Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für implantologische Leistungen; Ausnahmeindikation bei dauerhaft bestehender
Mundtrockenheit nach Tumorbehandlung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines implantantgestützten Zahnersatzes (zwei ITI-Straumann-Implantate) streitig.
Der am 06. Juli 1943 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er litt im Juni 2004 an einem Tonsillenkarzinom
und wurde am 07. Juli 2004 operiert, wobei ihm nach seinen eigenen Angaben die Mandeln herausgenommen, 16 Lymphknoten entfernt
und ein Stück von der Zunge abgeschnitten worden sind. Anschließend wurde er im August und September 2004 bestrahlt. Am 02.
Oktober 2007 wurde er in das S. Klinikum K. (Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie) wegen einer akuten Entzündung
eingeliefert. Es handelte sich ausweislich des Arztbriefes des Privatdozenten Dr. Dr. D. vom 14. November 2007 um einen odontogen
Abszess, ausgehend von Zahn 36. Sowohl dieser Zahn als auch der davorliegende Zahn 35, der ebenfalls entzündet war, wurden
entfernt. Am Unterkieferknochen wurde eine Osteoradionekrose festgestellt, die dazu führte, dass beide Zähne abgestorben waren.
Seither besteht beim Kläger eine entsprechende Lücke (regio 35 und 36). Am 21. Oktober 2009 wurde zudem ein Weisheitszahn
(rechts unten) gezogen.
Der Beklagten wurde der Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. B. vom 22. November 2007 über eine Zahnersatzbehandlung (zwei
Implantate) zur Genehmigung vorgelegt. Die Gebührenvorausberechnung ergab für die geplante Behandlung (zahnärztliches Honorar)
438,66 EUR und für die Material- und Laborkosten 900,- EUR, dh insgesamt einen Betrag von 1.338,66 EUR. Ebenfalls vorgelegt
wurde der Beklagten der Kostenvoranschlag des Dr. Dr. D. vom 14. November 2007 über die geplante Implantation regio 35 und
36. Zur Therapiebegründung gab er an, durch die knochenprotektive Wirkung von Implantaten werde einer fortschreitenden lokalen
Alveolarfortsatzatrophie entgegengewirkt. Bei gestörten Seitenzahn- bzw Kieferabstützungen am Ober- und Unterkiefer könne
durch implantatgestützten Zahnersatz eine Kiefergelenküberlastung vermieden werden. Weitere Gründe für die geplante Erbringung
von Implantaten ergäben sich aus den Diagnosen. Die Gebührenvorausberechnung des Dr. Dr. D. ergab für die geplante Behandlung
(zahnärztliches Honorar) 952,49 EUR zzgl voraussichtlicher Material- und Laborkosten in Höhe von 995,38 EUR, dh insgesamt
einen Betrag von 1.947,87 EUR. Am 15. Januar 2008 bewilligte die Beklagte einen Festzuschuss in Höhe von insgesamt 359,53
EUR (318,01 EUR für Zahn 35 und 36 sowie 41,52 EUR für Zahn 34). Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Februar
2008 Widerspruch ein, den die Beklagte als (neuen) Antrag auf Kostenbeteiligung auslegte. Zur Begründung legte der Kläger
nochmals den Kostenvoranschlag des Dr. Dr. D. vom 14. November 2007, dessen Schreiben vom gleichen Tag und den Heil- und Kostenplan
des Dr. B. vom 22. November 2007 vor. Dr. Dr. D. führte in seinem Schreiben aus, es bestünden mehrere Möglichkeiten, die Lücke
35/36 zu schließen. In Betracht käme ein herausnehmbarer Zahnersatz. Hierbei müssten jedoch einige Zähne beschliffen werden,
um diesen Zahnersatz nicht schleimhautgetragen anzufertigen. Die Brückenanfertigung sei ungünstig, da die weitspannige Brücke
den hinteren Zahn 37 zu stark belaste und vorne mindestens drei Zähne beschliffen werden müssten, was wiederum die Gefahr
des Absterbens deutlich erhöhe (nach Beschleifung sterbe ein Zahn mit einer Wahrscheinlichkeit von 15 % ab). Daher sei die
Therapie der Wahl das Einbringen von zwei Implantaten in die Position 35 und 36. Diese Implantate hätten nach Bestrahlung
eine bessere Prognose als die eigenen Zähne. Beim Kläger liege eine Ausnahmeindikation nach §
28 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) vor, da er an einer starken Mundtrockenheit nach einem Mundhöhlentumor leide.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung nach Aktenlage. Zahnarzt Dr. A. vertrat in seinem Gutachten vom 08. März
