Anspruch auf Elterngeld; Berücksichtigung einer Vergütung für geleistete Dienste und Überstunden bei der Bemessung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Elterngeld im Rahmen einer endgültigen Festsetzung und eine damit verbundene Erstattungsforderung.
Der 1974 geborene, verheiratete Kläger ist Vater der am 08.08.2007 geborenen L. M. und der am 03.03.2010 geborenen L. L. (im
Folgenden: L). Er lebt mit Ehefrau und den beiden Töchtern in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreut und erzieht
L selbst. Der Kläger war zunächst als Radiologe im H. K. B. beschäftigt und nahm dort vom 03.09. bis 31.10.2010 Elternzeit.
Seit 01.11.2010 ist der Kläger bei einer Praxis in R. beschäftigt. Im Zeitraum 01.03.2009 bis 28.02.2010 erzielte der Kläger
ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit iHv 4.679,18 €.
Am 29.07.2010 beantragte der Kläger Elterngeld für die Zeit vom 03.09. bis 03.11.2010. Mit Bescheid vom 23.09.2010 bewilligte
der Beklagte daraufhin vorläufig Elterngeld für die Zeit vom 03.09 bis 02.11.2010 in Höhe von 1.800 € (7. Lebensmonat) und
1.591,50 € (8. Lebensmonat). Für den 01. und 02.11.2010 berücksichtigte er dabei prognostisch Erwerbseinkommen iHv 324,62
€. Der Beklagte wies darauf hin, dass das Elterngeld nur vorläufig bewilligt werde, da der Kläger angegeben habe, im Bezugszeitraum
voraussichtlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu erzielen und dieses noch nicht nachgewiesen werden könne. Nach Vorlage der
Einkommensnachweise erfolge die endgültige Festsetzung. Zu viel gezahltes Elterngeld werde dann zurückgefordert.
Nachfolgend legte der Kläger seine Einkommensabrechnungen für September, Oktober und November 2010 vor. Im November 2010 erhielt
der Kläger von seinem neuen Arbeitgeber 6.469,82 € netto, im Oktober 2010 vom H. K. 2.448,69 € netto für Bereitschaftsdienste
und Krankenlohnaufschlag sowie 1.692,73 € netto Nachverrechnung aus Vormonaten. Davon bezogen sich 1.656,45 € netto für Mehrarbeit,
Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst auf September, wie sich aus der "Entgeltabrechnung für R September 2010" vom 11.10.2010
(Bl 74 der Verwaltungsakte) ergibt (der Rest von 36,28 € auf August).
Mit Bescheid vom 07.12.2010 setzte die Beklagte das Elterngeld endgültig fest auf jeweils 307,96 € für den 7. und 8. Lebensmonat
von L und forderte eine Rückzahlung in Höhe von 2.775,58 €. Hierbei berücksichtigte die Beklagte anrechenbares Einkommen für
Oktober 2010 iHv 4.054,49 € und für 01. und 02.11.2010 iHv 426,22 €. Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, dass der
Kläger gewusst habe, dass die Bewilligung vorläufig gewesen sei und er daher keinen Vertrauensschutz geltend machen könne.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass das ihm im Oktober zugeflossene Einkommen bereits im Juli und August
fällig gewesen sei. Die Bewilligung von Elterngeld könne nicht davon abhängen, ob der Arbeitgeber die Vergütung vertragswidrig
zu spät bezahle bzw er im Hinblick auf die Abrechnungspraxis seines Arbeitgebers mit diesem eine Vereinbarung über eine spätere
Vergütung getroffen habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2011, zugestellt am 18.04.2011, hob der Beklagte den Bescheid vom 07.12.2010 insoweit auf,
als ein Betrag von mehr als 2.629,26 € zurückgefordert werde und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Nunmehr berücksichtigte
der Beklagte Einkommen für 03. bis 30.09.2010 iHv 1.474,20 €, für Oktober iHv 2.361,89 € und für 01. und 02.11.2010 iHv 426,22
€. Die Zahlung von 1.656,45 € sei dem September zuzuordnen. Die übrigen Zahlungen seien nicht als Nachzahlungen ausgewiesen,
so dass sie den Monaten zuzuordnen seien, in denen sie ausgezahlt wurden. Der Anspruch auf Elterngeld betrage nunmehr 381,12
€ pro Monat.
