Keine Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für eine operative Bruststraffung
Anforderungen an die Annahme einer Entstellung
Keine Rechtfertigung eines operativen Eingriffs durch eine psychische Belastung bzw. Erkrankung aufgrund des Erscheinungsbildes
Tatbestand
Streitig ist die Übernahme der Kosten für eine operative Bruststraffung (Mastopexie).
Mit einer bei der Beklagten am 22.07.2016 eingegangenen ärztlichen Bescheinigung ihrer Frauenärztin vom 21.07.2016 beantragte
die 1969 geborene Klägerin die operative Korrektur einer starken Ptosis der Brust. Nach der Bescheinigung der Frauenärztin
E. leide die Klägerin sehr unter diesem Befund und sei psychisch belastet; durch eine operative Korrektur der Brust sei eine
Besserung der psychischen Konstellation zu erwarten. Die Beklagte bat mit Schreiben vom 25.07.2016 den Medizinischen Dienst
der Krankenkassen (MDK) um Prüfung, ob die medizinischen Voraussetzungen für die Kostenübernahme einer operativen Korrektur
der Brust gegeben seien. Auf dem Schreiben findet sich ein Post-it "Anruf MDK, MDK M.-Str., ... R. Do 04.08.16 09:00 Uhr Vorstellungstermin".
Nach einem Auszug aus der CRM Kundenbetreuung der Beklagten wurde am 29.07.2016 die Klägerin telefonisch um 11.37 Uhr über
den Vorstellungstermin beim MDK informiert. In der Notiz heißt es: "Habe Versicherte über Vorstellungstermin beim MDK informiert.
Sie soll sich dort am Donnerstag 04.08.16 um 09:00 Uhr vorstellen zur persönlichen Begutachtung. Sie hat sich sehr gefreut,
dass ihre Angelegenheit ernst genommen wird und geprüft wird".
Der MDK kam nach persönlicher Untersuchung der Klägerin mit Gutachten vom 04.08.2016 zu dem Ergebnis, dass kein regelwidriger
Körperzustand bzw keine Krankheit gegeben sei; eine Funktionsstörung im Sinne von therapierefraktären Entzündungen der Submammärfalte
liege nicht vor. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 10.08.2016 der Klägerin das Ergebnis des Gutachtens mit und lehnte
den Antrag ab. In dem Schreiben heißt es zu Beginn "wie bereits telefonisch besprochen" und nach einem Auszug aus der CRM
Kundenbetreuung wurde der Klägerin am 10.8.2016 um 17.19 Uhr telefonisch die Ablehnung mitgeteilt. In der Notiz heißt es weiter:
"Sie spricht nun mit Ihrer Psychologin darüber und wird dann weitere Schritte entscheiden, ob Widerspruch oder neue Antragstellung
in 1 Jahr bzw. nach einer gewissen Zeit".
Mit Schreiben vom 16.08.2016 legte die Klägerin Widerspruch ein und fügte zudem später noch eine ärztliche Bescheinigung von
Frau Dr. B., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in R. (später T.), vom 23.08.2016 hinzu. Danach leide die Klägerin
seit der Geburt ihrer Töchter (damals 21 und 23 Jahre) unter ihren "hängenden, flachen Brüsten". Dies sei bis auf ein schwaches
Bindegewebe keine somatische Erkrankung, beeinträchtige jedoch erheblich das Selbstwertgefühl der Klägerin und hindere sie
stark an der Kontaktaufnahme mit Männern. Eine entsprechende Psychotherapie würde sehr lange dauern, da auch noch andere schwerwiegende
Probleme vorlägen. Eine operative Korrektur der Brüste würde der Klägerin die Teilhabe am Leben, zu der auch die Suche nach
einem Partner maßgeblich gehöre, ermöglichen bzw deutlich verbessern und daher sollten die Kosten der Behandlung übernommen
werden.