2008 die Auffassung, eine Ausnahmeindikation für eine Implantatbehandlung bei besonders schweren Fällen liege nicht vor. Dem
Schreiben des Dr. Dr. D. vom 14. November 2007 sei zu entnehmen, dass eine Bezahnung im Unterkiefer vorhanden sei, die eine
herkömmliche prothetische Versorgung ermögliche. Ein Leistungsanspruch des Versicherten bestehe auch dann nicht, wenn durch
die geplante Implantatversorgung das Ein-/Beschleifen ggfs gesunder Zähne entbehrlich werde, welches aber erforderlich wäre,
wenn in solchen Fällen eine konventionelle, zahnmedizinisch indizierte prothetische Versorgung durch Brücken oder Teilprothesen
möglich sei und durchgeführt werde. Eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate sei möglich. Hierauf gestützt
lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 18. März 2008 ab. Kosten, die über die genehmigten Festzuschüsse für die Zahnersatzversorgung
hinausgingen, könnten nicht übernommen werden. Hiergegen erhob der Kläger am 18. April 2008 Widerspruch, wobei er sich im
Wesentlichen auf das Schreiben des Dr. Dr. D. vom 14. November 2007 stützte. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2008
wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen
für eine implantatgestützte Versorgung gemäß den Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche
Versorgung (Behandlungsrichtlinie) lägen nach dem Gutachten des Dr. A. nicht vor. Der Kläger habe nur Anspruch auf befundbezogene
Festzuschüsse, die vorliegend genehmigt worden seien.
Hiergegen erhob der Kläger am 15. Dezember 2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung stützte er sich auf das Schreiben des Dr. Dr. D. vom 14. November 2007. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts
hörte das SG den behandelnden Zahnarzt Dr. B. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit (Auskunft vom 14. Dezember 2008), beim Kläger
bestehe eine zunehmende Kariesneigung interdental im Unterkiefer-Molarenbereich. Er leide an einer Lücke 35/36 infolge eines
Zahnverlustes durch Xerostomie, wobei die partielle Xerostomie im Unterkiefer als Bestrahlungsfolge anzusehen sei.
Das SG holte daraufhin das Gutachten des Ärztlichen Direktors der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Prof. Dr. Dr. M. vom 02. April 2009 ein, der den Kläger am 01. April 2009 persönlich untersuchte. Er gelangte für den Kläger
zu folgenden Diagnosen: Zustand nach Tonsillen-Karzinom (2004), Zustand nach Resektion und suprahyoidale Lymphknotenausräumung
rechts und Zustand nach postoperativer Radiatio. Bei der Untersuchung sei eine allgemeine Mundtrockenheit im gesamten Mundbereich
als Folge der postoperativ erfolgten Bestrahlung aufgefallen. Die Implantationsnotwendigkeit der Zähne 35 und 36 zeige sich
nicht als unmittelbare Folge der Operation des Tonsillen-Karzinoms. Jedoch sei die unterstützende Therapie mit Bestrahlung
und der daraus resultierenden Schädigung der Zähne in Form von Strahlenkaries durchaus ursächlich vereinbar mit dem Verlust
der Zähne 35 und 36. Des Weiteren zeige sich aufgrund der postoperativen Radiatio eine Xerostomie im Bereich des gesamten
Mundraums, weswegen eine konventionelle prothetische Versorgung in Form einer Brücke nicht empfehlenswert sei. Der Grund dafür
liege zum einen in den durch die Bestrahlung vorgeschädigten Zähnen, zum anderen in der durch die Mundtrockenheit verursachten
schlechten Remineralisierung der Zähne. Eine konventionelle prothetische Versorgung setze das Beschleifen der Nachbarzähne
voraus. Dies gehe mit einem Verlust des stabilisierenden Zahnschmelzes einher und könne die Lebensdauer der so präparierten
Pfeilerzähne aufgrund der schlechten Remineralisierung und durch die postoperativ erfolgte Bestrahlung sowie der daraus resultierenden
Xerostomie verkürzen. Aufgrund dessen sei eine implantatprothetische Versorgung in regio 35 und 36 in diesem Fall vertretbar.
