Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung stationärer Krankenhausbehandlungen.
Die Klägerin ist Trägerin eines (Plan-)Krankenhauses nach §
108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) für die Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung. Dort wurde vom 12.05.2014 bis 20.05.2014 der bei
der Beklagten versicherte K(Versicherter) wegen der Diagnose bösartige Neubildung: Hauptbronchus (ICD10 C34.0) vollstationär
behandelt. Es wurde ua eine Strahlentherapie durchgeführt, wobei mit der intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT) in
jeweils einer Bestrahlungssitzung sowohl der Primärtumor als auch weiteres Gewebe mit unterschiedlichen Strahlendosen bestrahlt
wurden, jedoch ohne Patientenumlagerung und Tischverschiebung. Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung
der Diagnosis-Related-Group (DRG) E08B ("Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane, ohne operativen Eingriff oder Beatmung > 24 Stunden, mehr
als ein Belegungstag, mehr als 9 Bestrahlung") am 10.02.2015 insgesamt 11.867,05 € in Rechnung und kodierte dabei ua zweimal pro Sitzung/Tag der Strahlentherapie die OPS-Prozedur
8-522.90 ("Hochvoltstrahlentherapie, Linearbeschleuniger, intensitätsmodulierte Radiotherapie, ohne bildgestützte Einstellung"). Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig und veranlasste eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Der MDK gelangte in seinem Gutachten vom 10.06.2014 nach Prüfung der nach §
301 SGB V übermittelten Daten zu dem Ergebnis, dass die Indikation für die stationäre Krankenhausbehandlung bei begleitender Chemotherapie
gegeben gewesen sei, und wies aber darauf hin, dass die Kodierung der Anzahl der Bestrahlungen pro Tag auffällig sei. Der
MDK gelangte in einem Gutachten vom 05.11.2014 zu dem Ergebnis, die Klägerin habe zu Unrecht die OPS-Prozedur 8-522.90 jeweils
zweimal täglich berücksichtigt; richtigerweise hätte sie die Prozedur nur einmal pro Tag kodieren dürfen. Jede Fraktion sei
einzeln zu kodieren. Eine Fraktion umfasse alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder für die Bestrahlung eines Zielvolumens.
Ein Zielvolumen sei das Körpervolumen, welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige Feldanordnungen
erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmen Dosiszeitmuster bestrahlt werden könne. Im vorliegenden Fall
habe weder eine Patientenverlagerung noch eine Tischverschiebung stattgefunden. Die Nichtanerkennung der Prozeduren begründe
die abzurechnende DRG E08C ("Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane, ohne operativen Eingriff > 24 Stunden, mehr als ein Belegungstag,
weniger als 10 Bestrahlungen") und führe zu einem Entgelt iHv 4.828,57 €. Die Beklagte setzte die Klägerin über das Begutachtungsergebnis in Kenntnis und
bat um Rechnungskorrektur (Schreiben vom 10.11.2014). Zu den Einwendungen der Klägerin schaltete die Beklagte den MDK erneut
ein. Der MDK bestätigte in seinem Gutachten vom 25.08.2015 seine Ausführungen vom 05.11.2014. Während der Bestrahlungsbehandlung
sei weder eine Tischverschiebung noch eine Patientenumlagerung erfolgt. Eine doppelte Kodierung sei taggleich nicht möglich.
Die Beklagte rechnete sodann am 19.01.2015 gegen eine unstreitige Forderung iHv 7.111,68 € auf.
