Erforderlichkeit eines Hilfsmittels in der Krankenversicherung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung eines therapeutischen Bewegungsgerätes (fremdkraftbetriebener Beintrainer)
in Höhe von 3.800,-- EUR streitig.
Die am 18. Januar 1950 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet an den Folgeerscheinungen einer Multiplen
Sklerose mit chronisch-progredientem Verlauf sowie apoplektischem Insult mit spastischer Hemiparese. Sie ist seit circa 15
Jahren bettlägerig, pflegebedürftig nach Pflegestufe 3 und in einem Pflegeheim untergebracht. Dreimal wöchentlich erhält sie
Krankengymnastik.
Im Januar 2002 verordnete der behandelnde Internist Dr. G. ein MOTOmed letto, ein motorbetriebenes Therapiegerät der Beine
zur täglichen Bewegung der Waden- und Oberschenkelmuskulatur.
Der Sohn der Klägerin teilte hierzu ergänzend mit, aufgrund der Multiplen Sklerose lägen bei seiner Mutter Lähmungsbilder
mit weitestgehendem Verlust der Funktionsfähigkeit der Bein-/Armbeweglichkeit vor. Durch die tägliche Bewegung werde die krampfhafte
Muskelspannung (Spastik) reduziert, die Durchblutung gefördert, die Gelenkbeweglichkeit erhalten bzw. erhöht, die Magen-,
Darm- und Blasentätigkeit aktiviert und dadurch insgesamt stationären Krankenhausaufenthalten wie Lungen- bzw. Atemwegserkrankungen
vorgebeugt.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung nach Aktenlage durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherung
Baden-Württemberg (MDK). Dr. T. kam zu dem Ergebnis, dass keine medizinischen Befunde vorlägen, aus denen sich die Sinn- und
Zweckmäßigkeit der beantragten Hilfsmittelversorgung begründen ließen. Der beantragte Bewegungstrainer MOTOmed letto sei auch
nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2002 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der beantragte Bewegungstrainer sei
medizinisch nicht indiziert. Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme seien auch deswegen nicht erfüllt, da das Modell
letto nicht im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenversicherungen gelistet sei und somit der geforderte Wirksamkeitsnachweis
nicht erbracht wäre. Da sich die Klägerin zudem in einem Pflegeheim befinde, könne eine Krankenkasse nur Kosten von Standard-
oder Leichtgewichtrollstühlen mit Trommelbremse für die Begleitperson übernehmen, damit die Teilnahme am öffentlichen Leben
außerhalb der Einrichtung gewährleistet sei. Bei vollstationärer Pflege müssten ansonsten alle notwendigen Hilfsmittel von
dem Heim bereit gehalten werden. Dies gelte nur nicht für individuell angepasste Hilfsmittel, die ihrer Natur nach für den
einzelnen Versicherten bestimmt und grundsätzlich nur für ihn verwendbar seien (z. B. Brillen, Hörgerät, Prothesen).
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch ließ die Klägerin vortragen, die Übungsbehandlung mit dem Bewegungstherapiegerät
stelle eine gute Ergänzung zur krankengymnastischen Behandlung dar. Deswegen werde es nicht nur bei Lähmungsbildern oder neuromuskulärer
Erkrankung mit überwiegendem Funktionsverlust eingesetzt, sondern auch bei spastischer Hemiparese. Dafür sei nicht erforderlich,
dass das Gerät im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sei. Das Gerät sei nämlich von den Funktionen und der Bedienung her mit
dem Beintrainer MOTOmed viva (für sitzende Patienten) vergleichbar. Dieses Standgerät könne sie aber nicht benutzen, da sie
nur schlecht aufrecht sitzen könne und wegen ihrer Halbseitenlähmung zur Seite zu kippen drohe. Da die Stückzahlen des MOTOmed
letto gering und der Eintrag im Hilfsmittelverzeichnis teuer sei, werde das Gerät seit 3 Jahren ohne Listung im Hilfsmittelkatalog
vertrieben. Dies könne aber nicht zu ihren Lasten gehen.