Mit Urteil vom 24. August 2009, der Beklagten zugestellt am 16. September 2009, hob das SG den Bescheid vom 18. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2008 auf und verurteilte die Beklagte,
die Kosten für die Versorgung des Klägers mit Implantaten regio 35 und 36 in gesetzlicher Höhe zu übernehmen. Die Ausnahmeindikationen
für besonders schwere Fälle gemäß der Behandlungsrichtlinie lägen vor. Beim Krankheitsbild des Klägers handle es sich um einen
besonders schweren Fall, da er weiterhin an starker Trockenheit im gesamten Mundraum (Xerostomie) leide. Eine konventionelle
prothetische Versorgung ohne Implantate sei nicht möglich. Die Versorgung mit einer festsitzenden Brücke erscheine zweifelhaft,
da die Zähne des Klägers generell erheblich vorgeschädigt seien. Eine festsitzende Prothese setze das Beschleifen der Pfeilerzähne
voraus, was mit dem Verlust des stabilisierenden Zahnschmelzes einherginge. Hierdurch sei die Lebensdauer der Pfeilerzähne
verringert, was sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. M. und dem Schreiben des Dr. Dr. D. vom 14. November 2007 ergebe.
Eine konventionelle prothetische Versorgung habe daher keine Aussicht auf einen dauerhaften Behandlungserfolg. Dem Kläger
sei es nicht zumutbar, Zähne für eine festsitzende Brücke beschleifen zu lassen, die dann ohnehin später durch Implantate
ersetzt werden müssten.
Mit ihrer dagegen am 12. Oktober 2009 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, beim
Kläger liege zwar eine Ausnahmeindikation dahingehend vor, dass aufgrund der Tumorbehandlung ein extrem verminderter Speichelfluss
(Xerostomie) vorherrsche. Allerdings sei anhand der vorliegenden Befundsituation eine konventionelle prothetische Versorgung
in Form einer Brücke möglich. Hierbei handle es sich nicht um einen schleimhautgetragenen Zahnersatz, der einen ausreichenden
Speichelfluss zur Haftbarkeit erfordere. Die Xerostomie schließe daher eine konventionelle prothetische Versorgung nicht aus.
