Tatbestand
Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld von der Beklagten im Zeitraum vom 20.06.2015 bis 19.06.2016.
Die 1987 geborene verheiratete Klägerin ist Mutter des 2015 geborenen Sohnes T. Die Eheleute haben ihren Wohnsitz in Deutschland,
leben mit dem Kind in einem Haushalt und haben das Kind im fraglichen Zeitraum selbst betreut und erzogen.
Die Klägerin ist bei der S.versicherung beschäftigt. Im Arbeitsvertrag (Bl 51 Senatsakte) ist in § 4 ihre Vergütung geregelt.
Danach erhält die Klägerin ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.300 € brutto, eine Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) in Höhe
von 1.300 € brutto anteilig pro Beschäftigungsmonat im Jahr, vermögenswirksame Leistungen von monatlich 40 € sowie Provisionen,
für deren Entstehen und Abrechnung die §§ 65, 87 Abs 1 und 3, 87a bis 87c Handelsgesetzbuch (HGB) gelten. Jährlich im Voraus festgelegte Provisionsvorauszahlungen werden im Rahmen der laufenden Entgeltzahlung jeweils zum
15. eines Kalendermonats auf das Girokonto der Klägerin überwiesen (vgl Bl 52 Senatsakte).
Die Klägerin erhielt während der Mutterschutzfrist vom 05.05.2015 bis 15.08.2015 Mutterschaftsgeld. Am 28.07.2015 beantragte
sie die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihres Sohnes (20.06.2015 bis 19.06.2016). Sie legte der
Beklagten die von ihrer Arbeitgeberin erstellten Abrechnungen der Bezüge im Bemessungszeitraum (01.05.2014 bis 30.04.2015)
vor. In allen Monaten sind jeweils monatlich 950 € "Vorschussprovision" als "laufender Bezug" aufgeführt. Im Juni 2014 ist
eine "sonstige Einmalzahlung" in Höhe von 3.072,09 € als "sonstiger Bezug" aufgeführt (Bl 15 Verwaltungsakte). Im April 2015
ist eine "sonstige Einmalzahlung" in Höhe von 14.497,74 € als "sonstiger Bezug" aufgeführt (Bl 4 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 11.08.2015 (Bl 80 Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für den ersten Lebensmonat
(20.06. bis 19.07.2015) in Höhe von 0,00 €, für den zweiten Lebensmonat (20.07. bis 19.08.2015) in Höhe von 128,38 € und im
Folgenden für den dritten bis zwölften Lebensmonat jeweils in Höhe von 994,93 € monatlich. Die Beklagte ging dabei von einem
durchschnittlichen monatlichen Einkommen in Höhe von 1.530,66 € im Bemessungszeitraum aus. Sie berücksichtigte die laufend
gezahlten monatlichen Vorschüsse in Höhe von 950 € auf die zu erwartende Provision, nicht aber die beiden Provisions-Einmalzahlungen
vom April 2015 und Juni 2014.