Sie hat hierzu ein Attest ihres Krankengymnasten K. vorlegen lassen. Dieser bestätigte einen positiven Effekt des Bewegungstherapiegeräts,
da die Klägerin weniger spastisch sei und sich die Beweglichkeit der Beine bzw. Beingelenke verbessert habe.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Begutachtung durch den MDK. Nachdem Dr. T. die Auffassung vertrat, dass sich
aus den vorgelegten Informationen keine medizinische Begründung für eine Änderung seiner gutachterlichen Stellungnahme ergebe,
führte Dr. med. H. in seinem Gutachten aus, dass es sich bei dem MOTOmed letto um ein Gerät handele, das nur am Bett eingesetzt
werde und deswegen auch den Einsatz einer professionellen Pflegekraft erfordere. Als Profi-Therapiegerät mit Einsatz in stationären
Einrichtungen falle es demnach nicht mehr in den GKV-Auftrag. Hierfür seien nur solche Hilfsmittel geeignet, die von einem
Laien betrieben werden könnten.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 3. Mai 2002 den Antrag auf Kostenübernahme erneut ab.
Auch hiergegen ließ die Klägerin Widerspruch mit der Begründung einlegen, der Bewegungstrainer werde individuell ausschließlich
an ihr eingesetzt und solle die Krankengymnastik unterstützen und ergänzen, diese aber nicht ersetzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2002 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, für die Notwendigkeit
eines Hilfsmittels komme es auf den Umfang des Behinderungsausgleiches an, der nicht nur ganz geringfügiger Natur sein dürfe.
Dies ergebe sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Zur Ausführung dieses gesetzlichen Auftrages hätten der Bundesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen Hilfsmittelrichtlinien aufgestellt. Nach Ziffer 8.2 dieser Richtlinien werde eine Arztinformation
erstellt, die vom Kassenarzt bei der Verordnung beachtet werden solle. Danach komme eine Langzeitanwendung eines fremdkraftbetriebenen
Bewegungsgerätes in Betracht, wenn die Erkrankung eine kontinuierliche - gegebenenfalls auch tägliche - krankengymnastische
Behandlung erfordere und das Gerät die Maßnahme ganz oder teilweise ersetze. Werde das Gerät dagegen allein als ergänzende
Maßnahme zur krankengymnastischen Behandlung eingesetzt, werde das Maß des Notwendigen überschritten. Nach den Angaben des
behandelnden Arztes Dr. G. werde die krankengymnastische Behandlung bei der Klägerin jedoch weder ganz noch teilweise ersetzt.
Demzufolge hätten auch die Gutachten des MDK eine Kostenübernahme nicht befürwortet.
Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage ließ die Klägerin geltend machen, sie könne aufgrund ihrer Erkrankung das Bett nur mit Hilfe eines Rollstuhls
zeitweise verlassen. Das Therapiegerät sei deswegen zur Erhaltung der Beweglichkeit ihrer unteren Gliedmaßen erforderlich
und speziell zur Anwendung bei bettlägerigen Patienten entwickelt worden. Seit dem 18. Januar 2002 absolviere sie täglich
ihr Bewegungstraining. Das Gerät müsse auch dem Modell MOTOmed viva gleichgestellt werden, da es diesem von den Funktionen
her entspreche und die geforderten Qualitätsstandards einhalte. Der einzige Unterschied zwischen den Modellen liege im Einsatzbereich,
denn das MOTOmed viva werde von Patienten eingesetzt, die im Sitzen trainierten. Die Nutzung des Gerätes erfordere auch keinen
professionellen Betreuer, sondern könne durch pflegende Angehörige erfolgen. Dass sie sich in vollstationärer Pflege im Pflegeheim
befinde, könne die gesetzliche Krankenversicherung nicht von ihrer Verpflichtung entbinden. Denn eine nicht täglich durchgeführte
Krankengymnastik könne einen entsprechenden Therapieerfolg nicht erbringen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG Beweis erhoben durch Befragung des Herstellers, der Firma R., sowie Anhörung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.
Die Firma Reck erläuterte, dass mit dem MOTOmed letto drei verschiedene Trainingsformen möglich seien, nämlich das passive
Bewegen (mit Motor), das assistive Training mit der Funktion des ServoTretens sowie das aktive Training, d. h. mit eigener
Muskelkraft gegen Widerstand (ohne Motor). Letzteres sei bei der Klägerin aufgrund der bei ihr vorliegenden Einschränkungen
nicht mehr möglich. Das MOTOmed letto sei für den Einsatz bei bettlägerigen Patienten konzipiert worden, die an einer neurologischen
oder neuromuskulären Erkrankung litten (z. B. Multiple Sklerose, Schlaganfall, Schädel-Hirn-Traumen, apallisches Syndrom (Wachkoma),
Parkinson, spastische Lähmungen nach Cerabral-Paresen). Es komme zwar häufig in stationären Einrichtungen (Intensivstation,
Frührehabilitation) zum Einsatz, jedoch genauso häufig im häuslichen Bereich. Die Bedienung könne unbedenklich durch pflegende
Angehörige erfolgen. Zu einer Listung im Hilfsmittelverzeichnis sei es bisher deswegen nicht gekommen, da es sich um ein "Nischenprodukt"
handele. Das Gerät sei von seinen Funktionen her aber genau identisch mit dem Modell MOTOmed viva, unterscheide sich nur im
Einsatzbereich.
