvenzgeldumlage folgt aus §
359 Abs.
1 Satz 1
SGB III.
Grundvoraussetzung für die Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses.
Der Beurteilungsmaßstab hierfür findet sich in §
7 Abs.
1 Satz 1
SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insb. in einem Arbeitsverhältnis. Nach §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist
und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess"
verfeinert sein (dazu BSG, Urteil vom 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -, in juris). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in
einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urteil vom 19.06.2001, - B 12 KR 44/00 R -, in juris). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte,
die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie
das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012, - B 12 KR 25/10 R -, in juris). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital
zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen
Erfolg hat. Entscheidend ist insofern, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt
wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber
das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.
Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach
entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für
sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend
ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich
relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Hierzu kann
insb. die Verteilung der Rechtsmacht in einem Unternehmen und die daraus folgende Rechtsstellung bzw. Rechtsmacht der Person
gehören, weshalb es vielfach ausschlaggebend darauf ankommt, ob die in Rede stehende Person ihre Tätigkeit in einem (im Rechtssinne)
"eigenen" oder in einem "fremden" (Einzel-)Unternehmen verrichtet bzw. - bei Kapitalgesellschaften, wie einer GmbH - ob und
in welchem Maße sie aufgrund einer Kapitalbeteiligung oder ggf. aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen über (Stimm-)Rechte
(in der Gesellschafterversammlung) verfügt und welche Rechtsmacht ihr daraus erwächst (dazu näher etwa BSG, Urteile vom 11.11.2015, - B 12 R 2/14 R - und B 12 KR 10/14 R -, in juris). Das Fehlen der den sozialversicherungsrechtlichen Status des selbstständig erwerbstätigen Unternehmers ausmachenden
Rechtsmacht im Unternehmen kann weder durch besonderes Fachwissen noch durch langjährige Berufserfahrung ausgeglichen werden.
Auch der besonders oder gar herausragend qualifizierte und kaum ersetzbare Arbeitnehmer wird allein deshalb nicht zum (Mit-)
Unternehmer neben dem Betriebsinhaber, sondern er bleibt abhängig Beschäftigter. Das gilt auch dann, wenn er faktisch "Kopf
und Seele" des Unternehmens ist und dieses nach eigenem "Gutdünken" leitet (BSG, Urteil vom 18.11.2015, - B 12 KR 16/13 R - und Urteile vom 29.07.2015, - B 12 R 1/15 R - und B 12 KR 23/13 R -, alle in juris).
Von diesen allgemeinen Grundsätzen ausgehend ist grundsätzlich auch der sozialversicherungsrechtliche Status eines Gesellschafters/Geschäftsführers
einer GmbH zu beurteilen. Dabei muss aber zusätzlich berücksichtigt werden, ob und mit welchem Anteil der Gesellschafter am
Stammkapital der GmbH beteiligt ist. Bei einer Kapitalgesellschaft, wie der GmbH, ist die Rechtsmacht in der Gesellschaft
und damit auch die Rechtsstellung als selbstständig erwerbstätiger Unternehmer oder abhängig beschäftigter Arbeitnehmer grundsätzlich
mit der Kapitalbeteiligung verknüpft. Der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus ergebenden Einflusses
auf die Gesellschaft und die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung stellen ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung
von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit dar. Gesellschaftsrechtliche Wertungen und Gestaltungen sind für
die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung aber nicht strikt zu übernehmen; eine uneingeschränkte Parallelität gibt
es insoweit nicht. Ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Statusentscheidung
bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung im Rahmen der Abwägung aller Umstände,
beurteilt sich ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungsrechtlichen
- Kontext des §
7 Abs.
1 SGB IV (BSG, Urteil vom 11.11.2015, - B 12 KR 13/14 R -, in juris). Kann der Gesellschafter/Geschäftsführer aufgrund seiner Gesellschafterstellung wesentlichen rechtlichen Einfluss
auf die Willensbildung der Gesellschaft ausüben, kommt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht in Betracht. Notwendig
hierfür ist, dass der Gesellschafter ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit im Bedarfsfall jederzeit verhindern
und so die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit des Arbeitnehmers von einem Arbeitgeber vermeiden kann (vgl.