Hiergegen erhob die Klägerin am 24.08.2015 Widerspruch. Sie nahm Bezug auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26.03.2014
(B 10 EG 14/13 R). Sämtliche Provisionen, auch die beiden Nachzahlungen, müssten berücksichtigt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2015 (Bl 100 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit seien die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der
Geburt des Kindes maßgeblich. Wegen des Bezugs von Mutterschaftsgeld ab Mai 2015 verschiebe sich der Bemessungszeitraum vorwiegend
auf den 01.05.2014 bis 30.04.2015. Das zu berücksichtigende Einkommen aus Erwerbstätigkeit sei nach Maßgabe der §§ 2c bis
2f des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) zu ermitteln. Die Ermittlung der Einkünfte erfolge nach steuerrechtlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung der Besonderheiten
des Elterngelds. Die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandelnden Einnahmen
würden bei der Elterngeldberechnung nicht berücksichtigt. Die Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen
erfolge durch den Arbeitgeber auf der Grundlage der Lohnsteuerrichtlinien. Laufender Arbeitslohn sei der Arbeitslohn, der
dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend gezahlt werde. Sonstiger Bezug sei der Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn
gezahlt werde. Die beiden "sonstigen Einmalzahlungen" im Juni 2014 in Höhe von 3.072,09 € sowie im April 2015 in Höhe von
14.497,74 € und das im Dezember 2014 erhaltene Weihnachtsgeld in Höhe von 1.361,30 € seien daher als sonstige Bezüge nicht
zu berücksichtigen.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.09.2015 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ihr Einkommen setze sich etwa zur Hälfte
aus einem Fixum von 1.361,30 € brutto (bis Dezember 2014) bzw 1.402,50 € (ab Januar 2015) und aus Provisionen zusammen. Die
Provisionen würden vereinbarungsgemäß so gezahlt, dass sie laufend monatliche Vorschüsse erhalte sowie einmal jährlich eine
Endabrechnung und die sich daraus ergebende Nachzahlung stattfinde. Der Abrechnungszeitraum gehe von April bis März des Folgejahres.
Die Höhe der monatlichen Vorschüsse sei für sie im Rahmen des bisherigen Ergebnisses frei wählbar; die Höhe könne während
des Abrechnungsjahres ihrem laufenden Ergebnis entsprechend angepasst werden. Sie habe eine laufende Vorschussprovision von
monatlich 950 € brutto gewählt und es dabei belassen, obwohl sie wesentlich höhere Ansprüche erwirtschaftet habe. Dies habe
zu den beiden Nachzahlungen geführt. In der von der Beklagten in Bezug genommenen Lohnsteuerrichtlinie R 39.b2 seien Provisionen
nicht genannt. Es komme auf die Betrachtung des Einzelfalles an. Entscheidend sei, ob den Einkünften im Bemessungszeitraum
wirtschaftlich prägender Charakter zukomme. Sonstige Bezüge würden nur bei einmalig oder ausnahmsweise gezahlten Einkünften
vorliegen, die aufgrund ihres Ausnahmecharakters nicht geeignet seien, die wirtschaftliche Situation des Arbeitnehmers hinreichend
rechtssicher und dauerhaft zu prägen. Hingegen seien die regelmäßig und wiederkehrend gezahlten Entgeltbestandteile, wie vorliegend
die Provisionen, als laufender Arbeitslohn bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen. Vorliegend sei insbesondere zu
berücksichtigen, dass die Provisionen etwa die Hälfte des Einkommens ausmachten und auch insoweit keinen Ausnahmecharakter
hätten, sondern das Einkommen der Klägerin prägten.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie habe die vom Arbeitgeber laufend monatlich gezahlten Provisionsvorschüsse
in die Elterngeldberechnung miteinbezogen. Die beiden Einmalzahlungen seien als sonstige Bezüge nicht berücksichtigungsfähig.
Der Arbeitgeber habe diese Zahlungen mit den entsprechenden steuerlichen Merkmalen behandelt. Nach R 39b.2 der Lohnsteuerrichtlinien
gehörten zu den sonstigen Bezügen insbesondere einmalige Arbeitslohnleistungen, wie beispielsweise Gratifikationen und Tantiemen,
die nicht fortlaufend gezahlt würden. Die Aufzählung sei nicht abschließend, weshalb es unerheblich sei, dass Provisionszahlungen
nicht ausdrücklich aufgeführt würden.