Der Internist Dr. G., der das Gerät verordnet hatte, gab an, das Pflegeheim könne ein entsprechendes Gerät nicht zur Verfügung
stellen. Es gäbe auch nicht gleich gut geeignete oder günstigere andere Hilfsmittel. Das MOTOmed letto ersetze nicht die krankengymnastische
Behandlung, die nach wie vor dreimal wöchentlich erfolgen müsse.
Der Orthopäde Dr. B. war der Auffassung, dass das Therapiegerät zwar nicht die krankengymnastische Behandlung ersetzen könne,
jedoch zu einer Reduzierung der Frequenz führe und deswegen eine sinnvolle Ergänzung darstelle. Es handle sich praktisch um
ein Tretlager mit Pedalen, ähnlich wie beim Fahrrad, welches am Bett montiert werden könne. Es bestehe eine entsprechende
Führung im Unterschenkel- und Fußbereich. Das besondere an dem Gerät sei der "Eigenantrieb", womit auch ein passives Training
ermöglicht werden könne. Hierbei würden die Beine wie beim Radfahren durchbewegt. Beim Auftreten von Spasmen oder abrupten
Krafteinwirkungen schalte das Gerät automatisch ab. Dadurch sei eine schonende passiv oder auch aktiv assistierte Durchbewegung
der unteren Extremitäten zur Verbesserung der Durchblutung und Vermeidung von Kontrakturen möglich.
Nachdem der in der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 2004 geschlossene widerrufliche Vergleich (Stellung eines fremdkraftbetriebenen
Bewegungstherapiegerätes durch die Beklagte bei Kostentragung für das derzeitige Gerät von der Klägerin) widerrufen wurde,
wies das SG mit Urteil vom 22. März 2004, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 18. Mai 2004, die Klage mit der Begründung
ab, das MOTOmed letto sei bei der Klägerin nicht notwendig. Die Erforderlichkeit eines Hilfsmittels liege dann nicht mehr
vor, wenn gleich gut geeignete, aber günstigere Maßnahmen vorlägen. Dabei sei auch zu beachten, dass im Rahmen der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht eine optimale Versorgung, sondern lediglich eine ausreichende und zweckmäßige geschuldet werde.
Bewegungstherapiegeräte seien deswegen nur dann erforderlich und wirtschaftlich, wenn dadurch sonstige physikalische personengebundene
Maßnahmen kompensiert und dadurch erspart werden könnten. Das folge auch aus den insoweit verbindlichen Hilfsmittelrichtlinien.
Die Klägerin sei weitgehend gelähmt und habe keine Muskelfunktionen an den Beinen mehr. Damit könne das Bewegungstherapiegerät
nicht zum Erhalt entsprechender rudimentärer muskulärer Funktionen dienen. Auch ersetze es nicht eine krankengymnastische
Behandlung, sondern könne allenfalls die Frequenz derselben reduzieren. Dass selbst das nicht der Fall sei, Krankengymnastik
vielmehr in unverändertem Umfang fortgeführt werde, hätten beide behandelnden Ärzte bestätigt.
Mit ihrer dagegen am 4. Juni 2004 eingelegten Berufung hat die Klägerin vortragen lassen, im Vordergrund ihrer Beschwerden
stünde neben einer globalen Aphasie ein bein- und rechtsbetontes tetraspastisches Syndrom mit Spitz-Stellung beiderseits.
Sie werde zwar mit Krankengymnastik versorgt. Zur Linderung ihrer Spastik und der kontrakturbedingten Schmerzzustände müsse
aber nach Auffassung ihrer behandelnden Ärzte ein tägliches Training mit dem beantragten, streitbefangenen MOTOmed Gerät erfolgen.
