Keine Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für die stationäre Behandlung eines metastasierenden Ovarialkarzinoms
durch Hyperthermie bei Bestehen einer palliativen Situation im Wege einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs
Tatbestand
Der Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger seiner Ehefrau die Kostenerstattung für eine stationäre Hyperthermie-Behandlung
iHv 3.622,52 EUR.
Die 1967 geborene und am 06.11.2012 verstorbene Frau U. A. (- im folgenden Versicherte -) litt an einem metastasierten Ovarialcarcinom
(Eierstockkrebs), das im August 2011 diagnostiziert worden war. Nach dem Tod führt der Ehemann der Versicherten die Klage
fort.
Nach der Diagnose eines primär metastasierenden Ovarialcarcinoms mit Lymphknotenbefall, Magenbefall, Peritonealcarcinose und
Pleuraergüssen bds wurde die Versicherte am 09.08.2011 operiert. Daraufhin erfolgten acht Zyklen Chemotherapie.
Mit Schreiben vom 16.05.2012 beantragte der Facharzt für Allgemeinmedizin M. bei der Beklagten für die Versicherte eine Kostenzusage
bzw Zusage für eine Kostenbeteiligung an einer Hyperthermie-Therapie in der St. G. Klinik B. A ... Zur Begründung führte er
aus, dass trotz der Chemotherapie der Tumormarker erneut angestiegen sei, so dass von einem Progress der Erkrankung ausgegangen
werden müsse. Zudem habe sich bei der Versicherten unter der Chemotherapie eine Polyneuropathie, Haarverlust sowie schwere
Nebenwirkungen mit kaum zu beherrschender Übelkeit entwickelt. Am 22.05.2012 beantragte auch die Klinik eine Kostenübernahme
für eine stationäre Behandlung ab dem 23.05.2012 für die Dauer von vier Tagen. Durchgeführt werden solle eine systemische
Ganzkörperhyperthermie, loco-regionale Tiefenhyperthermie, Prostata-Thermotherapie sowie Chemotherapie.
Mit Schreiben vom 22.05.2012 teilte die Beklagte der Klinik mit, dass die Kosten nicht übernommen werden könnten, weil kein
Versorgungsvertrag bestehe. Mit Bescheid vom 23.05.2012 lehnte die Beklagte den Antrag gegenüber der Versicherten ab.
In der Zeit vom 23.05.2012 bis zum 26.05.2012 wurde die stationäre Ganzkörperhyperthermie-Therapie mit low dose Chemotherapie
in der Klinik St G. durchgeführt. Die Trägerin der Klinik stellte der Versicherten mit Schlussrechnung vom 30.05.2012 einen
Betrag iHv 1.185 EUR für die stationäre Unterbringung und 3.297,75 EUR für die ärztliche und sonstige Behandlung sowie Medikamente
in Rechnung. Für eine weitere Behandlung in der Zeit vom 29.05.2012 bis 01.06.2012 stellte die Klinik der Klägerin einen Betrag
iHv 1.185 EUR für den Aufenthalt und 3.388,55 EUR für die Behandlung in Rechnung, insgesamt also einen Betrag von 9.056,30
EUR.
Mit Schreiben vom 05.06.2012 legte die Versicherte Widerspruch ein. Die Onkologie R. habe ihr keine andere Alternative als
weitere Chemo-Therapien anbieten können. Da ihr Körper durch die Chemo-Therapien zusehends schwächer geworden sei, sei dies
nicht infrage gekommen.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Erstellung eines
Gutachtens. Dr. B. führte im Gutachten vom 11.06.2012 aus, dass es sich bei der Hyperthermie um eine neue therapeutische Methode
handle, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) bewertet und von der vertragsärztlichen Versorgung in allen Anwendungsformen
und Indikationen ausgeschlossen worden sei. Die Indikation Ovarialcarcinom sei vom GBA selektiv geprüft worden. Eine lebensbedrohliche
Erkrankung habe vorgelegen. Alle wissenschaftlichen Therapieansätze zur Behandlung des Carcinoms im aktuellen Tumorstadium
der Versicherten seien derzeit nicht auf Heilung, sondern auf Palliation und Lebensverlängerung ausgerichtet. Es bestehe kein
auf Evidenz gestützter Grund zu der Annahme der Versicherten, dass die adjuvante Hyperthermie in der Lage wäre, eine Heilung
von der Tumorerkrankung zu bewirken. Dies finde sich auch in keiner schriftlichen Ausführung eines ihrer behandelnden Ärzte.
