Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Krankengeld streitig.
Der 1951 geborene Kläger ist als Karosseriebauer und Kfz-Techniker seit 1998 hauptberuflich selbstständig erwerbstätig und
bei der Beklagten seit 09.06.2012 mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 15. Tag der Arbeitsunfähigkeit (Wahltarif-Krankengeld)
freiwillig versichert. Der Krankenversicherungsbeitrag des Klägers war nach Maßgabe der Mindestbemessungsgrundlage des §
240 Abs
4 S 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) auf den Mindestbeitrag festgesetzt. Im Beitragsbescheid vom 11.07.2012 wies die Beklagte darauf hin, dass das Krankengeld
wegen Arbeitsunfähigkeit ausgefallenes Einkommen ersetzen soll; wenn wegen der Krankheit ein Einkommensverlust nicht eintrete,
etwa weil der letzte Steuerbescheid negatives Arbeitseinkommen ausweise, ruhe der Anspruch auf Krankengeld.
Der Kläger bezog vom 17.01.2013 bis zum 22.02.2013 Krankengeld von der Beklagten. Am 25.03.2013 stellte der Facharzt für Allgemeinmedizin
D. dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit einer Arbeitsunfähigkeit seit 18.03.2013 aus. Zudem stellte dieser
Arzt am 02.05.2013, 16.05.2013, 03.06.2013, 17.06.2013, 01.07.2013, 18.07.2013, 12.08.2013, 23.08.2013, 09.09.2013 und 20.09.2013
(Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich bis 04.10.2013) Auszahlscheine für Krankengeld aus.
Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger am 02.05.2013 den am 02.11.2012 erlassenen Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes
E. für das Jahr 2011 vor. Darin wurden Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer iHv -3.170 € ausgewiesen.
Im Einkommensteuerbescheid für 2010 wurden Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer iHv 16.555 € festgestellt.
Am 17.05.2013 gab der Kläger auf einem Einkommensfragebogen der Beklagten an, dass er auch im Jahr 2012 negative Einkünfte
iHv -922 € erzielen werde.
Mit Bescheid vom 03.05.2013 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab 01.04.2013 ab. Zur Begründung führte sie
aus, selbstständig Erwerbstätige erhielten Krankengeld nur auf der Basis des Arbeitseinkommens, dass der letzten vor Beginn
der Arbeitsunfähigkeit vorgenommenen Beitragsfestsetzung zugrunde gelegt worden sei. Unabhängig von der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage
nach §
240 SGB V sei auf das Arbeitseinkommen abzustellen. Somit sei zur Beurteilung der Krankengeldhöhe der letzte aktuelle Steuerbescheid
maßgebend, der der Beitragsfestsetzung vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu Grunde gelegen habe. Dies sei hier der Bescheid
für das Jahr 2011. Dort würden als Einkünfte aus Gewerbebetrieb Negativeinkünfte iHv 3.170 € ausgewiesen. Da laut geltender
Rechtsprechung Krankengeld nur ein reales Einkommen ersetzen solle, könne der Kläger derzeit kein Krankengeld erhalten.
Am 19.05.2013 erhob der Kläger Widerspruch. Mit Schreiben vom 11.06.2013 teilte die Beklagte ihm mit, dass sie dem Widerspruch
nicht abhelfen könne. Der daraufhin gestellte Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Freiburg
(Beschluss vom 29.10.2013, S 11 KR 4299/13 ER) war auch beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (Beschluss vom 29.1.2014, L 5 KR 4818/13 ER-B) erfolglos.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht
Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.12.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass sich Krankengeld
bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen nach dem erzielten Arbeitseinkommen bemesse. Arbeitseinkommen sei nach §
15 Abs
1 S 1
SGB IV der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen
Tätigkeit. Für die Krankengeldberechnung sei grundsätzlich auf das Arbeitseinkommen im letzten abgeschlossenen Kalenderjahr
vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abzustellen. Dabei sei das Arbeitseinkommen regelmäßig dem Einkommensteuerbescheid zu
entnehmen. Der danach zu berücksichtigende Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 habe jedoch Negativeinkünfte ausgewiesen,
die nach den Angaben des Klägers auch für das Jahr 2012 zu erwarten gewesen waren. Ein Anspruch auf Krankengeld habe deshalb
nicht bestehen können.
