Anerkennung einer Kniegelenkserkrankung als Berufskrankheit in der gesetzlichen Unfallversicherung; Verwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens;
Kein informationelles Selbstbestimmungsrecht bei Verhinderung eines unliebsamen Sachverständigen
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner beidseitigen Kniegelenkserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2112 der Anlage
1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV; nachfolgend BK 2112).
Der am 1953 geborene Kläger erlernte von 1968 bis 1971 den Beruf des Blechners und Installateurs und war anschließend in seinem
Ausbildungsbetrieb in diesem Berufsbereich ohne Unterbrechung bis Ende 2003 beschäftigt. Seinen Angaben zufolge war er etwa
zur Hälfte als Installateur bzw. Blechner eingesetzt, mit Ausnahme der Jahre 1987 bis 1993 (ein Drittel Installateur, zwei
Drittel Blechner) und ab 1994 (ausschließlich Blechbearbeitung). Die Tätigkeit als Blechner bestand dabei jeweils zur Hälfte
aus Baublechner- bzw. Falzdachblechnerarbeiten, wobei der Anteil der Baublechnerarbeiten zu ca. 20 bis 30 % und der Anteil
der Falzdachblechnerarbeiten zu ca. 60 % kniebelastend war. Die Arbeiten als Sanitärinstallateur waren mit einem Zeitanteil
von 30 % kniebelastend. Auf dieser Grundlage ermittelte der Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten Dipl.-Ing. S.
sog. Kniestunden im Umfang von insgesamt 20.226 Stunden (vgl. Expositionsermittlung vom 01.12.2008, Bl. 152/154, 147/149 der
VerwA).
Nachdem der Kläger im Juni 1978 beim Fußballspielen umgeknickt war und sich dabei einen Längsriss am Hinterhorn des rechten
medianen Meniskus zugezogen hatte, wurde Anfang Juli 1978 eine Meniskektomie (vollständige Entfernung) des medialen Meniskus
durchgeführt (vgl. Arztbrief des Dr. T. vom 19.07.1978, Bl. 24 VerwA). Nach den Angaben des Klägers erfolgte insoweit 1981
eine Revisionsoperation und 1988 eine Nachresektion. Im Rahmen einer diagnostischen Arthroskopie wurde im November 2001 wegen
erneuten Querrissen an der Innenmeniskusrandleiste und einem Lappenriss an der Hinterhornspitze darüber hinaus eine Innenmeniskusnachresektion
rechts durchgeführt. Dabei wurde ein schwerer Knorpelschaden medial Grad 3 bis 4 festgestellt und ein Knorpel-Shaving durchgeführt.
Beschrieben ist ferner ein sehr schmaler, aber fester vorderer Kreuzbandrest auf Grund einer wahrscheinlich alten Teilruptur
(vgl. Op-Bericht vom 07.11.2001, Bl. 119/120 VerwA).
Im Bereich des linken Knies wurde nach den Angaben des Klägers ca. im Jahr 1987 eine arthroskopische Innenmeniskusteilentfernung
durchgeführt. Nach einem Umknicken beim Joggen wurde im Dezember 1995 ferner eine diagnostische Kontrollarthroskopie links
durchgeführt, im Rahmen derer sich eine ausgedehnte Innenmeniskushinterhornrestläsion zeigte, weshalb insoweit eine Nachresektion
durchgeführt wurde. Diagnostiziert wurde ferner eine gut kompensierte geringe anteriore Instabilität nach vollständiger vorderer
Kreuzbandruptur (vgl. OP-Bericht vom 04.12.1995, Bl. 116/117 VerwA).
Vom 30.07. bis 27.08.2002 wurde der Kläger in der Klinik im H. u.a. wegen Gonarthrose beidseits stationär behandelt, wobei
die behandelnden Ärzte auf Grund röntgenologischer Untersuchung von einer medial- und rechtsbetonten Gonarthrose Grad 3 nach
Jäger und Würth ausgingen.
Im April 2008 machte der Kläger bei der Beklagten eine BK 2112 geltend, worauf die Beklagte medizinische Unterlagen beizog,
die bereits erwähnte Expositionsermittlung veranlasste und das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirurgie Prof.