Die Klägerin führte zwischen 2014 und 2017 die folgenden 18 stationären Behandlungen bei Versicherten der Beklagten durch:
Versicherter
|
Behandlungszeitraum
|
Rechnungsdatum
|
Rechnungsbetrag in €
|
DRG lt. Klägerin
|
H
|
10.07. - 22.07.2014
|
06.08.2014
|
11.716,95
|
B15Z
|
M
|
13.04. - 17.04.2015
|
04.05.2015
|
7.067,22
|
D19Z
|
L
|
15.12. - 23.12.2015
|
04.01.2016
|
12.228,97
|
E08B
|
L
|
12.01. - 23.01.2016
|
04.02.2016
|
12.021,82
|
E08B
|
D
|
21.04. - 28.04.2016
|
06.06.2016
|
12.090,22
|
D19Z
|
D
|
20.05 - 27.05.2016
|
06.06.2016
|
12.090,22
|
D19Z
|
H1
|
02.05. - 09.05.2016
|
10.06.2016
|
12.090,22
|
D19Z
|
H1
|
30.05. - 05.06.2016
|
10.06.2016
|
10.402,69
|
D19Z
|
E
|
09.05.- 15.05.2016
|
10.06.2016
|
9.118,48
|
E08B
|
E
|
18.05.- 28.05.2016
|
10.06.2016
|
12.041,82
|
E08B
|
L1
|
18.05. - 26.05.2016
|
23.06.2016
|
11.390,04
|
R06Z
|
L1
|
30.05. - 02.06.2016
|
23.06.2016
|
4.988,39
|
R06Z
|
R
|
05.09 - 10.09.2016
|
18.10.2016
|
8.632,09
|
J17Z
|
T
|
12.10. - 21.10.2016
|
15.11.2016
|
9.057,48
|
G27B
|
G
|
21.11. - 29.11.2017
|
05.12.2016
|
12.260,97
|
D19Z
|
R1
|
05.12. - 15.12.2016
|
27.12.2016
|
12.260,97
|
D19Z
|
A
|
07.06. - 13.06.2017
|
24.07.2017
|
9.885,88
|
R07A
|
A
|
03.07. - 08.07.2017
|
24.07.2017
|
9.885,88
|
R07A
|
In jedem dieser Behandlungsfälle kodierte die Klägerin wiederholt die OPS-Prozedur 8-522.90 ("Hochvoltstrahlentherapie, Linearbeschleuniger, intensitätsmodulierte Radiotherapie, ohne bildgestützte Einstellung") für eine Bestrahlungssitzung mittels IMRT mehrmals täglich, ohne dass jeweils eine Patientenumlagerung oder eine Tischverschiebung
stattfand. Die Beklagte beglich die jeweilige Rechnung jeweils zunächst vollständig, veranlasste dann aber eine Prüfung durch
den MDK. Der MDK gelangte jeweils in seinen Gutachten zu dem Ergebnis, die Klägerin hätte die OPS-Prozedur 8-522.90 nur einmal
pro Tag kodieren dürfen. Unter Berücksichtigung der gültigen OPS umfasse eine Fraktion alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder
für die Bestrahlung eines Zielvolumens. Ein Zielvolumen sei das Körpervolumen, das ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung
über zweckmäßige Feldanordnung erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden
könne. Da weder eine Tischverschiebung noch eine Patientenumlagerung erfolgt sei, sei der maßgebliche Kode jeweils nur einmal
pro Behandlungstag anzugeben. Die Tatsache, dass es sich um unterschiedliche Zeitmuster und Gesamtdosen handele, sei über
den Kode intensitätsmodulierte Radiotherapie abgebildet.