Hiergegen richtet sich die am 16.05.2011 zum Sozialgericht Neuruppin erhobene Klage, die mit Beschluss vom 17.06.2011 an das
Sozialgericht Konstanz (SG) verwiesen worden ist. Den Erstattungsbetrag hat der Kläger inzwischen an den Beklagten gezahlt. Zur Begründung der Klage
trägt der Kläger vor, die im Oktober 2010 ausgezahlten Vergütungen beruhten auf Überstunden, die im Juli und August geleistet
worden seien. Vertragliche Abreden über den Zeitpunkt der Auszahlung seien nicht getroffen worden, er habe auch keinen Einfluss
auf den Auszahlungszeitpunkt gehabt. Ergänzend hat er ein Schreiben des H. K. vom 25.10.2011 vorgelegt, wonach er vom 03.09.
bis 31.10.2010 nicht gearbeitet und für diesen Zeitraum auch keinen Lohn erhalten habe. Die Vergütung der Nacht- und Wochenenddienste,
Überstunden und Krankengeldauszahlungen würden jeweils zwei Monate im Nachhinein erfolgen. Auf Anfrage des SG hat das H. K. mit Schreiben vom 31.05.2012 mitgeteilt, dass das laufende Gehalt immer am 15. des Monats gezahlt werde. Die
Zahlung der geleisteten Dienste erfolge zwei Monate zeitversetzt, vorausgesetzt, der Mitarbeiter gebe die Dienstabrechnung
pünktlich ab. 2010 sei die Abrechnung und die Eingabe der Dienste noch manuell erfolgt. Da der Eingabestopp für die Abrechnung
des nächsten Monats bereits am Monatsletzten des Vormonats sei, könne es nicht anders realisiert werden, als dass die geleisteten
Dienste immer zwei Monate zeitversetzt gezahlt würden.
Mit Urteil vom 20.11.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe Elterngeld für die beiden Bezugsmonate
zu Recht iHv jeweils 381,12 € bewilligt. Für die Berechnung sei § 2 Abs 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) einschlägig, weil der Kläger in beiden Bezugsmonaten Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt habe. Bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage
des Elterngelds wende das Bundessozialgericht (BSG) die modifizierte Zuflusstheorie an. Als nachgeburtliches Einkommen sei in die Differenzberechnung grundsätzlich jedes Einkommen
einzustellen, dass im betreffenden Zeitraum erzielt worden sei. Erzielt sei es, wenn es in dem betreffenden Zeitraum tatsächlich
zugeflossen sei, nicht maßgeblich sei, wann der Anspruch erarbeitet worden sei. Das Zuflussprinzip sei nur modifiziert, wenn
es sich bei dem zu beurteilenden Einkommen um zunächst vorenthaltenes Entgelt handele, mit dessen Zahlung sich der Schuldner
in Verzug befunden habe und das dem Gläubiger erst nachträglich zugeflossen sei, also infolge nachträglicher Vertragserfüllung
durch den Arbeitgeber ausgezahlt worden sei (unter Hinweis auf BSG 30.09.2010, B 10 EG 19/09 R und 18.08.2011, B 10 EG 5/11 R). Nach diesen Grundsätzen habe der Kläger am 01. und 02.11.2010 Einkommen erzielt, da er ab 01.11.2010 bei seinem neuen Arbeitgeber
angestellt gewesen sei und für den ganzen Monat Gehalt erhalten habe, auch wenn der 01.11.2010 ein Feiertag gewesen sei. Zutreffend
sei für beide Tage ein Einkommen iHv 426,22 € angerechnet worden. Auch für September und Oktober 2010 seien die von der Beklagten
errechneten Beträge bei der Einkommensanrechnung zu berücksichtigen. Zwar habe der Kläger in der Zeit vom 03.09. bis 31.10.2010
nicht mehr bei seinem alten Arbeitgeber gearbeitet, dennoch habe er für diese Zeit Einkommen bezogen, welches auf einer Arbeitsleistung
beruhe, die einige Zeit zuvor erbracht worden sei. Dieser Umstand ändere nichts daran, dass das Arbeitsentgelt in dem Monat
erzielt worden sei, für den es gezahlt werde. Das SG habe sich nicht davon überzeugen können, dass das Gehalt dem Kläger vertragswidrig vorenthalten worden sei. Vielmehr seien