Dr. S. einholte, der den Kläger im Februar 2009 untersuchte. Der Gutachter ging rechtsseitig von einer Gonarthrose dritten
bis vierten Grades und linksseitig von einer solchen zweiten bis dritten Grades nach Kellgren mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung
beidseits aus und beschrieb darüber hinaus eine Lockerung des medialen rechten Kollateralbandes und des rechten vorderen Kreuzbandes
sowie ein mäßiges Genu varum beidseits. Zur Kausalität der beruflichen Tätigkeit führte er aus, dass beim Kläger zwar konkurrierende
Faktoren für die Entwicklung einer Gonarthrose in Form von mehrfachen Meniskektomien sowie einer unbehandelten Kreuzbandruptur
vorlägen, da sich die gonarthrotischen Beeinträchtigungen jedoch erst sehr viel später unter der beruflichen Belastung entwickelt
hätten, deren Ausmaß übermäßig groß sei und eine Gonarthrose hinreichend erkläre, sei es hinreichend wahrscheinlich, dass
sich der wesentliche Teil der Gonarthrose berufsbedingt entwickelt habe. Wegen der Mitbeteiligung konkurrierender Ursachen
schlug er vor, die durch die Arthrose bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hälftig den konkurrierenden außerberuflichen
Faktoren zuzuordnen. Der von der Beklagten sodann hinzugezogene Beratungsarzt Dr. T. , Arzt für Chirurgie, erachtete die Einschätzung
des Prof. Dr. S. nicht für überzeugend und widersprach insbesondere dessen Annahme, dass die gonarthrotische Beeinträchtigung
erst unter der beruflichen Belastung und weit nach den außerberuflichen Ereignissen eingetreten sei. Denn die berufliche Belastung
habe bereits im Jahr 1968 begonnen, während der erste operative Eingriff im Juli 1978 durchgeführt und umformende Veränderungen
im Bereich des rechten medialen Tibiofemoralgelenks erstmals im Jahr 1999, also 31 Jahre nach Beginn der beruflichen Exposition
und 11 Jahre nach der Innenmeniskusentfernung nachzuweisen seien. Da die Entwicklung einer Gonarthrose nach operativer Meniskusentfernung
einen Zeitraum von mindestens sieben bis zehn Jahren benötige, sei nicht zweifelhaft, dass die operative Entfernung des Innenmeniskus
und nicht die berufliche Belastung der Gonarthrose Vorschub geleistet habe. Schließlich habe der Gutachter auch die beim Kläger
bestehende O-Bein-Fehlstellung des rechten Kniegelenks und die vorhandene Polyarthrose, die als Indiz für eine anlagebedingte
Minderwertigkeit des Gelenkknorpels anzusehen sei, nicht hinreichend als konkurrierende Ursachen in Erwägung gezogen.
Mit Bescheid vom 16.06.2009 und Widerspruchsbescheid vom 14.10.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung der beim Kläger bestehenden
beiderseitigen Gonarthrose sowohl als BK nach §
9 Abs.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) als auch als Wie-BK mit der Begründung ab, eine berufliche Verursachung sei trotz ausreichender beruflicher Exposition nicht
wahrscheinlich. Als konkurrierende Ursachen liege eine O-Bein-Fehlstellung der Kniegelenke, rechts mehr als links, sowie rechtsseitig
ein Innenmeniskusschaden mit Totalentfernung, was das Gonarthroserisiko bis zum Neunfachen erhöhe, sowie eine unbehandelte
Kreuzbandläsion vor.
Am 09.11.2009 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, mit seiner langjährigen kniebelastenden Tätigkeit habe er die erforderliche Mindestbelastungsdosis
erreicht, so dass die aufgetretene Gonarthrose als BK anzuerkennen sei. Dem stehe auch nicht die behauptete O-Bein-Fehlstellung
entgegen, nachdem er in dem körperlichen Zustand versichert sei, in dem er sich befinde. Daher sei eine BK erst recht anzuerkennen,
wenn eine O-Bein-Fehlstellung tatsächlich vorliegen sollte, da sich diese dann weiter nachteilig ausgewirkt habe. Im Übrigen
sei es ein Irrglaube, dass konkurrierende Faktoren, deren Vorliegen im Übrigen bestritten werde, zum Ausschluss von Entschädigungsleistungen
führen könnten.
Das SG hat das Gutachten des Orthopäden Dr. H. auf Grund Untersuchung des Klägers im Februar 2010 eingeholt. Der Sachverständige
hat eine fortgeschrittene Gonarthrose beider Kniegelenke dritten bis vierten Grades nach Kellgren diagnostiziert und diese
mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit zurückgeführt, zumindest jedoch gleichwertig neben
den weiteren Ursachen (Innenmeniskusentfernung rechts 1978 mit Nachresektionen 1994 und 2002, vordere Instabilität des rechten
Kniegelenks wegen Insuffizienz des vorderen Kreuzbandes, Vorliegen der Stoffwechselerkrankung Chondrokalzinose). Der Einfluss
der Innenmeniskusentfernung rechts auf die Entwicklung der Kniegelenksarthrose werde dadurch relativiert, dass diese sich
am selben Kniegelenksanteil praktisch seitengleich entwickelt habe. Unterschiedlich sei lediglich die Entwicklung der Arthrose
im Kniescheibengelenk, die rechts stärker ausgeprägt sei als links. Dies sei jedoch eher der vorderen Instabilität des rechten
Kniegelenks geschuldet, die in Folge einer erhöhten Haltearbeit der Oberschenkelmuskulatur vermehrte Zeiten und erhöhte Werte
des partellären Anpressdrucks bedinge. Links habe sich diese retropatteläre Arthrose bei intaktem vorderen Kreuzband nicht
oder nur in geringerem Ausmaß entwickelt. Gegen die Einschätzung des Sachverständigen hat sich die Beklagte unter Vorlage
einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. T. gewandt, der ausgeführt hat, der Sachverständige habe die Bedeutung außerberuflicher
Faktoren mit Ausschlusscharakter für einen Kausalzusammenhang nicht einmal ansatzweise diskutiert, obwohl in der einschlägigen
Gutachtenliteratur ausdrücklich auf das stark erhöhte Gonarthroserisiko nach Meniskektomie und unbehandelter vorderer Kreuzbandruptur
hingewiesen werde. Auch habe er im Hinblick auf seinen Einwand, die Gonarthrose habe sich am selben Kniegelenksanteil praktisch
seitengleich entwickelt, nicht beachtet, dass im Bereich des linken Kniegelenks nahezu identische außerberuflich entstandene
Strukturveränderungen als potentielles Gonarthroserisiko vorgelegen haben.