BSG, Urteil vom 23.06.1994, - B 12 RK 72/92 -; Urteil vom 25.01.2006, - B 12 KR 30/04 R -, Urteil vom 11.11.2015, - B 12 KR 10/14 R -, jeweils in juris). Ein Gesellschafter/Geschäftsführer ist mithin nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig
tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die
Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können.
Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält. Ein Gesellschafter/Geschäftsführer,
der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig
beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 v.H. der Anteile am Stammkapital
hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"),
die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist.
Hiervon abzugrenzen ist die Beurteilung eines für die GmbH tätigen Gesellschafters, der nicht zu deren Geschäftsführer bestellt
ist. Ein solcher besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte nicht die Möglichkeit, seine Weisungsgebundenheit
als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag,
die vorliegend nicht ersichtlich sind, ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH nämlich
Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung. Deshalb bleibt der Gesellschafter in seiner
Eigenschaft als Angestellter rechtlich von Weisungen der Geschäftsführung abhängig. Die Rechtsmacht auch eines Gesellschafters
mit Sperrminorität erschöpft sich in solchen Fällen darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (BSG, Urteil vom 23.06.1994 - Az.: 12 RK 72/92 -, in juris).
Zwar wurde der Beigeladene mit Gesellschafterbeschluss vom 08.07.2009 entsprechend § 1 Abs. 1 des Betriebsleiter-Anstellungsvertrags
vom selben Tag mit Wirkung zum 01.08.2009 zum stellvertretenden Geschäftsführer und Betriebsleiter der Klägerin bestellt,
eine Eintragung in das Handelsregister ist jedoch erst am 25.07.2017 und damit zu einem Zeitpunkt erfolgt, für den (sowie
für die diesem Zeitpunkt folgenden Zeitraum) im Bescheid vom 10.01.2018 keine Beiträge erhoben werden. Ungeachtet des Vortrages,
dass die Geschäftsführerbestellung tatsächlich vollzogen worden ist, führt die Geschäftsführerbestellung statusrechtlich wegen
des Grundsatzes der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R -, in juris) nicht dazu, den Beigeladenen bei der Beurteilung des Bestehens der Rechtsmacht im oben umschriebenen Sinne als
Geschäftsführer der Antragstellerin einstufen zu können. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) können Gesellschafter oder andere Personen zu Geschäftsführern bestellt werden. Die Bestellung erfolgt nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts des GmbHG (u.a. im Fall der Führungslosigkeit). Nach § 39 Abs. 1 GmbHG ist jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers
zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (BSG, Urteil vom 29.07.2015 - B 12 KR 23/13 R -, in juris). Dies ist im streitbefangenen Zeitraum nicht erfolgt. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende
Abreden zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH vermögen statusrechtlich
die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse aber nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung
zu verschieben (so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2020 - Az.: L 4 BA 825/20 ER-B -, in juris, sowie Beschluss vom 15.04.2019 - Az.: L 5 BA 611/19 ER-B -, n.v.).
Dem außerhalb des Gründungsvertrages vom 29.06.2009 getroffenen Gesellschafterbeschluss vom 08.07.2009 sowie dem Betriebsleiter-Anstellungsvertrag
vom gleichen Tag kommt nicht die vom SG angenommene Bedeutung zu. Ein solcher Beschluss mag zwar gesellschaftsrechtlich zulässig sein. Sozialversicherungsrechtlich
entfaltet er jedoch keine Relevanz, weil er außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen wurde und ihm ohne notarielle Beurkundung
und Eintragung in das Handelsregister die insoweit erforderliche Publizität fehlt (zur rechtsbekundenden Wirkung der Handelsregistereintragung
vgl. auch BSG, Urteil vom 05.03.2014 - B 12 KR 1/12 R - in juris Rn. 28). Andernfalls wäre die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von der Entscheidung der Gesellschafter
abhängig, ob sie nicht beurkundete und nicht eingetragene Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags in Verkehr bringen
oder nicht (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2017 - L 5 KR 20/15 - in juris Rn. 32).