Der Kostenerstattung stehe auch nicht entgegen, dass das Hilfsmittel nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sei. Denn es
stelle lediglich eine - unverbindliche - Auslegungshilfe dar. Insofern müsse auch beachtet werden, dass das MOTOmed letto
dem MOTOmed viva entspreche, welches bereits in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden wäre. Für solche Hilfsmittel
sei die Beklagte auch zuständig, da diese nicht der "Sphäre" der vollständigen Pflege zuzurechnen seien. Insofern könne auch
nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie im November 2003 an einer Bauchspeicheldrüsenentzündung erkrankt sei, weswegen sie
bis Mai 2004 stationär hätte behandelt werden müssen. In dieser Zeit hätte eine Krankengymnastik nicht wie üblich stattfinden
können, sondern im Krankenhaus sei das Gerät intensiv eingesetzt worden. Die Krankengymnastik werde seit November 2003 mit
reduzierter Frequenz, nämlich nur noch 2 mal wöchentlich, durchgeführt. Das Hilfsmittel sei deswegen auch wirtschaftlich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. März 2004 sowie die Bescheide vom 21. Februar 2002 und 3. Mai 2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für den Beinbewegungstrainer
MOTOmed letto in Höhe von 3.800,-- EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Auf Aufforderung seitens des Senats hat die Klägerin die Rechnung der Firma R. Maschinenbau GmbH (Bestellung vom 27. Mai 2002)
vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§
143,
151 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und statthaft, da die erforderliche Berufungssumme von 500,-- EUR
(§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG) überschritten wird.
Der Senat hat vorliegend von einer Beiladung anderer Rehabilitationsträger abgesehen, da die beklagte Krankenkasse den Antrag
der Klägerin nach §
14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) nicht weitergeleitet, sondern den Anspruch in eigener Zuständigkeit geprüft hat, so dass eine der Entscheidung des BSG (Urteil
vom 26.10.2004 - B 7 AL 16/04R) vergleichbare Konstellation nicht besteht. Vielmehr muss in einem solchen Fall die sich für
zuständig für den Leistungsanspruch erachtende Beklagte das Begehren der Klägerin unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten
prüfen und ggfs. in eigener Zuständigkeit die Leistung erbringen (so auch Gagel, Trägerübergreifende Fallbehandlung statt
Antragsabwicklung als Grundprinzip des
SGB IX, SGb 2004, 464, 466). Auch im Hinblick auf mögliche Erstattungsansprüche scheidet dann eine Beiladung aus, da mangels Weiterleitung des
Antrags nach §
14 Abs.
4 Satz 3
SGB IX ein Erstattungsanspruch gegen einen anderen Rehabilitationsträger ohnehin weitgehend ausgeschlossen ist und mögliche Erstattungsansprüche
die Notwendigkeit einer Beiladung im Leistungsstreit nicht begründen können (BSGE 61, 66, 68).
Dass hier eine Beiladung ausscheidet, gilt weiter umso mehr, als eine Verurteilung derselben nach §
75 Abs.
5 SGG ausscheidet, da ein anderer Rehabilitationsträger nicht leistungspflichtig ist (BSG SozR 1500 §
75 Nr 74). Denn einem Leistungsanspruch nach §
31 SGB IX steht die fehlende Erforderlichkeit des Hilfsmittels entgegen (dazu siehe unten). Deswegen wäre auch ein Anspruch nach §
54 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ausgeschlossen, weil eine Besserstellung von Empfängern von Eingliederungshilfe
und ergänzenden Leistungen der Eingliederungshilfe gegenüber Rehabilitationsleistungen aus anderen Leistungssystemen zu vermeiden
ist (so Voelzke in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, § 54 Rdnr. 56).
Die zulässige Berufung ist indessen nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide vom 21. Februar 2002 und 3. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14. August 2002 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung
des Hilfsmittels.
Ein Anspruch auf Gewährung des Bewegungstrainers richtet sich nach §
33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Danach besteht Anspruch auf Hilfsmittelversorgung, wenn das Hilfsmittel im Einzelfall erforderlich ist, um den Erfolg der
Krankenbehandlung zu sichern oder eine drohende Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände
des täglichen Lebens anzusehen oder nach §
34 Abs.
4 SGB V von der Leistungspflicht ausgeschlossen sind.
Ein Hilfsmittel im Sinne des §
33 Abs.
1 Satz 1
SGB V ist dann erforderlich, wenn es dazu dient, natürliche Funktionen auszugleichen, fehlende Körperteile und Funktionen wieder
herzustellen, zu ermöglichen, zu ersetzen, zu erleichtern oder zu ergänzen. Dabei genügt eine nur unwesentliche Verbesserung
nicht. Das Hilfsmittel muss aber unentbehrlich oder unvermeidlich sein, die Ziele bzw. Zwecke der Krankenbehandlung zu erreichen
(so bereits BSG SozR 2200 § 182 b Nr. 25, 26, 30, 33). Maßgeblich sind die individuellen Verhältnisse beim Behinderten bzw.