Mit Urteil vom 23.07.2010 hat das SG - dem insoweit vom Kläger in der mündlichen Verhandlung allein auf die Feststellung einer BK nach der
BKV gerichteten Antrag folgend - unter Aufhebung des Bescheids vom 10.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2009
festgestellt, dass die beim Kläger vorliegende Gonarthrose eine BK "nach der
Berufskrankheitenverordnung" ist. Gleichzeitig hat es die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente nach einer MdE um 20 vom Hundert (v.H.) zu gewähren.
Es hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. H. sowie ergänzend auf das Gutachten des Prof. Dr. S. gestützt, der es gleichermaßen
für wahrscheinlich erachtet habe, dass sich der wesentliche Teil der Gonarthrose berufsbedingt entwickelt habe. Dessen Schlussfolgerung
sei auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass er irrtümlich nur von einer Meniskusentfernung rechts ausgegangen sei.
Gegen das der Beklagten am 11.10.2010 zugestellte Urteil hat diese am 02.11.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt
und geltend gemacht, das SG habe nicht zutreffend gewürdigt, dass bezüglich beider Kniegelenke wegen der erforderlich gewesenen operativen Eingriffe
weitere Ursachen für einen vorzeitigen Verschleiß, und zwar zusätzlich bei anlagebedingter beidseitiger O-Beinstellung vorgelegen
hätten. Verschleißerscheinungen seien beim Kläger im Übrigen auch an anderen Körpergelenken aufgetreten und der Beginn, der
zeitliche Verlauf und die Lokalisation der Kniegelenkserkrankung sei vor dem Hintergrund der stattgehabten beruflichen Einwirkung
nicht zutreffend gewürdigt worden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat sie sozialmedizinische Stellungnahmen des Facharztes
für Orthopädie Dr. S. vom 11.02.2013 und 13.11.2013 vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20.07.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 18.11.2010),
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Der Senat hat Dr. H. zu den von Dr. T. gegen sein Gutachten erhobenen Einwendungen ergänzend befragt, wobei dieser an seiner
zuvor vertretenen Auffassung festgehalten hat. Zu der daraufhin von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme
des Dr. S. hat Dr. H. auf Veranlassung des Senats nochmals unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes Stellung
genommen. Hierzu hat die Beklagte die weitere Stellungnahme des Beratungsarztes Dr. S. vorgelegt. Im Hinblick auf die zwischenzeitlich
veröffentlichte "Begutachtungsempfehlung für die Berufskrankheit Nr. 2112 (Gonarthrose)" hat der Senat Dr. H. erneut ergänzend
befragt. Schließlich hat der Senat das Gutachten des Orthopäden Dr. H. eingeholt, nach dessen Auffassung die Kniearthrosen
beim Kläger nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Belastungen zurückzuführen seien. Es lägen bedeutsame
außerberufliche Schadensfaktoren vor, die das Auftreten einer Kniearthrose zwanglos auch ohne die berufliche Belastung erklären
würden.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz
und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet in seiner normalen Besetzung. Der vom Kläger zuletzt, vorab per Telefax am 22.04.2015, gestellte Befangenheitsantrag
(vgl. Bl. 1/3 der gesondert geführten Akte L 10 SF 1599/15 AB) hindert die dort aufgeführten Berufsrichter nicht an einer Mitwirkung bei der Entscheidung. Denn der Befangenheitsantrag
ist unzulässig. In Bezug auf die Berichterstatterin folgt dies bereits daraus, dass dieselben Vorwürfe wiederholt werden,
über die der Senat bereits mit Beschluss vom 24.03.2015 im Rahmen des früher gegen die Berichterstatterin gestellten Befangenheitsantrag
(vgl. Bl. 1/2, 10/13 der gesondert geführten Akte L 10 SF 339/15 AB) rechtskräftig entschieden und die angeführten Befangenheitsgründe - Ignorieren des Sachvortrages und Weitergabe der Akten
an Dr. Hepp, Verstoß der Berichterstatterin gegen §
109 SGG - als nicht zutreffend erachtet hat, sodass ein erneutes Befangenheitsgesuch nicht mehr auf diese Gründe gestützt werden
kann (s. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
60 Rdnr. 10b). Dies gilt auch, soweit die Behauptung aufgestellt wird, es sei erst mit dem Schreiben des Vorsitzenden bekannt
geworden, dass Akten an den Sachverständigen Dr. H. weitergegeben worden seien. Tatsächlich hat der Kläger bereits sein früheres
Ablehnungsgesuch gegen die Berichterstatterin hierauf gestützt (vgl. Bl. 12a der gesondert geführten Akte L 10 SF 339/15 AB). In Bezug auf die weiteren Berufsrichter des Senats enthält das Schreiben keine weiteren Ausführungen aus denen sich
ergeben würde, aus welchen Gründen diese Richter befangen sein sollen. Die erhobenen Vorwürfe beziehen sich - s.o. - erkennbar
allein auf die Berichterstatterin. Wird kein Ablehnungsgrund genannt, ist ein Ablehnungsgesuch unzulässig (Keller, a.a.O.).