Mit Urteil vom 11.05.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren
Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der im Juni 2014 und April 2015 erhaltenen
Provisionszahlungen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Bemessungszeitraum würden nicht durch die Einmalzahlungen, sondern
durch die monatlichen Provisionsvorschüsse wesentlich geprägt. Die lediglich jährlich erfolgenden Provisionszahlungen seien
nicht geeignet, die wirtschaftliche Situation eines Arbeitnehmers hinreichend rechtssicher und dauerhaft zu prägen. Dass im
vorliegenden Fall innerhalb des jährlichen Bemessungszeitraumes zwei jährliche Einmalzahlungen angefallen seien, sei offenbar
Verzögerungen bei der Erstellung der Abrechnung geschuldet. Letztlich habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, durch Anpassung
der Höhe der monatlichen Provisionsvorschüsse ihre laufenden Einnahmen und damit die wirtschaftlichen Verhältnisse anders
zu gestalten.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 18.05.2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 25.05.2016 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen
vollumfänglich wiederholt und ergänzend ausgeführt, dass Provisionen auch nach teilweiser Neufassung des § 2c BEEG als laufender Arbeitslohn bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen seien, wenn sie neben dem monatlichen Grundgehalt
für kürzere Zeiträume als ein Jahr und damit mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen regelmäßig gezahlt würden.
Es handele sich dann um regelmäßig und wiederkehrend gezahlte Entgeltbestandteile. Der Umstand allein, dass der Arbeitgeber
bestimmte Einnahmen im Lohnsteuerabzugsverfahren faktisch als sonstige Bezüge behandle, rechtfertige es nicht, diese bei der
Berechnung des Elterngelds unberücksichtigt zu lassen. Provisionen seien nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie nicht
zum arbeitsvertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt gezahlt würden und es durch ihre Voraus- oder Nachzahlung zu einer
Verlagerung in den Bemessungszeitraum und somit zu einem "verzerrten Bild" der wirtschaftlichen Verhältnisse im Bemessungszeitraum
komme. Die Klägerin erhalte regelmäßig monatliche Provisionen und eine Schlusszahlung, weshalb ihre wirtschaftlichen Verhältnisse
hierdurch maßgeblich geprägt würden. Dies habe das SG verkannt. Das monatliche Fixum der Klägerin bewege sich praktisch in der Nähe des Mindestlohnes, ohne die Provisionen sei
das Einkommen nicht angemessen. Die Neufassung des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG mit Wirkung vom 01.01.2015, wonach es darauf ankomme, ob Einnahmen als sonstige Bezüge nach den lohnsteuerlichen Vorgaben
zu behandeln seien, zeige auf, dass es nicht mehr darauf ankomme wie der Arbeitgeber die Provisionen gegenüber dem Finanzamt
behandle, sondern dass es darauf ankomme, wie sie tatsächlich nach den Lohnsteuerrichtlinien zu behandeln seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 11.08.2015
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.09.2015 zu verurteilen, ihr höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der
Provisionszahlungen im Juni 2014 in Höhe von 3.072,09 € und im April 2015 in Höhe von 14.497,74 € als Einkommen im Sinne des
§ 2c BEEG zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen und die Ausführungen des SG Bezug. Auch nach der Neuregelung des § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG sei maßgeblich die lohnsteuerrechtliche Differenzierung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen. Der Arbeitgeber
sei zur richtigen Zuordnung nach den Vorgaben der Entgeltbescheinigungsverordnung verpflichtet. Hierdurch sei eine bundeseinheitliche
Rechtsanwendung sowie ein Gleichklang zwischen der steuerlichen und elterngeldrechtlichen Behandlung gewährleistet.
In einem Erörterungstermin am 24.11.2016 hat der Berichterstatter die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten eingehend erörtert.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte
sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) und auch ansonsten statthafte (§§
143,
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG) Berufung der Klägerin ist zulässig aber in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 11.08.2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 01.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn sie hat keinen
Anspruch auf höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der im Juni 2014 und im April 2015 gezahlten Provisionen iHv insgesamt
17.569,83 € neben dem laufenden monatlichen Arbeitsentgelt.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten BEEG (Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748). Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem
Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit
ausübt (Nr 4). Diese Voraussetzungen liegen vor.
Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier gemäß der Übergangsvorschrift des § 27 Abs 1 Satz 2 BEEG in der Fassung vom 10.09.2012, BGBl I 1878). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG in Höhe von 67% des Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 € monatlich für volle Monate gezahlt,
in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit
vor der Geburt höher als 1.200,00 € war, sinkt der Prozentsatz von 67% um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen
aus Erwerbstätigkeit den Betrag von 1.200,00 € überschreitet, auf bis zu 65% (§ 2 Abs 2 Satz 2 BEEG). Für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit sind die zwölf Kalendermonate vor dem Monat
der Geburt des Kindes maßgeblich (§ 2b Abs 1 BEEG) mit den Einschränkungen des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG, insbesondere belieben Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die leistungsberechtigte Person Mutterschaftsgeld bezogen
hat. Die Beklagte hat daher zutreffend als Bemessungszeitraum den 01.05.2014 bis 30.04.2015 zugrunde gelegt.
Das von der Klägerin erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit ist nach § 2c Abs 1 S 1 BEEG (idF vom 10.09.2012, BGBl I 1878) der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger
Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und
Sozialabgaben nach §§ 2e und 2f BEEG. Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen
des Arbeitgebers, deren Richtigkeit und Vollständigkeit vermutet wird (§ 2c Abs 2 BEEG). Grundlage der Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben sind nach § 2c Abs 3 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen nach Abs
1 erstellt wurde. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraums eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal
geändert hat, ist die von der Angabe nach Satz 1 abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate
des Bemessungszeitraums gegolten hat (§ 2c Abs 3 Satz 2 BEEG).
Die Beklagte hat Recht die Provisionen im Bemessungszeitraum aus Juni 2014 und April 2015 iHv insgesamt 17.569,83 € nicht
in die Bemessungsgrundlage einbezogen. § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG stellt in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung, die vorliegend anzuwenden ist (§ 27 Abs 1 S 3 BEEG) darauf ab, dass Einnahmen nicht berücksichtigt werden, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben
als sonstige Bezüge zu behandeln sind. Damit wird an die lohnsteuerrechtliche Differenzierung zwischen laufendem Arbeitslohn
(§
39b Abs
2 EStG) und sonstigen Bezügen (§
39b Abs
3 EStG) angeknüpft. Dabei werden diese Begriffe in §
39b EStG nicht definiert, sondern nur in den LStR in Form von Verwaltungsanweisungen erläutert.
Laufender Arbeitslohn ist nach R 39b.2 Abs 1 der LStR 2014 der Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, insbesondere: (1.) Monatsgehälter, (2.) Wochen-
und Tagelöhne, (3.) Mehrarbeitsvergütungen, (4). Zuschläge und Zulagen, (5.) geldwerte Vorteile aus der ständigen Überlassung
von Dienstwagen zur privaten Nutzung, (6). Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume
beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden, (7.) Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres,
der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt.
Ein sonstiger Bezug ist nach R 39b.2 Abs 2 LStR 2014 der Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Zu den sonstigen Bezügen gehören insbesondere einmalige
Arbeitslohnzahlungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gezahlt werden, insbesondere: (1.) dreizehnte und vierzehnte Monatsgehälter,
(2.) einmalige Abfindungen und Entschädigungen, (3.) Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden,
(4.) Jubiläumszuwendungen, (5.) Urlaubsgelder, die nicht fortlaufend gezahlt werden, und Entschädigungen zur Abgeltung nicht
genommenen Urlaubs, (6.) Vergütungen für Erfindungen, (7.) Weihnachtszuwendungen, (8.) Nachzahlungen und Vorauszahlungen,
wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in
einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden. Nachzahlungen liegen auch vor, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des
abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt. In der LStR 2015, gültig ab 01.01.2015, folgen zwei weitere Ziffern: (9.) Ausgleichszahlungen für die in der Arbeitsphase erbrachten
Vorleistungen auf Grund eines Altersteilzeitverhältnisses im Blockmodell, das vor Ablauf der vereinbarten Zeit beendet wird,
(10.) Zahlungen innerhalb eines Kalenderjahres als viertel- oder halbjährliche Teilbeträge.