Gegen den, seinem Bevollmächtigten am 05.12.2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 09.12.2014 eingelegte Berufung
des Klägers. Er ist der Auffassung, dass das Krankengeld nach Maßgabe der der letzten Beitragsbemessung zu Grunde gelegten
Einkünfte zu berechnen sei. Daher komme es auf das Einkommen im Jahr 2010 an. Zudem habe er aufgrund einer bereits im Jahr
2011 bestehenden Erkrankung in diesem Jahr weniger Arbeitseinkommen erzielt. Auch seien bei der Einkommensteuererklärung für
das Jahr 2011 erhöhte Abschreibungen auf bewegliche Wirtschaftsgüter berücksichtigt. Als tatsächliches Einkommen habe ihm
deshalb mehr zur Verfügung gestanden. Der Klägerbevollmächtigte meint, das SG habe die einschlägige Rechtsprechung, insbesondere des Bundessozialgerichts, falsch interpretiert. Auch aus dem Umstand heraus,
dass früher (17.01.2013 bis 22.02.2013) schon einmal Krankengeld gezahlt worden sei und die Beklagte den Kläger trotz Kenntnis
der Gesamtumstände in den Jahren 2012 und 2013 weiter mit entsprechendem Krankengeldanspruch versichert habe, lasse sich ableiten,
dass auch im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Krankengeld gegeben sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 01.12.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 03.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.04.2013 Krankengeld
in Höhe von kalendertäglich 32,19 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster
und zweiter Instanz, die beigezogenen Akten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 11 KR 4299/13 ER, L 5 KR 4818/13 ER-B) sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03.05.2013
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Versicherte haben gemäß §
44 Abs
1 SGB V Anspruch auf Krankengeld, wenn Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem
Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§
23 Abs
4, §§
24,
40 Abs
2 und
41 SGB V) behandelt werden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der
Arbeitsunfähigkeit folgt (§
46 Satz 1
SGB V).
Dem Kläger steht aufgrund der am 25.03.2013 festgestellten Arbeitsunfähigkeit und der seit dem 09.06.2012 bestehenden Versicherung
mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 15. Tag der Arbeitsunfähigkeit (Wahltarif-Krankengeld) dem Grunde nach ein Anspruch auf
Krankengeld zu.
Dennoch besteht kein Zahlungsanspruch der Höhe nach.
Die Höhe des Krankengeldes ist in §
47 SGB V geregelt. Gemäß §
47 Abs
1 S 1
SGB V beträgt es 70 vH des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts (bezüglich abhängig beschäftigter Arbeitnehmer) oder Arbeitseinkommens
(bezüglich selbstständig Erwerbstätiger). Der Krankengeldberechnung ist das nach näherer Maßgabe des §
47 Abs
2 SGB V zu ermittelnde Regelentgelt zugrunde zu legen. Gemäß §
47 Abs
4 S 2
SGB V gilt als Regelentgelt für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der
Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war. §
47 Abs
2 SGB V legt für die Krankengeldberechnung die Referenzmethode fest. Diese berücksichtigt die Entwicklung außerhalb des Referenzzeitraums
nicht. Mit der Anknüpfung an das im Referenzzeitraum erzielte und abgerechnete Entgelt bzw. Einkommen wird unter anderem sichergestellt,
dass mit dem Krankengeld der faktische Lebensstandard des Versicherten aufrechterhalten bleibt, der durch die tatsächliche
Verfügungsbefugnis über das Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen geprägt ist (BSG 14.12.2006, B 1 KR 5/06 R, [...]). Das Krankengeld soll den wirtschaftlichen Status des Versicherten sichern, der zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit
tatsächlich bestanden hat.
Was unter Arbeitseinkommen im Sinne des §
47 SGB V zu verstehen ist, legt §
15 Abs
1 S 1
SGB IV fest. Danach ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte
Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Gemäß §
25 Abs
1 EStG ist maßgeblicher Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr. Dieses ist für freiwillig versicherte selbstständig Erwerbstätige
hinsichtlich der Beitragsbemessung nach §
240 SGB V und hinsichtlich der Berechnung des Krankengelds nach §
47 Abs
4 S 2
SGB V der maßgebliche Referenzzeitraum. Da der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit aber erst nach Ablauf des Veranlagungs- bzw.
Referenzzeitraums feststeht, kann er sowohl bei der Beitragsbemessung wie bei der Berechnung des Krankengelds nur zeitversetzt
berücksichtigt werden (BSG 6.11.2008, B 1 KR 28/07 R, [...]).