Erkrankten, wobei insoweit auch eine Abwägung von Kosten und Nutzen anzustellen ist. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht,
das durch Art
1 und
2 GG geschützt wird, kann einen solchen konkreten Leistungsanspruch ebenso wenig begründen wie das Sozialstaatsgebot. Im Rahmen
der Krankenversicherung hat die Klägerin nur Anspruch auf eine ausreichende Versorgung nach dem jeweiligen Stand der Medizin
und Technik, soweit Grundbedürfnisse betroffen sind, nicht aber - wie sie meint - auf eine optimale Ausstattung zum umfassenderen
Ausgleich in allen Lebensbereichen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 34).
Ausgehend hiervon liegt auch unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§
12 SGB V) eine Erforderlichkeit dann nicht vor, wenn die Verordnung eines derartigen Gerätes nicht sonstige physikalische personengebundene
Behandlungen kompensiert und dadurch finanziell erspart. Denn es wäre nicht gerechtfertigt, sowohl ein derartiges Gerät zur
Verfügung zu stellen und gleichzeitig unvermindert weiter die personengebundene Therapie, hier in Form von Krankengymnastik,
fortzuführen (so auch LSG Saarland, Urteil vom 2. März 1999, Az.: L 2 KR 24/97).
Dies folgt auch aus den einleitenden Ausführungen in den Hilfsmittelrichtlinien zu Ziffer 32 - therapeutische Bewegungsgeräte
-, wonach eine Verordnung von fremdkraftbetriebenen Bewegungsgeräten zur Langzeitanwendung (Bein-, Arm- und Kombinationstrainer
für Arme und Beine) nur dann in Anwendung kommt, wenn die Erkrankung eine kontinuierliche - gegebenenfalls auch tägliche -
krankengymnastische Behandlung erfordert und das Gerät die Maßnahmen teilweise oder ganz ersetzt. Dieser Ausschluss ist für
den Versicherten verbindlich. Denn die nähere Hilfsmittelversorgung wird durch Richtlinien im Sinne von §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V geregelt, denen als gesetzlicher Bestandteil dem Bundesmantelvertrag vergleichbare Rechtsqualität zukommt (vgl. BSG SozR
3 - 2500 § 92 Nr. 6). Dabei entfalten die Richtlinien ihre normative Wirkung nicht nur gegenüber dem Vertragsarzt, sondern
auch gegenüber dem Versicherten, wie dies nunmehr ausdrücklich in §
91 Abs.
9 SGB V geregelt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss darf aber nicht, soweit sich der Gesetzgeber in §
34 SGB V vorbehalten hat unwirtschaftliche Arznei- und Heilmittel auszuschließen, sich eine parallele oder subsidiäre Entscheidungskompetenz
anmaßen (BSGE 85, 132). Demgegenüber hat das Hilfsmittelverzeichnis, das nicht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erstellt wurde, lediglich
Indizfunktion für den Vertragsarzt, welche Gegenstände als Hilfsmittel anzusehen und verordnungsfähig sind.
Vorliegend muss nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Gutachter des MDK wie auch der behandelnden Ärzte Dr. G. und
Dr. B. davon ausgegangen werden, dass bei der Klägerin weiterhin krankengymnastische Behandlungen, eingesetzt werden müssen,
das Gerät demzufolge lediglich ergänzend die krankengymnastische Behandlung begleiten soll. Ob nunmehr eine Reduktion der
krankengymnastischen Behandlung eingetreten ist, konnte der Senat dahingestellt sein lassen, denn die Kostenentscheidung der
Beklagten stellt insofern eine zeitliche Zäsur dar (BSG SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 22). Selbst wenn eine teilweise Ersetzung nunmehr
vorliegen sollte, so ist das unbeachtlich.
Damit ist das Bewegungstherapiegerät nicht erforderlich. Dem steht auch nicht entgegen, dass durch den Einsatz positive Ergebnisse
erzielt werden konnten. Denn das Maß des Notwendigen wird durch das beantragte Hilfsmittel überschritten und die Klägerin
hat daher weder nach §
31 Abs.
1 SGB V noch nach §
31 Abs.
1 SGB IX einen Anspruch darauf, da auch letzterer die Erforderlichkeit des Hilfsmittels voraussetzt.
Nach alledem war deshalb die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf §
193 SGG beruht. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.