Bei der steuerrechtlichen Unterscheidung zwischen laufend gezahltem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen geht es nicht um die
Frage, ob Lohnsteuer auf laufenden Arbeitslohn oder auf sonstige Bezüge überhaupt zu erheben ist. Steuerpflichtig sind sowohl
laufender Arbeitslohn als auch sonstige Bezüge. Vielmehr handelt es sich in erster Linie um Zuordnungsregeln bei der Frage,
in welchem Veranlagungszeitraum bestimmte Entgeltkomponenten zu versteuern sind. Zudem ist der Lohnsteuerabzug von sonstigen
Bezügen anders geregelt als beim laufenden Arbeitslohn, um schon im Lohnsteuerabzugsverfahren möglichst genau das Jahressteuerergebnis
zu treffen (vgl Eisgruber in Kirchhof,
EStG, 15. Aufl 2016, §
39b Rn 11). Im Übrigen ist die lohnsteuerrechtliche Behandlung von Entgeltkomponenten als laufender Arbeitslohn oder sonstige
Bezüge im Steuerrecht nicht von gravierender Bedeutung, denn auch wenn es wegen der Steuerprogression zu einem überhöhten
Lohnsteuerabzug käme, könnte dieser im Rahmen der Steuerveranlagung (Lohnsteuerjahresausgleich bzw Einkommenssteuererklärung)
wieder ausgeglichen und der "Fehler" wieder korrigiert werden.
Zu den Vorgängervorschriften des § 2c BEEG hat sich das BSG mehrfach geäußert. Die ursprüngliche Fassung des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG lautete: "Sonstige Bezüge iSv §
38a Abs
1 Satz 3
EStG werden nicht als Einnahmen berücksichtigt". Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte jeder betreuende Elternteil, der
seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, einen am individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen
Einschränkungen erhalten (BT-Drs 16/1889 S 2, 15). Einmalige Einnahmen wie zB 13. und 14. Monatsgehälter, Gratifikationen
und Weihnachtszuwendungen, welche die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit wie die
monatlichen Einnahmen aus Erwerbstätigkeit prägen, sollten unberücksichtigt bleiben (BT-Drs 16/1889 S 21). Hierzu hat das
BSG mit Urteil vom 03.12.2009 (B 10 EG 3/09 R, BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4) entschieden, dass neben einem monatlichen Grundgehalt auch eine Umsatzbeteiligung bei der Berechnung
des Elterngelds zu berücksichtigen war. Als laufenden Arbeitslohn hat das BSG dabei regelmäßig wiederkehrende Zahlungen an zumindest zwei Fälligkeitszeitpunkten im Bemessungszeitraum angesehen (BSG 03.12.2009, aaO und BSG 29.08.2012, B 10 EG 20/11 R). Zum 01.01.2011 erhielt § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG folgenden Wortlaut: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt".
Damit wollte der Gesetzgeber ausdrücklich in Abkehr von der Rechtsprechung des BSG vom 03.12.2009 eine verwaltungspraktikable Feststellbarkeit von sonstigen Bezügen iSd
EStG erreichen (BT-Drs 17/3030 S 48). Mit Urteilen vom 26.03.2014 (ua B 10 EG 14/13 R, BSGE 115, 198 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25) hat das BSG auch zur Neufassung des § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG daran festgehalten, dass Provisionen als laufender Arbeitslohn bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen sind, wenn
sie neben dem monatlichen Grundgehalt für kürzere Zeiträume als ein Jahr und damit mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen
regelmäßig gezahlt werden. Klargestellt hat es dabei, dass es auf die konkrete Handhabung durch den Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren
nicht ankommen kann. Eine Anknüpfung an die tatsächlich praktizierte Behandlung der Bezüge durch den Arbeitgeber ergebe sich
nicht aus dem Gesetzeswortlaut und wäre im Übrigen auch unter Praktikabilitätserwägungen nicht zu rechtfertigen. Der Senat
schließt sich dieser Rechtsprechung an und hält an seiner früher vertretenen Auffassung (Senatsurteil vom 09.07.2013, L 11 EG 167/13, [...]) insoweit nicht mehr fest.