Ein weiteres von der Beklagten beim MDK beantragtes Gutachten kam am 08.09.2016 zu dem Ergebnis, dass sich aus dem ergänzend
vorgelegten ärztlichen Attest keine sozialmedizinisch neuen Aspekte ergäben. Bei der Klägerin liege eine psychische Erkrankung
vor, wofür in der vertraglichen Versorgung die nervenärztliche Differenzialdiagnostik und ggf ein Behandlungsversuch mit den
Mitteln der Psychotherapie zur Verfügung stünden; die Voraussetzung für einen operativen Eingriff seien nicht erfüllt. Mit
Widerspruchsbescheid vom 02.11.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die medizinische Indikation für die beantragte
Mastopexie liege nicht vor; es sei kein regelwidriger Körperzustand bzw keine Krankheit festgestellt worden.
Mit einem beim SG am 21.11.2016 eingegangenen Schreiben vom 16.11.2016 hat die Klägerin Klage erhoben und diese damit begründet, dass eine
medizinische Indikation gegeben sei. Es lägen nicht nur rein kosmetische Gründe vor, sondern es sei eine medizinische Indikation
gegeben, zumal ein enorm schwaches Bindegewebe vorhanden sei. Eine Operation sei auch aufgrund erheblicher psychischer Probleme
gerechtfertigt. Aus der ärztlichen Bescheinigung vom 23.08.2016 ergebe sich, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung
und kombinierte Persönlichkeitsstörungen mit ängstlich vermeidenden und abhängigen Anteilen bestünden. Eine psychotherapeutische
Behandlung würde sehr lange dauern, da auch noch andere schwerwiegende Probleme aufgrund der PTBS vorlägen. Hinsichtlich der
Erfolgsaussichten einer Operation sei eine Prognoseentscheidung anzustellen. Die Ptosis der Brust stelle eine wesentliche
Bedingung für die Erkrankung der Klägerin dar und durch eine Bruststraffung würde sich bald mehr Selbstwertgefühl entwickeln.
Eine Psychotherapie würde mehrere Jahre beanspruchen und könne erfolglos bleiben. Außerdem sei das Wirtschaftlichkeitsgebot
zu berücksichtigen, welches angesichts der Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung für eine Operation spreche.
Das SG hat die behandelnden Ärztinnen schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Mit Schreiben vom 02.03.2017 hat Frau Dr.
S.-S., Frauenärztin in W., mitgeteilt, dass die Klägerin wegen der hängenden Brust psychisch belastet sei; es gehe um das
Selbstwertgefühl. Es bestehe eine ausgeprägte Ptosis der Brust, die durch eine Bruststraffung beseitigt werden könne, andere
Behandlungsmöglichkeiten kämen nicht in Betracht. Es könne angenommen werden, dass durch eine Operation die psychische Belastung
durch die Körperwahrnehmung und das verminderte Selbstwertgefühl beseitigt werde, da nach der Operation das Körperbild der
Vorstellung entspreche. Eine Behandlung mit Psychotherapie erscheine bei den an der körperlichen Wahrnehmung fixierten Beschwerden
kaum erfolgsversprechend.
Mit Schreiben vom 26.07.2017 teilte Frau Dr. B. mit, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung und eine
kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlich vermeidenden und abhängigen Anteilen vorlägen. Die Bindegewebeschwächung
der Brüste beeinträchtige im Zusammenhang mit den genannten Diagnosen zusätzlich deutlich das stark verminderte Selbstwertgefühl
der Klägerin. Eine operative Straffung der Brüste wäre ein Teil einer komplexen Therapie gemeinsam mit einer Psychotherapie
mit Spezialisierung auf posttraumatische Belastungsstörungen. Ein verbessertes Selbstwertgefühl, und dazu zähle zwingend auch
eine Akzeptanz des Körpers und seines Aussehens, sei eine wichtige Grundlage bei der Behandlung der genannten Diagnosen. Eine
alleinige psychotherapeutische Behandlung der Problematik sei möglich, würde jedoch viel Zeit - mehrere Jahre - beanspruchen
bis diese Problematik neben den vielen anderen Systemkomplexen bearbeitet wäre und eine umfängliche Teilhabe möglich wäre;
hier wäre auch der Kostenfaktor zu berücksichtigen. Eine Operation würde der Klägerin voraussichtlich helfen, deutlich früher
als nur mit Hilfe einer spezifischen Psychotherapie wieder mehr Selbstwertgefühl zu entwickeln und dadurch deutlich früher
mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erlangen; es würde sehr wahrscheinlich auch die erforderliche Psychotherapie
verkürzen.
