Tatbestand
Im Streit steht die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Der bei der Beklagten versicherte E. A. (im Folgenden: Versicherter), geboren am 31.03.1946, wurde vom 04.07.2005 bis zu seinem
Tod am 04.09.2005 im Hochschulklinikum des Klägers stationär behandelt. Bei dem Versicherten wurde im Mai 1999 die Erstdiagnose
eines follikulären B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms Grad I-II, Stadium IVA gestellt. Nach einer Beobachtungsphase erfolgten von
März bis Juli 2001 6 Zyklen Chemotherapie nach dem CHOP-Protokoll bei ausgedehntem Progress im Bereich des linken Oberschenkels
mit kompletter Remission. Im Juni 2003 trat ein Rezidiv im Bereich des rechten Unterschenkels mit Hautinfiltration auf (follikuläres
Lymphom Grad I). Anschließend erfolgte eine Radiatio des rechten Unterschenkels (Juli/August 2003) und der rechten Inguinalregion
(September/Oktober 2003). Im Januar 2004 wurde ein Übergang zu einem aggressiven großzelligen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom (Grad
III) festgestellt. Von Februar bis April 2004 erfolgten 4 Zyklen Chemo-Immun-Therapie nach dem R-CHOP-Protokoll, anschließend
im Mai 2004 ein Zyklus Chemotherapie nach dem VIPE-Protokoll und im Juni 2004 ein Zyklus Chemotherapie nach dem VIP-Protokoll.
Im Juli 2004 erfolgte eine Hochdosis-Chemotherapie nach dem BEAM-Protokoll mit anschließender autologer Stammzelltransplantation.
Im September 2004 lag eine Remission der Tumormanifestationen inguinal und suprasymphysär vor, jedoch ein Progress im Bereich
des rechten Unterschenkels. Angeschlossen wurde eine Rituximab-Erhaltungstherapie bis Januar 2005. Bei erneut größenprogredienten
Lymphknoten wurde im März 2005 eine Zevalin-Behandlung durchgeführt und bei weiterem Lymphomprogress im April 2005 erfolgte
eine Behandlung nach Block C des B-ALL-Protokolls mit anschließender Stammzellretransfusion. Als Komplikation trat ein pilztypisches
pulmonales Infiltrat im linken Unterlappen auf, das sich nach antimykotischer Therapie bis Juni 2005 nahezu komplett zurückbildete.
Am 08.06.2005 zeigte sich ein erneuter Lymphomprogress mit Hautmanifestationen. Am 14.07.2005 erfolgte eine allogene Stammzelltransplantation
(HLA-identischer, nicht verwandter Spender) nach myeloablativer Konditionierung (Cyclophosphamid 2 x 60 mg/kg und Ganzkörperbestrahlung
12 Gy). Ab 04.08.2005 entwickelte der Versicherte zunehmend Atembeschwerden und musste auf die Intensivstation verlegt werden.
Er verstarb am 04.09.2005 aufgrund eines Lungenversagens.
Unter Ansatz der Diagnosis Related Group (DRG) A04D (Knochenmarktransplantation/Stammzelltransfusion, allogen, ohne In-vitro-Aufbereitung,
HLA-identisch) forderte der Kläger zunächst mit Rechnung vom 27.10.2005 von der Beklagten einen Gesamtbetrag iHv 99.139,75
€. Diese Rechnung wurde unter dem 08.08.2006 storniert und mit stationärer Endabrechnung mit gleichem Datum nunmehr ein Betrag
iHv 100.363,91 € gefordert. Eine Zahlung erfolgte nicht.
Auf Veranlassung der Beklagten überprüfte Dr. Dr. E. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK)
die Krankenhausabrechnung und kam in seinem Gutachten vom 22.12.2005 zu dem Ergebnis, die fremd-allogene Stammzelltransplantation
bei hochmalignen Lymphomen therapierefraktär nach autologer Stammzelltransplantation stelle ein hochexperimentelles, nicht
evidenzgesichertes Therapieverfahren dar. Solche Therapien könnten in Form von klinischen Studien durchgeführt werden. Es
finde sich kein Hinweis, dass der Versicherte im Rahmen eines Studienprotokolls behandelt worden sei. Es handele sich um einen
individuellen Heilversuch, der keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung auslösen könne.
Nachdem die Beteiligten den Widerspruch des Klägers zunächst im Hinblick auf parallele Abrechnungsstreitigkeiten ruhend gestellt
hatten, führte Dr. F., Ärztlicher Leiter der allogenen Stammzelltransplantation des Klägers mit Stellungnahme vom 31.10.2012
aus, bei dem Versicherten sei die Prognose äußerst schlecht gewesen, seine geschätzte Lebenserwartung habe wenige Monate betragen.
Alle Therapieverfahren außer der allogenen Stammzelltransplantation seien ausgeschöpft gewesen, dies sei die einzige Behandlungsmöglichkeit
zur Abwendung des drohenden Todes gewesen. Drei Studien aus den Jahren 2003 und 2004 (Izutsu, Freytes und Doocey) belegten,
dass die Wahrscheinlichkeit, drei Jahre nach allogener Stammzelltransplantation ohne Krankheitsrückfall am Leben zu sein,
mindestens 15% betragen habe. Dies stehe im Kontrast zu einer 100% Mortalität ohne allogene Stammzelltransplantation. Die
Studien belegten, dass im Jahr 2005 ausreichende medizinische Erkenntnisse verfügbar gewesen seien, um diese erfolgversprechende
Behandlung durchzuführen.
