Überprüfbarkeit eines Heil- und Kostenplans für eine zahnärztliche Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung der Kostenübernahme für die Versorgung mit Zahnersatz/Zahnkronen im Oberkiefer
und begehrt die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den zahnärztlichen Befund, die Versorgungsnotwendigkeit
und die geplante Versorgung begutachten zu lassen.
Der 1957 geborene Kläger ist als Arbeitslosengeld-II-Empfänger bei der Beklagten versichert. Unter Vorlage des Heil- und Kostenplans
(HKP) des ungarischen Zahnarztes G. vom 18.03.2013 über die Versorgung mit 13 Zahnkronen und einer Brücke im Oberkiefer (bei
13 vorhandenen Zähnen) beantragte der Kläger die Bezuschussung der geplanten Versorgung unter Befreiung von der Zuzahlung
des Eigenanteils. Die Beklagte leitete eine Begutachtung ein. Zahnarzt S. wollte eine Begutachtung nach ambulanter Untersuchung
durchführen und bat um eine Terminvereinbarung und Vorlage sämtlicher Unterlagen wie Röntgenbilder. Deshalb bat die Beklagte
den Kläger mit Schreiben vom 06.05.2013 um eine Terminvereinbarung mit dem Gutachter und Zurverfügungstellung sämtlicher Unterlagen.
Einer persönlichen Begutachtung widersprach der Kläger und stellte sich zwar am 15.05.2013 bei Zahnarzt S. vor, brachte jedoch
keine Unterlagen mit und verweigerte eine Untersuchung. Persönlich wies der Kläger am 16.05.2013 darauf hin, dass er den Zahnärzten
nicht vertraue und sich nicht zwangsuntersuchen lassen werde (Bl 11 Verwaltungsakte) und teilte mit Schreiben vom 21.05.2013
mit, er lehne nicht nur den Zahnarzt S. sondern auch andere sog Gutachter ab.
Mit Schreiben vom 24.05.2013 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass für die Entscheidung über die Kostenzusage eine
gutachterliche Überprüfung und Stellungnahme erforderlich sei. Werde die Mitarbeit am Gutachten verweigert, könnten Kosten
nicht übernommen werden. Deshalb werde nochmals um Terminvereinbarung mit dem Gutachter gebeten. Mit weiterem Schreiben vom
29.05.2013 hielt die Beklagte daran fest, dass für die Frage der Kostenübernahme die Aussage eines Gutachters benötigt werde.
Auch aus einem Telefonat mit der Beklagten am 14.06.2013 ergab sich keine Bereitschaft des Klägers zur Begutachtung. Zahnarzt
S. befürwortete mit Schreiben vom 30.05.2013 den geplanten Zahnersatz zum jetzigen Zeitpunkt nicht (Bl 18 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 19.06.2013 gab die Beklagte dem Kläger den Antrag ohne Bewilligung zurück. Ohne die Aussage eines Gutachters,
ob und in welchem Umfang die geplante Versorgung medizinisch notwendig sei, könne keine Entscheidung über die Kostenübernahme
getroffen werden.
Den hiergegen am 18.07.2013 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2013 als unbegründet
zurück (Bl 27 Verwaltungsakte). Die Beklagte stützte ihre Entscheidung auf §
66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I). Die Leistung könne bis zur Nachholung der Untersuchung durch einen Gutachter versagt werden. Im Rahmen der Ermessensentscheidung
seien keine Gesichtspunkte vorgetragen worden, die eine Entscheidung zugunsten des Klägers ermöglichten.
Am 27.12.2013 hat der Kläger hiergegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben mit der Begründung, schon im Kindesalter seien ihm vier Backenzähne gezogen worden. Die dadurch veränderte
Zahnstellung zwinge ihn seitdem beim Kauen zu einem unnatürlichen Bewegungsablauf, zu verstärkter Abnutzung der verbliebenen
Zähne und führe zu negativen Auswirkungen auf die Körperstatik. Die radikalen, an ihm durchgeführten Zahnbehandlungen seien
nicht notwendig gewesen. Deshalb dulde er keine Diagnose von Ungebetenen wie dem Zahnarzt S.. Wenn er nicht wolle, dürfe sich
ihm kein Zahnarzt nähern. Er berufe sich auf sein Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Trotz mehrfacher Aufforderung des SG auch unter Hinweis auf eine mögliche negative Beweislastentscheidung, hat der Kläger eine Erklärung über die Entbindung seiner
behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht nicht abgegeben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat er mitgeteilt, er habe die Behandlung beim Zahnarzt G. begonnen, die ersten Rechnungen in Höhe von ca 1.500 € bereits
bezahlt und trage derzeit ein Provisorium. Ob er die Behandlung fortsetze, sei noch unklar.