Bei freiwillig versicherten Selbständigen richtet sich das Krankengeld grundsätzlich nach dem tatsächlich erzielten Einkommen,
das der Festsetzung des Mindestbeitrags zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zugrunde lag. Das Arbeitseinkommen im Referenzjahr
ist in der Regel dem Einkommensteuerbescheid zu entnehmen, der der Beitragsfestsetzung zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit
zu Grunde lag, es sei denn der Steuerbescheid betrifft einen Zeitraum, der so weit zurückliegt dass er die aktuellen Einkommensverhältnisse
nicht widerspiegelt (BSG 2.9.2009, B 12 KR 21/08 R, [...]; BSG 24.7.2009, B 1 KR 85/08 B, [...]).
Ein der Beitragsbemessung nach näherer Maßgabe des §
240 Abs
4 SGB V zu Grunde gelegtes fiktives Arbeitseinkommen ist für die Krankengeldberechnung nicht maßgeblich. Der Senat hat bereits früher
darauf hingewiesen, dass die Regelung des §
47 Abs
4 S 2
SGB V insoweit nur eine widerlegbare Vermutung enthält. Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn in den Fällen der Entrichtung
des Höchstbeitrags unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze oder des Mindestbeitrags konkrete Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass dieses Einkommen erkennbar nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Versicherten vor Eintritt
der Arbeitsunfähigkeit entspricht, weil sein tatsächliches Arbeitseinkommen wesentlich geringer war (LSG Baden-Württemberg
15.04.2008, L 11 KR 3606/07, [...]; vgl BSG 12.3.2013, B 1 KR 4/12 R mwN). In diesen Fällen ist das Arbeitseinkommen im Referenzjahr konkret zu ermitteln.
Die Maßgeblichkeit des Arbeitseinkommens im Kalenderjahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit kann dazu führen, dass trotz
Beitragszahlung Krankengeld mangels Arbeitseinkommens in Referenzjahr nicht gezahlt wird. Das verstößt nicht gegen Verfassungsrecht
(BSG 07.12.2004, B 1 KR 17/04 R, [...]; LSG Baden-Württemberg 30.10.2009, L 4 KR 4766/08, [...] mwN).
Im vorliegenden Fall ist Referenzjahr für die Berechnung des Krankengelds wegen der am 18.03.2013 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit
das Kalenderjahr 2012. Der letzte vorliegende Einkommensteuerbescheid betrifft das Jahr 2011. Er weist Negativeinkünfte aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit (Gewerbebetrieb) aus. Unter Bezugnahme auf die oben ausgeführten Grundsätze und gesetzlichen
Vorschriften ist der Betrag der Einkünfte, wie er sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergibt, der Berechnung des Krankengelds
zugrunde zu legen. Eine Herausrechnung von Abschreibungen ist nicht statthaft. Auch ist der Umstand, dass möglicherweise wegen
einer 2011 bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Arbeitseinkommen nicht hat erzielt werden können, unbeachtlich.
Der Einkommensteuerbescheid für 2011 spiegelt auch die Einkommenssituation des Klägers im Referenzjahr 2012 zutreffend wieder.
So hat der Kläger am 17.05.2013 gegenüber der Beklagten angegeben, er werde auch im Jahr 2012 kein positives Arbeitseinkommen,
sondern Negativeinkünfte aus Gewerbebetrieb iHv -922 € erzielen.
Wie das SG im Gerichtsbescheid vom 01.12.2014 zutreffend ausgeführt hat, besteht folglich kein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld.
Ein Zahlbetrag des Krankengelds ergibt sich auch nicht aufgrund Vertrauensschutzes. Aus dem Umstand heraus, dass vom 17.01.2013
bis 22.02.2013 schon einmal Krankengeld gezahlt worden ist und die Beklagte den Kläger in den Jahren 2012 und 2013 mit entsprechendem
Krankengeldanspruch versichert hat, lässt sich kein Vertrauensschutz ableiten. Zum einen sind für jeden neu festzustellenden
Krankengeldanspruch die Voraussetzungen neu zu erfüllen. Zum anderen bleibt es der eigenständigen Prüfung des mit Anspruch
auf Krankengeld versicherten freiwilligen Mitglieds überlassen, ob es an einem ins Leere gehenden Versicherungsschutz festhalten
will (vgl BSG 12.03.2013, B 1 KR 4/12 R, [...]). Im Übrigen ist der Kläger im Beitragsbescheid vom 11.07.2012 darüber unterrichtet worden, dass Krankengeld nicht
gezahlt wird, wenn ein krankheitsbedingter Einkommensverlust nicht eintrete, beispielsweise, weil der letzte Steuerbescheid
negatives Arbeitseinkommen ausweise. Aufgrund dieser klar verständlichen Information kann sich der Kläger keinesfalls auf
Unkenntnis oder Falschberatung berufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Nr 1 und 2
SGG).