Auf Antrag der Beklagten ist ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten beim MDK eingeholt worden. Dieses ist am 10.08.2017
zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Entstellung bei der Klägerin nicht gegeben sei, da Form und Größe der Brüste innerhalb
des weiten Spektrums lägen, das in der Normalbevölkerung nicht selten anzutreffen sei. Es lägen keine therapierefraktären
Hautveränderungen und kein regelwidriger Körperzustand im Sinne des
SGB V vor, sondern die angegebene Symptomatik und damit verbundene Problematik sei ausschließlich psychischer Genese. Damit setze
die beantragte Brust-OP auch nicht an der ursächlichen psychischen Erkrankung an. Im Gegensatz zu der Aussage der Psychiaterin
sei ein wesentlicher Benefit in der psychiatrischen Symptomatik bei Durchführung der Straffungs-OP nicht zu erwarten.
Durch Gerichtsbescheid vom 27.04.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der Klägerin liege keine körperliche Anomalie vor. Die Tatsache, dass Brüste im Zuge des Älterwerdens
und nach mehreren Schwangerschaften sich in der Form veränderten, stelle keine Erkrankung, sondern vielmehr einen normalen
Zustand dar. Dabei sei das Erscheinungsbild der weiblichen Brust von Natur aus vielfältig. Krankheitswert komme dem Zustand
der Brüste allenfalls dann zu, wenn dauerhaft therapieresistente Hautreizungserscheinungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder
entzündliche Veränderungen vorlägen, was nach Feststellung des MDK nicht gegeben und von der Klägerin auch nicht vorgetragen
werde. Auch die bestehenden psychischen Belastungen seien nicht geeignet, einen Anspruch auf die gewünschte Operation zu begründen.
Operationen am gesunden Körper seien zur Behebung psychischer Störungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt, vor allem, weil
die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren seien. Lägen psychische
Störungen vor, so seien diese mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Eine Operation würde der Klägerin
bei Überwindung ihrer psychischen Belastung auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit helfen können. Bereits
eine Prognose hin zu einer möglichen positiven Beeinflussung des Zustandes könne keinesfalls ausreichen, begehre doch die
Klägerin eine Operation an einem ansonsten gesunden Organ, die mit ganz erheblichen Risiken verbunden sei. Auch das Argument
der Kostenersparnis helfe nicht weiter. Die Kosten einer zukünftigen psychotherapeutischen Behandlung ließen sich nicht seriös
beziffern; Kostenersparnis rechtfertige zudem nicht einen operativen Eingriff in ein medizinisch gesundes Organ. Es liege
zudem keine Entstellung vor, so dass kein Anspruch auf Operation aus diesem Grund bestehe.
Gegen den am 11.05.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 04.06.2018 Berufung eingelegt. Eine Bruststraffung
könne die psychischen Erkrankungen der Klägerin verbessern und gleichzeitig die Dauer der psychotherapeutischen Behandlung
erheblich verkürzen. Entgegen der Rechtsauffassung des SG sei es nicht erforderlich, dass die operative Bruststraffung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die psychischen
Erkrankungen überwinden würde; vielmehr sei im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise und damit aufgrund einer Prognose
zu entscheiden. Die Behandlung des verminderten Selbstwertgefühls stelle eine wesentliche Bedingung für eine erfolgreiche
Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung dar. Falls das SG die Ausführungen von Dr. B. insoweit für nicht ausreichend erachtet, hätte es ein Gutachten zu der Frage einholen müssen,
ob eine Bruststraffung bei der Klägerin zur Überwindung ihrer psychischen Erkrankungen erfolgsversprechend sei. Durch eine
Psychotherapie über mehrere Jahre ohne Mastopexie würden zudem erhebliche Kosten auf die Beklagte zukommen. Eine Bruststraffung
sei die wirtschaftlich günstigere Maßnahme, während die Kosten für eine nur psychotherapeutische Behandlung wesentlich höher
sein dürften.