dem Kläger die Dienste und das Krankengeld während seines gesamten Beschäftigungsverhältnisses beim H. K. jeweils im übernächsten
Monat ausgezahlt worden. Die Gefahr von Zufallsergebnissen wegen ständig unterschiedlicher Zeitpunkte bei der Einkommensauszahlung
bestehe daher nicht. Diesen Ablauf habe der Kläger beim Arbeitgeber nicht beanstandet. Hier liege also gerade nicht die Konstellation
vor, dass zunächst durch ein Versäumnis zurückgehaltenes Arbeitsentgelt noch nachgezahlt worden sei, sondern eine durchgängig
praktizierte Abrechnungsweise. Da die Anzahl der geleisteten Dienste erst mit Monatsabschluss feststehe und im Folgemonat
gemeldet werden könne, mache die Auszahlung dieser Lohnbestandteile im übernächsten Monat auch abrechnungstechnisch Sinn.
Die Pflicht zur Erstattung des überzahlten Elterngelds iHv 2.629,26 € folge aus der entsprechenden Anwendung von §
42 Abs
2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 19.12.2012 eingelegten Berufung. Das Elterngeld solle den durch den Umstand
der Erziehung des Kindes herbeigeführten Einkommensverlust ausgleichen. Das BSG habe entschieden, dass für die Bemessung des Elterngelds nicht nur das im Bemessungszeitraum zugeflossene, sondern auch das
darin erarbeitete und erst nach dessen Ablauf infolge nachträglicher Vertragserfüllung gezahlte Arbeitsentgelt zugrunde zu
legen sei. Das vom BSG verfolgte Ziel der Vermeidung von Zufallsergebnissen durch Anwendung des modifizierten Zuflussprinzips habe nur bei Einkünften
aus nichtselbstständiger Arbeit Bedeutung. Das SG habe ausgeführt, es sei für die Einkommenserzielung nicht maßgeblich, wann der Anspruch erarbeitet worden sei, es sei denn,
es handele sich um vorenthaltenes Entgelt. Weiter habe es ausgeführt, das Einkommen beruhe auf einer Arbeitsleistung des Klägers,
die er einige Zeit zuvor erbracht habe, was aber nichts daran ändere, dass das Arbeitsentgelt in dem Monat erzielt worden
sei, für den es gezahlt worden sei. Insoweit ziehe das SG einen falschen Schluss aus einem richtigen Obersatz. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das BSG nach der Theorie des modifizierten Zuflusses nur Einkommen unberücksichtigt lasse, welches der Arbeitgeber vertragswidrig
vorenthalte. Das BSG sage eindeutig, dass es nicht darauf ankomme, wann das Geld tatsächlich eingehe, sondern wann es erarbeitet worden sei (unter
Hinweis auf BSG 05.04.2012, B 10 EG 10/11 R), auf vertragswidriges Verhalten komme es nicht an. Selbst wenn vereinbart worden wäre, dass die Bereitschaftsdienste immer
zwei Monate später bezahlt würden - was bestritten werde - würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen, weil ansonsten gerade
Zufallsergebnisse entstehen würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20.11.2012 und den Bescheid des Beklagten vom 07.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 15.03.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.629,26 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die dem Kläger im Bezugszeitraum zugeflossenen Einkünfte seien als Einkommen zu berücksichtigen. Es habe sich nicht um eine
ausnahmsweise verspätete Zahlung des Arbeitgebers gehandelt, sondern um eine ständige betriebliche Übung, die auch keinerlei
Widerstand von Seiten des Klägers hervorgerufen habe. Die nachträgliche Auszahlung der hier maßgeblichen Gehaltsbestandteile
mache auch abrechnungstechnisch Sinn. Der Kläger habe die Ausführungen des SG insoweit missverstanden, denn es komme gerade nicht darauf an, wann die Arbeitsleistung erbracht worden sei. Nichts anderes