Zudem sei eine Remineralisierung bei den überkronten Zähnen nicht erforderlich, da die fest eingesetzten Kronen die Zähne
gegen Außeneinflüsse schützten. Insofern könne der Ansicht des Prof. Dr. Dr. M. nicht gefolgt werden. Bei der Aussage des
Dr. Dr. D., wonach ein beschliffener Zahn mit einer Wahrscheinlichkeit von 15 % absterbe, handle es sich um eine allgemeine
Aussage, die unberücksichtigt lasse, dass eine Kronen- bzw Brückenversorgung grundsätzlich eine lange Lebensdauer habe. Der
Sachverständige habe lediglich ausgeführt, dass eine Brückenversorgung nicht empfehlenswert und die implantologische Versorgungsform
vertretbar sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Bislang seien die Implantate noch nicht eingesetzt worden. Er leide
weiterhin an Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden und Schmerzen im Mund-, Zahn- und Halsbereich. Aufgrund der Bestrahlung seien
seine Zähne geschädigt. Am 21. Oktober 2009 habe zudem ein Weisheitszahn (rechts unten) gezogen werden müssen. Aufgrund der
Lücke (regio 35 und 36) könne er auf dieser Seite nicht kauen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten
vorgelegten Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2008 aufgehoben
und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die Versorgung des Klägers mit Implantaten regio 35 und 36 in gesetzlicher Höhe
zu übernehmen. Denn der Kläger hat Anspruch auf die begehrten implantologischen Leistungen.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August
2008 (§
95 SGG), mit dem die Beklagte die Kostenübernahme für die geplante Implantatversorgung regio 35 und 36 abgelehnt hat. Nicht Streitgegenstand
ist hingegen die Entscheidung der Beklagten vom 15. Januar 2008 (Genehmigung des Heil- und Kostenplans des Dr. B. vom 22.
November 2007), mit der sie den Festzuschuss in Höhe von insgesamt 359,53 EUR bewilligt und damit inzident eine weitergehende
Kostenübernahme für die Implantatversorgung regio 35 und 36 abgelehnt hat. Zwar handelt es sich bei der Genehmigung eines
Heil- und Kostenplans bzw der Bewilligung eines Festzuschusses um einen Verwaltungsakt (vgl nur BSG, Urteil vom 25. März 2003
- B 1 KR 29/02 R - = SozR 4 - 1500 § 55 Nr 1). Die Beklagte hat jedoch den Widerspruch des Klägers (Schreiben vom 12. Februar 2008) als erneuten
Antrag auf Kostenübernahme gewertet und allein hierüber in dem Bescheid vom 18. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 12. August 2008 entschieden. Der Kläger hat sich auch nur hiergegen gewandt.
Versicherte haben nach §
11 Abs
1 Nr
4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit. Die Krankenbehandlung umfasst nach §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB V auch die zahnärztliche Behandlung. Diese umfasst nach §
28 Abs
2 Satz 1
SGB V unter anderem die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der
zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist.
Implantologische Leistungen gehören nach §
28 Abs
2 Satz 9
SGB V nicht zur zahnärztlichen Behandlung, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach §
92 Abs
1 SGB V festgelegte Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich
der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt.
Nach der auf dieser Grundlage erlassenen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und
wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie vom 4. Juni/24. September 2003, Bundesanzeiger Nr
226 vom 3. Dezember 2003, Seite 24966, zuletzt geändert durch Beschluss vom 1. März 2006, Bundesanzeiger Nr 111 vom 17. Juni
2006, Seite 4466) liegen gemäß B VII Nr 2 Satz 4 besonders schwere Fälle vor:
a) bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache - in Tumoroperationen, - in Entzündungen des Kiefers, - in
Operationen infolge von großen Zysten (zB große follikuläre Zysten oder Keratozysten), - in Operationen infolge von Osteopathien,
sofern keine Kontraindikation für eine Implantatversorgung vorliegt, - in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-,
Kiefer-, Gaumenspalten, ektodermale Dysplasien) oder - in Unfällen haben, b) bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie,
insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung c) bei generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen, d) bei nicht willentlich
beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (zB Spastiken).
Bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen besteht Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung allerdings
nur dann (B VII Nr 2 Satz 2), wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. In den Fällen
von Satz 4 Buchstaben a) bis c) gilt dies nur dann, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten
Zahnersatz nicht belastbar ist (B VII Nr 2 Satz 3).