Die Klägerin beantragt
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27.04.2018 sowie den Bescheid vom 10.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 02.11.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Mastopexie (Bruststraffung) zu übernehmen:
hilfsweise: Die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Da eine somatische Erkrankung bei der Klägerin nicht vorliege und ihre Erkrankung psychischer Natur sei, sei die Erkrankung
der Klägerin nicht im Wege der begehrten Mastopexie, sondern psychotherapeutisch zu behandeln. Selbst wenn die Mastopexie
den gewünschten Erfolg in Form eines erhöhten Selbstwertgefühls mit sich brächte, leide die Klägerin weiterhin unter ihrer
posttraumatischen Belastungsstörung und bedürfte weiter psychotherapeutischer Behandlung. Die Mastopexie wäre schon deshalb
nicht zweckmäßig und so auch nicht wirtschaftlich nach §
12 Abs
1 Satz 1
SGB V. Eine gutachtliche Klärung der Frage, ob eine Bruststraffung zur Überwindung der psychischen Erkrankung erfolgsversprechend
sei, erübrige sich, da angesichts der gefestigten Rechtsprechung selbst im Falle einer für die Klägerin positiven Antwort
auf diese Frage ein Leistungsanspruch ausgeschlossen wäre. Selbst wenn die begehrte Mastopexie günstiger zu erbringen wäre
als eine psychotherapeutische Behandlung, würde die Masteopexie immer noch einen erheblichen medizinischen Eingriff an einem
gesunden Körper darstellen, für den keine medizinische Indikation vorliege.
In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2019, in der auch die Frage einer Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs.
3a SGB V erörtert wurde, hat der Vertreter der Klägerin bestritten, dass die von der Beklagten geltend gemachten Telefonate mit der
Klägerin persönlich geführt worden sind.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten
beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)), allerdings nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 10.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2016
ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten
für die beantragte Bruststraffung. Weder besteht ein Leistungsanspruch nach §
27 Abs
1 Satz 1 Nr
5 SGB V noch gilt die Leistung nach §
13 Abs
3a Satz 6
SGB V als genehmigt.
Voraussetzung für den Leistungsanspruch auf eine operative Bruststraffung ist nach §
27 Abs
1 Satz 1 Nr
5 SGB V das Vorliegen des Versicherungsfalles Krankheit. Krankheit im Sinne des §
27 Abs
1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung
bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, etwa: BSG 08.03.2016, B 1 KR 35/15 R mwN - juris). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt Krankheitswert im Rechtssinne nicht jeder körperlichen
Unregelmäßigkeit zu; erforderlich ist vielmehr, dass die Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass
sie an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt (BSG 08.03.2016, B 1 KR 35/15 R mwN - juris). Der krankenversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff ist hiernach enger als der Krankheitsbegriff im allgemeinmedizinischen
Sinne, der jede Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen
bzw objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen bzw eine definierbare Einheit typischer
ätiologisch, morphologisch, symptomatisch oder nosologisch beschreibbarer Erscheinungen, die als eine bestimmte Erkrankung
verstanden werden, umfasst (BSG 22.04.2015, B 3 KR 3/14 R - juris).
Bei der Klägerin liegt nach den Feststellungen der Gutachten des MDK und den Schreiben der behandelnden Ärztinnen keine organisch
"kranke" Brust und damit keine Funktionsstörung - auch nicht etwa im Hinblick auf Hautentzündungen - im Sinne einer körperlichen
Fehlfunktion vor. Die begehrte Operation dient nicht dazu, eine Funktionsbeeinträchtigung der Brust zu behandeln.
Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche
Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten
lässt, dass Betroffene ständig viele Blicke auf sich ziehen, zum Objekt besonderer Beobachtung anderer werden und sich deshalb
aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen und zu vereinsamen drohen, sodass deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
gefährdet ist (stRspr, etwa: BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R - juris; BSG 08.03.2016, B 1 KR 35/15 R - juris). Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten
sein. Die körperliche Auffälligkeit muss in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung
in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf
die Betroffene führt. Die Rechtsprechung hat als Beispiel für eine Entstellung zB das Fehlen des natürlichen Kopfhaares bei
einer Frau, eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert (BSG 08.03.2016, B 1 KR 35/15 R - juris), dagegen hat das BSG eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt
in Form und Größe der weiblichen Brust revisionsrechtlich abgelehnt (BSG 08.03.2016, B 1 KR 35/15 R - juris unter Hinweis auf BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, RdNr. 6).
