Kein Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für Behandlungen von Therapeuten ohne Approbation; Kein verfassungsrechtlicher
Anspruch auf Bereitstellung spezieller Gesundheitsleistungen
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf Kostenerstattung für eine Behandlung nach der Methode der Integrierten Lösungsorientierten
Psychologie (ILP) durch eine Psychologische Beraterin geltend.
Der am 20.07.1973 geborene Kläger ist in der Schweiz als Arbeitnehmer beschäftigt und wohnt in Deutschland (Grenzgänger).
Er ist in der Schweiz bei der H. Versicherungen AG versichert. Diese bescheinigte dem Kläger mit dem Formular E 106, dass
er Anspruch auf Sachleistungen bei Krankheit ab dem 01.03.2007 hat. Der Kläger legte diese Bescheinigung im Februar 2007 der
BKK Fahr vor. Die BKK Fahr fusionierte zum 01.10.2010 mit der BKK Gesundheit und diese wiederum zum 01.04.2012 mit der Beklagten.
Am 17.09.2012 ging bei der Beklagten ein an die BKK Fahr gerichtetes Schreiben von Frau G. B. vom 11.09.2012 ein. Darin stellte
sie für den Kläger einen Antrag auf außervertragliche Psychotherapie. Frau B. ist Psychologische Beraterin und ILP-Therapeutin.
Sie besitzt weder eine Ausbildung und Approbation als Ärztin noch eine Approbation als Psychologische Psychotherapeutin oder
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin; sie arbeitet nach der Methode der ILP. Den Antrag begründete sie damit, dass sie
die Familie des Klägers seit 2008 kenne. In der Familie lebten zwei leibliche Kinder der Eheleute, von denen der Sohn eine
massive Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) habe, welche selbst mit medikamentöser Einstellung die Familie
an ihre Grenzen bringe. Die beiden Pflegekinder hätten schwerste traumatische Erlebnisse in ihrer Ursprungsfamilie. Ein Pflegekind
betreue sie in psychologischer Arbeit seit vielen Jahren. Der Kläger sei lange Jahre für die Familienmitglieder die verlässliche
Person gewesen. Nun habe er sich psychisch, geistig, körperlich und seelisch so verausgabt, dass er selbst sich den Anforderungen
des Alltags nicht mehr gewachsen sehe. Der Kläger benötige schnellstmöglich psychologische Unterstützung. Sie bitte die Krankenkasse
um die Kostenübernahme von 20 psychologisch therapeutischen Beraterstunden im Rahmen einer Einzelfallentscheidung; der Stundensatz
betrage 60 €. Ebenfalls am 17.09.2012 ging bei der Beklagten das Attest des Dr. H. vom 22.08.2012 ein. Darin führte dieser
ua aus, der Kläger leide an einem schweren Psychovegetativen Erschöpfungssyndrom verbunden mit depressiven Episoden. Er bedürfe
dringend einer therapeutischen Unterstützung. Da seine Familie schon therapeutische Hilfe bekomme, schlage er die ILP-Therapeutin
B. vor, welche die familiären Verhältnisse kenne.
Das erste Gespräch des Klägers mit Frau B. hatte bereits am 20.06.2012 stattgefunden; die Behandlung bei Frau B. begann am
14.09.2012.
Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 20.09.2012 darauf hin, dass eine Kostenerstattung für Psychotherapie bei einem
nicht zugelassenen Therapeuten nur in ganz eng begrenzten Ausnahmetatbeständen in Betracht komme. Sie sei dem Kläger bei der
Suche nach einem geeigneten Therapeuten gerne behilflich. Dazu müsse sie wissen, welche Therapieform (Verhaltenstherapie oder
tiefenpsychologisch fundiert) er benötige. Sie können auch eine Anfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg
starten. Dazu benötige sie eine Liste mit mindestens 10 Namen der kontaktierten Vertragstherapeuten, Datum des Anrufes und
Wartezeiten. Diese Schreiben der Beklagten beantwortete die ILP-Therapeutin B.. Sie erwiderte, der Kläger sei mittlerweile
krank geschrieben, ein Kurantrag sei gestellt. Der Kläger werde nun mit Medikamenten versorgt, unter deren Einnahme die Fahrtüchtigkeit
im Straßenverkehr vermindert sei. Aufgrund der Krisensituation, wie sie von der Familie dargestellt worden sei, habe sie dem
Kläger sofort therapeutische Arbeitsstunden zur Verfügung gestellt. Seine Ehefrau fahre den Kläger zu ihr in die Praxis. Sie
bitte um Kostenübernahme für 20 Therapiestunden (Schreiben von Frau B. vom 22.10.2012).