Auch wenn Anknüpfungspunkt für die Auflistung weiterer Richter aus Sicht des Senats nur der Beschluss vom 24.03.2015 sein
kann, mit dem diese Richter - wie erwähnt - das Befangenheitsgesuch gegen die Berichterstatterin abgelehnt haben, könnte hierauf,
auf die von diesen Richtern vertretene Rechtsansicht, ein Befangenheitsgesuch nicht zulässigerweise gestützt werden (Keller,
a.a.O.).
Der Senat entscheidet auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung. Insoweit liegt auch seitens des Klägers - nach anfänglicher Unwirksamkeit (vgl. Bl. 109/110 LSG-Akte)
- ein nunmehr vom Prozessbevollmächtigten des Klägers nach den Hinweisen des Senats im Schreiben vom 17.04.2015 unterschriebenes
und am 21.04.2014 übermitteltes (Bl. 112 LSG-Akte) Einverständnis vor.
Der Senat sieht sich an einer Entscheidung auch nicht in Bezug auf eine zusammen mit dem letzten Befangenheitsantrag thematisierte
Verletzung rechtlichen Gehörs, weil das in der gerichtlichen Verfügung vom 17.04.2015 in Bezug genommene Schreiben des Dr.
H. nicht vorliege, gehindert. Denn tatsächlich ist das Gutachten von Dr. H. als Anlage zum gerichtlichen Schreiben vom 26.02.2015
beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.02.2015 eingegangen (vgl. Bl. 114 LSG-Akte). Somit hat der Prozessbevollmächtigte
des Klägers sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach Zugang des Sachverständigengutachtens
und der Hinweise des Senats im Schreiben vom 17.04.2015 erteilt.
Schließlich ist der Senat an einer Entscheidung auch nicht dadurch gehindert, dass noch eine weitere Sachaufklärung durchzuführen
wäre. Soweit in dem am 22.04.2015 eingegangenen Schreiben, ebenso wie im früheren Befangenheitsantrag gegen die Berichterstatterin,
der früher nach §
109 SGG gestellte Beweisantrag thematisiert wird, hat der Kläger weder den angeforderten Kostenvorschuss (s. Bl. 86 LSG-Akte) eingezahlt,
noch den Beweisantrag aufrecht erhalten (s. Bl. 112 LSG-Akte). Aus den Ausführungen im Schreiben vom 22.04.2015 ergibt sich
auch nicht, dass der frühere Antrag erneuert werden soll; diese Ausführungen stehen allein im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch.
Im Übrigen wäre ein erneuter Beweisantrag nach §
109 Abs.
1 SGG wegen des nicht eingezahlten Kostenvorschusses vom Senat abgelehnt worden.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 10.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2009, allerdings
nur insoweit, als die Beklagte dort die Anerkennung der Gonarthrose als BK nach §
9 Abs.
1 SGB VII, also nach der
BKV ablehnte. Nur insoweit - eine BK nach der
BKV betreffend - hat der Kläger ausweislich seines in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrags diesen Bescheid zuletzt noch angefochten. Soweit die Beklagte in diesem Bescheid, ebenfalls in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2009, auch eine Wie-BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII ablehnte, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG keinen Anfechtungs- und Feststellungsantrag (mehr) gestellt. Damit hat sich sein Begehren vor dem SG zuletzt nur auf die Feststellung einer BK nach der
BKV bezogen. Die Ablehnung einer Wie-BK ist damit bestandskräftig geworden und nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits.
Dem entsprechend hat das SG auch nur über eine BK nach der
BKV entschieden. Zwar ist der Tenor der Entscheidung des SG insoweit unbestimmt, als unklar bleibt, welche BK nach der
BKV festgestellt sein soll. Indessen ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus den zur Auslegung heranzuziehenden Entscheidungsgründen
des angefochtenen Urteils, dass sich die Feststellung allein auf die BK 2112 bezieht. So führt das SG im ersten Absatz der Entscheidungsgründe, erkennbar die weiteren Ausführungen zusammenfassend, aus, die Kniegelenksarthrose
sei eine BK 2112. Eine andere BK nach der
BKV wird vom SG an keiner Stelle thematisiert.
Damit beschränkt sich auch die Prüfung des Senats allein auf die Frage, ob beim Kläger eine BK 2112 vorliegt. Dies verneint
der Senat. Das SG hätte die beim Kläger vorliegende Gonarthrose beidseits nicht als BK 2112 feststellen und dementsprechend auch den Bescheid
vom 10.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2009 insoweit nicht aufheben dürfen. Denn diese Bescheide
sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Entsprechend steht dem Kläger wegen einer BK 2112 auch keine
Verletztenrente zu. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Darlegungen dazu, dass der auf die Gewährung von Verletztenrente
gerichtete Leistungsantrag des Klägers bereits mangels hierzu ergangener Verwaltungsentscheidung unzulässig gewesen ist und
die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer entsprechenden Rente deshalb bereits aus diesem Grund aufzuheben gewesen
wäre.
Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist indessen zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach
§
54 Abs.
1 SGG begehrt der Kläger die Aufhebung der die Anerkennung der streitigen BK ablehnenden Verwaltungsentscheidungen. Die Beteiligten
und das SG sind insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Regelung im angefochtenen Bescheid über die Ablehnung der Gonarthrose
als BK nach §
9 Abs.
1 SGB VII allein auf die BK 2112 bezieht, auch wenn diese Nummer weder im Bescheid noch im Widerspruchsbescheid genannt ist. Denn im
Bescheid vom 10.06.2009 wird der genaue Wortlaut der (späteren) BK 2112 wiedergegeben und in die
BKV aufgenommen wurde die BK 2112 mit Wirkung ab dem 01.07.2009 (Zweite Verordnung zur Änderung der
Berufskrankheiten-Verordnung vom 11.06.2009, BGBl. I, 1273) und damit noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides. Damit beziehen sich die angefochtenen
Verwaltungsentscheidungen genau auf jene BK 2112, deren Feststellung der Kläger begehrt. Rechtsgrundlage für das Feststellungsbegehren
ist §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG. Danach kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, hier
zwischen dem Kläger und der Beklagten als zuständigem Unfallversicherungsträger in Bezug auf die streitige BK (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3). Dies ermöglicht es dem Versicherten, das Vorliegen einer bestimmten BK als Grundlage in Frage
kommender Leistungsansprüche vorab klären zu lassen (BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R).
Soweit es die Beklagte mit den vom Kläger angefochtenen Bescheiden somit ablehnte, eine BK 2112 anzuerkennen, ist dies nicht
zu beanstanden. Denn die Voraussetzungen für die Feststellung einer solchen BK sind beim Kläger nicht erfüllt.
BKen sind nach §
9 Abs.
1 Satz 1
SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die
Versicherte in Folge einer der den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen,
die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen
durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§
9 Abs.
1 Satz 2 Erster Halbsatz
SGB VII). Hierzu zählt nach Nr.
2112 der Anlage 1 zur
BKV auch die Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer
während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.
Es bedarf keiner ausführlichen Darlegung, dass die Anerkennung dieser BK jedenfalls in Bezug auf das rechte Knie durch §
6 Abs.
2 BKV - danach ist die BK nur anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 30.09.2002 eintrat - ausgeschlossen ist, weil -
so Dr. H. - diese Erkrankung angesichts der während der stationären Rehabilitation im Juli/August 2002 erhobenen Befunde (belastungsabhängige
Schmerzen, in der Untersuchung retropatellare Krepitation, die damals angefertigten Röntgenaufnahmen zeigten laut Auswertung
durch Dr. S. bereits arthrotische Veränderungen Grad 2 nach Kellgren) schon damals symptomatisch war, und der vom SG vertretenen Auffassung über eine einschränkende Anwendung dieser Stichtagsregelung nicht zu folgen ist. Denn der Senat verneint
für beide Knie die materiell-rechtlichen Voraussetzungen dieser BK.
Zur Anerkennung einer in der Anlage 1 der
BKV aufgeführten BK (Listen-BK) ist in der Regel erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 14), dass die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen in
Form der von dieser BK geforderten Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper führte (Einwirkungskausalität)
und die Einwirkungen eine ggf. von der Listen-BK konkret geforderte Krankheit verursachten (haftungsbegründende Kausalität).
Das Vorliegen weiterer BK-Folgen auf Grund der berufsbedingten Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung
für die Anerkennung einer BK.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte
Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung
erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen
der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden
Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität)
eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls
mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht
auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen
als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben
(vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht
werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des
Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen
Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann beim Kläger das Vorliegen einer BK 2112 nicht festgestellt werden.
Die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne dieser BK liegt vor. Eine entsprechende Diagnose hat folgende Voraussetzungen (Merkblatt
zur BK 2112 in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30.12.2009, GMBl. 2010, 98, abgedruckt
in Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheiten-Verordnung, M 2112, S. 5, dem folgend die Begutachtungsempfehlungen des Spitzenverbandes der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
für die BK 2112 vom Juni 2014 - Begutachtungsempfehlungen -, S. 8):
-Chronische Kniegelenksbeschwerden
-Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk
bzw. gleichgestellter Funktionsstörungen wie beispielsweise eine Krepitation bei der Gelenkbewegung (vgl. im Einzelnen die
Begutachtungsempfehlungen S. 8)
-Die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad 2 bis 4 der Klassifikation nach Kellgren
Diese Voraussetzungen sind beim Kläger im Hinblick auf beide Kniegelenke erfüllt. Hiervon gehen auch sämtliche im Laufe des
Verfahrens mit diesen Beeinträchtigungen des Klägers befassten Ärzte aus, so insbesondere neben den im gerichtlichen Verfahren
mit einer Begutachtung beauftragten Sachverständigen Dr. H. und Dr. H. auch die von der Beklagten hinzugezogenen Beratungsärzte
Dr. T. und Dr. S. . Entsprechend hat auch die Beklagte das Vorliegen einer Gonarthrose beidseits im Sinne dieser BK nicht
in Zweifel gezogen.