Eine Entstellung in diesem Sinne wurde weder vom MDK oder den behandelnden Ärzten festgestellt noch von der Klägerin entsprechend
vorgetragen. Zudem ist maßgeblich für die Frage der Entstellung der bekleidete Zustand in alltäglichen Situationen (LSG Hessen
09.02.2017, L 1 KR 134/14 - juris). Der Senat geht davon aus, dass bei der Klägerin eine Entstellung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
auch deshalb nicht vorliegt, weil dieser Körperbereich in der Regel durch Kleidung verdeckt ist (LSG Thüringen 28.02.2017,
L 6 KR 123/13 - juris).
Eine psychische Belastung bzw Erkrankung der Klägerin aufgrund des Erscheinungsbildes ihrer Brüste rechtfertigt keinen operativen
Eingriff auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung. Psychische Leiden können einen Anspruch auf eine Operation an der
Brust nicht begründen (vgl BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R - juris; BSG 09.03.2016, B 1 KR 35/15 R - juris), sondern begründen einen Anspruch auf Behandlung mit Mitteln der Psychiatrie. Operationen am - krankenversicherungsrechtlich
gesehen - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, sind nicht als Behandlung im Sinne von §
27 Abs
1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung des Versicherten zugewiesen (BSG 13.10.2004, B 1 KR 3/03 R - juris). Dies beruht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vor allem auf der Schwierigkeit einer Vorhersage der
psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlichen unsicheren Erfolgsprognose sowie darauf,
dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens mit Rücksicht auf die damit
verbundenen Risiken besonderer Rechtfertigung bedürfen. Denn damit wird nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst
vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen
Defizits erreicht werden (BSG 28.02.2008, B 1 KR 19/07 R - juris; vgl etwa auch LSG Thüringen 28.02.2017, L 6 KR 123/13 - juris). Das Bundessozialgericht hat eine solche Rechtfertigung für Operationen am gesunden Körper zur Behebung von psychischen
Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose verneint und eine Überprüfung
dieses Grundsatzes nur dann als in Betracht zu ziehen angesehen, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen
psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe wesentlich geändert hätte (BSG 13.10.2004, B 1 KR 3/03 R - juris). Im Jahre 2016 hat das Bundessozialgericht ausdrücklich an der ständigen Rechtsprechung, dass psychische Leiden
einen Anspruch auf eine Operation - konkret zum Brustaufbau - nicht begründen, festgehalten (BSG 09.03.2016, B 1 KR 35/15 R - juris).
Weder ist allgemein erkennbar, dass sich die wissenschaftliche Bewertung der psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe
wesentlich geändert hat, noch ist konkret eine zum Erfolg führende psychotherapeutische Behandlung ausgeschlossen. Eine alleinige
psychotherapeutische Behandlung wird auch von Frau Dr. B. für möglich gehalten und vom MDK überzeugend befürwortet. Angesichts
der Risiken, die mit einem Eingriff am gesunden Organ verbunden sind, und einer allenfalls nur mittelbaren Beeinflussung des
psychischen Leidens ist diesem mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu begegnen.
Selbst wenn ein operativer Eingriff kostenmäßig günstiger wäre als eine längere psychiatrische bzw psychotherapeutische Behandlung,
rechtfertigt dies nicht die Übernahme der Kosten einer Operation (dazu mwN BSG 19.10.2004, B 1 KR 3/03 R - juris), da die Operation nicht der Behandlung einer Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts dient und kein Versicherungsfall
vorliegt. Das Wirtschaftlichkeitsgebot rechtfertigt nicht die Übernahme von Kosten durch die Krankenkassen für Leistungen,
die außerhalb des Leistungsspektrums der Gesetzlichen Krankenversicherung liegen.
Die Leistung gilt auch nicht nach §
13 Abs
3a Satz 6
SGB V als genehmigt, denn die Beklagte hat die maßgebende 5-Wochenfrist eingehalten. Nach §
13 Abs
3a Satz 1
SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang
oder in den Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen
nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese
unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei
Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte
(BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (Satz 4). Kann die Krankenkasse die Fristen nach Satz 1 nicht einhalten,
teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines
hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte
nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten
verpflichtet (Satz 7). Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation gelten die §§
14,
15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen (Satz 9).