Unter Beachtung dieser Maßstäbe liegt beim Kläger ein besonders schwerer Fall, mithin eine Ausnahmeindikation für Implantate,
vor. Denn er leidet an einer dauerhaft bestehenden Xerostomie nach einer Tumorbehandlung. Dies ist zwischen den Beteiligten
auch unstreitig und ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. M. vom 02. April 2009 und dem Schreiben des Dr. Dr. D.
vom 14. November 2007. Auch der behandelnde Zahnarzt Dr. B. (Auskunft vom 14. Dezember 2008) bestätigte eine (zumindest partielle)
Xerostomie im Unterkiefer als Bestrahlungsfolge. Allein das Vorliegen einer Ausnahmeindikation genügt jedoch für einen Anspruch
auf die Versorgung mit Implantaten nicht. Voraussetzung ist weiter, dass eine konventionelle prothetische Versorgung ohne
Implantate nicht möglich ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist beim Kläger eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich.
Als konventionelle prothetische Versorgung käme vorliegend einzig eine Brückenversorgung in Betracht. Der Senat ist jedoch
mit dem SG der Auffassung, dass dies im vorliegenden Fall keinen dauerhaften Behandlungserfolg sichert. Denn vorliegend ist die Besonderheit
zu beachten, dass die im Anschluss an die Operation (Juli 2004) erfolgte Bestrahlung zu einem Strahlenkaries geführt hat,
der durchaus ursächlich mit dem Verlust der Zähne 35 und 36 vereinbar ist. Der Senat stützt sich hierbei auf das Gutachten
des Prof. Dr. Dr. M. vom 02. April 2009. Daraus folgt, dass die noch vorhandenen Zähne des Klägers aufgrund der bereits jetzt
schon bestehenden schlechten Remineralisierung vorgeschädigt sind und deshalb die (konkrete) Gefahr besteht, dass bei einem
Beschleifen die Lebensdauer der präparierten Pfeilerzähne - insbesondere auch infolge der Xerostomie - verkürzt wäre. Auch
dies entnimmt das Gericht dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. M. vom 02. April 2009. Auf diese Gefahr hat jedoch bereits Dr. Dr.
D. in seinem Schreiben vom 14. November 2007 nachvollziehbar und schlüssig hingewiesen. Aus dessen Kostenvoranschlag vom selben
Tag folgt zudem, dass durch den implantatgestützten Zahnersatz eine Kiefergelenksüberlastung vermieden werden kann. Vor diesem
Hintergrund misst der Senat - im Gegensatz zur Beklagten - der Wortwahl des Prof. Dr. Dr. M. (die Versorgung in Form einer
Brücke sei nicht empfehlenswert; die implantatprothetische Versorgung sei vertretbar) kein besonderes Gewicht zu. Denn aus
dem Gesamtzusammenhang folgt hinreichend deutlich, dass die beim Kläger vorhandene Zahnsituation (schlechte Remineralisierung,
Strahlenkaries und Xerostomie) eine konventionelle prothetische Versorgung nicht zulässt. Aufgrund der Tatsache, dass die
vorhandenen Zähne bereits vorgeschädigt sind, überzeugt auch das Argument der Beklagten, dass eine Remineralisierung bei überkronten
Zähnen nicht erforderlich sei, da diese gegen Außeneinflüsse geschützt seien, nicht.
An diesem Ergebnis ändert auch das Gutachten nach Aktenlage des Dr. A. vom 08. März 2008 nichts. Denn dieser hat allein aus
dem Schreiben des Dr. Dr. D. vom 14. November 2007 geschlossen, dass aufgrund der vorhandenen Bezahnung im Unterkiefer eine
herkömmliche prothetische Versorgung möglich sei. Dabei hat er - im Gegensatz zu Prof. Dr. Dr. M., der den Kläger persönlich
untersucht hat - dem Umstand, dass die noch vorhandenen Zähne vorgeschädigt und wegen der Mundtrockenheit bereits jetzt schon
schlecht remineralisiert sind, nicht hinreichend genug Rechnung getragen.
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles zum einen
eine Ausnahmeindikation im Sinne der Behandlungsrichtlinie vorliegt, und zum anderen eine konventionelle prothetische Versorgung
ohne Implantate nicht möglich ist. Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs
2 SGG nicht erfüllt sind.