Mit Urteil vom 02.10.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen
Rechten. Er habe auch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, den zahnärztlichen
Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten zu lassen.
Gegen das ihm mittels Postzustellungsurkunde am 25.10.2014 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 24.11.2014 beim SG Berufung eingelegt, die dem Landessozialgericht Baden-Württemberg am 01.12.2014 vorgelegt worden ist.
Der Kläger hat zur Begründung der Berufung sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Beklagte müsse die Kosten übernehmen
ohne die Hinzuziehung Ungebetener, zB eines sog Gutachters. Das SG habe dem Umstand der verheerenden Qualitätsmängel bei den bisherigen Behandlungen zu wenig Beachtung geschenkt. Von fehlender
Mitwirkung könne keine Rede sein; er sei jahrzehntelang hochkooperativ gewesen, sei aber nunmehr nach bald fünfzig Jahren
zahnärztlicher Minderleistung am Ende seiner Geduld.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02.10.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 19.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 28.11.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den zahnärztlichen Befund, die Versorgungsnotwendigkeit
und die geplante Versorgung begutachten zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und die Ausführungen des SG Bezug.
Mit Schreiben des Berichterstatters vom 09.03.2015 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist,
die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach §
153 Abs
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.04.2015 gegeben worden.
Der Kläger hat mitgeteilt, an der Berufung festzuhalten. Er wende sich mit seiner Klage gegen die Deutungs- und Wertungsmacht
der Entscheidungsträger, nicht nur Mediziner, sondern auch Politiker und Juristen. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit
als weltweit unverbrüchliches Menschenrecht müsse vor Übergriffen allgegenwärtiger und aufdringlicher Funktionseliten, wie
zB Mediziner, schützen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die
beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19.06.2013
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu
Recht hat das SG die Klage abgewiesen.
Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß
§
153 Abs
4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten
sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Die Ausführungen des Klägers im Rahmen der Anhörung beinhalten eine Rechtsmeinung,
zeigen aber nicht auf, dass und weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten sein könnte.
Die Berufung ist (auch) deshalb unbegründet, weil die Klage unzulässig (geworden) ist. Das LSG muss außer der Zulässigkeit
der Berufung auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen des angegriffenen Urteils prüfen. Alle Sachentscheidungsvoraussetzungen
der ersten Instanz mit Ausnahme der persönlichen Prozessvoraussetzungen - Beteiligtenfähigkeit (§
70 SGG), Prozessfähigkeit (§§
71,
72 SGG), Postulationsfähigkeit (§
73 SGG) - werden in der Berufungsinstanz zu Voraussetzungen der Begründetheit (Beschluss des Senats vom 07.08.2013, L 11 KR 1808/12, [...]; Urteil des Senats vom 28.04.2009, L 11 KR 2930/06, [...]; Bernsdorff in Hennig
SGG §
157 RdNr. 41).
Zulässiger Streitgegenstand ist lediglich die Frage, ob die Beklagte den Antrag des Klägers auf Genehmigung des Heil- und
Kostenplanes zu Recht nicht mehr weiter geprüft hat, weil der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist. Richtige
Klageart war insoweit die (isolierte) Anfechtungsklage. Die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt
sei, den zahnärztlichen Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten zu lassen, hätte im Rahmen
der Anfechtungsklage inzidenter geprüft werden müssen. Für die Erhebung einer mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage
fehlt es deshalb an einem berechtigten Interesse. Der Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG, es seien im Zuge der bisherigen Behandlung bereits Kosten angefallen, gibt keinen Anlass, im Rahmen einer Leistungsklage
(auch) einen Anspruch auf Kostenerstattung zu prüfen. Der Kläger hat einen solchen Antrag nicht gestellt und ein derart geänderter
oder ergänzter Antrag wäre auch nicht sachdienlich gewesen, da eine geänderte Klage unzulässig gewesen wäre. Vor Erhebung
einer Klage auf Erstattung von Kosten muss ein Verwaltungsverfahren durchgeführt werden. Daran fehlt es hier. Das SG hätte daher eine Klageänderung als unzulässig werten müssen. Ob der Kläger eine auf die Bewilligung eines Festzuschusses
gerichtete Leistungsklage hätte erheben können oder müssen, kann offen bleiben. Eine solche Klage wäre jedenfalls (inzwischen)
unbegründet, da die Bewilligung eines Festzuschusses vor der Behandlung zu erfolgen hat.