Am 10.06.2013 hat der Kläger zum Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrages erhoben. Die allogene Stammzelltransplantation entspreche dem allgemein
anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse. Der Vergütungsanspruch ergebe sich aus der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts. Wie sich aus den Stellungnahmen von Dr. F. vom 31.10.2012
und 02.06.2014 ergebe, habe bei dem Versicherten eine regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorgelegen. Eine andere Therapie
als die allogene Stammzelltransplantation mit dem Ziel der Heilung habe nicht zur Verfügung gestanden. Aus den von Dr. F.
zitierten Studien ergebe sich, dass eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung bestanden habe. Diese Studien bewiesen,
dass Patienten mit einem chemorefraktären Rezidiv eines diffusen großzelligen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms durch allogene Stammzelltransplantation
geheilt werden könnten. Aus diesen Daten habe für den Versicherten eine 3-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von mindestens
25% und eine Heilungschance von mindestens 15% abgeleitet werden können.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Gutachten von Prof. Dr. H., Leiter des Kompetenz Zentrums Onkologie beim
MDK N., vom 02.12.2013 und 05.01.2015 vorgelegt. Dieser führt zusammenfassend aus, dass die Studien von Freytes, Izutsu und
Doocey über die Prognose bei der hier vorliegenden Konstellation großzelliges Lymphom und Chemotherapie refraktäres Rezidiv
und nicht verwandter Spender nichts aussagten, die Arbeit von Doocey sei als Vollpublikation zudem erst im Oktober 2005 erschienen
(Kongressvortrag im Dezember 2014). Es werde in der Literatur bis 2005 nicht ein Fall beschrieben, bei dem eine Heilung eines
Patienten mit entsprechender Prognosekonstellation durch eine allogene Stammzelltransplantation erfolgt sei. Der Versicherte
hätte im Rahmen der damaligen DSHNHL-R3-Studie behandelt werden können. In diesem Protokoll sei der Stellenwert der allogenen
Stammzelltransplantation bei Patienten mit aggressiven (großzelligen) Lymphomen im Alter von 18 bis 65 Jahren erprobt worden.
Eines der weiteren Einschlusskriterien sei ein Rezidiv nach Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation gewesen.
Seit Publikation der Studienergebnisse im Mai 2014 (3-Jahres-Überleben 38,3%) werde die Behandlung von Patienten mit Chemotherapie
refraktärem großzelligem Lymphom als Standardindikation für allogene Stammzelltransplantation anerkannt, sofern die Konditionierung
nach dem DSHNHL-R3-Protokoll erfolge. Die mutmaßlich für das günstige Behandlungsergebnis verantwortliche Besonderheit dieses
Protokolls liege in der Konditionierung mit drei Medikamenten (teilweise dosisreduziert) mit ausgeprägter Wirksamkeit bei
Lymphomen unter Verzicht auf eine Ganzkörperbestrahlung. Hier sei dagegen eine klassische myeloablative Konditionierung erfolgt.
Bereits 2005 sei bekannt gewesen, dass solche Konditionierungsprotokolle mit einer behandlungsbedingten Sterblichkeit von
mehr als 50% verbunden seien. Nach der Europäischen Fachgesellschaft für Blutstammzell- und Knochenmarktransplantation (EBTM)
sei die Transplantation bei Lymphomen hohen oder intermediären Grades, refraktärem Krankheitsstadium und nicht-verwandtem
Spender der Kategorie "not generally recommanded"(NR) zugeordnet worden. Bereits bei der dritten Kategorie "in klinischer
Entwicklung" (D - für developmental) werde der Einschluss in eine klinische Studie empfohlen. Würden in Abweichung von den
EBMT-Empfehlungen auch in der Kategorie NR allogene Stammzelltransplantationen durchgeführt, sei erst recht die Teilnahme
an klinischen Studien dringend zu empfehlen. Die Aufklärung des Versicherten sei nicht ausreichend, es fehle der Hinweis auf
die Durchführung einer experimentellen Therapie und die Möglichkeit der Teilnahme an einer Studie. Die wirksame Einwilligung
in die Behandlung sei jedoch Voraussetzung des Vergütungsanspruchs gegen die Krankenkasse.
Mit Urteil vom 11.02.2015 hat das SG die Beklagte zur Zahlung von 100.363,91 € nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.09.2006
verurteilt. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Behandlung des Versicherten habe nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen
Erkenntnisse entsprochen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse eine Krankenhausbehandlung, die nicht dem Qualitätsgebot entspreche, von den Krankenkassen nicht bezahlt werden. §
137c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) dürfe nicht über seinen Wortlaut hinaus im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden bis zum Erlass eines
Verbots ausgelegt werden. Aus der Aufnahme der allogenen Stammzelltransplantation in die DRG im Fallpauschalenkatalog 2005
könne nicht gefolgert werden, dass diese dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im maßgebenden Zeitpunkt
der Behandlung entsprochen habe. Ein Ausschluss der allogenen Stammzelltransplantation bei Non-Hodgkin-Lymphom sei in der
Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung zwar nicht erfolgt. Das im stationären Bereich zu beachtende Qualitätsgebot fordere
jedoch, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute die Behandlungsmethode befürworte. Nach den von den Beteiligten
zitierten Publikationen und ärztlichen Stellungnahmen stehe für das SG fest, dass die allogene Stammzelltransplantation bei Non-Hodgkin-Lymphom jedenfalls außerhalb einer klinischen Studie im
Zeitraum Juli bis September 2005 nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen habe. Gleichwohl habe
ein Vergütungsanspruch des Klägers bestanden, dieser ergebe sich aus grundrechtsorientierter Auslegung. Bei dem Versicherten
habe eine lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen, die innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit
zum Tode geführt hätte. Auch Prof. Dr. H. sei davon ausgegangen, dass es sich um eine tödlich verlaufende Erkrankung gehandelt
habe und die im Jahr 2005 verfügbaren anerkannten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft gewesen seien. Allein durch eine allogene
Stammzelltransplantation sei eine Heilung trotz der zweifellos vorhandenen hohen Risiken möglich gewesen. Bei dieser Behandlungsmethode
habe durchaus eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung bestanden. Neben den Aussagen des
Dr. F. belegten dies überzeugend die Ergebnisse der DSHNHL 2003-R3-Studie sowie die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für
Hämatologie und Medizinische Onkologie "Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom", die beide die allogene Stammzelltransplantation
bei Non-Hodgkin-Lymphom als wesentliche und vielversprechende Therapieoption ansähen. Eine wirksame Einwilligung des Versicherten
in die Behandlung als Vergütungsvoraussetzung habe vorgelegen. Eine Verpflichtung zur Aufklärung über die Möglichkeit der
Behandlung in einer Studie habe nicht bestanden.