Der Kläger erfüllt auch die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK, nämlich die Ausübung von Arbeiten im Knien
oder mit vergleichbarer Kniebelastung im Umfang von mindestens 13.000 Stunden. Diese sind mit den vom Präventionsdienst der
Beklagten ermittelten ca. 20.000 Kniestunden bei weitem erreicht.
Die Anerkennung der Gonarthrose als BK 2112 scheidet jedoch aus, weil es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der beruflichen
Verursachung dieser beim Kläger aufgetretenen Erkrankung fehlt.
Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung mit
der Bedingungstheorie als erstem und der wertenden Zurechnung als zweitem Prüfungsschritt (BSG, Urteil vom 02.04.2009, a.a.O.). Diese setzt somit zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen den
Einwirkungen und der Erkrankung voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob die Erkrankung auch ohne die Einwirkungen
aufgetreten wäre. Ist dies der Fall, war die Exposition für die Erkrankung schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Ist dieser
naturwissenschaftliche Kausalzusammenhang zwischen Einwirkungen und der Erkrankung zu bejahen, ist in gleicher Weise zu klären,
ob und welche weiteren Ursachen zu der Erkrankung führten.
Danach ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob die Einwirkung für die Erkrankung wesentlich war. Denn als im
Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung
zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung
des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet
werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Kriterien für die Wesentlichkeit der nach der Bedingungstheorie als Ursache festgestellten versicherten Einwirkungen sind,
wenn andere festgestellte konkurrierende Ursachen in Betracht kommen, Art und Ausmaß der Einwirkungen, die konkurrierenden
Ursachen, das Krankheitsbild sowie die gesamte Krankengeschichte, so dass letztlich in der Regel eine Gesamtbetrachtung anzustellen
ist (BSG, Urteil vom 02.04.2009, a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Entscheidungsbasis für die Kausalitätsbeurteilung muss der aktuelle
wissenschaftliche Erkenntnisstand sein. Erforderlich ist aber jeweils eine einzelfallbezogene positive Feststellung sowohl
der Verursachung nach der Bedingungstheorie als auch der wesentlichen Verursachung der vorliegenden Erkrankung durch die versicherten
Einwirkungen. Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt bei komplexen Krankheitsgeschehen, die mehrere Ursachen
haben können, gerade nicht. Beweismaßstab für die haftungsbegründende Kausalität ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit (s.
hierzu oben).
Der Senat verneint bereits die Wahrscheinlichkeit des naturwissenschaftlichen Zusammenhangs zwischen den beruflichen Einwirkungen,
denen der Kläger ausgesetzt war, und der Gonarthrose.
Denn der Kläger wies an beiden Kniegelenken erhebliche außerberufliche Schädigungen auf. So erfolgte am rechten Knie nach
einer Verletzung beim Fußballspiel im Jahr 1978 eine Innenmeniskusentfernung mit nachfolgend notwendig gewordenen Nachresektionen
und zum anderen lag auf Grund einer Insuffizienz des vorderen Kreuzbandes eine vordere Instabilität vor. Auch am linken Knie
wurde nach den Angaben des Klägers im Jahr 1987 eine Innenmeniskusteilentfernung und dann - wiederum nach einem Sportunfall
(Umknicken beim Joggen) - 1995 arthroskopisch eine Innenmeniskusnachresektion (mit nun fast vollständiger Innenmeniskusentfernung)
durchgeführt. Dabei fand sich eine (kompensierte) Instabilität nach vollständiger vorderer Kreuzbandruptur. Festzustellen
ist somit, dass beim Kläger an beiden Knien - so Dr. T. und dieser Beurteilung hat selbst Dr. H. nicht widersprochen, ebenso
Dr. H. - nahezu identische außerberuflich erworbene Strukturveränderungen bestanden (vollständige - rechts - bzw. fast vollständige
- links - Innenmeniskusentfernung sowie Schädigungen des vorderen Kreuzbandes beidseits, so die Zusammenfassung von Dr. H.
auf Seite 10 seines Gutachtens).
Bereits im Merkblatt (a.a.O., unter "weitere Hinweise") ist ausgeführt, dass (u.a.) ein Zustand nach Meniskektomie mit weitgehender
Entfernung des Meniskus und eine Kreuzbandruptur außerberufliche mechanische Ursachen für die Entwicklung einer Gonarthrose
sind. Dies ist im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Begutachtungsempfehlungen ausdrücklich als gesichert bestätigt worden
(s. Begutachtungsempfehlungen S. 18/19; BK Nr. 2112 - außerberufliche Faktoren in Trauma und Berufskrankheit, Band 14, Sonderheft
4, Oktober 2012, S. 435, 436). Allerdings ist - so das Merkblatt a.a.O. - das Zusammenwirken zwischen beruflichen Einwirkungen
im Sinne dieser BK und anderen Ursachen wie Zustand nach Meniskektomie bei außerberuflich bedingter Meniskopathie, Zustand
nach außerberuflichem Kniegelenkstrauma oder unbehandelter außerberuflicher Kreuzbandruptur in Bezug auf das Gonarthroserisiko
unbekannt. Entsprechend ist nach dem Merkblatt im Rahmen einer Einzelfallprüfung in Abhängigkeit vom Ausmaß des konkurrierenden
Faktors (z.B. Größe des resezierten Meniskusanteils, Art des Kniegelenktraumas etc.) und der Höhe der beruflichen Einwirkung
im Rahmen der Theorie der wesentlichen Bedingung festzustellen, ob die wesentliche Mitverursachung der Erkrankung durch die
beruflichen Einwirkungen wahrscheinlich gemacht werden kann oder nicht. Angesichts des besonders stark erhöhten Gonarthroserisikos
bei Zustand nach außerberuflich bedingter Meniskektomie oder unbehandelter außerberuflich bedingter Kreuzbandruptur wird beim
Vorliegen dieser außerberuflich bedingten konkurrierenden Faktoren auch bei gegebenen beruflichen Voraussetzungen in der Regel
kein Raum sein für die Anerkennung einer Gonarthrose als BK (so das Merkblatt a.a.O., a.E.).