folge aus der Rechtsprechung des BSG, denn danach sei entscheidend, dass das Arbeitsentgelt für einen bestimmten Monat gezahlt werde und nicht, welche konkrete
Arbeitsleistung damit abgegolten werden solle. Wenn mit den Zahlungen für September und Oktober Arbeitsleistungen aus Juli
und August abgegolten worden sein sollten, sei das Gehalt gleichwohl - entsprechend der langjährigen Übung - für September
und Oktober gezahlt worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die nach den §§
143,
144 Abs
1 Nr
1,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 07.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
15.03.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenständlich ist ausschließlich der Bescheid vom 07.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2011.
Mit diesem hat der Beklagte den vorläufig ergangenen Bewilligungsbescheid vom 23.09.2010 ersetzt und das Elterngeld endgültig
festgesetzt. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger zutreffend mit der reinen Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1
SGG). Dabei richtet sich das Rechtsschutzziel des Klägers, wie das SG bereits zutreffend berücksichtigt hat, nur auf eine teilweise Aufhebung des Bescheids, denn dieser enthält mehrere Regelungen.
Erstens nimmt er eine endgültige Festsetzung des Anspruchs auf Elterngeld vor, was sich als Aufhebung der mit dem Bescheid
vom 23.09.2010 verbundenen Erklärung der Vorläufigkeit darstellt (vgl BSG 05.04.2012, B 10 EG 10/11 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 14). Zweitens setzt er das Elterngeld für den 7. und 8. Lebensmonat von L auf 381,12 € fest und drittens begründet er
die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung der Überzahlung von 2.629,26 €. Sinnvollerweise anzufechten sind aus Sicht des
Klägers nur die beiden letzten Regelungen, denn würden sie aufgehoben, erstarkte die Bewilligung vom 23.09.2010 zu einer endgültigen
Festsetzung. Da der Kläger die Erstattungsforderung des Beklagten bereits beglichen hat, begehrt er ergänzend die Rückzahlung
dieser Summe.
Die Ermächtigung des Beklagten zu einer vom Bewilligungsbescheid vom 23.09.2010 abweichenden Regelung ergibt sich aus dem
nach § 8 Abs 3 BEEG (in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung) zulässigen Vorbehalt der Vorläufigkeit der erfolgten Bewilligung. Nach dieser Vorschrift
wird Elterngeld bis zum Nachweis des tatsächlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vorläufig unter Berücksichtigung
des glaubhaft gemachten Einkommens gezahlt, wenn das vor der Geburt erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit nicht ermittelt
werden kann oder nach den Angaben im Antrag im Bezugszeitraum voraussichtlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn der Kläger hat angegeben, im Bezugszeitraum Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu
erzielen.
Der Anspruch des Klägers auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten BEEG (Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748).
Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem
Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit
ausübt (Nr 4). Der Kläger hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit seiner am 03.03.2010 geborenen Tochter
L in einem Haushalt, betreute und erzog sie und übte während des Zeitraums vom 03.09. bis 02.11.2010 keine Erwerbstätigkeit
aus, die eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats überstieg (§ 1 Abs 6 BEEG).
Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 28.03.2009, BGBl I 634). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 BEEG in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen
Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 € monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die
berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. § 2 Abs 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300,00 € vor. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist nach § 2 Abs 1 Satz 2 BEEG die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und nichtselbständiger
Arbeit im Sinne von §
2 Abs
1 Satz 1 Nr
1 bis 4
Einkommensteuergesetz (
EStG) nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 des § 2 BEEG zu berücksichtigen. Für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit
erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach § 2 Abs 1 BEEG berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach
Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen
aus Erwerbstätigkeit gezahlt (§ 2 Abs 3 Satz 1 BEEG). Als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist dabei nach § 2 Abs 3 Satz 2 BEEG höchstens der Betrag von 2.700,00 € anzusetzen.
Der Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes (§ 2 Abs 1 Satz 1 BEEG) unterliegt den Einschränkungen des § 2 Abs 7 Sätze 5 bis 7 BEEG, die vorliegend allerdings nicht eingreifen. Daher reicht der Bemessungszeitraum vom 01.03.2009 bis 28.02.2010.
Als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit ist nach § 2 Abs 7 BEEG der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge
zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung
verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach §
9a Abs
1 Satz 1 Nr
1a EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen (Satz 1). Sonstige Bezüge im Sinne von §
38a Abs
1 Satz 3 des
EStG werden nicht als Einnahmen berücksichtigt (Satz 2). Als auf die Einnahmen entfallende Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer
einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die Einnahmen entfallende
monatliche Anteil (Satz 3). Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen
des Arbeitgebers (Satz 4).
Im Bemessungszeitraum sind für den Kläger als Nettoeinkünfte monatlich 4.679,18 € zu berücksichtigen, wie sich aus den vorgelegten
Gehaltsbescheinigungen ergibt. Damit ist als vor der Geburt von L durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus Erwerbstätigkeit
gemäß § 2 Abs 3 Satz 2 BEEG ein Betrag von 2.700,00 € anzusetzen.
Im Bezugszeitraum erhielt der Kläger jeweils Nettoeinkommen im September 2010 1.656,45 €, im Oktober 2010 2.448,69 € sowie
im November 2010 6.469,82 €. Die Zahlungen im September und Oktober 2010 beruhten auf der Vergütung für geleistete Dienste
und Überstunden in den Monaten Juli und August, so dass der Kläger Einkommen aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis erzielte,
obwohl er vom 03.09. bis 31.10.2010 keine Arbeitsleistung erbrachte. Dies steht jedoch der Berücksichtigung dieser Einkünfte
nicht entgegen. Für den 01. und 02.11.2010 stellt sich die Problematik nicht, da das neue Arbeitsverhältnis des Klägers am
01.11.2010 begann und er für den vollen Monat November Gehalt bezog.
