Anerkennung eines Wegeunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung bei einer Unterbrechung des Betriebswegs durch ein privates
Gespräch
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei dem Unfall des Klägers am 21.08.2008 um einen Arbeitsunfall handelte.
Der am 1983 geborene Kläger war im August 2008, vermittelt über die Firma R., bei der P. Industrielackierungen GmbH und Co
& KG in R. (nachfolgend Fa. P.) als Leasingkraft (Staplerfahrer und Produktionshelfer) eingesetzt. Dieser Einsatz endete nach
dem Zeiterfassungssystem der Fa. P. am Donnerstag, den 21.08.2008, um 11:09 Uhr (Auskunft der Fa. P. Bl. 74/75 LSG-Akte).
Der Kläger begab sich zu Fuß auf den Weg zur ebenfalls in R. ansässigen Firma R., um seinen weiteren Einsatz zu klären. Hierbei
handelte es sich um einen Weg von mehreren Kilometern. Der Kläger wählte für die Bewältigung einen Fußweg entlang der M..
Wegen der genauen Wegführung und der alternativ in Betracht kommenden Strecken wird auf den Ausdruck des Stadtplans auf Bl.
35 LSG-Akte Bezug genommen.
Der vom Kläger gewählte Weg führte ihn an der Rückseite des Einzelhandelsunternehmens M. (nachfolgend M. ) vorbei, bei dem
er in der Vergangenheit schon gearbeitet hatte. Dort sah er seinen Bekannten, den nach wie vom beim M. beschäftigten Zeugen
P. (nachfolgend Zeuge P.), der gerade ein Tor öffnete, um dem späteren Unfallverursacher und LKW-Fahrer sowie dessen Beifahrer
Zugang zu Säcken mit leeren Plastikflaschen zu verschaffen, die diese abtransportieren sollten. Während der Beifahrer des
LKW begann, Säcke nach draußen zu tragen, schickte sich der Fahrer des LKW an, sein Fahrzeug näher an das Tor zu rangieren.
Der Kläger war zwischenzeitlich zum Zeugen P. gegangen und unterhielt sich mit ihm auf dem öffentlichen Gehweg in unmittelbarer
Nähe des Ladetors, u.a. über das kommende Wochenende. Wegen der räumlichen Gegebenheiten wird auf die von der Polizei erstellte
Handskizze sowie die Fotodokumentation Bezug genommen (Bl. 11, 51/71 VA). Der Fahrer des LKW fuhr sein Fahrzeug - ohne Warnsignal
- rückwärts näher an das Ladetor heran, wobei weder der Kläger noch der Zeuge P. - vertieft in das Gespräch - die sich daraus
und aus ihrem Standort ergebende Gefahr erkannten. Schließlich wurde der Kläger zwischen dem LKW und dem Wandstück neben dem
Ladetor eingeklemmt und schwer verletzt. Nach der polizeilichen Dokumentation ereignete sich der Unfall um 11:55 Uhr.
Mit Bescheid vom 06.11.2008 in der Gestalt des am 20.04.2009 zugestellten Widerspruchsbescheides vom 16.04.2009 lehnte die
Beklagte die Gewährung von Leistungen auf Grund des Ereignisses vom 21.08.2008 ab, da kein Versicherungsfall vorliege. Der
Kläger sei vom direkten Weg abgewichen und habe aus eigenwirtschaftlichen Gründen die Ladezone des M. es aufgesucht, um dort
private Kontakte zu pflegen. Die Unterhaltung mit dem Zeugen P. habe nicht mehr in einem inneren ursächlichen Zusammenhang
mit seiner versicherten Tätigkeit gestanden. Der versicherte Weg sei vielmehr unterbrochen gewesen, bei dem geführten Gespräch
habe es sich nicht lediglich um eine im Vorübergehen und quasi in den Weg eingebundene Tätigkeit, wie z.B. das Besorgen von
Zigaretten oder das Einwerfen eines Briefes, sondern um eine geplante private, deutlich länger dauernde Tätigkeit gehandelt.