Die Beklagte benannte dem Kläger schriftlich zwei zugelassene Therapeuten in F. und M., die noch freie Therapieplätze hätten,
und holte die nach Aktenlage erstellte Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg
(MDK) vom 03.12.2012 ein. Darin führte Dr. M.-S. aus, anhand der vorliegenden Informationen könne die Notwendigkeit einer
außervertraglichen Therapie nicht bestätigt werden. Die Indikation für probatorische Sitzungen können grundsätzlich bestätigt
werden. Die Qualifikation als ILP-Therapeutin sei jedoch nicht ausreichend, da es sich dabei um keine anerkannte psychotherapeutische
Richtlinienbehandlung handele. Empfohlen werde die Behandlung bei einem außervertraglichen Psychotherapeuten mit Anerkennung
in einem Richtlinienverfahren.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit einem ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 05.12.2012 das Ergebnis der
vom MDK abgegebenen Stellungnahme mit, bewilligte dem Kläger im Einzelfall fünf probatorische Sitzungen in Höhe von 61,51
€ bei Frau B. und lehnte es im Übrigen ab, sich an den Kosten der beantragten psychotherapeutischen Maßnahme zu beteiligen.
Der Kläger übersandte am 14.12.2012 die Rechnung von Frau B. für fünf im November 2012 durchgeführte "lösungsorientierte Beratungen"
über 307,55 €. Diesen Betrag erstattete die Beklagte dem Kläger.
Mit Schreiben vom 26.12.2012 stellte der Kläger selbst einen Antrag auf Übernahme der Kosten der therapeutischen Behandlung
durch Frau B.. Er fügte seinem Antrag ein Schreiben von Frau B. vom 24.12.2012 bei. Frau B. führte darin aus, der Kläger habe
nun ab dem 27.12.2012 einen Kuraufenthaltsplatz bekommen. Damit er nach dem Kuraufenthalt weiterhin gesprächstherapeutische
Unterstützung erhalte, sei es absolut wichtig, die gesprächstherapeutische Arbeit weiterzuführen. Ferner machte sie Ausführungen
zur ILP. Die Beklagte holte das nach Aktenlage erstellte Gutachten des MDK vom 29.01.2013 ein. Darin führte Dr. N. zusammenfassend
aus, es müsse weiterhin festgehalten werden, dass Frau B. weder eine Ausbildung als Diplompsychologin noch als Ärztin vorweisen
könne. Darüber hinaus sei sie auch nicht in einem Richtlinienverfahren wie tiefenpsychologische Therapie, Verhaltenstherapie
oder Analyse ausgebildet. Somit lägen die formalen Kriterien für eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung
nicht vor. Die Beklagte blieb bei ihrer Auffassung und legte die Angelegenheit dem Widerspruchsausschuss vor.
Vom 27.12.2012 bis zum 07.02.2013 befand sich der Kläger in einer von der Rentenversicherung bewilligten stationären Rehabilitationsbehandlung
im L.-Klinik-Zentrum-für-Verhaltenstherapie in B. D.. Aus diesem Rehabilitationsverfahren wurde er als arbeitsfähig entlassen.
Die Entlassdiagnose lautete: F32.9 (nicht näher bezeichnete depressive Episode).
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wertete die Stellungnahme des Klägers als Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.12.2012
und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2013 als unbegründet zurück.
Am 25.04.2013 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er macht die ihm im Zusammenhang mit der am 14.09.2012 bei Psychologischen Beraterin G. B. begonnenen Psychotherapie
entstandenen und zukünftig entstehenden Kosten geltend. Im angefochtenen Bescheid werde ausdrücklich festgestellt, dass ein
Leistungsanspruch bestehe. Es gehe daher nur um die Problematik eines Anspruches auf außervertragliche Therapie. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.12.2013, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 23.12.2013, abgewiesen.