Gegen das ihr am 04.03.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 30.03.2015 eingelegte Berufung der Beklagten. Es stehe
fest, dass die Behandlung nicht dem allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse entsprochen habe. Die in den 80er
Jahren eingesetzten Protokolle mit maximal dosierter Ganzkörperbestrahlung seien 2005 längst verlassen worden, da diese mit
einer nicht akzeptabel hohen Rate tödlicher Komplikationen verbunden gewesen seien. Mit den ab ca 2000 vorzugsweise eingesetzten
dosisreduzierten Konditionierungsprotokollen hätten bei Patienten mit kleinzelligen Lymphomen in Einzelfällen günstigere Ergebnisse
erzielt werden können. Bei Patienten mit großzelligem Lymphom seien diese Protokolle aufgrund unzureichender Tumorkontrolle
nicht geeignet gewesen. Das hier eingesetzte Protokoll sei mit einer hohen Rate tödlicher Komplikationen verbunden gewesen
und selbst in Einzelfallberichten sei eine erfolgreiche Behandlung bei der vorliegenden Konstellation nicht beschrieben worden.
Nach der 2002 publizierten EBMT-Empfehlung werde bei Patienten mit Chemotherapie refraktärem Rezidiv eines großzelligen Lymphoms
eine Behandlung mit allogener Stammzelltransplantation in klinischen Studien nur für den Fall empfohlen, dass ein HLA-identischer
Familien- bzw Geschwisterspender verfügbar sei. Bei nicht verwandten Spendern sei von einer Behandlung abgeraten worden (NR).
In der medizinischen Fachwelt habe es gerade keinen Konsens über die Zweckmäßigkeit der eingesetzten Therapie gegeben. Die
Studienteilnahme stelle eine Ausnahme vom Qualitätsgebot nach §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V dar. Allen damit verbundenen Schutzmechanismen sei der Versicherte hier grundlos entzogen worden, obwohl es eine erfolgversprechende
Behandlungsalternative gegeben habe. Diese sei ignoriert und stattdessen eine wissenschaftlich durch nichts gestützte deutlich
riskantere Behandlung versucht worden. Ein individueller Heilversuch sei nur dann gerechtfertigt, wenn es kein anderes Mittel
mehr gebe.
Die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung lägen nicht vor, denn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht
auf Heilung oder spürbar positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf habe nicht bestanden. Die Rechtsprechung setze insoweit
eine Risiko-Nutzen-Abwägung der Methodenanwendung allgemein sowie im konkreten Fall voraus. Der Patientenschutz gebiete die
jeweils mögliche Erhebung und Zugänglichmachung von verfügbaren Informationen durch die Behandler entsprechend ihrem Berufs-
und Standesrecht. Vorliegend habe ein Risiko von tödlichen Komplikationen von über 50% bestanden. Laut MDK-Gutachten hätte
man damals zumindest der von deutschen Studiengruppen veröffentlichten Empfehlung folgen müssen, ein Fludarabin-haltiges dosisreduziertes
Konditionierungsprotokoll auszuwählen. Nach der Rechtsprechung des BSG könne der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse erfordern, dass betroffene Patienten im Interesse ihres
Schutzes regelmäßig lediglich im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien behandelt würden. Dies gelte umso mehr, wenn
die Behandlung sehr risikobehaftet sei und ausreichende Indizien für einen Nutzen nicht vorhanden seien. Sämtliche Fachgesellschaften
und Expertengruppen, die sich vor Veröffentlichung der DSHNHL-Studie zu diesem Thema geäußert hätten, hätten die Beschränkung
der Behandlung von Patienten mit großzelligen Lymphomen mit allogener Stammzelltransplantation auf klinische Studien empfohlen
oder rieten hiervon ganz ab, wenn HLA-identische Familienspender nicht verfügbar waren. Im Gutachten vom 04.04.2016 widerlege
Prof. Dr. H. die Argumentation von Dr. F.. Es stelle sich die Frage, weshalb der Versicherte nicht ein Standardprotokoll wie
DHAP oder ICE bekommen habe, sondern stattdessen Zevalin verabreicht worden sei und danach ein für Patienten mit großzelligem
Lymphom gänzlich unerprobtes Protokoll (Block C des alten B-ALL-Protokolls), welches im Rahmen einer Studie bei Patienten
mit einer seltenen Unterform einer akuten Leukämie (B-ALL) erprobt worden sei. Es hätte vorliegend alles dafür gesprochen,
nach Rezidivdiagnose im März 2005 der Empfehlung des DSHNHL-Protokolls zu folgen. Die Argumentation von Dr. F. sei nicht plausibel,
dass eine Rezidivchemotherapie ohne Bestrahlung für den Patienten zu riskant gewesen sei, wenn gleichzeitig eine radikale
myeloablative Ganzkörperbestrahlung mit hochdosierter Chemotherapie empfohlen und durchgeführt worden sei. Grund für das Vorgehen
der Beklagten sei nicht die Tatsache, dass eine allogene Stammzelltransplantation durchgeführt worden sei, sondern die spezielle
veraltete Methodik des Konditionierungsprotokolls. Dieses stehe einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung entgegen.
Im vorliegenden Fall fehle eine korrekte Aufklärung mit dem Hinweis, dass es sich um eine experimentelle Therapie handele
und national und international eine Teilnahme an klinischen Studien empfohlen werde. Eine wirksame Aufklärung müsse auch Therapiealternativen
erfassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Behandlung habe dem Qualitätsgebot des §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V entsprochen. Hier sei allein zu beurteilen, ob eine allogene Stammzelltransplantation im Rahmen der Rezidivbehandlung eines
Non-Hodgkin-Lymphoms dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprochen habe. Auch der GBA überprüfe bei Bewertung
einzelner Stammzelltransplantationen nicht einzelne Konditionierungsprotokolle auf ihre Evidenz. Das BSG habe in der Entscheidung vom 17.12.2013 (B 1 KR 70/12 R) lediglich die Frage aufgeworfen, ob die allogene Stammzelltransplantation mit nicht-verwandtem Spender bei SAA dem Qualitätsgebot
entspreche. Die MDK-Ärzte wendeten sich vorliegend nicht gegen die allogene Stammzelltransplantation, ihr Einwand beschränke
sich vielmehr darauf, der Patient hätte im Rahmen einer klinischen Studie allogen transplantiert werden müssen. Die Studie
DSHNHL 2003-R3 spreche deutlich dafür, dass die angewandte Methode bereits damals dem anerkannten Stand der medizinischen
Erkenntnisse entsprochen habe; in dem Protokoll werde auf positive Erfahrungen bei Behandlung von Patienten mit aggressivem
Non-Hodgkin-Lymphom mit allogener Stammzelltransplantation verwiesen. Bei diffus großzelligen B-Zell-Lymphomen habe der Anteil
myeloablativer Konditionierungen im Jahr 2004 bei ca 35% gelegen und 2005 bei ca 47% und 2013 immer noch bei etwa 44%. Warum
die myeloablative Konditionierung bei dieser Datenlage 2005 von vornherein nicht in Frage kommen sollte, bleibe unerklärlich.
Angesichts des sehr hohen Rückfallrisikos beim Versicherten sei aus fachärztlicher Sicht die myeloablative Konditionierung,
bei der das Rückfallrisiko deutlich geringer sei, gegenüber einer dosisreduzierten Konditionierung vorzugswürdig erschienen.
Es bestehe bei Übereinstimmung molekular genetisch analysierter HLA-Allele wie hier kein relevanter Unterschied in den Behandlungsergebnissen
zwischen Familienspender und nicht-verwandtem Spender. Bereits die EBMT von 2006, die schon am 20.07.2005 eingereicht worden
sei, habe bei den aggressiven Lymphomen keine Unterscheidung mehr nach Familienspendern und nicht-verwandten Spendern enthalten.
Auch die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung lägen vor. Eine regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung
habe vorgelegen und eine allgemein anerkannte Behandlung nicht zur Verfügung gestanden, wenn man sich auf den Standpunkt stelle,
die hier angewandte allogene Stammzelltransplantation habe damals bei dem bestehenden Krankheitsbild des Versicherten keine
Standardbehandlung dargestellt. Die Ärzte hätten damals vor der Alternative gestanden, eine palliative Therapie durchzuführen
oder eine allogene Stammzelltransplantation mit dem Ziel der dauerhaften Heilung. Vorrangig sei das Ziel gewesen, einen Rückfall
des Lymphoms zu vermeiden, weshalb eine myeloablative Konditionierung mit Ganzkörperbestrahlung erfolgt sei. Der Versicherte
sei darüber aufgeklärt worden, dass bei dieser Therapie die Mortalitätsquote bei etwa 50% und die Rückfallquote bei etwa 30%
liege. Daraus habe sich eine Heilungschance von etwa 20% ergeben. Jedenfalls vor dem Hintergrund der Klarstellung des Gesetzgebers
im Rahmen des GKV-VSG vom 16.07.2015 erweise sich die Berufung als begründet, denn ausweislich der amtlichen Begründung handele
es sich lediglich um eine Klarstellung vor dem Hintergrund einer zweifelhaften Gesetzesauslegung in der jüngsten höchstrichterlichen
Rechtsprechung. Die Methode habe Potenzial iSv §
137c Abs
3 SGB V nF. Der Vergütungsanspruch hänge mit Ausnahme der Regelung in §
137c Abs
2 Satz 2 2. Halbsatz
SGB V nicht von der Teilnahme an einer Studie ab. Im Übrigen wäre es auch medizinisch nicht vertretbar gewesen, den Versicherten
im Rahmen der klinischen Studie zu behandeln. Der Kläger verweist insoweit auf Stellungnahmen von Dr. F. vom 20.08.2015 und
23.06.2016. Das Studienprotokoll verlange eine konventionelle Vortherapie (DHAP oder ICE), eine solche sei bei dem Versicherten
nach zahlreichen Vortherapien medizinisch nicht mehr vertretbar gewesen. Ein geeigneter Stammzellspender sei erst Ende Mai
2005 gefunden worden, erst ab diesem Zeitpunkt habe über eine Studienteilnahme entschieden werden können. Zu diesem Zeitpunkt
sei jedoch ein Einschluss in die Studie vor dem Hintergrund der zwingend durchzuführenden konventionellen Vortherapien nicht
mehr möglich gewesen.