Die Klage ist (insgesamt) mit Aufnahme der zahnärztlichen Behandlung unzulässig geworden, da sich der angefochtene Verwaltungsakt
dadurch auf sonstige Weise erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>; dazu unter 2.). Unabhängig davon
war die Entscheidung der Beklagten formell und materiell rechtmäßig (1.).
1. Rechtsgrundlage des mit der Klage angefochtenen Bescheides ist §
66 Abs
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I). Danach kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise
versagen (oder entziehen), soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der eine Sozialleistung
erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§
60 bis
62,
65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhaltes erheblich erschwert wird. Darüber hinaus dürfen nach §
66 Abs
3 SGB I Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese
Folge schriftlich hingewiesen worden und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist
nachgekommen ist.
Die Voraussetzungen für eine Versagung der Genehmigung lagen vor. Der Kläger hat die Versorgung mit Zahnersatz und damit eine
Sozialleistung iSd §
11 Satz 1
SGB I beantragt. Die Beklagte war berechtigt, zur Prüfung dieses Anspruches ein zahnärztliches Gutachten einzuholen und der Kläger
verpflichtet, sich nicht nur beim Gutachter vorzustellen, sondern auch eine ambulante Untersuchung seines Gebisszustandes
durch den Gutachter zu ermöglichen. Dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen.
Nach §
27 Abs
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) haben Versicherte - wie der Kläger - Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen,
zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua zahnärztliche
Behandlung (§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB V) und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
2a SGB V). Die zahnärztliche Behandlung ihrerseits umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung
von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst
auch konservierend- chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen
und Suprakonstruktionen erbracht werden (§
28 Abs
2 Satz 1
SGB V idF durch Art 1 Nr
15 Buchst a Doppelbuchst aa GMG mWv 1.1.2005).
Der Anspruch auf Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen)
ist in den §§
55 ff
SGB V näher geregelt. Nach §
55 Abs
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in den Sätzen 2 bis 7 Anspruch auf diese Leistungen in den Fällen, in denen eine zahnprothetische
Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß §
135 Abs
1 SGB V anerkannt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bestimmt in Richtlinien die Befunde, für die Festzuschüsse nach §
55 SGB V gewährt werden und ordnet diesen prothetische Regelversorgungen zu (§
56 Abs
1 SGB V idF durch Art 1 Nr 36 GMG mWv 1.1.2004). Maßgaben hierfür ergeben sich aus §
56 Abs
2 SGB V (idF durch Art 1 Nr 36 GMG mWv 1.1.2004). Der GBA kann von den Vorgaben der dortigen Sätzen 5 bis 8 abweichen und die Leistungsbeschreibung fortentwickeln
(§
56 Abs
2 S 12
SGB V). Der GBA hat hierzu die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung
mit Zahnersatz und Zahnkronen (Zahnersatz-RL) vom 8.12.2004 (BAnz 2005 Nr 54 S 4094, mWv 01.01.2005; zuletzt geändert am 07.11.2007,
BAnz 2007 Nr 241 Seite 8383, mWv 01.01.2008) erlassen.
Zudem wird der Anspruch Versicherter auf Zahnersatzleistungen auch durch §
87 Abs
1a SGB V (idF durch Art 1 Nr 57 Buchst c Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz> vom
26.3.2007, BGBl I 378) näher geregelt. §
87 Abs
1a S 2 ff
SGB V bestimmt, dass im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) folgende Regelungen zu treffen sind: Der Vertragszahnarzt hat vor
Beginn der Behandlung einen kostenfreien HKP zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante
Versorgung auch in den Fällen des §
55 Abs
4 und
5 SGB V nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet (Satz 2). Im HKP sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen (Satz
3). Der HKP ist von der KK vor Beginn der Behandlung zu prüfen (Satz 4). Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit
und die geplante Versorgung begutachten lassen (Satz 5). Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse
die Festzuschüsse gemäß §
55 Abs
1 oder 2
SGB V entsprechend dem im HKP ausgewiesenen Befund (Satz 6; zum Ganzen BSG 07.05.2013, B 1 KR 5/12 R, SozR 4-2500 § 55 Nr 2 mwN).