Der nach § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG maßgebliche Begriff des "Erzielens von Einkommen aus Erwerbstätigkeit" kann allein vom Wortlaut her unterschiedlich verstanden
werden, und zwar entweder im Sinne eines tatsächlichen Zuflusses des Einkommens (Zuflussprinzip) oder in dem Sinne, dass in
dem maßgeblichen Zeitraum auch die Erwerbstätigkeit, mit der das Einkommen erwirtschaftet oder erarbeitet worden ist, ausgeübt
worden sein muss (sog modifiziertes Zuflussprinzip, vgl BSG 29.08.2012, B 10 EG 18/11 R, [...]). Für das Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit im Bemessungszeitraum vor der Geburt des Kindes ist nach ständiger
Rechtsprechung des BSG ein Einkommen auch dann im Bemessungszeitraum erzielt, wenn es in diesem Zeitraum erarbeitet, aber erst nach dessen Ablauf
in Folge nachträglicher Vertragserfüllung durch den Arbeitgeber ausgezahlt worden ist (BSG 30.09.2010, B 10 EG 19/09 R, BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6; BSG vom 18.08.2011, B 10 EG 5/11 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 11). Mit dieser modifizierten Zuflusstheorie verfolgt das BSG das Ziel der Vermeidung von Zufallsergebnissen. Denn bei abhängig Beschäftigten ist die regelmäßige und zeitnahe Zahlung
der Gehälter durch die Arbeitgeber der Regelfall, deren verspätete Zahlung dagegen die Ausnahme. Bei Einkünften aus selbstständiger
Arbeit ist das Gegenteil der Fall. Hier ist die unregelmäßige Bezahlung von erbrachten Leistungen die Regel. Während bei Arbeitnehmern
das vor der Geburt des Kindes laufend erzielte Arbeitsentgelt regelmäßig wegfällt oder sinkt, sobald sie "keine oder keine
volle Erwerbstätigkeit" mehr ausüben, um ihr Kind zu betreuen, sind bei Selbstständigen tatsächliche Erwerbstätigkeit und
Einkommensverlust nicht so eng verknüpft. Auch wenn sie ihre Arbeit unterbrechen, werden ihnen zumeist noch Betriebseinnahmen
zufließen und weitere Betriebsausgaben entstehen. Diese Gegebenheiten rechtfertigen es, für Einkommen aus nichtselbstständiger
Tätigkeit das modifizierte Zuflussprinzip anzuwenden (BSG 30.09.2010 und 18.08.2011, aaO), für Einkommen aus selbstständiger Arbeit hingegen am strengen Zuflussprinzip des Steuerrechts
festzuhalten (BSG 05.04.2012, B 10 EG 10/11 R, SozR 4-7837 § 2 Nr 14).
Nach diesen Grundsätzen steht auch im Bezugszeitraum einer Berücksichtigung der Vergütung für die geleisteten Dienste und
Überstunden als laufend gezahltes Arbeitsentgelt für den Monat der Auszahlung nicht entgegen, dass dieses auf einer Arbeitsleistung
beruht, die einige Zeit zuvor erbracht worden war (BSG 30.09.2010, B 10 EG 19/09 R, aaO; BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4). Denn dies ändert nichts daran, dass das Arbeitsentgelt in dem Monat erzielt worden ist, für den
es gezahlt worden ist. Insoweit liegt lediglich eine Berechnungsmodalität vor, die aus der Natur der Sache folgt, da die geleisteten
Überstunden und Dienste erst im Folgemonat feststehen und aus abrechnungstechnischen Gründen dann erst im darauf folgenden
Monat vergütet werden können. Die Bezahlung für September (eigentlich: Die im Oktober 2010 erfolgte Gehaltszahlung für September
2010) beinhaltet insoweit - neben dem laufenden Grundgehalt - die Vergütung für die im Juli geleisteten Dienste, die Zahlung
für Oktober 2010 betrifft die im August geleisteten Dienste. Bei einer regelmäßigen betrieblichen Übung wie vorliegend, die
sich nicht als vertragswidrig darstellt, kann es auch nicht zu den vom BSG befürchteten, zu vermeidenden Zufallsergebnissen kommen. Insbesondere sind auch im Bemessungszeitraum bereits von Anfang
an die im jeweiligen Monat abgerechneten Dienste berücksichtigt worden; legte man die Auffassung des Klägers zugrunde, hätte
in den ersten beiden Monaten eine solche Berücksichtigung nicht erfolgen dürfen, denn die entsprechenden Entgelte wären außerhalb
des Bemessungszeitraums erarbeitet worden.