Die pauschalen Annahmen der Beklagten zur fehlenden wirksamen Aufklärung bzw Einwilligung entbehrten jeglicher Grundlage.
Eine schriftliche Einverständniserklärung nach umfangreicher mündlicher und schriftlicher Aufklärung sei vorgelegt worden.
Eine bestimmte Form sei insoweit nicht erforderlich. Da die Teilnahme an einer Studie nicht vergütungsrelevant sei und eine
Einbeziehung medizinisch nicht vertretbar gewesen sei, habe hierüber auch nicht aufgeklärt werden müssen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die gemäß §
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht erhobene und gemäß §
143 SGG statthafte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet, denn der Kläger hat gegenüber der
Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 100.363,91 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit 12.09.2006. Das SG hat zu Unrecht entschieden, dass in dem vorliegend zu entscheidenden Einzelfall aufgrund der allogenen Stammzelltransplantation
Vergütungsansprüche nach DRG A04D und damit in Zusammenhang stehende Abrechnungsposten entstanden sind.
Der Kläger hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des §
54 Abs
5 SGG die richtige Klage gewählt; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten
Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in
dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht
zu beachten ist (BSG 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R, BSGE 90, 1). Der Kläger hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl BSG 02.11.2010, B 1 KR 11/10 R, BSGE 107, 78).
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs des Klägers als DRG-Krankenhaus sind §
109 Abs
4 Satz 2 und
3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2005 vom 16.09.2004 (Fallpauschalenvereinbarung
2005 - FPV 2005 -) und deren Anlage 1 Teil a i.V.m. § 17b Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Der Vertrag nach §
112 Abs
2 Satz 1 Nr
1 SGB V zu den allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlungen (KHBV) zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft
und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen idF des Schiedsspruchs vom 21.09.2005 galt ab 01.01.2006. In
den Jahren 2004 und 2005 existierte kein Vertrag.
Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern
mit verschiedenen, in den Nummern 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung
von Fallpauschalen (DRG) nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 i.V.m. § 9 KHEntgG).
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung haben nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr
1 KHEntgG gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragspartner
(§ 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs 2 KHG: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen
zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu
vereinbaren. Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntgG findet sich in § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes
Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Komorbitäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1
werden nach § 17b Abs 1 Satz 3 KHG die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet.
Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme
der Leistung durch den Versicherten (BSG 10.04.2008, B 3 KR 19/05 R, BSGE 100, 164; BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 KR R, BSGE 102, 172). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser nach §
109 Abs
4 Satz 2
SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch
des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich
die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie
Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen. Nach §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die zur Krankenbehandlung gehörende Krankenhausbehandlung
(§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
5 SGB V) wird gemäß §
39 Abs
1 Satz 1
SGB V vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Der Anspruch ist gerichtet auf vollstationäre
Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§
108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre,
vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§
39 Abs
1 Satz 2
SGB V).
Der Versicherte war im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglied der Beklagten. Es bestand aufgrund der Schwere der Erkrankung
des Versicherten (Chemotherapie refraktäres Rezidiv bei großzelligem B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom) die Notwendigkeit einer stationären
Krankenhausbehandlung im Sinne von §
39 Abs
1 SGB V. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Einziger Einwand der Beklagten ist, dass die angewandte Behandlungsmethode
nur bei Teilnahme des Versicherten an einer klinischen Studie zu Lasten der GKV abrechenbar sei.
Auch die ua von § 17b KHG erfassten Leistungen müssen grundsätzlich dem Qualitätsgebot des §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V genügen, um überhaupt zulasten der GKV abrechenbar zu sein (BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 §
2 Nr
4 mwN). §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V bestimmt, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu
entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V entspricht eine Behandlung, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode
befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens
besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht
nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können.
Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit
der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen
erfolgreich gewesen sein (zum Ganzen: BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R, [...] und BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, aaO). Eine Abmilderung des Qualitätsgebots kann sich insbesondere daraus ergeben, dass auch bei der Beurteilung der Behandlungsmethoden
im Krankenhaus in einschlägigen Fällen eine grundrechtsorientierte Auslegung der Grenzmaßstäbe nach Maßgabe der Rechtsprechung
des BVerfG im Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) stattzufinden hat (BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, aaO).
Nach §
137c Abs
1 Satz 1
SGB V (idF des Art 1 Nr
106 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung <GMG> vom 14.11.2003, BGBl I S 2190) überprüft der GBA auf
Antrag eines Spitzenverbandes der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung
angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung
der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind.
Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BSG normiert §
137c SGB V einen bloßen Verbotsvorbehalt (BSG 28.07.2008, B 1 KR 5/08 R, BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6; BSG 18.12.2012, B 1 KR 34/12 R, BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2; BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, aaO) und setzt die Geltung des alle Naturalleistungsbereiche erfassenden Qualitätsgebots (§
2 Abs
1 Satz 3
SGB V) auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. §
137c SGB V bewirkt vor diesem Hintergrund lediglich, dass - anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Leistungen - der GBA nicht
in einem generalisierten, zentralisierten und formalisierten Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus
deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft. Die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus
erfolgt vielmehr bis zu einer Entscheidung des GBA nach §
137c SGB V individuell, grundsätzlich also zunächst präventiv im Rahmen einer Binnenkontrolle durch das Krankenhaus selbst, sodann im
Wege der nachgelagerten Außenkontrolle lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post durch die Krankenkasse
und anschließender Prüfung durch die Gerichte. An dieser Rechtsprechung hat sich auch durch die Einfügung des Abs
3 in §
137c SGB V mWv 23.07.2015 (GKV-VSG vom 16.07.2015, BGBl I S 1211) nichts geändert (BSG 17.11.2015, B 1 KR 15/15 R, SozR 4-2500 § 137 Nr 6).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben entspricht die stattgefundene Behandlung des Versicherten, der an einem Chemotherapie
refraktären Rezidiv bei großzelligem B-Zell-Hon-Hodgkin-Lymphom litt, mit allogener Stammzelltransplantation nach "klassischer"
myeloablativer Konditionierung nicht dem Qualitätsgebot nach §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des SG, dass im Zeitraum Juli bis September 2005 die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode
noch nicht befürwortete und über die Zweckmäßigkeit der Therapie auch kein Konsens bestand. Der Senat stützt sich insoweit
im Wesentlichen auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen in den MDK-Gutachten von Prof. Dr. H. vom 02.12.2013 und
05.01.2015. Danach lassen sich aus der Analyse des französischen Transplantationsregisters (Dhedin 1999) und einer Fallsammlung
französischer Transplantationszentren (Bernard 1999) für den hier vorliegenden Fall eines großzelligen Chemotherapie refraktären
B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms keine eindeutigen Erkenntnisse für eine Abwägung der Nutzen-Schaden-Relation einer allogenen Stammzelltransplantation
entnehmen. In einer Fallsammlung aus israelischen Transplantationszentren (Nagler 2000) wiesen drei von 23 Patienten die Merkmale
wie der Versicherte auf; alle drei verstarben zwei bzw drei Monate nach der Behandlung mit allogener Stammzelltransplantation.
Auch wenn Dr. F. zu Recht darauf hinweist, dass diese Fallzahl zu klein für eine wissenschaftliche Aussage ist, so spricht
das Ergebnis doch jedenfalls nicht für einen Nutzenbeleg. Aus den EBTM-Registeranalysen (Robinson 2002 und Peniket 2003) lassen
sich ebenfalls keine Belege dafür entnehmen, dass auch bei Patienten mit großzelligem refraktärem Lymphom ein Behandlungserfolg
eingetreten war. Nach Robinson lebten von 40 Chemotherapie refraktären (von insgesamt ausgewerteten 188) Patienten mit Lymphomen
nach allogener Stammzelltransplantation nur zwei länger als 18 Monate (2 Jahre und 2,5 Jahre); in dieser Gruppe waren jedoch
auch Patienten mit den prognostisch wesentlich günstigeren kleinzelligen Lymphomen, so dass kein Beleg vorhanden ist, dass
auch nur ein Patient mit großzelligem refraktären Lymphom überlebt hat. Nach Peniket lebten von 255 Patienten mit großzelligem
Lymphom (insgesamt analysiert 1.185 Patienten) fünf Jahre nach allogener Stammzelltransplantation noch 53, nach 10 Jahren
noch neun Patienten. Da allerdings ca 80% der Patienten Chemotherapie sensitiv mit deutlich günstigerer Prognose waren, ist
auch hier ein Nutzen für Patienten mit refraktärem großzelligem Lymphom nicht erkennbar. Aus der Publikation von Izutsu (2004)
zur Analyse des japanischen Transplantationsregisters lässt sich für die hier bestehende Konstellation ebenfalls nichts entnehmen.
Von den 124 ausgewerteten Patientendaten betrafen nur fünf Patienten mit einem großzelligen Lymphom und nur 33 Patienten mit
refraktärem Lymphom. Danach wiesen Patienten mit einer Chemotherapie refraktären Erkrankung eine deutlich ungünstigere Prognose
auf; als weitere signifikant für eine Prognose ungünstige Merkmale erwiesen sich ein Alter über 40 Jahre und eine vorherige
Behandlung mit autologer Stammzelltransplantation. Diese ungünstigen Merkmale trafen sämtlich auf den Versicherten zu. In
der Analyse von Freytes zum US-amerikanischen Transplantationsregister von 2004 werden Daten von 114 Patienten untersucht,
davon wiesen nur acht ein großzelliges Lymphom und nur 23 eine Chemotherapie refraktäre Erkrankung auf. Nur ein Patient mit
Chemotherapie refraktärer Erkrankung überlebte länger als 12 Monate. Da die Patienten mit kleinzelligem Lymphom deutlich in
der Überzahl waren und deren Prognose deutlich günstiger ist, erscheint sehr wahrscheinlich, dass der überlebende Patient
nicht an einem großzelligen Lymphom litt. Die im Zeitpunkt der Behandlung des Versicherten erst als Kongressveröffentlichung
vorliegende Untersuchung von Doocey (12/2004) über eine Fallsammlung von 47 Patienten lässt nicht erkennen, ob auch nur ein
Patient mit der Konstellation Chemotherapie refraktäres, großzelliges B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom langfristig nach allogener
Stammzelltransplantation überlebt hat. Auch aus anderen wissenschaftlichen Stellungnahmen lässt sich mit Stand 2005 nicht
entnehmen, dass die allogene Stammzelltransplantation für refraktäre, großzellige B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphome empfohlen oder
gar als Standardtherapie angesehen wurde. Die 2005 noch maßgebliche EBTM-Publikation von 2002 stufte die Indikation Lymphome
hohen oder intermediären Grades, refraktäres Krankheitsstadium in die vierte Kategorie "not generally recommanded" (NR) ein,
also eine Kategorie, in der Patienten üblicherweise nicht mit allogener Stammzelltransplantation behandelt werden (ab 2006
klarstellend als "generell nicht empfohlen" benannt). Bereits bei der dritten Kategorie D (in klinischer Entwicklung) handelt
es sich um Behandlung mit Stammzelltransplantationen, welche sich in einem frühen Stadium der klinischen Entwicklung befinden,
der Einschluss in eine klinische Studie wird empfohlen. Das Manual Maligne Lymphome vom Tumorzentrum M. (7. Aufl 2004, S 126
ff) führt zum Stellenwert der allogenen Stammzelltransplantation bei Patienten mit großzelligem Lymphom aus: "Hinsichtlich
der allogenen Transplantation bei jüngeren Patienten im Rezidiv nach konventioneller Therapie oder autologer Stammzelltransplantation
ist die Datenlage spärlich und zeigt eine hohe Therapieassoziierte Mortalität. Eine Empfehlung hierzu kann derzeit nicht ausgesprochen
werden. Eine weitere Evaluierung der allogenen Transplantation im Rahmen von Studien ist erforderlich". Eine ähnliche Empfehlung
ergibt sich aus den 2003 herausgegebenen Leitlinien der amerikanischen Gesellschaft für Blutstammzell- und Knochenmarkstransplantation,
in welcher für Patienten mit großzelligen Lymphomen eine Liste enthalten ist, in der nicht ausreichend erprobte Transplantationsverfahren
genannt werden, die nur in klinischen Studien empfohlen werden; dazu gehört die myeloablative allogene Stammzelltransplantation.