Nach Kapitel C Nr 10 Zahnersatz-RL hat der Versorgung mit Zahnersatz, Zahnkronen und Suprakonstruktionen die Erhebung des
Gesamtbefundes des Gebisses und dessen Dokumentation im HKP vorauszugehen. Die Versorgung hat die Wiederherstellung der Kaufunktion
im Sinne einer Gesamtplanung zum Ziel (Kap C Nr 10 Abs 2 Zahnersatz-RL). Die Krankenkasse kann nach Kap C Nr 10 Abs 3 Zahnersatz-RL
den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen. Diese Richtlinien sind auch für die
Versicherten verbindlich (§
91 Abs
6 SGB V). Ergänzend bestimmt § 25 Abs 1 Satz 1 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte (EKV-Z), dass die Ersatzkasse (Beklagte) die Begutachtung eines beantragten oder bereits eingegliederten Zahnersatzes (einschließlich
Zahnkronen) durch einen Gutachter gemäß § 22 EKV-Z veranlassen kann. Die Bestimmungen des EKV-Z haben normative Wirkung und gelten auch gegenüber den Versicherten. Damit werden Wertungswidersprüche zum Normcharakter
der Zahnersatz-RL, die ihrerseits Bestandteil der Bundesmantelverträge (ua des EKV-Z) sind, ausgeschlossen (Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung,
SGB V §
82 Rn 5). Überdies regeln die gesamten im 4. Kapitel des
SGB V angesiedelten Vorschriften nebst den ergänzenden Regelungen im BMV-Z bzw EKV-Z zum Erfordernis der HKP-Genehmigung und ihrer Befristung nicht nur die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern,
sondern gestalten auch das Leistungsrecht (BSG 07.05.2013, B 1 KR 5/12 R, SozR 4-2500 § 55 Nr 2). Die in den vorgenannten Bestimmungen enthaltenen Mitwirkungspflichten des Versicherten (Kläger) ergänzen die Regelung
in §§
62 ff
SGB I, ersetzen diese aber nicht vollständig, da sie die Rechtsfolgen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht regeln.
Nach den genannten Bestimmungen hat die Beklagte somit das Recht, den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante
Versorgung begutachten zu lassen. Umgekehrt folgt daraus die Pflicht des Versicherten, an einer vom Gutachter für notwendig
erachteten persönlichen (ambulanten) Untersuchung mitzuwirken. Zwar mag nicht in jedem Einzelfall eine körperliche Untersuchung
erforderlich und notwendig sein, jedoch teilt der Senat die Auffassung des SG, dass dies jedenfalls dann erforderlich ist, wenn es um eine komplette Neuversorgung des Oberkiefers geht. Ob auch eine Pflicht
zur Mitwirkung bei der Anfertigung von Röntgenaufnahmen gilt, bedarf hier keiner Entscheidung. Der Kläger hat sich noch nicht
einmal zu einer körperlichen Untersuchung bereit erklärt.
Diesen Mitwirkungspflichten ist der Kläger nicht nachgekommen. Eine Ausnahmevorschrift, nach der die Mitwirkungspflicht des
Klägers an der Begutachtung und persönlichen Untersuchung nicht besteht, greift vorliegend nicht ein. Die Mitwirkungspflichten
nach den §§
60 bis
64 bestehen gemäß §
65 Abs
1 SGB I nicht, soweit ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer
Erstattung steht oder ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder der Leistungsträger
sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen
kann. Zudem können gemäß §
65 Abs
2 SGB I Behandlungen und Untersuchungen, bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen werden kann, die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder die einen erheblichen Eingriff in die körperliche
Unversehrtheit bedeuten, abgelehnt werden.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Begutachtung wahrt nach den dargelegten Grundsätzen die Verhältnismäßigkeit. Einen
wichtigen Grund, weshalb die Begutachtung dem Kläger nicht zumutbar sein sollte, hat der Kläger nicht angegeben. Eine andere,
einfachere Überprüfungsmöglichkeit für die Versorgungsnotwendigkeit ist ebenfalls nicht vorhanden. Dass dem Kläger ein Schaden
für Leben oder Gesundheit oder erhebliche Schmerzen durch eine Begutachtung drohen, ist nicht ersichtlich. Schließlich bedeutet
die Begutachtung auch keinen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Der körperliche Zustand des Klägers wird
durch eine zahnärztliche Untersuchung seines Gebisses in keiner Weise (und erst recht nicht dauerhaft) verändert. Die Untersuchung
dient vor allem der Befunddokumentation, eine Behandlung soll nicht stattfinden; ein erheblicher Eingriff - wie es zB eine
Operation vorsehen würde - ist offensichtlich ausgeschlossen. So hat auch das Bundesverfassungsgericht schon mit Beschluss
vom 24.06.1983 (1 BvR 843/83, [...]) geäußert, dass die Pflicht zur ärztlichen Untersuchung eine Verletzung der Grundrechte auf Menschenwürde und körperliche
Unversehrtheit nicht erkennen lässt.