Typisierend ausgehend vom normgemäßen Ablauf der Besteuerung hat das BSG allerdings weitergehend eingeschränkt, dass Einnahmen nur insoweit von der Elterngeldberechnung ausgeschlossen sind, als
die steuerrechtlich motivierte Differenzierung auch mit Blick auf den Zweck des Elterngelds sachlich gerechtfertigt ist (BSG 26.03.2014, aaO RdNr 30 ff). Ausgehend vom Zweck des Elterngelds, die Einkünfte (teilweise) zu ersetzen, die während des
letzten wirtschaftlichen Dauerzustands den Lebensstandard der Elterngeldberechtigten geprägt hätten, sei die steuerrechtliche
Behandlung bestimmter Einnahmen als sonstige Bezüge nur insoweit ein sachlich gerechtfertigter Anknüpfungspunkt für die Nichtberücksichtigung
von Einkommen, als es um Entgeltkomponenten gehe, die dem Arbeitnehmer einmalig oder ausnahmsweise gezahlt würden und dessen
wirtschaftliche Situation nicht hinreichend rechtssicher und dauerhaft prägten. Durch regelmäßig mehrmals im Jahr gezahlte
Provisionen werde jedoch der Lebensstandard der Elterngeldberechtigten auch dann geprägt, wenn diese nicht jeden Monat sondern
etwa quartalsweise zuflössen und in der Höhe schwankten.
Zum 18.09.2012 ist § 2 Abs 7 Satz 2 BEEG durch § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG (idF vom 10.09.2012, BGBl I 1878) ersetzt worden mit dem Wortlaut: "Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren
als sonstige Bezüge behandelt werden". Die im vorliegenden Fall maßgebliche Fassung (vom 27.01.2015, BGBl I 33) lautet: "Nicht
berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu
behandeln sind." Der Gesetzgeber wollte damit erneut klarstellen, dass die Einordnung von Lohn- und Gehaltsbestandteilen als
sonstige Bezüge allein nach lohnsteuerlichen Vorgaben (§
38a Abs
1 Satz 3
EStG, LStR) erfolgen soll, damit die Lohn- und Gehaltsbescheinigungen entsprechend der gesetzgeberischen Zielsetzung als aussagekräftige
Grundlage der elterngeldrechtlichen Einkommensermittlung zu nutzen sind (BT-Drs 18/2583 S 24). Ein Auseinanderfallen des lohnsteuerlichen
und elterngeldrechtlichen Einkommensbegriffs würde nach den Befürchtungen des Gesetzgebers dazu führen, dass die Festlegungen
in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen schon dem Grundsatz nach nicht mehr unmittelbar für die Elterngeldberechnung genutzt
werden könnten, was den Verwaltungsaufwand erheblich steigern würde. Richtigerweise nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als
sonstige Bezüge zu behandelnde Lohn- und Gehaltsbestandteile seien daher auch elterngeldrechtlich als sonstige Bezüge zu behandeln.
Dies gelte insbesondere auch für Provisionen (BT-Drs 18/2583 S 25).
Es bleibt somit auch für die Neufassung dabei, dass es - wie schon zuvor - auf die zutreffende lohnsteuerliche Behandlung
der Einnahmen (und nicht die konkrete Handhabung durch den Arbeitgeber) ankommt und eine widerlegliche Vermutung für die Richtigkeit
der Angaben in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen besteht (§ 2c Abs 1 Satz 2 BEEG). Eine Bindung an die Angaben in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers besteht entgegen der Auffassung der
Beklagten gerade nicht. Eine solche kann auch nicht daraus folgen, dass der Arbeitgeber bei der Ausstellung der entsprechenden
Bescheinigungen an allgemein gültige Vorgaben gebunden ist, denn damit steht keineswegs fest, dass die Bescheinigung inhaltlich
zutreffend ist. Die Verwaltung muss aufgrund des Amtsermittlungsprinzips gemäß § 26 Abs 1 BEEG i.V.m. § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Hinweisen auf eine unrichtige lohnsteuerrechtliche Behandlung durch den Arbeitgeber nachgehen. Die hier erfolgte tatsächliche
Behandlung der Provisionen als sonstige Bezüge durch den Arbeitgeber steht deren Berücksichtigung bei der Bemessung des Elterngelds
daher nicht entgegen.
Auch nach dieser gesetzgeberischen Klarstellung bleibt indes unklar, wie mit Provisionen zu verfahren ist (ebenso Dau, jurisPR-SozR
12/2015 Anm 1 unter IV.2). Die LStR R 39b.2 Abs 2 erwähnen den Begriff der Provisionen nicht ausdrücklich. Das BSG hat mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen regelmäßig gezahlte Umsatzbeteiligungen als laufenden Arbeitslohn
qualifiziert (BSG 26.03.2014, aaO, Rn 33). Ein solcher Fall liegt nicht vor, denn die Provisionszahlung im Juni 2014 ist lediglich aufgrund
von Computer-Problemen bei der Arbeitgeberin der Klägerin verspätet ausgezahlt worden; sie wäre nach Angaben der Klägerin
bereits vor dem Bemessungszeitraum im März 2014 abzurechnen und im April 2014 auszuzahlen gewesen. Diese verspätete Auszahlung
führt nicht dazu, dass von mehrmals im Jahr fälligen Zahlungen auszugehen ist. Die in den Bemessungszeitraum verschobene Zahlung
Juni 2014 würde sonst zu einer gerade nicht gewollten "Verzerrung" führen. Provisionen sind bei der Elterngeldberechnung dann
nicht zu berücksichtigen, wenn sie nicht zum arbeitsvertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt gezahlt werden und es durch
ihre Voraus- oder Nachzahlung zu einer Verlagerung in den Bemessungszeitraum und somit zu einem "verzerrten Bild" der wirtschaftlichen
Verhältnisse im Bemessungszeitraum kommt (BSG 26.03.2014 aaO Rn 18, 37). Zwar ist im Arbeitsvertrag der Klägerin vereinbart, dass für das Entstehen und die Abrechnung
der Provisionen die §§ 65, 87 Abs 1 und 3, 87a bis 87c HGB gelten, also insbesondere eine monatliche, höchstens dreimonatige Abrechnung erfolgen müsste (§ 87c Abs 1 S 1 HGB). Dies haben die Klägerin und ihre Arbeitgeberin allerdings jahrelang einvernehmlich anders praktiziert und monatliche Vorauszahlungen
und lediglich einmal jährliche Abrechnungen vorgenommen.
Prägend für die wirtschaftlichen Verhältnisse im Bemessungszeitraum sind neben dem monatlichen Fixum die laufenden Vorauszahlungen
in Höhe von 950 € gewesen, die die Beklagte berücksichtigt hat. Der lediglich einmal jährlich anfallenden Abrechnung und ggf
Nachzahlung misst der Senat diese Bedeutung nicht zu und schließt sich der Auffassung des SG an. Lediglich einmal im Jahr gezahlte Provisionen bleiben unberücksichtigt. Die Klägerin hätte vorliegend die Möglichkeit
gehabt, durch Vereinbarung höherer monatlicher Vorauszahlungen oder unterjähriger Anpassung der Vorauszahlungen ihren laufenden
wirtschaftlichen Verhältnissen im Bemessungszeitraum eine andere Prägung zu verleihen (vgl auch BSG 26.03.2014 aaO Rn 38).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).