Der Senat folgt insoweit insgesamt den Ausführungen von Prof. Dr. H., dass im Jahr 2005 die allogene Stammzelltransplantation
bei Patienten mit großzelligem Lymphom nach der ganz überwiegenden Einschätzung der wissenschaftlichen Fachwelt als Behandlung
mit nicht gesichertem Nutzen eingestuft wurde, die deshalb nur im Rahmen klinischer Studien empfohlen wurde.
Zur Überzeugung des Senats sind auch die im Beschlusses des BVerfG vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 §
27 Nr
5) aufgestellten Kriterien vorliegend nicht erfüllt (vgl nunmehr §
2 Abs
1a SGB V eingefügt mit Wirkung vom 01.01.2012 durch Art 1 Nr 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-VStG> vom 22.12.2011, BGBl
I S 2983). Der Versicherte hatte auch bei grundrechtsorientierter Auslegung keinen Anspruch auf diese Behandlung, weshalb
dem Kläger kein Vergütungsanspruch nach der DRG A04D (Fallpauschalen-Katalog 2005) zusteht.
Das BVerfG hat mit dem genannten Beschluss zu einer ärztlichen Behandlungsmethode entschieden, dass es mit den Grundrechten
aus Artikel
2 Abs
1 Grundgesetz (
GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel
2 Abs
2 Satz 1
GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung
eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung
einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht
auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Die grundrechtsorientierte Auslegung einer Regelung des
SGB V über einen Anspruch auf Übernahme einer Behandlungsmethode zulasten der GKV setzt daher voraus, dass folgende drei Voraussetzungen
kumulativ erfüllt sind: (1.) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig
damit vergleichbare Erkrankung vor. (2.) Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard
entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. (3.) Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein
anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens
auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf" (ständige Rechtsprechung; BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, aaO; BSG 07.05.2013, B 1 KR 26/12 R, SozR 4-2500 § 18 Nr 8 und 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, aaO).
Eine lebensbedrohliche bzw regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung lag bei dem Versicherten unstreitig vor. Der Versicherte
litt an einem Chemotherapie refraktären, großzelligen Lymphom, das unbehandelt innerhalb eines überschaubaren Zeitraums von
wenigen Wochen bzw Monaten zum Tode geführt hätte. Dies entnimmt der Senat den Aussagen des behandelnden Arztes Dr. F. und
den Gutachten von Prof. Dr. H., die in dieser Einschätzung übereinstimmen. Es gab damals auch keine alternative Behandlungsmethode
(mehr), die ebenfalls das Ziel hatte, die Krankheit zu heilen, und dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprach.
Insoweit wird auf die oben gemachten Ausführungen zur fehlenden Anerkennung der allogenen Stammzelltransplantation als anerkannte
Behandlungsmethode bei großzelligen, refraktären Lymphomen Bezug genommen. Andere Behandlungen mit kurativem Ansatz waren
schon gar nicht ersichtlich, es hätte lediglich noch eine palliative Behandlung zur Verfügung gestanden.
Zur Überzeugung des Senats bestand mit der allogenen Blutstammzelltransplantation außerhalb einer klinischen Studie in dem
vorliegend zu entscheidenden Einzelfall allerdings keine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung
oder wenigstens auf eine "spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf". Eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf
ist zu bejahen, wenn zumindest das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten oder Komplikationen verhindert werden. Setzt im
Grundsatz das Qualitätsgebot voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode, die in ihrer Gesamtheit und nicht
nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können iS einwandfrei
durchgeführter Studien mit einer ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen, sind diese Anforderungen im Rahmen der grundrechtsorientierten
Auslegung abhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz einzuschränken. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab,
der zu verlangen ist, um davon ausgehen zu dürfen, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit dem
Einsatz gerade der streitigen Behandlung zugerechnet werden können und das einzugehende Risiko vertretbar ist, unterliegt
Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung. Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter
Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere
Anforderungen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg". Anhaltspunkte zur Entwicklung
solcher Abstufungen können die in der Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen
Versorgung (Methoden-Richtlinie), vor dem 01.04.2006 die Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
(BUB-Richtlinien) niedergelegten Grundsätze bieten (LSG Baden-Württemberg 16.10.2015, L 4 KR 3748/13, [...]). Es können als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch "Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische
Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, uÄ; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten
und Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen" in Betracht kommen (zum Ganzen mwN: BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 §
31 Nr 4). Im Wege der verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften des
SGB V kann nur dann ein Anspruch auf die begehrte Behandlung bestehen, wenn auch diese den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht.