Dr. H. hat in diesem Zusammenhang in seinem Gutachten auf Grund aktueller Studienlage dargelegt, dass das Risiko der Entstehung
einer Kniearthrose nach Meniskusoperation etwa zehnmal so hoch ist, wie das Risiko nicht operierter Vergleichspersonen. Dabei
wurden diese Arthrosen beim Kläger - so Dr. H. - jeweils innerhalb eines Zeitraums von 15 bzw. 20 Jahren nach den jeweils
erfolgten Innenmeniskusresektionen symptomatisch, was den Erfahrungswerten bei derartigen Schädigungen entspricht. So hat
Dr. H. auf eine wissenschaftliche Langzeituntersuchung verwiesen, bei der die Autoren zu der Schlussfolgerung gelangt sind,
dass sich bei etwa 50 % der Personen, die sich einer Meniskus(teil)entfernung unterziehen, nach 10 bis 20 Jahren eine Kniearthrose
entwickelt.
Angesichts dieser Erkenntnis und dem Umstand, dass beim Kläger nicht nur ein Verlust des Innenmeniskus an beiden Knien, sondern
mit den beidseitigen Schäden am vorderen Kreuzband ein zusätzlicher, das Risiko für eine Gonarthrose nochmals deutlich erhöhender
außerberuflicher Strukturschaden vorlag, ist Dr. H. dann für den Senat überzeugend zu dem Schluss gelangt, dass allein diese
außerberuflichen Schadensfaktoren das Auftreten der Kniearthrosen völlig zwanglos erklären. Zur Erklärung der Ursache der
Gonarthrose kann also - so Dr. H. in seinem Gutachten - die berufliche Belastung außer Betracht bleiben. Damit könnten die
kniebelastenden beruflichen Tätigkeiten hinweggedacht werden und die Gonarthrose wäre trotzdem aufgetreten. Somit ist der
naturwissenschaftliche ursächliche Zusammenhang nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu begründen. Dies entspricht
der Beurteilung im Merkblatt, wonach bei derartigen außerberuflichen Faktoren für die Anerkennung einer Gonarthrose als BK
kein Raum ist.
Soweit der Kläger im Zusammenhang mit dem vom Senat abgelehnten Befangenheitsantrag gegen die Berichterstatterin (s. den Beschluss
vom 24.03.2015, L 10 SF 339/15 AB) vor dem Hintergrund des Datenschutzes die Herausgabe der Akten an Dr. H. verweigert hat, ergeben sich hieraus keine Konsequenzen,
insbesondere nicht in Bezug auf die Verwertbarkeit des Gutachtens. Zum einen haben zu diesem Zeitpunkt die Akten Dr. H. bereits
vorgelegen; sie sind dem Sachverständigen mit dem ursprünglichen Gutachtensauftrag vom 08.12.2014, also zu einem Zeitpunkt
übersandt worden, als ein Widerspruch des Klägers gegen die Aktenübersendung noch gar nicht vorgelegen hat. Zum anderen folgt
die Befugnis zur Aktenübersendung aus dem über §
118 Abs.
1 Satz 1
SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbaren §
404a der
Zivilprozessordnung, der den allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen vorgeht (s. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.05.2002, L 2 B 59/02, [...]). Zwar ist bei der Anwendung dieser Vorschrift und damit auch bei der von Amts wegen durchzuführenden Sachaufklärung
das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung im Rahmen einer Güterabwägung zu berücksichtigen (s. Beschluss
des LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Nachvollziehbare Gründe, aus denen sich ein Geheimhaltungsinteresse des Kläger in Bezug
auf die Akten ergeben könnten, hat der Kläger jedoch nicht genannt. Er hat der Aktenübersendung vielmehr deshalb widersprochen,
weil er mit der Auswahl des Sachverständigen durch die Berichterstatterin nicht einverstanden gewesen ist. Wie der Senat aber
in seinem Beschluss vom 24.03.2015 über die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs gegen die Berichterstatterin schon dargelegt
hat, obliegt die Auswahl des Sachverständigen im Rahmen der Ermittlungen von Amts wegen gemäß den §§
106,
155 SGG der Berichterstatterin. Sinn und Zweck des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist es nicht, mittelbar die dem Gericht
obliegende Auswahl des Sachverständigen einzuschränken (Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Entsprechend den vorstehenden
Ausführungen bedarf es für die Ermittlungen von Amts wegen durch den Sachverständigenbeweis und damit für die Aktenübersendung
auch keiner Erklärung des Klägers über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, die ohnehin im Zeitpunkt der Aktenübersendung
vorgelegen hat.
Angesichts der dargelegten Kausalitätserwägungen überzeugt die Auffassung des Dr. H. in seinem für das SG erstatteten Gutachten nicht. Bei seiner Bewertung ist der Sachverständige nämlich bereits von fehlerhaften Tatsachen ausgegangen.
Denn den Einfluss der Innenmeniskusentfernung rechts auf die Entwicklung der Kniegelenksarthrose hat er in seinem Gutachten
dadurch als erheblich relativiert angesehen, dass sich die Arthrose am medialen Kniegelenksanteil praktisch seitengleich entwickelt
habe. Dieser Gesichtspunkt könnte bei beidseitiger beruflicher Kniebelastung in der Tat für eine berufliche Ursache der Arthrose
herangezogen werden. Allerdings hat Dr. H. - worauf für die Beklagte Dr. T. und auch der Sachverständige Dr. H. zutreffend
hingewiesen haben - hierbei unberücksichtigt gelassen, dass beim Kläger auch linksseitig ähnliche außerberufliche Faktoren
gewirkt haben, so dass die im Wesentlichen seitengleiche Entwicklung nicht als Hinweis auf eine berufliche Ursache interpretiert
werden kann. Soweit Dr. H. in seiner ersten, gegenüber dem Senat abgegebenen Stellungnahme hierzu behauptet hat, auch die
außerberuflichen Schäden des linken Knies in seinem Gutachten als gegen die Anerkennung einer BK 2112 sprechend berücksichtigt
zu haben, trifft dies schlicht nicht zu. Ebenfalls in Widerspruch zu seiner Beurteilung im Gutachten setzt sich Dr. H. in
der genannten ergänzenden Stellungnahme, wenn er nun - zur Widerlegung der Einwände von Dr. T. und zur Relativierung der Bedeutung
der außerberuflichen Schäden - die Gonarthrose als nicht seitengleich ausgeprägt bewertet, obwohl er zur Begründung des Kausalzusammenhangs
der beruflichen Einwirkungen im Gutachten von einer praktisch seitengleichen Entwicklung der Arthrose im selben Kniegelenksanteil
ausgeht. Seine Behauptung, auch eine (angenommene) seitengleiche Ausprägung der Arthrose spreche nicht gegen den beruflichen
Zusammenhang, ist ohne tragende Begründung. Dr. H. verweist insoweit auf die Arthrose beider Hüftgelenke, ohne dass dies -
so auch Dr. H. in seinem Gutachten - nachvollziehbar wäre. Auch soweit Dr. H. in seiner letzten Stellungnahme die Meniskusresektionen
an beiden Knieen dadurch in ihrer Bedeutung relativiert, als dies nur für eine mediale Gonarthrose relevant sei, der Kläger
aber auch eine beidseitige Femoropatellararthrose mit rechts stärkerer Ausprägung habe, was durch den rechtsseitigen Schaden
am vorderen Kreuzband erklärbar sei, trägt dies nicht. Denn Dr. H. hat insoweit wiederum außer Betracht gelassen, dass - so
Dr. H. - der Kläger auch am linken Knie einen Kreuzbandschaden hat (s. hierzu OP-Bericht vom Dezember 1995, Bl. 116 f. VA:
vollständige vordere Kreuzbandruptur links).
Auch die weiteren Ausführungen des Dr. H. , wonach beim Kläger außerberuflich keine höherwertigen oder mit den beruflichen
Belastungen gleichwertige Gelenkbelastungen dokumentiert sind, so dass gerade auch die durch die Ausübung des Fußballsports
über ca. acht Jahre bedingten Verschleißbelastungen als deutlich zweitrangig einzustufen seien, sprechen nicht für eine berufliche
Verursachung der in Rede stehenden Gonarthrose. Diesbezüglich ist maßgeblich, dass beim Kläger durch das Fußballspielen gerade
eine schwere Knieverletzung verursacht wurde und gerade deren Auswirkungen als konkurrierende Ursache zu bewerten ist. Im
Übrigen hat Dr. H. insoweit deutlich gemacht, dass verschiedene Studien durchaus darauf hindeuten, dass gerade der Fußballsport,
unabhängig davon ob dieser professionell oder als Hobby ausgeübt wird, ein erhöhtes Kniearthroserisiko birgt.
Auch der Beurteilung von Prof. Dr. S. vermag der Senat nicht zu folgen. Der Gutachter berücksichtigte insbesondere nicht den
Umstand, dass - wie ausgeführt - bereits die außerberuflichen Strukturveränderungen die Gonarthrose erklären. Er schließt
- hierauf wies bereits Dr. T. hin - allein von dem Ausmaß beruflicher Expositionen auf den ursächlichen Zusammenhang. Im Ergebnis
unterstellt Prof. Dr. S. damit den naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang, ohne ihn hinreichend zu begründen.
Bei alledem misst der Senat der von der Beklagten herangezogenen O-Bein-Fehlstellung keine Bedeutung bei, ebenso wenig der
von den Beratungsärzten der Beklagten diskutierten Chondrokalzinose, die nach den Begutachtungsempfehlungen ohnehin nicht
als konkurrierender Faktor anzusehen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.