Deswegen hat der Kläger am 20.05.2009 beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.02.2010 abgewiesen. Für die wertende Entscheidung, ob das Handeln des Versicherten
zur versicherten betriebsüblichen Tätigkeit gehöre, sei die Handlungstendenz des Versicherten maßgeblich. Die Unterbrechung
des Weges zu privaten Zwecken führe nur ausnahmsweise, wenn sie nur ganz geringfügig sei, d.h. wenn die private Verrichtung
sich "ganz nebenher" erledigen ließe, nicht zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes. Hier habe sich der Kläger vom
öffentlichen Verkehrsraum weg auf das Betriebsgelände des M. begeben, um sich privat zu unterhalten. Den Angaben des Zeugen
P. gegenüber der Polizei hat das SG entnommen, dass das mit dem Kläger geführte Gespräch zudem nicht ganz kurz gewesen sei. Damit habe der Kläger seinen Arbeitsweg
mehr als nur ganz geringfügig unterbrochen und es habe kein unfallversicherungsrechtlicher Schutz bestanden. Dies gelte erst
Recht vor dem Hintergrund, dass er mit dem Aufsuchen des Geländes des M. den versicherten öffentlichen Verkehrsraum verlassen
habe.
Gegen den ihm am 02.03.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.03.2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, die
Dauer des Gespräches lasse sich aus den vorhanden Unterlagen nicht ableiten. Es könne nicht als erwiesen angesehen werden,
dass er zum Unfallzeitpunkt an der Wand gelehnt habe. Da er auf Grund seiner psychischen und physischen Beeinträchtigungen
immer wieder Ruhepausen einlegen müsse, sei nicht auszuschließen, vielmehr anzunehmen, dass er eine Erholungspause einlegen
musste, um die Wegstrecke überhaupt bewältigen zu können. Dies unterbreche den Versicherungsschutz nicht. Der Unfall habe
sich im öffentlichen Verkehrsraum ereignet. Die Unterhaltung sei nur kurz im Vorübergehen erfolgt. Der Zeitpunkt des Ausstempelns
bei der Fa. P. könne nicht zu Grunde gelegt werden, vielmehr sei noch die Arbeitsnachbereitung zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.02.2010 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten
vom 06.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2009 festzustellen, dass der Unfall vom 21.08.2008 ein
Arbeitsunfall war,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Unter Ansatz einer maximalen Gehzeit von 39 Minuten
sowie unter Zugrundelegung des Zeitpunkts des Ausstempelns bei der Fa. P. und dem polizeilich dokumentierten Unfallzeitpunkt
geht sie von einer Gesprächsdauer von mindestens sechs Minuten aus. Auch die festgestellten Gesprächsinhalte sowie der Umstand,
dass der Kläger den Weg von der Fa. P. zur Firma R. über den M. gewählt habe, sprächen für ein beabsichtigtes, längeres privates
Gespräch.
Der Berichterstatter hat den Kläger im Erörterungstermin vom 13.01.2011 persönlich gehört. Er hat ausgeführt: "Als ich am
M. vorbei lief, traf ich auf meinen Freund und wir haben uns ganz normal länger unterhalten." Die Nachfrage nach der konkreten
Gesprächsdauer hat er nicht beantworten können, er hat jedoch ausgeschlossen, dass es sich nur um ein "kurzes Hallo" gehandelt
habe, sie hätten sich richtig unterhalten und hätten sich am Wochenende treffen wollen.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit Beweisaufnahme am 24.03.2011 hat der Berichterstatter den Zeugen P. und die
Zeugin I. (I.), die den Unfall bei ihrer Arbeit an einer Müllpresse im M. beobachtet hatte, vernommen. Die Zeugin I. hat ausgeführt,
der Kläger sei schon da gewesen, als sie an die Müllpresse gegangen und "ein paar Kartons reingeschmissen" habe; dann sei
der Unfall geschehen. Sie ist von einer Zeitdauer von "so drei, vier, fünf Minuten" ausgegangen. Der Zeuge P. hat, ohne sich
100 % sicher zu sein, angegeben, sie hätten über alles Mögliche wie Arbeit, das Wetter und das kommende Wochenende gesprochen.