Dies ist nur dann der Fall, wenn die anzuwendende Methode nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft objektiv erfolgversprechend
ist und unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle
Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt (BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, aaO).
Gemessen an diesen Kriterien kann insbesondere im Hinblick auf das besonders hohe Risiko bei der hier vorgenommenen allogenen
Stammzelltransplantation nach Konditionierung mit Hochdosischemotherapie und Ganzkörperbestrahlung nicht festgestellt werden,
dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Die als einzig mögliche mit dem Ziel der Heilung in Betracht
kommende Therapie durch allogene Stammzelltransplantation hätte bei der hier vorliegenden, prognostisch äußerst ungünstigen
Situation eines Chemotherapie refraktären, großzelligen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms allein im Rahmen einer klinischen Studie
erfolgen dürfen. Die Beschränkung auf die Erbringung der Behandlung im Rahmen von Studien ist auch im Rahmen der grundrechtlich
gebotenen Auslegung von Leistungsansprüchen ggf geboten, um Patienten gerade auch in einer für sie ausweglos erscheinenden
Situation nicht den insoweit bestehenden Schutzmechanismen zu entziehen (BSG 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, aaO RdNr 31). Nach der bestehenden Erkenntnislage im Jahr 2005 wurde generell bei der hier vorliegenden Konstellation eine
allogene Stammzelltransplantation außerhalb von Studien nicht befürwortet, wie oben ausgeführt. Eine solche Studienteilnahme
wäre im vorliegenden Fall möglich gewesen, so dass sich die Frage nicht stellt, ob angesichts ansonsten fehlender Alternativen
im Einzelfall eine Behandlung auch außerhalb von Studien vertretbar gewesen wäre.
Der Versicherte erfüllte die Einschlusskriterien der DSHNHL 2003-R3Studie "Allogene Stammzelltransplantation nach Vorbehandlung
mit Fludarabin, Busulfan, Cyclophosphamid und GvHD-Prophylaxe mit oder ohne Rituximab bei Patienten mit Rezidiv eines aggressiven
Non-Hodgkin-Lymphoms in besonderer Risikosituation im Alter von 18 bis 65 Jahren". Der Kläger wendet insoweit lediglich ein,
dass der Einschluss in diese Studie im Mai/Juni 2005 nicht mehr möglich gewesen wäre, da der Versicherte aufgrund der Vorbehandlungen
nicht mehr entsprechend dem Studienprotokoll mit weiterer Chemotherapie hätte behandelt werden können. Diese Argumentation
überzeugt den Senat nicht. Die allogene Stammzelltransplantation wurde als Behandlungsoption nach Auftreten des Rezidivs im
März 2003 in Erwägung gezogen, die schriftliche Einwilligung des Versicherten zur Spendersuche datiert vom 15.04.2005. Bereits
zum damaligen Zeitpunkt hätte eine Behandlung mit Chemotherapie entsprechend dem Studienprotokoll nach dem DHAP-Protokoll
oder dem ICE-Protokoll nahegelegen, wie Prof. Dr. H. insbesondere in seinem Gutachten vom 05.01.2015 nachvollziehbar ausführt.
Stattdessen erfolgte im März 2005 eine Behandlung mit Zevalin, das für die Behandlung von Patienten mit kleinzelligem Lymphom
zugelassen ist. Nach erfolglosem Verlauf erhielt der Versicherte eine Rezidivchemotherapie nach dem B-ALL-NHL-2002-Protokoll,
welches ebenfalls nach den Vorgaben der Deutschen ALL-Studiengruppe nicht für Patienten mit großzelligen Lymphomen gedacht
war. Zudem ist die Behandlung nach Block C des alten B-ALL-Protokolls dem DHAP-Protokoll sehr ähnlich, es wird lediglich neben
Dexamethason und hochdosiertem Ara-C als dritte Substanz Cisplatin eingesetzt, bei B-ALL stattdessen Vindesin und Etoposid
(Ara-C doppelt so hoch dosiert und Etoposid mit höherem Potenzial zur Schädigung des Knochenmarks als Cisplatin). Warum stattdessen
nicht eine Behandlung nach dem Protokoll der DSHNHL-2003-R3 Studie in Betracht gezogen worden ist, erschließt sich dem Senat
nicht. Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht an, denn auch im Zeitpunkt Mai/Juni 2005 wäre zur Überzeugung des Senats noch
eine Teilnahme an der Studie möglich gewesen. Dies folgt schon daraus, dass das Blutbild des Versicherten sich im Rahmen der
Untersuchung vom 15.06.2005 als völlig normal darstellte, worauf Prof. Dr. H. wiederholt hingewiesen hat. Der nach dem Studienprotokoll
geforderten Vorbehandlung hätte danach nichts entgegengestanden. Im Übrigen werden nach dem DSHNHL-Studienprotokoll zur Vorbehandlung
mit konventioneller Chemotherapie zwar die beiden am häufigsten eingesetzten und am besten klinisch geprüften Protokolle für
Patienten mit rezidivierenden großzelligen Lymphomen empfohlen (DHAP und ICE), andere Therapieprotokolle können aber in Betracht
gezogen werden, ggf nach Rücksprache mit der Studienleitung. Wie die Endauswertung der Studie nach den Ausführungen von Prof.
Dr. H. im Gutachten vom 04.04.2016 ergeben hat, wurde bei fast der Hälfte der Patienten (48%) von dieser Empfehlung abgewichen
und andere Protokolle eingesetzt.
Nach alledem ist es auch im Rahmen der grundrechtskonformen Auslegung des Leistungsrechts nicht geboten, die hier noch rein
experimentelle Behandlungsmethode, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt ist, außerhalb einer klinischen Studie anzuerkennen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGG i.V.m. § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 2, § 47 Gerichtskostengesetz.