Die Beklagte hat das Verlangen einer Begutachtung mit Schreiben vom 06.05.2013 geäußert. Eine solche Begutachtung ist auch
für die Entscheidung über die Leistung erforderlich. Denn der Sachverhalt in Bezug auf die entscheidungserheblichen Tatsachen
ergibt sich nicht bereits aus vorhandenen medizinischen Unterlagen. In der Akte befindet sich lediglich der HKP des Zahnarztes
G., der an zahnmedizinischem Befund im Oberkiefer dreizehn Zähne mit weitgehender Zerstörung benennt. Allein daraus lässt
sich die Notwendigkeit der Behandlung nicht beurteilen, wie das SG zutreffend ausgeführt hat.
Die weiteren Voraussetzungen einer Versagung liegen ebenfalls vor. Die Beklagte hat den Kläger schriftlich konkret und unmissverständlich
aufgefordert, dem Gutachter Unterlagen zur Verfügung zu stellen, einen Termin zur Begutachtung zu vereinbaren und an dieser
Begutachtung mitzuwirken, auch unter Hinweis auf die Rechtsfolge, nämlich dass Kosten bei Nichtmitarbeit bei der Begutachtung
nicht erstattet werden können (Schreiben vom 06.05.2013 und 24.05.2013). Da sich der Kläger mehrfach eindeutig und unmissverständlich
geweigert hat, sich ("zwangs"-) begutachten zu lassen (zB bei der persönlichen Vorsprache am 16.05.2013 und im Schreiben vom
21.05.2013), nicht nur vom Zahnarzt S., sondern auch in Bezug auf jeden anderen Gutachter, musste die Beklagte dem Kläger
keine weitere (sinnlose) Frist zur Mitwirkung setzen oder eine erneute Begutachtung veranlassen. Ermessen hat die Beklagte
ausreichend im Widerspruchsbescheid ausgeübt. Die Voraussetzungen einer Versagung liegen damit vor.
2. Der mit der Anfechtungsklage angefochten Bescheid hat sich zudem erledigt, weil der Kläger mit der zahnärztlichen Behandlung
begonnen hat. Eine Genehmigung des HKP kommt deshalb nicht mehr in Betracht.
Nach der Rspr des BSG ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, dem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang der §§
55,
87 Abs
1a SGB V, dass die Bewilligung des Festzuschusses vor der Behandlung zu erfolgen hat. Nach dem Regelungszusammenhang des §
87 Abs
1a S 2 bis 7
SGB V unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Maßnahmen, die vor und die nach der Behandlung erfolgen müssen. Nach Satz 4 der Bestimmung
erfolgt die Prüfung des HKP vor der Behandlung, während nach Satz 7 die Abrechnung der Festzuschüsse nach der Behandlung zu
geschehen hat. Systematisch stellt sich die Bewilligung des Festzuschusses als Endpunkt und damit als Teil der Prüfung des
HKP dar. Sie hat daher in Anknüpfung an §
87 Abs
1a Satz 4
SGB V vor der Behandlung zu erfolgen. Dies allein sichert den mit der Genehmigung des HKP verfolgten Zweck - die Einhaltung der
Grundsätze der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Der KK soll - anders als bei der ärztlichen Behandlung
im Übrigen - Gelegenheit gegeben werden, die vorgesehene Versorgung mit Zahnersatz vorab zu überprüfen und gegebenenfalls
begutachten zu lassen, um auf diesem Wege die Inanspruchnahme der in aller Regel mit hohen Kosten verbundenen Zahnersatzleistungen
- auch im Interesse des Versicherten - steuern zu können (BSG 07.05.2013, B 1 KR 5/12 R, SozR 4-2500 § 55 Nr 2 mwN). Da die Bewilligung eines Festzuschusses nicht mehr in Betracht kommt, stellt sich die Frage nach dem Umfang der
vom Kläger geschuldeten Mitwirkungspflicht bei der Genehmigung des HKP ebenfalls nicht mehr, so dass sich die angefochtene
Entscheidung erledigt hat und die sich daraus ergebende Beschwer für den Kläger weggefallen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG).