Einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren, Prüfung der Erfolgsaussichten im Hauptverfahren bei der Versorgung
mit Hilfsmitteln
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des §
173 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung
in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen
sind nach Absatz 2 Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig,
wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt, da es dem Antragsteller ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung
nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht
in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs
(Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen
(§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordnung -
ZPO).
Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach-
und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Mai 2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell
bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und
Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG [Kammer],
Beschluss vom 29. Juli 2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; Beschluss vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S. 1236 f.). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich,
so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Mai 2005, aaO., m.w.N.); die grundrechtlichen
Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor
die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 22. November 2002, aaO., S. 1237; Beschluss vom
29. November 2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365). Als existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung kommen in erster Linie ambulante oder stationäre ärztliche
Behandlungen in Betracht. Die Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Beschaffung und ggf. notwendige individuelle Anpassung ohnedies
meist eine gewisse Zeit benötigt, ist nicht existentiell in dem Sinne, dass die Gewährung effektiven Rechtsschutzes eine summarische
Prüfung der Erfolgsaussichten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausschließt.
Im vorliegenden Fall fehlt es sowohl an einem Anordnungsgrund als auch an einem Anordnungsanspruch. Der Kläger lebt bereits
seit 1996 im betreuten Wohnen in der vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen der Caritas (Haus T.),
wo er bislang ohne den Patientenlifter versorgt werden konnte. Dass sich sein Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert
hat und er ohne die Ausstattung mit dem Hilfsmittel das Bett nicht mehr verlassen kann, ist nicht dargetan. Auch die Ermittlungen
der Beklagten, nämlich das Ergebnis des Hausbesuchs der A.-Fachkraft, sprechen dafür, dass dem Kläger zuzumuten ist, den Ausgang
des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Denn er ist körperlich noch in der Lage zu stehen, kann auch noch selbständig die Toilette
aufsuchen und bewohnt die Wohnung des betreuten Wohnens mit seiner Lebensgefährtin, so dass gegenwärtig der Transfer vom Bett
in den Rollstuhl gesichert ist. Offensichtlich kann er noch berufstätig sein, also die Wohnung verlassen.
Ein Anspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auf Versorgung mit einem Patientenlifter dürfte zwar dem Grunde
nach bestehen. In der Stellungnahme der A.-OT-Fachkraft vom 29. September 2008 wird die Versorgung des Antragstellers mit
einem Patientenlifter als "grundsätzlich nachvollziehbar" bezeichnet. Es wird lediglich bezweifelt, dass das in der Verordnung
des behandelnden Arztes aufgeführte Gerät benötigt und deshalb die Versorgung mit einem anderen Modell in Betracht gezogen
wird. Die Ablehnung der Leistung durch die Antragsgegnerin wurde auch nur damit begründet, dass das Hilfsmittel vom Einrichtungsträger
zur Verfügung gestellt werden müsse. Diese Begründung vermag den Senat nicht zu überzeugen. Die Krankenkassen sind zur Versorgung
der Versicherten mit Hilfsmitteln grundsätzlich unabhängig davon verpflichte, ob er in einer eigenen Wohnung oder in einem
Heim lebt. Etwas anderes gilt nur bei vollstationärer Pflege in einem Pflegeheim oder in einer vollstationären Einrichtung
der Behindertenhilfe (BSG, Urteil vom 10. Februar 2000, B 3 KR 26/99 R, SozR 3-2500 § 33 Nr. 37). Dazu gehört das Haus T., in dem der Kläger wohnt, nicht. Das Angebot im Haus T. richtet sich an
erwachsene behinderte Menschen mit einem leichten bis mittleren Unterstützungsbedarf, die entweder aus einer stationären Einrichtung
oder aus dem Elternhaus ausziehen wollen und vorübergehend oder auf Dauer Unterstützung bei ihrer selbständigen Lebensführung
benötigen (Angaben auf der homepage der Einrichtung unter http://www.c.-s ...de/23332.html). Nach der Rechtsprechung des BSG
ist die Versorgung eines Behinderten mit eine Patientenlifter vorrangig Sache der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG, Urteil
vom 12. Juni 2008, B 3 P 6/07 R, juris zu einer Deckenliftanlage). Eine Zuständigkeit der Pflegekasse wurde vom BSG nur angenommen, wenn das Element des
Behinderungsausgleichs weitestgehend in den Hintergrund tritt und die Pflege ganz überwiegend im Vordergrund steht. Dies ist
- nach summarischer Prüfung - bei der gegebenen Sachlage nicht der Fall.
Ein Anordnungsanspruch wird vom Senat deshalb verneint, weil auch unter Berücksichtigung der dem Antragsteller gemäß §
33 SGB I eingeräumten Wahlfreiheit noch offen ist, welches Hilfsmittel von der Antragsgegnerin zu beschaffen ist. Dies steht einem
Anordnungsanspruch entgegen, weil die Regelungsanordnung einen Ausspruch (Tenor) verlangt, der hinreichend bestimmt ist, um
Grundlage einer möglichen Vollstreckung zu sein (vgl. VG Meiningen, Beschluss vom 31. März 2008, 1 E 683/07 Me, juris zu der Problematik bei einem geltend gemachten Anspruch auf Neubescheidung). Die Wahlfreiheit des Antragstellers
ist auf verschiedene, aber gleichermaßen geeignete und wirtschaftliche Hilfsmittel begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 3. November
1999, B 3 KR 16/99 R, SozR 3-1200 § 33 Nr. 1). Ob es sich bei dem in der Verordnung genannten Patientenlifter um ein wirtschaftliches Hilfsmittel
iSd §
12 SGB V handelt, ist offen und bedarf der Klärung, die aber, da ein Anordnungsgrund nicht gegeben ist, dem Hauptsacheverfahren bzw.
hier dem Widerspruchsverfahren vorbehalten bleibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Der Senat sieht es als sachgerecht an, dass die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Antrags-
und Beschwerdeverfahren trägt, obwohl das einstweilige Rechtsschutzverfahren erfolglos geblieben ist. Denn die Beklagte hat
Anlass zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage durfte der Anspruch jedenfalls
nicht mit der Begründung abgelehnt werden, das Hilfsmittel gehöre zur Heimausstattung.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).