Die Dauer des Gesprächs hat er mit "so zwei bis drei Minuten" eingeschätzt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz
und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§
143,
144,
151 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Kläger begehrt mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §
54 Abs.
1 und §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen - weil diese andernfalls bei
zu treffender Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden - sowie
- weil die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Arbeitsunfall eingetreten sei - die gerichtliche Feststellung
eines Arbeitsunfalles. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (u.a. BSG, Urteil vom 02.12.2008, B 2 U 26/06 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 29) kann ein Versicherter das Vorliegen eines Arbeitsunfalles als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche
in dieser Form vorab klären lassen.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger stand im Zeitpunkt des Unfalls nicht unter dem Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung. Bei dem Ereignis vom 21.08.2008 handelte es sich somit nicht um einen Arbeitsunfall.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3,
6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt)
ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen
ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden
Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder
den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).
Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts kommt es vorliegend nicht auf die Erstreckung des Versicherungsschutzes nach
§
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auf das Zurücklegen von Wegen nach und von dem Ort der Tätigkeit an, da der Kläger sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem
Weg zur oder von der Arbeit befand. Er wollte vielmehr nach Beendigung seines Arbeitseinsatzes bei der Fa. P. weisungsgemäß
zu seinem Arbeitgeber, der Firma R., zurückkehren. Auch ein solcher Weg steht unter Versicherungsschutz (so genannter Betriebsweg).
Denn jede Verrichtung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, die auf Grund ihrer Handlungstendenz der Ausübung der versicherten
Tätigkeit zu dienen bestimmt ist (vgl. §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII: Unfall "infolge" einer versicherten Tätigkeit), ist der versicherten Tätigkeit zuzurechnen - ohne Bindung an die Arbeitsstätte
und die Arbeitszeit (BSG, Urteil vom 12.12.2006, B 2 U 1/06 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 21). Andererseits sind nicht alle Verrichtungen eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und auf
der Arbeitsstätte versichert, weil es außer in der Schifffahrt (vgl. §
10 SGB VII) keinen Betriebsbann gibt. Dementsprechend stehen auch nicht alle Wege eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und/oder
auf der Arbeitsstätte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern nur solche Wege, bei denen ein sachlicher
Zusammenhang zwischen der - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges gegeben ist, weil der Weg
durch die Ausübung des Beschäftigungsverhältnisses oder den Aufenthalt auf der Betriebsstätte bedingt ist (BSG, aaO.).
Dabei können für die Frage des Versicherungsschutzes auf Betriebswegen im öffentlichen Verkehrsraum die von der Rechtsprechung
für die Wege nach und von der Tätigkeit entwickelten Grundsätze übertragen werden (so im Ergebnis bereits BSG, Urteil vom
29.02.1972, 2 RU 27/68 in SozR Nr. 31 zu § 548
RVO). Maßgebend ist danach, ob der Weg wesentlich zu betrieblichen Zwecken zurückgelegt wird (BSG, Urteil vom 02.12.2008, aaO.).
Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden. Fehlt es an einem solchen Zusammenhang
mit der betrieblichen Tätigkeit, ist das Zurücklegen des Weges auch dann keine versicherte Tätigkeit, wenn der Versicherte
dieselbe Strecke zurücklegt, die er für einen Betriebsweg benutzen könnte oder gar gewöhnlich benutzt (BSG, aaO.).
Hier war der vom Kläger zurückgelegte Weg von der Fa. P. zur Firma R. ein solcher Betriebsweg. Denn der Kläger wollte weisungsgemäß
nach Beendigung seines Arbeitseinsatzes bei der Fa. P. die Firma R. aufsuchen, um dort Näheres zu seinem weiteren Einsatz
zu klären. Dass er dabei nicht den kürzesten Weg entlang einer Autostraße nahm, sondern den angenehmeren, wenn auch längeren
Fußweg auswählte, ist unschädlich (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.1968, 2 RU 72/66). Nachweise dafür, dass der Kläger den Fußweg deshalb wählte, um den im M. beschäftigten Zeugen P. zu treffen, liegen nicht
vor. Die Zufälligkeiten, die zum Treffen mit dem Zeugen P. an diesem Tag führten (Erscheinen des Zeugen anlässlich eines durch
Betriebsfremde veranlassten Ladevorgangs am Ladetor, just zu dem Zeitpunkt, als der Kläger am M. vorbeiging), sprechen gegen
eine geplante Unterredung.
Diesen Betriebsweg unterbrach der Kläger vorübergehend, um mit dem - zufällig zu diesem Zeitpunkt am Ladetor auftauchenden
- Zeugen P. ein Gespräch zu führen. Dieses Gespräch war nicht durch betriebliche Interessen im Zusammenhang mit der versicherten
Tätigkeit des Klägers geprägt, sondern war ausschließlich privat motiviert. So war Gesprächsinhalt nach den übereinstimmenden
Angaben des Klägers und des Zeugen P. u.a. die Planung für das kommende Wochenende. Soweit der Kläger zuletzt vorgetragen
hat, das Gespräch als - versicherte - Erholungspause benötigt zu haben, kann sich der Senat davon nicht überzeugen. Der Kläger
selbst hat diese Darstellung nur als Möglichkeit in den Raum gestellt. Aus den eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Berichterstatter
im Erörterungstermin vom Januar 2011 sowie den Angaben des Zeugen P. ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Kläger erschöpft
war und deswegen das Gespräch begann. Selbst wenn im Ergebnis durchaus davon ausgegangen werden kann, dass das Gespräch schon
alleine auf Grund des Stehenbleibens zwangsläufig zu einer gewissen (körperlichen) Erholung führte, war zur Überzeugung des
Senats die Handlungstendenz des Klägers während des Gesprächs nicht die Erholung, sondern der eigenwirtschaftlich motivierte
mündliche Austausch mit dem Zeugen P.
Wird der Weg aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen, entfällt der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
und damit der Versicherungsschutz. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Versicherte lediglich seine Fortbewegung
beendet, um sich an Ort und Stelle einer anderen, nicht nur geringfügigen Tätigkeit zuzuwenden, oder ob er den eingeschlagenen
Weg verlässt, um an anderer Stelle einer privaten Verrichtung nachzugehen und erst danach auf den ursprünglichen Weg zurückzukehren
(BSG, Urteil vom 02.12.2008, B 2 U 17/07 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 28).
Ganz kurze und geringfügige Unterbrechungen beseitigen den Zusammenhang des Weges mit der Betriebstätigkeit allerdings selbst
dann nicht, wenn sie eigenwirtschaftlicher Natur sind (BSG, Urteil vom 09.12.2003, B 2 U 23/03 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 3 m.w.N. auch zum Nachfolgenden). Um solche rechtlich nicht ins Gewicht fallenden Ereignisse handelt
es sich, wenn der in Rede stehende Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges
in seiner Gesamtheit anzusehen ist oder, anders gewendet, wenn die private Verrichtung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer
und der Art ihrer Erledigung keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung darstellt, wobei als Beurteilungsmaßstab die allgemeine
Verkehrsauffassung zu Grunde zu legen ist. Geringfügig ist eine Unterbrechung nach diesen Kriterien, wenn die private Besorgung
unmittelbar im Bereich der Straße und ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung, also gleichsam "im Vorbeigehen", erledigt werden
kann (z.B.: Besorgen von Zigaretten aus einem Automaten am Straßenrand, Hilfeleistung beim Öffnen einer Straßenbahntür, Hilfe
beim Hineinheben eines Kinderwagens in den Autobus, vgl. BSG, aaO. m.w.N.).
Eine mehr als nur geringfügige Unterbrechung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der öffentliche Verkehrsraum verlassen wird
(BSG, Urteil vom 02.12.2008, B 2 U 17/07 R aaO.). So lag der Fall hier entgegen der Annahme des SG aber nicht. Das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen P. fand unmittelbar vor dem Tor des M. es statt, auf dem öffentlichen
Gehweg; hier ereignete sich auch der Unfall. Die Tatsache, dass der Kläger den öffentlichen Verkehrsraum nicht verlassen hatte,
lässt aber nicht den Schluss zu, dass eine für das Bestehen von Versicherungsschutz unschädliche Unterbrechung des Betriebsweges
vorlag. Nachdem vom BSG zum Verlassen des öffentlichen Verkehrsraum vorübergehend hiervon abweichende Entscheidungen getroffen
wurden, hat der 2. Senat mit Urteil vom 09.12.2003 (aaO.) hieran nicht festgehalten. Mithin kommt eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes
auch dann in Betracht, wenn der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum während der Unterbrechung nicht verlässt.
Von ausschlaggebender Bedeutung ist damit die Frage, ob es sich bei der Unterredung mit P. um eine geringfügige Unterbrechung
handelte. Hierunter sind nur ganz kurze und belanglose Unterbrechungen des Weges zu verstehen, bei denen der Versicherte gewissermaßen
in der Bewegung bleibt und nur nebenbei andersartig tätig wird (BSG, Urteil vom 09.12.1963, 2 RU 133/63). Der Begriff der Geringfügigkeit ist - so das BSG in der eben zitierten Entscheidung - nicht nach absoluten Maßstäben zu
beurteilen, vielmehr sind die gesamten Umstände des Einzelfalles einzubeziehen. Ob hierbei angesichts der Fortentwicklung
der Rechtsprechung in ähnlichem Zusammenhang (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2008, B 2 U 26/06 R aaO.: aus verfassungsrechtlichen Gründen feste zeitliche Grenze von zwei Stunden für die Unschädlichkeit der Unterbrechung
eines Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit für das Fortbestehen des Versicherungsschutzes nach dem Ende der Unterbrechung,
also für die Fortsetzung des Weges) festzuhalten wäre, bleibt offen. Dem Zeitfaktor kommt dabei jedenfalls auch nach der früheren
Rechtsprechung besonders wichtige Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 09.12.1963, 2 RU 133/63). In der letztgenannten Entscheidung wurde Versicherungsschutz für eine zu privaten Zwecken im Stehen geführte Unterhaltung
jedenfalls bei einer Dauer von mindestens zehn Minuten verneint. In der Kommentarliteratur wird vertreten, dass eine Unterbrechung
bis zu ca. fünf Minuten als geringfügig anzusehen sei (Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, §
8 SGB VII Rdnr. 42).
Der Senat lässt offen, ob für private Unterhaltungen im Stehen auf dem versicherten Weg (und, wie hier, ohne besondere räumliche
Abweichungen von dem beabsichtigten Betriebsweg) eine strikte zeitliche Grenze für die Annahme von Geringfügigkeit anzunehmen
ist und wo genau diese Grenze verläuft. Denn der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass die Unterhaltung zwischen
dem Kläger und dem Zeugen P. unterhalb der vom BSG bereits als jedenfalls die Geringfügigkeit überschreitende Zeitdauer von
zehn Minuten lag. Dies geht zu Lasten des Klägers.
Auch im sozialgerichtlichen Verfahren, das durch den Amtsermittlungsgrundsatz des §
103 SGG geprägt ist und deshalb grundsätzlich keine formelle Beweisführungslast kennt, ist auf die Grundsätze der objektiven Beweis-
oder Feststellungslast zurückzugreifen, wenn sich entscheidungserhebliche Tatsachen nicht mehr feststellen lassen (BSG, Urteil
vom 02.12.2008, B 2 U 26/06 R aaO.). Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht danach grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr ein Recht oder
einen rechtlichen Vorteil herleiten will. Während denjenigen, der einen Anspruch erhebt, die Beweislast für die rechtsbegründenden
Tatsachen trifft, ist derjenige, der das geltend gemachte Recht bestreitet, für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden
oder rechtshemmenden Tatsachen beweispflichtig. Die Verteilung der Beweislast bestimmt sich nach den für den Anspruch maßgeblichen
materiell-rechtlichen Normen. Für den Versicherungsschutz auf (Betriebs)Wegen bedeutet dies, dass der Kläger die Beweislast
dafür trägt, dass es sich um einen Betriebsweg handelte, während die Beklagte die Nichterweislichkeit der Tatsachen zu tragen
hat, die eine Unterbrechung des Weges belegen. Der Kläger wiederum trägt den Nachteil, wenn sich die Geringfügigkeit der Unterbrechung
nicht erweisen lässt. Im Ergebnis trägt somit der Kläger die objektive Beweislast für das Vorliegen der Tatsachen, welche
die Annahme einer nur geringfügigen Unterbrechung gestatten (BSG, Urteil vom 19.03.1991, 2 RU 45/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 8).
Zwar geht der Senat auf Grund der Angaben des Zeugen P. (zwei bis drei Minuten) und der Zeugin I. (drei, vier, fünf Minuten)
- insoweit zugunsten des Klägers - davon aus, dass die Unterhaltung lediglich wenige Minuten gedauert hatte, als der Unfall
geschah. Näheres lässt sich aber nicht mehr klären. Hochrechnungen aus den dokumentierten Zeiten des Ausstempelns bei der
Firma P. sowie dem in den Polizeiunterlagen dokumentieren Unfallzeitpunkt helfen hier nicht weiter. Beide Zeitpunkte sind
mit einigen Unsicherheiten behaftet. Es ist nicht ersichtlich und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unfallzeitpunkt
mit Sicherheit festgestellt wurde und nicht nur "in etwa" eingeschätzt wurde. Ferner belegt der Zeitpunkt des Ausstempelns,
worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat, nicht, dass er zu diesem Zeitpunkt tatsächlich das Firmengelände verließ. Die
Gehgeschwindigkeit des Klägers lässt sich ebenfalls nicht mehr hinreichend sicher rekonstruieren. Damit lässt sich nicht feststellen,
wie lange das Gespräch tatsächlich dauerte, bis der Kläger verletzt wurde. Während des Rechtsstreits thematisierte Begleitumstände
des Gesprächs - insbesondere die Frage, ob sich der Kläger an der Hauswand angelehnt hatte (so die ursprünglichen Angaben
der Zeugen P. und I. in ihrer polizeilichen Vernehmung, vom Zeugen P. allerdings in seiner Vernehmung durch den Berichterstatter
so nicht mehr bestätigt) - lassen ebenfalls keinen Schluss auf die tatsächliche Dauer der Unterhaltung bis zum Unfall zu.
Fest steht aber, dass der Unfall die Unterhaltung zwischen dem Kläger und dem Zeugen P unterbrach. Die private Tätigkeit des
Klägers war somit im Zeitpunkt des Unfalls noch nicht beendet. Vielmehr waren der Kläger und der Zeuge P. - so dessen Angaben
im vorliegenden Verfahren - derart in das Gespräch vertieft, dass sie die Gefahr, die der herannahende LKW verursachte, nicht
realisierten. Dem entsprechend kann anhand der bisherigen Dauer des Gesprächs nicht die Frage beantwortet werden, ob es sich
um eine geringfügige Unterbrechung im o. g. Sinn handelte. Maßgebend ist vielmehr, welche Zeit der Versicherte für die private
Verrichtung hätte aufwenden müssen (BSG, Urteil vom 29.02.1972, 2 RU 27/68). Denn es kann für die Frage der Geringfügigkeit der Unterbrechung keine Rolle spielen, ob das Unfallereignis gleich zu Beginn
der (u.U. länger beabsichtigten) Unterbrechung geschieht oder erst später. Maßgebend ist somit, ob das Gespräch zwischen dem
Kläger und dem Zeugen P. nur ganz kurz, jedenfalls weniger als zehn Minuten dauern sollte. Davon vermag der Senat nicht auszugehen.
Nach den Angaben des Zeugen P. waren Gesprächsthemen die Arbeit, das Wetter und das kommende Wochenende, das am Tag des Gesprächs
(Donnerstag) konkret bevorstand; auch der Kläger hat in seiner Anhörung davon gesprochen, man habe sich am Wochenende treffen
wollen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die gemeinsame Wochenendgestaltung Gesprächsinhalt war. Aus dieser Thematik
kann nicht abgeleitet werden, dass das Gespräch nur wenige Minuten dauern sollte. Der Kläger hat das Gespräch als "ganz normal
länger unterhalten", nicht nur kurzes Hallo, sondern "richtig unterhalten" charakterisiert, was gegen eine nur als kurz beabsichtigte
Unterhaltung im Vorübergehen spricht.
Im Ergebnis liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass die voraussichtliche Gesprächsdauer weniger als zehn
Minuten - die vom BSG als die Geringfügigkeit jedenfalls überschreitend angenommene Zeitgrenze - betragen hätte. Vielmehr
sprechen schon allein die vom Zeugen P. mitgeteilten und vom Kläger bestätigten Gesprächsthemen gegen die Annahme, das vom
Kläger gesuchte Gespräch mit dem Zeugen P. hätte nur wenige Minuten dauern sollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage des Versicherungsschutzes
bei der Unterbrechung eines versicherten Weges liegt vor. Diese wurde vom Senat unter Bewertung der Einzelfallumstände beachtet.