Diese Betrachtung entspricht auch Sinn und Zweck des Elterngeldes. Ziel des Elterngeldes ist es vor allem, Familien bei der
Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (BT-Drucks
16/1889, S 2, 15; BT-Drucks 16/2454, S 2). Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert,
soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr
des Kindes erhalten (vgl BT-Drucks 16/1889, S 2, 15; BT-Drucks 16/2454, S 2). Durch die Betreuung des Kindes sollen die Eltern
keine allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen (vgl Bericht der Bundesregierung vom 30.10.2008 über die Auswirkungen
des BEEG, BT-Drucks 16/10770, S 5 f). Wie auch andere Entgeltersatzleistungen ist das Elterngeld demnach dazu bestimmt, das zuletzt
(vor der Geburt des Kindes) zum Lebensunterhalt dienende Einkommen zu ersetzen (BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, [...]RdNr 33). Eines Ersatzes bedarf es jedoch dann nicht, wenn die Einkünfte - wie hier - weiter erzielt werden.
Das somit anzurechnende Einkommen des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum ergibt insgesamt ein anzurechnendes durchschnittliches
nachgeburtliches Einkommen von 2.131,16 €. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung:
September: 1.656,45 € netto - 76,67 € (Werbungskostenpauschale) = 1.579,78 € : 30 Tage = 52,65 € täglich; für 28 Tage (03.
bis 30.09.) somit 1.474,20 €.
Oktober: steuerl. brutto 2.595,56 € - 153,50 € (Steuer) - 3,37 € SozVers - 76,67 € (Werbungskostenpauschale) = 2.362,02 €
: 31 Tage = 76,19 € täglich; für 1. und 2.10. somit 426,22 € und für 03. bis 31.10. 2.209,51 €
November: 6.469,82 € netto - 76,67 € = 6.393,15 € : 30 Tage = 213,11 € täglich; für 2 Tage somit 426,22 €.
Angesichts des vorgeburtlichen Einkommens von anzurechnenden 2.700,00 € verbleibt eine Differenz iHv 568,84 €. Bei einem Leistungssatz
von 67% (§ 2 Abs 1 BEEG) errechnet sich der von der Beklagten zuletzt festgesetzte Zahlbetrag von 381,12 €.
Wie bereits oben dargelegt, ergibt sich die Befugnis der Beklagten, den Bewilligungsbescheid vom 23.09.2010 abzuändern, aus
dem nach § 8 Abs 3 BEEG zulässigen Vorbehalt der Vorläufigkeit der Bewilligung. Der Bescheid über die vorläufige Bewilligung erledigte sich mit der
Entscheidung über die endgültige Leistungsbewilligung gemäß § 39 Abs 2 SGB X auf sonstige Weise; einer Aufhebung des Bescheides vom 23.09.2010 bedurfte es nicht. Soweit aufgrund der vorläufigen Leistungsbewilligung
Elterngeld bezahlt wurde, sind diese Zahlungen auf die endgültig bewilligte Leistung anzurechnen; zu viel gezahlte Vorschüsse
sind zu erstatten (§
42 Abs
2 SGB I; vgl hierzu Urteile des Senats vom 22.01.2013, L 11 EG 1139/12; 28.03.2012, L 11 EG 3954/11 und 18.05.2010, L 11 R 3189/09, jeweils [...], mwN). Die Anrechnung der Vorschüsse auf die zustehenden Leistungen sowie die Erstattungspflicht sind selbstverständliche
Folgen einer Vorschusszahlung (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, §
42 SGB I §
42 RdNr 15). Darüber hinaus wurde der Kläger im Bescheid vom 23.09.2010 auf die Erstattungspflicht im Falle einer Überzahlung
hinreichend deutlich hingewiesen (vgl BSG 05.04.2012, B 10 EG 10/11 R, SozR 4-7837§ 2 Nr 14). Aus der Differenz zwischen den im Ausgangsbescheid bewilligten Zahlbeträgen (1.800,00 € und 1.591,50
€) und den zustehenden Leistungsansprüchen (2 x 381,12 €) ergibt sich der Erstattungsbetrag in Höhe von 2.629,26 €. Eine Ermessensentscheidung
war von der Beklagten vorliegend hinsichtlich der Rückforderung nicht zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.