Die Eintragung im Handelsregister soll Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr im Außenverhältnis der Gesellschaft bieten (vgl.
zuletzt BSG, Urteil vom 19. Dezember 2019 - B 12 KR 9/18 R - Terminbericht des BSG Nr. 57/19, Ziff. 2). Die Offenlegung der Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft dient insgesamt der Sicherheit des Rechtsverkehrs.
Dem entspricht die Regelung in § 15 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB). Danach gilt: Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann
sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn,
dass sie diesem bekannt war. Diese erste Variante von § 15 Abs. 1 HGB gründet das Vertrauen des Rechtsverkehrs und damit auch des Dritten auf das Schweigen des Handelsregisters über die betreffende
Tatsache, woraus sich der Ausdruck der negativen Publizität ableitet (Förster, in: Heymann, HGB, 3. Aufl. 2020, § 15 Rn. 16). Die Pflicht zur Eintragung einer Änderung in den Personen der Geschäftsführer folgt jedoch unmittelbar aus § 39 Abs. 2 GmbHG (Förster, a.a.O., § 8 Rn. 16). Der (neue) Geschäftsführer hat zudem nach § 39 Abs. 3 GmbHG in der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die seiner Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 GmbHG entgegenstehen, und dass er über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt worden ist. Die
neuen Geschäftsführer haben mithin obligatorisch die in Abs. 3 vorgesehene Versicherung abzugeben.
Der Rechtssicherheit dient auch die Prüfung der Eintragung durch das Registergericht. Denn es ist Aufgabe des Registergerichts,
die Eintragung unrichtiger oder tatsächlich nicht bestehender Rechtsverhältnisse zu verhindern (LSG Baden-Württemberg, Beschluss
vom 08.04.2020 - Az.: L 4 BA 825/20 ER-B -, in juris Rn. 18 m.w.N.). Auch wenn es sich gesellschaftsrechtlich lediglich um eine deklaratorische Eintragung handelt,
ist das Registergericht bei begründeten Zweifeln berechtigt und verpflichtet, den wahren Sachverhalt aufzuklären (vgl. BGH,
Beschluss vom 21.06.2011 - Az.: II ZB 15/10 - in juris Rn. 10). All dies dient der Rechtssicherheit und damit auch der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher
(Anknüpfungs-)Tatbestände.
Vor der Eintragung in das Handelsregister ist für den prüfenden Versicherungsträger mithin nicht sicher erkennbar, ob (z.B.
im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 GmbHG) überhaupt auch nur die Eintragungsfähigkeit des (neuen) Geschäftsführers gegeben ist. Der Handelsregisterauszug manifestiert,
dass die Eintragung einer Rechtsprüfung unterzogen wurde (vgl. in anderem Zusammenhang BSG, Urteil vom 09.08.2006 - Az.: B 12 KR 3/06 R - in juris Rn. 23). Der Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister ist mithin für die statusrechtliche Beurteilung der
maßgebliche Zeitpunkt. Ab diesem Zeitpunkt manifestiert sich der Wille der Gesellschafter zur Bestellung eines (neuen) Geschäftsführers
in rechtlich anzuerkennender Weise (LSG, Beschluss vom 08.04.2020 - Az.: L 4 BA 825/20 ER-B -, in juris Rn. 19; vgl. allg. BSG, Urteil vom 29.07.2015 - Az.: B 12 KR 23/13 R - in juris Rn. 19).
Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 VwGO. Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt, weshalb er seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat (§
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
162 Abs.
3 VwGO).
III. Die Zulassung der Revision beruht auf §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG, da höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von GmbH-Gesellschaftern
maßgeblich auf deren Eintragung ins Handelsregister abzustellen ist.
IV. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §
197a SGG iVm. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 GKG.