Der Versicherten hätten schulmedizinische/vertragsmedizinische Therapien einschließlich der palliativen Medizin zur Verfügung
gestanden. In Betracht käme eine weitere Chemotherapie. Die Evidenz für eine positive Beeinflussung der Erkrankung durch eine
Hyperthermie-Behandlung sei derzeit nicht gegeben. Patienten sollten mittels Hyperthermie lediglich im Rahmen von wissenschaftlichen
Studien behandelt werden.
Mit Bescheid vom 18.06.2014 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme erneut ab. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Am 27.06.2012 beantragte die Klinik St. G. für die Versicherte eine Kostenübernahme für weitere Behandlungen. Auch diesen
Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.06.2012 ab. Die stationären Behandlungen führte die Versicherte dennoch durch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.06.2012 zurück. Zur Begründung
führte sie aus, dass mit der St. G. Klinik kein Versorgungsvertrag gem §
108 SGB V bestehe und es sich somit um kein zugelassenes Vertragskrankenhaus handle. Die Hyperthermie-Behandlung sei keine Leistung
der gesetzlichen Krankenversicherung. Durch Beschlussfassung des GBA vom 18.01.2005 sei die Hyperthermie-Behandlung der Anlage
B der BUB-Richtlinien als nicht anerkannte Methode zugewiesen worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 02.11.2012 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Sie hat mitgeteilt, dass die private Krankenzusatzversicherung der Versicherten für die ersten beiden Behandlungen
5.433,78 EUR übernommen habe, so dass ihr noch ein Betrag von 3.622,52 EUR zustehe.
Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. G.-M. und Dr. N. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt, die Behandlungsakte der St.
G. Klinik beigezogen, Arztbriefe beim Allgemeinmediziner M. angefordert und die Oberärztin der Frauenklinik des Universitätsklinikums
F. Dr. R. mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß §
106 SGG beauftragt.
Der Onkologe Dr. N. hat in Vertretung der damals behandelnden Dr. H.-Z. mitgeteilt, dass der Versicherten in den Monaten Mai
bis Juli 2012 als schulmedizinische Therapie bei Progress eine Second-line-Therapie z.B. mit Hycamtin, Gemzar oder Treosulfan
zur Verfügung gestanden hätte. Die Ganzkörper-Hyperthermieverfahren hätten bisher in ihrem onkologischen Stellenwert durch
Studien noch nicht geklärt werden können.
Dr. R. hat in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 08.04.2014 ausgeführt, dass sich im Oktober 2011 an der Thoraxwand eine Metastase
des Ovarialkarzinoms gezeigt habe. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe man von einem metastasierten, nicht mehr heilbaren
Ovarialcarzinom ausgehen müssen. Es handle sich hier um eine platinrefraktäre Situation. Nach den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft
gynäkologische Onkologie solle bei der Therapie des refraktären Rezidivs die Erhaltung der Lebensqualität gegenüber anderen
Therapiezielen im Vordergrund stehen. Eine Kombinationstherapie biete keinen Vorteil gegenüber einer Monotherapie. Näher aufgeführte
Chemo-Therapien seien deshalb als Therapie der Wahl anzusehen. Die in der Klinik St G. durchgeführte Ganzkörper-Hyperthermie
stelle keine Therapie dar, die in den entsprechenden Leitlinien empfohlen werde. Die Datenlage hierfür sei noch nicht ausreichend.
Nichtsdestotrotz gebe es einige kleinere Studien, in denen die Hyperthermie in Kombination mit Chemotherapie bei Ovarialcarzinom
eingesetzt worden sei. Hier hätten sich sehr unterschiedliche Ansprechraten gezeigt. Einschränkend müsse hinzugefügt werden,
dass es sich hier um ein sehr kleines und heterogenes Studienkollektiv mit insgesamt nur 39 Patientinnen gehandelt habe. Eine
andere Studie hätten Studien mit 14 bzw. 28 Patientinnen durchgeführt. Die Datenlage für die Hyperthermie bei Ovarialcarzinom
sei aktuell noch unzureichend, um als Standardtherapie zu gelten.