Ein Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) scheide aus, weil der Psychologischen Beraterin Frau B. die Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde im Bereich Psychotherapie
fehle.
Am 20.01.2014 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er habe versucht, einen Behandler zu finden, der im Besitz der Approbation
nach dem Psychotherapeutengesetz ist. Dies sei ihm aber nicht möglich gewesen. In einem solchen Fall sei von einem Systemversagen auszugehen, so dass für
ihn die Regelung des §
76 Abs
1 Satz 2
SGB V entsprechend gelte. Der Kläger hat 12 Rechnungen von Frau B. zu den Prozessakten gereicht (Bl 27 bis 38 der LSG-Akte).
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18.12.2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.12.2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.695,15 € zu zahlen und die
Kosten für eine Behandlung nach der Methode der Integrierten Lösungsorientierten Psychologie bei Frau G. B., E.-K., zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18.12.2013 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster
und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die nach §§
143,
144,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 05.12.2012 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm durch die seit 14.09.2012 selbst beschaffte ILP-Behandlung bei Frau
B. entstanden sind, und auch keinen Anspruch auf Übernahme der in Zukunft anfallenden Behandlungskosten.
Nach §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach §
13 Abs
1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§
2 Abs
2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das
SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) - im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil keine Leistungen zur Teilhabe streitig sind - vorsieht. Nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse
in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der danach in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch
reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung
zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl
BSG 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs
rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang
zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung
eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, Breithaupt 2010, 914 mwN).
Ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung (für die Vergangenheit) bzw Kostenübernahme (für die Zukunft) scheitert schon
daran, dass der Therapeutin, die der Kläger in Anspruch genommen hat und weiter in Anspruch nehmen will, die generelle Qualifikation
zur Ausübung der Heilkunde im Bereich der Psychotherapie fehlt (vgl hierzu Beschluss des Senats vom 06.07.2012, L 11 KR 4261/11, juris, unter Hinweis auf BSG 10.02.2004, B 1 KR 10703 B, juris). Nach §
28 Abs
3 SGB V wird die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychotherapeuten, soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung
zugelassen sind, und durch Vertragsärzte durchgeführt. Psychotherapeuten sind nach der Legaldefinition in §
28 Abs
3 Satz 1
SGB V nur Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Dies sind Personen, denen nach den
Vorschriften des Psychotherapeutengesetzes die Approbation erteilt worden ist. Dazu gehört Frau B. nicht. Sie kann deshalb selbst in Fällen des Unvermögens oder der
rechtswidrigen Ablehnung einer Krankenkasse nicht von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen
werden (vgl BSG 10.02.2004 aaO). Insoweit kommt es auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kosten einer Behandlung durch
approbierte, aber nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten von der Krankenkasse zu übernehmen
sind, nicht an (Urteil des Senats vom 26.06.2012, L 11 KR 3528/11, zur Kostenübernahme für die Behandlung durch einen Heilpraktiker). Frau B. fehlt nicht nur die Zulassung zur vertragsärztlichen
Versorgung, sondern auch die Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz.
Ein Verfassungsverstoß liegt hierin nicht (zum Arztvorbehalt bereits: Senatsurteil vom 27.01.2009, L 11 KR 3126/08, juris. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil wurde vom BSG mit Beschluss vom 28.05.2009, B 1 KR 16/09 B, zurückgewiesen, die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde vom BVerfG im Beschluss vom 23.08.2011, 1 BvR 2359/09, nicht zur Entscheidung angenommen). Es ist anerkannt, dass auch aus den Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher
Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen besteht.
Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder
Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Zwar hat sich die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung
an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art
2 Abs
2 Satz 1
Grundgesetz (
GG) zu stellen. Entsprechende Leistungspflichten werden aber nur in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig
tödlichen Erkrankung angenommen, sofern eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode
nicht existiert (vgl BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Ein solcher Fall liegt hier beim Kläger, der an einer depressiven Entwicklung leidet, nicht vor.
Bei einer für den Kläger lebensbedrohlichen Situation stünden jedenfalls ambulante und stationäre Behandlungsmöglichkeiten
durch zugelassen Vertragsärzte bzw Krankenhäuser zur Verfügung.
Die Kostenerstattung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.