Die ärztliche Bescheinigung, mit der die Klägerin eine operative Bruststraffung beantragte, ging bei der Beklagten am 22.07.2016
(Freitag) ein, so dass die Frist am Samstag, 23.07.2016 zu laufen begann (vgl § 26 Abs 1 SGB X i.V.m. §
187 Abs
1 BGB). Selbst wenn der Antrag auf der Grundlage der knappen ärztlichen Bescheinigung noch als hinreichend bestimmt im Sinne der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl etwa BSG 06.11.2018, B 1 KR 13/17 R - juris) angesehen werden kann, ist die hier maßgebliche Fünf-Wochenfrist eingehalten. Ob auch die Drei-Wochenfrist eingehalten
wurde, die am 12.08.2016 (Freitag) geendet wäre (§ 26 Abs 1 SGB X i.V.m. §
188 Abs
2 BGB), kann dahinstehen, wobei zwar das Schreiben der Beklagten vom 10.08.2016 als solches, wenn die Drei-Tages-Fiktion des §
37 Abs 2 SGB X berücksichtigt würde, nicht ausreichen dürfte (vgl zum Zeitpunkt der Bekanntgabe BSG 11.07.2017, B 1 KR 26/16 R - juris), jedoch nach Angaben der Beklagten die Klägerin am 10.08.2016 telefonisch über die Ablehnung unterrichtet wurde;
auf ein Telefongespräch wird auch im Schreiben vom 10.08.2016 verwiesen. Das Bestehen einer Fünf-Wochenfrist, die am 26.08.2016
(Freitag) geendet wäre, setzt die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme durch die Krankenkasse voraus, was durch die
Beauftragung des MDK seitens der Beklagten mit Schreiben vom 25.07.2016 und anschließendem medizinischen Gutachten des MDK
vom 04.08.2016 aufgrund persönlicher Untersuchung der Klägerin erfolgt ist. Zudem verlangt §
13 Abs
3a Satz 2
SGB V für die Fünf-Wochenfrist, dass der Leistungsberechtigte hierüber zu unterrichten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(06.11.2018, B 1 KR 20/17 R - juris; 06.11.2018, B 1 KR 30/18 R - juris) ist insoweit der Leistungsberechtigte innerhalb der Drei-Wochenfrist über das Einholen einer Stellungnahme zu unterrichten;
ohne diese gebotene Information könne der Leistungsberechtigte nach Ablauf von drei Wochen annehmen, dass sein Antrag als
genehmigt gilt. Sinn und Zweck der Unterrichtungspflicht sei es, dem Versicherten Klarheit zu verschaffen, ob die Drei-Wochenfrist
oder die Fünf-Wochenfrist gilt. Eine mittelbare Information des Leistungsberechtigten durch Dritte - etwa durch eine Befundanforderung
des MDK - genügt nach Ansicht des Bundessozialgerichts nicht (BSG 06.11.2018, B 1 KR 20/17 R - juris).
Nach Überzeugung des Senats ist die Klägerin von der Beklagten über die Einholung eines Gutachtens beim MDK durch Telefonanruf
vom 29.07.2019 um 11.37 Uhr informiert worden, indem ihr der Termin für die Vorstellung beim MDK genannt wurde. Der Beklagten
war der beabsichtigte Termin beim MDK für die persönliche Untersuchung der Klägerin bekannt, wie das Post-it in der Verwaltungsakte
der Beklagten und die Notiz in der CRM Kundenberatung über das Telefongespräch am 29.07.2019 und die Information über den
Vorstellungstermin zeigen. Die Notiz über das Telefongespräch nennt zudem nicht nur konkret den Vorstellungstermin, sondern
gibt überdies die Reaktion der Klägerin wieder. Die Klägerin ist auch persönlich am 04.08.2016 zur Untersuchung beim MDK erschienen.
Für eine Kenntnis der Klägerin von der Einholung eines Gutachtens allein durch Dritte liegen keine Anhaltspunkte vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision nach §
160 Abs.
2 Nrn. 1, 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.