Mit Urteil vom 16.04.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch sei, dass
ein Anspruch auf Gewährung der Behandlung im Rahmen des Sachleistungsprinzips bestanden habe. Dies sei vorliegend jedoch nicht
der Fall gewesen. Eine Krankenhausbehandlung sei nur in zugelassenen Krankenhäusern möglich, wozu die Klinik St G. gerade
nicht zähle. Auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ergebe sich kein Anspruch. Zweifelsohne habe bei der Versicherten
eine lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen. Jedoch hätten zum damaligen Zeitpunkt noch allgemein anerkannte, dem medizinischen
Standard entsprechende Behandlungen in Form einer Second-line-Therapie zur Verfügung gestanden. Wie Dr. N. und Dr. R. ausgeführt
hätten, wären weitere Behandlungen mittels verschiedener Chemotherapeutika im Betracht gekommen. Es sei nicht ersichtlich,
dass es der Versicherten nicht zumutbar gewesen sei, diese Standardtherapie durchzuführen. Auch wenn die von der Gutachterin
aufgezeigte Standardtherapie wohl keine Aussicht auf dauerhafte Heilung geboten hätte, so könne dies im vorliegenden Fall
nicht dazu führen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Behandlung in der Klinik St G. zu übernehmen. Insoweit
bestünden keine Indizien dafür, dass die Behandlung mittels Hyperthermie in Kombination mit Chemotherapie eine Hoffnung auf
endgültige Heilung darstelle. Aus den vorliegenden Studien ergebe sich dies nicht. Überwiegend seien die an den Studien beteiligten
Patientinnen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums verstorben. Der GBA habe 2005 den Nutzen einer Hyperthermie-Behandlung
für verschiedenste Indikationen ausführlich untersucht. Er habe unter anderen festgestellt, dass bei einer weit fortgeschrittenen
Erkrankung wie bei der Versicherten eine kurative Behandlungsmöglichkeit nicht zur Verfügung stehe. Unter Auswertung der entsprechenden
Studien sei er zu dem Ergebnis gekommen, dass kein ausreichender Nachweis für eine Verbesserung der Behandlung durch die Hyperthermie
bestünde. Weitere Forschung solle lediglich im Rahmen von klinischen Studien erfolgen.
Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 27.04.2015 zugestellte Urteil haben diese am 27.05.2015 Berufung zum Landessozialgericht
Baden-Württemberg eingelegt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass seiner Ehefrau eine Hyperthermie-Behandlung als palliative Behandlung im Stadium ihrer
Krebserkrankung zugestanden habe. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung in Form second-line-Therapie
sei unter Berücksichtigung des allgemeinen Krankheitszustandes nicht zumutbar gewesen. Seine Ehefrau sei bereits ab Oktober
2011 palliativ behandelt worden und habe an erheblichen Nebenwirkungen gelitten. Die Standardtherapien seien keine Option
mehr gewesen, Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität aufrechtzuerhalten. Durch die Dolphin-Studien sei eine nicht ganz
fernliegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf unter Berücksichtigung palliativer Behandlungsziele
belegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.04.2015 und die Bescheide der Beklagten vom 23.05.2012 und 18.06.2012 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.622,52 EUR zu
bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 23.05.2012 und 18.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 02.10.2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger ist gem §
56 Abs
1 SGB I Sonderrechtsnachfolger der Versicherten, seiner Ehefrau. Er lebte zum Zeitpunkt ihres Todes am 06.11.2012 in einem gemeinsamen
Haushalt mit ihr. Der Kläger ist deshalb aktivlegitimiert. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der durch die stationäre
Behandlung der Versicherten vom 23.05.2012 bis 26.05.2012 und vom 29.05.2012 bis 01.06.2012 in der Klinik St G. in B. A. entstandenen
und noch offenen Kosten iHv insgesamt 3.622,52 EUR.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach §
13 Abs
2 SGB V kommt vorliegend schon von vornherein nicht in Betracht, da die Versicherte nicht das Kostenerstattungsverfahren gewählt
hatte.
Auch die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte
Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Fall 1) oder sie eine Leistung
zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (Fall 2). Ein
Anspruch nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch
des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus,
dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder
Dienstleistung zu erbringen haben (vgl Bundessozialgericht (BSG) 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12).
Eine Kostenerstattung aufgrund einer unaufschiebbaren Leistung scheidet schon deshalb aus, weil die Therapie in der Klinik
St G. erst nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten begonnen worden ist.
Der Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 ist zudem nur gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs
rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang
zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung
eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, Breithaupt 2010, 914 mwN). Der Versicherte darf sich insbesondere nicht - unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse
ausfällt - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt
haben (BSG 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, [...]). Mögliche Anhaltspunkte für eine solche Festlegung können etwa die Vereinbarung eines Behandlungs- oder Operationstermins
oder das Verhalten des Versicherten bei der Antragstellung sein (Brandts in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
§
13 SGB V RdNr 89 ff mwN).
Der Senat kann offen lassen, ob eine Kostenerstattung bezüglich des stationären Aufenthalts vom 29.05.2012 bis 01.06.2012
schon deshalb scheitert, weil bezüglich dieser Behandlung weder ein Kostenübernahmeantrag noch eine ablehnende Entscheidung
der Beklagten vorliegt. Denn die Versicherte ist vorliegend nicht berechtigt gewesen, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung
die stationäre Behandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus in Anspruch zu nehmen.
Nach §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach §
13 Abs
1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§
2 Abs
2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das
SGB V oder das
SGB IX vorsieht. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Krankenhausbehandlung (§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
5 SGB V) durch zugelassene Krankenhäuser (§§
39 Abs
1 Satz 2,
108 SGB V). Die Regelung des §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V will Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Naturalleistung
nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch
absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Eine Versorgungslücke besteht
nicht, wenn der Versicherte eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. Die
Regelung in §
13 Abs
3 SGB V ersetzt den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse eine Leistung wegen ihrer
Dringlichkeit nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen
besteht keine Leistungspflicht der Krankenkasse (BSG 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R, BSGE 111, 137).
Die Klinik St G. war 2012 nicht im Krankenhausplan des Freistaats B. enthalten und somit nicht zur Behandlung Versicherter
zugelassen. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind jedoch nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung
der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verweisbar. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung
entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems. Die Reichweite
des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er
zu schließen hat. Nur wenn die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstverschaffung des
Versicherten erzwingt, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem
die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (zum Ganzen BSG 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R, BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23); der Leistungserbringer muss jedoch die entsprechende Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde besitzen (BSG 20.02.2004, B 1 KR 10/03 B, [...]).
So liegt der Fall hier indes nicht. Die Weigerung der Beklagten, die beantragte Hyperthermie-Behandlung zu bewilligen, war
nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig. Bei der Versicherten wurde im August 2011 ein primär metastasierendes Ovarialcarcinoms
mit Lymphknotenbefall, Magenbefall, Peritonealcarcinose und Pleuraergüssen bds diagnostiziert. Sie wurde am 09.08.2011 operiert
und erhielt nachfolgend acht Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin/Taxol, ab 22.02.2012 zusätzlich mit Avastin und ab 11.04.2012
eine Erhaltungstherapie mit Avastin mono.
Im vorliegenden Fall war spätestens im Oktober 2011 eine palliative Situation eingetreten, eine Heilung war nicht mehr möglich.
Das Behandlungsziel bestand allein in der Linderung von Beschwerden und Verbesserung der Lebensqualität. Dies entnimmt der
Senat dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr. R. und wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt (siehe Berufungsbegründung).
Bei der in der Klinik St G. angebotenen Hyperthermie handelt es sich um eine neue Untersuchung- und Behandlungsmethode.
Für die stationäre Krankenbehandlung regelt die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden §
137c SGB V. Nach Abs
1 dieser Vorschrift in der - hier maßgeblichen - seit 01.01.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen
in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl. I, S. 2983) überprüft der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft
oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zulasten der gesetzlichen Krankenkassen
im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen
Erkenntnisse erforderlich sind (Satz 1). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist
und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam
ist, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten
der Krankenkassen erbracht werden darf (Satz 2). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend
belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der GBA eine Richtlinie
zur Erprobung nach §
137e SGB V (Satz 3). Nach Abschluss der Erprobung erlässt der GBA eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung
nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung
gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht (Satz 4). Ist eine Richtlinie
zur Erprobung nicht zustande gekommen, weil es an einer nach §
137e Abs.
6 SGB V erforderlichen Vereinbarung fehlt, gilt Satz 4 entsprechend (Satz 5). Für den stationären Bereich gibt es mithin keine dem
§
135 Abs.
1 SGB V entsprechende Vorschrift, die einen solchen Anerkennungsvorbehalt formuliert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass in der
stationären Krankenbehandlung sämtliche in Betracht kommenden Behandlungsmethoden zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung
erbracht werden können. Vielmehr sind die Krankenhäuser nicht davon entbunden, die Standards des §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V und §
12 Abs
1 SGB V im Einzelfall zu überprüfen und einzuhalten. §
137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsvorbehaltes des §
2 Abs.
1 Satz 3
SGB V nicht außer Kraft (BSG 28.07.2008, B 1 KR 5/08 R; BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R). Die einzige Ausnahme bildet nach §
137c Abs.
2 Satz 2
SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen
Fortschritts stets zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar (BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R).
Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige
wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten
Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen
wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R; BSG 12.08.2009, B 3 KR 10/07 R). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von
Behandlungsfällen belegt ist (BSG 18.05.2004, B 1 KR 21/02 R; Wagner in: Krauskopf, Stand Mai 2014, §
13 SGB V Rn. 19). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der
Evidenzklasse I. Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige
Studien ausgewichen werden (Flint in: Hauck/Noftz,
SGB V, Stand Juni 2012, K §
35 RdNr. 64). Um der in §
137c SGB V grundsätzlich angelegten Innovationsmöglichkeit gerecht zu werden, schließt der Senat dabei nicht aus, dass auch Expertenmeinungen
zur Beurteilung des wissenschaftlichen Standards herangezogen werden können. Diese sind jedoch nicht geeignet, eine Leistungspflicht
der Krankenkasse auch dann zu begründen, wenn objektivierbare Erkenntnisse bereits in eine andere Richtung weisen. Expertenmeinungen
sind daher stets im Zusammenhang mit den vorhandenen objektivierbaren wissenschaftlichen Aussagen im Sinne einer maßgeblichen
Gesamtschau heranzuziehen (LSG Baden-Württemberg 27.01.2012, L 4 KR 2272/10).
Die Hyperthermie-Behandlung entspricht nach Auffassung des Senats nicht den erforderlichen Qualitätsstandards. Der Senat schließt
sich diesbezüglich den Ausführungen des MDK in den vorliegenden sozialmedizinischen Gutachten an. Der GBA hat die lokale und
Ganzkörper-Hyperthermie bereits einer wissenschaftlichen Methodenbewertung unterzogen und sie von der vertragsärztlichen Leistung
ausgeschlossen (GBA-Beschluss vom 18.01.2005; Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, Anlage II Nr 42). Aus den
vom GBA ausgewerteten wissenschaftlichen Unterlagen ergibt sich, dass bisher kein Nachweis eines therapeutischen Nutzens unter
alleiniger oder begleitende Hyperthermieanwendung bei malignen Ovarialtumoren besteht. Keine der verschiedenen Modifikationen
der Hyperthermie sei bisher ausreichend standardisiert. Auch zur Verträglichkeit bzw Sicherheit der untersuchten Hyperthermieverfahren
könnten anhand der vorliegenden Daten keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Der GBA ist der Auffassung gewesen, dass die
Hyperthermie-Behandlung auf die Durchführung kontrollierte Studien begrenzt bleiben müsse. Bzgl des Stands der wissenschaftlichen
Forschung zur Hyperthermie wird auf die Gutachten des MDK verwiesen. Auch Dr. N. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage
gegenüber dem SG angegeben, dass die Ganzkörper-Hyperthermieverfahren bisher in ihrem onkologischen Stellenwert durch Studien noch nicht geklärt
werden haben können. Ebenso hat Dr. R. in ihrem Gutachten überzeugend dargelegt, dass die Datenlage für eine Empfehlung in
den Leitlinien als Standardtherapie noch nicht ausreichend ist. Es gibt zwar einige kleinere Studien, in denen die Hyperthermie
in Kombination mit Chemotherapie bei Ovarialcarcinomen eingesetzt worden sind. Hier haben sich sehr unterschiedliche Ansprechraten
gezeigt. Jedoch hat es sich um ein sehr kleines und heterogenes Studienkollektiv gehandelt.
Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf die Verfassung unmittelbar oder den in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG zur
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder
regelmäßig tödlichen Erkrankung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 §
25 Nr
12) eingeführten §
2 Abs
1a SGB V stützen. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig
tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard
entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen §
2 Abs
1a SGB V (Gesetz vom 22.12.2011, BGBl I 2983) Rechnung getragen. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf,
eine neue ärztliche Behandlungsmethode sei ausgeschlossen, weil der GBA diese nicht anerkannt habe, verstößt dann gegen das
Grundgesetz bzw §
2 Abs
1a SGB V, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende
oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor (1.); bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte,
medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung (2.) und bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten
(neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht
auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (3.).
Für den Senat steht fest, dass die Versicherte unstreitig an einem lebensbedrohlichen Ovarialcarcinom erkrankt war. Dies ergibt
sich aus sämtlichen vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten. Die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von
der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, darf nicht losgelöst davon betrachtet werden, was die anerkannte
medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Zur
Klärung der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen
zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären. Bietet die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten
an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachtet, kommt ein Anspruch auf eine alternative
Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative
Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht (BVerfG vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12, [...]).
Allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen stehen nicht zur Verfügung, wenn solche, bezogen
auf das jeweilige konkrete Behandlungsziel iSv §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V, im medizinischen Leistungsspektrum (allgemein) nicht vorhanden sind oder diese für den konkreten Behandlungsfall wegen erheblicher
gesundheitlicher Risiken, vor allem scherwiegender Nebenwirkungen, nicht nutzbar sind; relevant für die Beurteilung ist der
Zeitpunkt der Behandlung (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 11/15, §
2 SGB V, Rn 76f mwN).
Wie oben bereits ausgeführt, bestand im Mai 2012 bereits eine palliative Situation. Der Versicherten stand zur Überzeugung
des Senats eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende ambulante bzw stationäre palliative Behandlung
in einem zugelassenen Krankenhaus bzw bei einem anderen zugelassenen Leistungserbringer zur Verfügung. Schon der Onkologe
Dr. N. hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG angegeben, dass nach dem Auftreten eines Progresses die second-line-Therapie mit den Chemotherapeutika Hycamtin, Gemzar oder
Treosulfan die schulmedizinische Alternative darstellt. Auch die Sachverständige Dr. R. beschreibt als Therapie der Wahl eine
Monochemotherapie. Diese Leistungen hätte die Versicherte als Sachleistungen erhalten können. Sie wollte diese jedoch wegen
der Nebenwirkungen bzgl. der bisherigen Chemo-Therapien nicht in Anspruch nehmen.
Eine palliative Therapie bei unheilbarer Krebserkrankung ist jedoch in verschiedener Form durchaus in zugelassenen Kliniken
bzw bei zugelassenen Vertragsärzten möglich. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, lässt sich aus den Nebenwirkungen bezüglich der anfänglich durchgeführten Therapie nicht auf eine
Unzumutbarkeit anderer zugelassener palliativer Behandlungen schließen.
Es ist zwar verständlich, dass die Versicherte in der sehr schwierigen persönlichen Situation die aus ihrer Sicht optimale
Versorgung in der Klinik St G. in Anspruch genommen hat. Auch unter grundrechtsorientierter Auslegung ist die Beklagte jedoch
nicht verpflichtet, die Kosten für die palliative Therapie mittels einer Hyperthermie-Therapie mit low dose Chemotherapie
in der Klinik St G. zu erstatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Nr 1 und 2
SGG).