Die Beklagte rechnete mit unstreitigen Forderungen der Klägerin wie folgt auf:
Versicherter
|
Rechnungsbetrag in €
|
MDK-Gutachten
|
DRG MDK
|
Aufrechnungsdatum
|
Aufrechnungsbetrag in €
|
H2
|
11.716,95
|
05.01.2015
|
B16Z
|
19.01.2015
|
6.550,52
|
|
|
30.11.2017
|
|
|
|
M
|
7.067,22
|
11.05.2015
|
D20Z
|
09.03.2016
|
3636,88
|
|
|
20.11.2015
|
|
|
|
L
|
12.228,97
|
25.02.2016
|
E08C
|
21.08.2017
|
7.542,27
|
L
|
12.041,82
|
07.04.2016
|
E08C
|
21.08.2017
|
7.391,70
|
D
|
12.090,22
|
18.08.2016
|
D20Z
|
21.08.2017
|
8.701,49
|
D
|
12.090,22
|
11.08.2016
|
D20Z
|
21.08.2017
|
8.701,49
|
H1
|
12.090,22
|
18.08.2016
|
D20Z
|
21.08.2017
|
8.701,49
|
H1
|
10.402,69
|
18.08.2016
|
D20Z
|
21.08.2017
|
6.993,21
|
E
|
9.118,48
|
18.08.2018
|
E08C
|
21.08.2017
|
4.432,41
|
E
|
12.041,82
|
18.08.2016
|
E08C
|
21.08.2017
|
7.391,70
|
L1
|
11.390,04
|
18.08.2016
|
R62A
|
21.08.2017
|
4.732,91
|
L1
|
4.988,39
|
18.08.2016
|
R07B
|
21.08.2017
|
418,09
|
R
|
8.632,09
|
24.11.2016
|
J18Z
|
21.08.2017
|
3.425,08
|
T
|
9.057,48
|
30.12.2016
|
G29Z
|
20.04.2017
|
5.614,64
|
G
|
12.260,97
|
13.01.2017
|
D20Z
|
24.04.2017
|
8.824,40
|
R1
|
12.260,97
|
09.02.2017
|
D20Z
|
16.10.2017
|
9.682,24
|
A
|
9.885,88
|
31.08.2017
|
R07B
|
22.03.2018
|
6.046,81
|
A
|
9.885,88
|
08.09.2017
|
R07B
|
22.03.2018
|
6.046,81
|
Die Klägerin hat am 13.06.2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und Zahlung iHv 121.945,52 € nebst Zinsen begehrt (S 13 KR 1938/18). Sie trägt vor, der Beklagten hätten keine Erstattungsforderungen zugestanden, mit denen sie habe aufrechnen können. Die
Abrechnungen der Behandlungsfälle seien nicht zu beanstanden; insbesondere habe sie die OPS-Prozedur 8-522.90 mehrfach pro
Tag kodieren dürfen, weil unterschiedliche Zielvolumina mit unterschiedlichen Dosiszeitmustern bestrahlt worden seien. Laut
Hinweis im OPS 2015 zur Ziff 8-522 sei ein Zielvolumen durch zwei Voraussetzungen definiert, die kumulativ erfüllt sein müssten:
zum einen die fehlende Patientenumlagerung oder Tischverschiebung, zum anderen die Bestrahlung mit einer festgelegten Dosis
nach einem bestimmten Dosiszeitmuster. Mittlerweile sei es technisch möglich, den menschlichen Körper gleichzeitig mit unterschiedlichen
Dosen und Dosiszeitmustern zu bestrahlen, ohne den Patienten umzulagern oder eine Tischverschiebung vorzunehmen. Nach der
Definition des OPS lägen bei einer solchen Bestrahlung mehrere Zielvolumina vor mit der Folge, dass die OPS-Prozedur 8-522.90
mehrfach kodiert werden dürfe. Dies habe das SG in rechtskräftigen Urteilen vom 31.08.2016 (S 3 KR 2428/15) und vom 04.12.2017 (S 5 KR 2109/17) entschieden. Bestätigt werde diese Auffassung durch die DIN 6814-8 und DIN 6827-1, die der Terminologie im Hinweis zu der
OPS-Prozedur 8-52 zugrunde lägen, außerdem durch die Ausführungen der "international conunission on radiation units and measurement",
niedergelegt im ICRU-Report 50 vom 01.09.1993.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klägerin hat das mit Beschluss vom 16.08.2018 zum Ruhen gebrachte Klageverfahren
am 20.05.2019 angerufen; das SG hat das Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 13 R 1779/19 fortgeführt. Die Beklagte hat sich auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 29.08.2019 (L 1 KR 176/18) sowie eine E-Mail des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation (DIMDI) vom 17.03.2017 gestützt.
Das SG hat mit Urteil vom 12.02.2020 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 121.945,52 € zzgl Zinsen aus 7.111,68 € seit dem 19.01.2015,
6.550,22 € seit dem 20.02.2018, 3.636,88 € seit dem 09.03.2016, 7.542,27 € seit dem 21.08.2017, 7.391,70 € seit dem 21.08.2017,
8.701,49 € seit dem 21.08.2017, 8.701,49 € seit dem 21.08.2017, 8.701,49 € seit dem 21.08.2017, 6.993,21 € seit dem 21.08.2017,
4.432,41 € seit dem 21.08.2017, 7.391,70 € seit dem 21.08.2017, 4.732,91 € seit dem 21.08.2017, 418,09 € seit dem 21.08.2017,
3.425,08 € seit dem 21.08.2017, 5.614,64 € seit dem 20.04.2017, 8.824,40 € seit dem 24.04.2017, 9.682,24 € seit dem 16.10.2017,
6.046,81 € seit dem 22.03.2018, 6.046,81 € seit dem 22.03.2018 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
zu zahlen. Zu Unrecht habe die Beklagte in den oben dargestellten 19 Behandlungsfällen gegen unstreitige Hauptforderungen
der Klägerin aufgerechnet. Der Beklagten hätten keine Erstattungsforderungen zugestanden. Entgegen der Auffassung der Beklagten
sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, die für die og Behandlungen der Versicherten zunächst gezahlte Vergütung teilweise
zu erstatten. Die Klägerin habe zu Recht als durchgeführte Prozeduren ua mehrfach pro Tag eine Hochvoltstrahlentherapie mittels
Linearbeschleuniger/ohne bildgestützte Einstellung (OPS 8-522.90) kodiert. Nach dem Hinweis im OPS 2015 zur Ziff 8-52 (Strahlentherapie)
sei jede Fraktion einzeln zu kodieren. Eine Fraktion umfasse alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder für die Bestrahlung
eines Zielvolumens. Ein Zielvolumen sei das Körpervolumen, welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige
Feldanordnungen erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden könne. Ob
nur ein Zielvolumen vorliege oder ob es sich um mehrere Zielvolumina handle, bemesse sich nach zwei Kriterien, auf die es
gleichermaßen ankomme: zum einen die Patientenumlagerung oder Tischverschiebung, zum anderen die Bestrahlung mit einer festgelegten
Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster. Entgegen der Auffassung der Beklagten lasse sich die gleichzeitige Bestrahlung
mehrerer Körperregionen mit jeweils unterschiedlichen Dosen nicht als Bestrahlung mit einer festgelegten Dosis verstehen.
Vielmehr spreche der Wortlaut des Hinweises klar dafür, dass bei einer solchen Vorgehensweise mehrere Zielvolumina und damit
mehrere Fraktionen vorlägen, die einzeln kodiert werden könnten und müssten. Die Regelungen des OPS seien eng nach ihrem Wortlaut
auszulegen; auf den tatsächlichen Aufwand im Einzelfall komme es für die Kodierung nicht an. Unstreitig habe bei den Versicherten
eine Hochvoltstrahlentherapie mittels Linearbeschleuniger/ohne bildgestützte Einstellung stattgefunden. Dabei seien jeweils
mehrere Körperregionen mit jeweils unterschiedlichen Dosen parallel bestrahlt worden. Jedes bestrahlte Zielvolumen sei daher
einzeln zu kodieren gewesen und zwar trotz fehlender Patientenumlagerung oder Tischverschiebung. Entgegen der Entscheidung
des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 29.08.2019, L 1 KR 176/18) sei aus dem OPS 8-52 herauszulesen, dass sich die Identität des Zielvolumens in dem Sinne nach der Dosis bestimme, dass
bereits die gleichzeitige Verwendung von unterschiedlich hohen Strahlendosen für verschiedene Körperregionen zwingend zur
Annahme mehrerer Fraktionen führe. Die normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen unterlägen zwar den allgemeinen Auslegungsmethoden
der Rechtswissenschaft. Sie seien wegen ihrer Funktion innerhalb des vorgegebenen Vergütungssystems allerding eng am Wortlaut
orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Sofern das LSG Berlin-Brandenburg seine Entscheidungsgründe
entscheidend auf den medizinisch-technischen Fortschritt und den Behandlungsaufwand stütze, widerspreche dies der gefestigten
höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Gegen das ihr am 26.02.2020 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 20.03.2020 beim LSG Baden-Württemberg
eingelegten Berufung. Das SG habe zwar die zugrundeliegenden medizinischen Sachverhalte korrekt erfasst, sodann jedoch die falschen rechtlichen Wertungen
daraus gezogen. Das SG komme fälschlicherweise zu dem Schluss, dass sich eine Fraktion durch das Zielvolumen bestimme und aus der Definition des
Zielvolumens hervorgehe, dass es sich um ein einziges Zielvolumen handle, wenn "eine Körperregion mit einer Dosis bestrahlt
wird, diese beiden Bedingungen also kumulativ vorliegen müssen". Das SG setze den Begriff der Fraktion mit dem des Zielvolumens gleich und ersetze sodann das Zielvolumen oder Körpervolumens mit
dem Wort "Region". Weiterhin lasse das SG bei seiner Schlussfolgerung das Merkmal der Tischverschiebung bzw Umlagerung vollkommen außer Acht. Der OPS lege eindeutig
fest, dass eine Fraktion auch mehrere (alle) Einstellungen und Bestrahlungsfelder (Regionen) innerhalb eines Zielvolumens
erfasse. Der OPS 8-52 definiere in den Hinweisen, dass jede Fraktion einzeln zu kodieren sei und eine Fraktion alle Einstellungen
und Bestrahlungsfelder für die Bestrahlung eines Zielvolumens umfasse. Ein Zielvolumen sei das Körpervolumen, welches ohne
Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige Feldanordnungen erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach
einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden könne. Demnach seien (nur) mehrere Fraktionen auch mehrfach zu kodieren
und nicht mehrere Körperregionen. Maßgeblich für eine mehrfache Kodierung des OPS sei daher, ob es sich um mehrere Fraktionen
handle. Eine Fraktion werde definiert als "alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder für die Bestrahlung eines Zielvolumens".
Das Zielvolumen wiederum definiere der OPS als ein "Körpervolumen", welches ohne Umlagerung oder Verschiebungen und mit einer
festgelegten Dosis bestrahlt werden müsse. Würden also mehrere Körpervolumina ohne Umlagerung oder Verschiebung mit einer
festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt, dann sei es per Definition des OPS eine Fraktion und der
OPS nur einmal zu kodieren. Um den OPS mehrfach aufgrund einer Sitzung kodieren zu können, werde nach dem Wortlaut eine Patientenumlagerung
oder Tischverschiebung (zwingend) vorgeschrieben. Die Verwendung des Wortes "und" im Wortlaut mache deutlich, dass nur bei
einer entsprechenden Umlagerung/Verschiebung von einer weiteren Fraktion ausgegangen werden könne. Anderenfalls erfasse der
OPS nach dem Wortlaut alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder innerhalb einer Sitzung. Es sei eine wesentliche Eigenschaft
der IMRT, dass eine solche zweite Lagerung/Tischverschiebung eben nicht notwendig sei, sondern der Boost (= die Behandlung
des zweiten Zielvolumens mit einem anderen Dosiszeitmuster) simultan erfolge. Medizinisch gesehen sei die Definition des Zielvolumens
gemäß OPS 2012 möglicherweise nicht (mehr) sinnvoll. Die Abrechnungsvorgaben seien nach der ständigen Rechtsprechung des BSG jedoch streng nach dem Wortlaut anzuwenden und Wertungen und Auslegungen nicht zugänglich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.02.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil. Ergänzend trägt sie vor, dass eine Fraktion immer alle Einstellungen
und Bestrahlungsfelder für ein Zielvolumen umfasse. Würden folglich mehrere Zielvolumina mit unterschiedlichen Einstellungen
bestrahlt, lägen mehrere Fraktionen vor und der OPS sei für jede Fraktion einzeln zu kodieren. Auch habe der OPS die Begriffsdefinitionen
der DIN 6814-8 und DIN 6827-1 übernommen. DIN 6814-8 laute:
"Sollen in räumlich zusammenhängenden onkologischen Volumina unterschiedliche ENERGIE-DOSEN erreicht werden, so werden entsprechend
unterschiedliche KLINISCHE Zielvolumina und entsprechende PLANUNGS-ZIELVOLUMINA festgelegt, z. B. für den Primärtumor und
die regionalen Lymphknoten, oder für ein Teilvolumen innerhalb eines größeren Volumen."
DIN 6814-8 bestimme:
"Zusammenfassende Benennung für alle BESTRAHLUNGEN eines bestimmten PLANUNGS-ZIELVOLUMENS während einer BEHANDLUNGSSITZUNG,
wobei der geplante FELDERZYKLUS abgeschlossen sein muss."
Anmerkung: "BESTRAHLUNGSSITZUNG" und "FRAKTION" sind gleichbedeutend, wenn in der BESTRAHLUNGSSITZUNG lediglich ein einziges
KLINISCHES ZIELVOLUMEN bestrahlt wird."
Nicht nur der Wortlaut in den Hinweisen des OPS 8-52, sondern auch die DIN, auf denen die Hinweise im OPS fußten, zeigten,
dass mehrere Fraktionen vorlägen, wenn unterschiedliche Zielvolumina gleichzeitig mit unterschiedlichen Dosiszeitmustern bestrahlt
würden. Dies gelte auch dann, wenn keine Umlagerung erfolge, weil aufgrund technischer Gegebenheiten im Rahmen einer Bestrahlungssitzung
mehrere Zielvolumina mit unterschiedlichen Dosiszeitmustern bestrahlt würden. Dabei sei zu beachten, dass die Bestrahlung
für unterschiedliche Zielvolumina mit unterschiedlichen Dosis-Zeitmustern weit aufwendiger geplant werden müsse als die Bestrahlung
nur eines Zielvolumens. Der Aufwand der Umlagerung oder Tischverschiebung sei im Vergleich zur Bestrahlungsplanung für unterschiedliche
Zielvolumina geradezu verschwindend, weshalb auch das Argument des LSG Berlin-Brandenburg zum Aufwand in keinster Weise nachvollziehbar
sei.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Patientenakten der
Klägerin, die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die gemäß §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheidet (§§
153 Abs
1,
124 Abs
2 SGG), ist zulässig.
Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, an die Klägerin 121.945,52 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Klage der Klägerin ist zulässig,
aber unbegründet.
Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach §
54 Abs
5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur Bundessozialgericht <BSG> 14.10.2014, B 1 KR 25/13; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt
nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch iHv 121.945,52 € nicht zu. Zwar hatte
die Beklagte ursprünglich die gesamten von der Klägerin für die Behandlung der Versicherten geltend gemachten Rechnungsbeträge
bezahlt, jedoch nachträglich die Vergütungsansprüche mit zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsansprüchen der
Klägerin aus anderen Behandlungsfällen gegen die Beklagte verrechnet. Da die Beklagte sich ausschließlich jeweils im Wege
der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, stehen die Hauptforderungen selbst außer Streit (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, aaO; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2).
Die jeweils für eine Aufrechnung erforderliche Gegenforderung der Beklagten, mit der sie gegen die Hauptforderung der Klägerin
wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des jeweiligen Versicherten analog §
387 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) aufrechnen kann (zur Aufrechnung analog §
387 BGB BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, aaO), liegt vor. Der Beklagten steht als Grundlage für ihre Gegenforderungen ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
iHv insgesamt 121.945,52 € zu (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R), denn die ursprünglichen Zahlungen der Beklagten erfolgten insoweit ohne Rechtsgrund. Weitere Vergütungsansprüche der Klägerin
iHv insgesamt 121.945,52 € gegen die Beklagte für die stationären Behandlungen der oben genannten Versicherten bestanden nicht.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für die Jahre 2014 bis 2017 (Fallpauschalenvereinbarungen
2014 bis 2017 - FPV-). Soweit die vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen in den Jahren 2014 bis 2017 unterschiedlich gefasst
waren, führt dies für die hier zu beurteilende Rechtsfrage nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten und damit korrespondierend die Zahlungspflicht
einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den
Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von §
39 Abs
1 Satz 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R). Bei der Klägerin handelt es sich um ein Krankenhaus, das in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen
ist (§
108 Nr 2
SGB V); die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlungen der Versicherten in den streitigen Behandlungsfällen
war gegeben und wird von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.
In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen
und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen
Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen
Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelation sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit
von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen
in der Fallpauschalenvereinbarung auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG.
Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen
ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe
von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen
Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale
Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem
im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.
Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale
Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen
im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die
Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom (damaligen)
Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation (DIMDI; seit 26.05.2020: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte)
im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in den Versionen 2014 bis 2017). Die Verbindlichkeit der in dem
jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten
Grouper einbezogen sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).
Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert
und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper
ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb
eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen.
Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren
Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt
wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach
ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem
vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten
oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3; BSG 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R).
In den hier gegenständlichen Behandlungsfällen ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob die Klägerin zu Recht mehrfach
anlässlich einer Bestrahlungssitzung am Tag den OPS 8-522.90 kodiert hat oder ob sie lediglich berechtigt war, diese Prozedur
jeweils nur einmal zu berechnen. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Klägerin in den streitigen Behandlungsfällen pro
Tag lediglich eine Fraktion mittels Linearbeschleuniger, intensitätsmodulierte Radiotherapie, ohne bildgestützte Einstellung
iSd OPS 8-522.90 durchgeführt hat, indem sie in einer Bestrahlungssitzung sowohl den Primärtumor als auch weiteres Gewebe
mittels IMRT mit unterschiedlichen Strahlendosen bestrahlt hat.
Unter der Überschrift "Strahlentherapie, nuklearmedizinische Therapie und Chemotherapie" wird in den OPS 2014 bis 2017 unter
Ziff 8-52 einleitend auf Folgendes hingewiesen:
"Die Strahlentherapie beinhaltet die regelmäßige Dokumentation mit geeigneten Systemen (Film, Portal-Imaging-System)
Jede Fraktion ist einzeln zu kodieren. Eine Fraktion umfasst alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder für die Bestrahlung
eines Zielvolumens. Ein Zielvolumen ist das Körpervolumen, welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige
Feldanordnungen erfasst und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann
Die Bestrahlungssimulation (8-528 ff.) und die Bestrahlungsplanung (8-529 ff.) sind gesondert zu kodieren"
Der OPS 8-522.9 lautet wie folgt:
"8-522 Hochvoltstrahlentherapie
8-522.9 Linearbeschleuniger, intensitätsmodulierte Radiotherapie
8-522.90 Ohne bildgestützte Einstellung
8-522.91 Mit bildgestützter Einstellung
Inkl.: Einstellung des Isozentrums unter Kontrolle des Zielvolumens durch CT/MRT/Cone-beam-CT oder Ultraschallverfahren (Online-IGRT)"
Der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerin in den streitigen Behandlungsfällen für die simultane Bestrahlung mittels
IMRT je Sitzung ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung nach Vornahme aller Einstellungen unter Berücksichtigung zweckmäßiger
Feldanordnungen den OPS 8-522.90 nur einmal pro Tag abrechnen durfte (ebenso im Ergebnis auch LSG Berlin-Brandenburg 28.05.2021,
L 9 KR 334/19; LSG Berlin-Brandenburg 29.08.2019, L 1 KR 176/18). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Ausgangspunkt ist für den Senat ist der OPS 8-522.9, der ausdrücklich und ohne Einschränkung die intensitätsmodulierte Radiotherapie
einschließt. Der OPS 8-522.9 nimmt mithin die IMRT als Bestandteil der modernen Strahlentherapie auf, die nach Planung und
Einstellung gerade die simultane Bestrahlung unterschiedlicher Körperregionen in unterschiedlichen Dosen mittels nur einer
Strahlenquelle ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung ermöglicht. Mit der IMRT lassen sich im Unterschied zur konventionellen
Strahlentherapie (mit einer homogenen Dosis im Bestrahlungsfeld) verschiedene Bestrahlungsfelder in einem Bestrahlungsvorgang
mit unterschiedlichen Dosen bestrahlen (zB Dosisreduzierung bei Risikostrukturen, Dosiserhöhung im Zielvolumen). Dazu wird
der Therapiestrahl in viele, oft mehr als hundert kleine Einzelfelder unterteilt, in denen die einzustrahlende Dosis festgelegt
werden kann (abgestufte Intensitätsverteilung). Eine vergütungsrechtliche Aufspaltung dieses - alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder
für die Bestrahlung eines unter Berücksichtigung zweckmäßiger Feldanordnungen und ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung
erfassten Zielvolumens - umfassenden Geschehens folgt nicht aus den einleitenden Hinweisen des OPS. Hinweissatz 2 sieht eine
Mehrfachkodierung ausdrücklich vor. Er bestimmt, dass jede Fraktion zwingend einzeln zu kodieren ist. Wenn mehrere Fraktionen
iS der Anwendungshinweise vorliegen, muss jede einzeln in Ansatz gebracht werden und kommt der Kode in entsprechender Anzahl
zur Anwendung. Diese Abrechnungsbestimmung knüpft an den Begriff der Fraktion an, der die Unterteilung der Gesamtstrahlendosis
bei der Strahlentherapie in mehrere, in festgelegten Abständen applizierte Teildosen (meistens je Tag) mit dem Ziel der verbesserten
Toleranz des Normalgewebes umschreibt (vgl Pschyrembel, Stand 04/2020, Fraktionierung; Greten/Rinninger/Grete, Innere Medizin,
13. Auflage 2010, S 958). Die Verwendung dieses Begriffes spricht dagegen, den zeitgleichen und simultanen Bestrahlungsvorgang
bei der IMRT in Fraktionen zu unterteilen, obwohl zwischen der simultanen Bestrahlung verschiedener Körperregionen gerade
kein zeitlicher Abstand besteht und dieser Vorgang keine Zäsur durch neue Einstellungen, Patientenumlagerung, Tischverschiebung
etc bedingt. Dies spricht dafür, dass für die Annahme mehrerer Faktionen ein simultaner und einheitlicher Bestrahlungsvorgang
nicht genügt, sondern zwischen einzelnen Fraktionen eine Zeitspanne liegen muss. Auch der Hinweissatz 3, wonach eine Fraktion
alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder für die Bestrahlung eines Zielvolumens umfasst, bringt durch die Bezugnahme auf
"alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder" zum Ausdruck, dass eine Fraktion die Bestrahlung mehrerer Bestrahlungsfelder umfassen
und ein Zielvolumen aus mehreren Bestrahlungsfeldern bestehen kann. Aus den Hinweissätzen 2 und 3 ergibt sich, dass weder
die Aufteilung einzelner erforderlicher (technischer) Regulierungen bzw Einstellungen am Strahlengerät noch eine Unterteilung
in mehrere Bestrahlungsfelder die Unterteilung in mehrere Fraktionen zur Folge hat. Schließlich folgt aus dem Hinweissatz
4 im hiesigen Kontext keine Ausspaltung des einheitlichen Bestrahlungsvorgangs bei der hier streitigen IMRT. Danach ist ein
Zielvolumen das Körpervolumen, welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige Feldanordnungen erfasst
und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann. Mit der Bezugnahme auf eine
festgelegte Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster ist im vorliegenden Zusammenhang nicht die Einzeldosis eines Bestrahlungsfeldes
gemeint, sondern die Gesamtdosis des einheitlichen und simultanen Bestrahlungsvorgangs mittels IMRT (vgl auch Golder, MedSach
2013, 16/19: "Es wird nicht verlangt, dass die Dosis im Zielvolumen einheitlich ist."). Dafür spricht, dass bei der IMRT das
Bestrahlungsfeld in viele, oft mehr als hundert kleine Einzelfelder unterteilt wird und diese Einzelfelder in einem Bestrahlungsvorgang
mit unterschiedlichen Dosen, mithin intensitätsmoduliert, bestrahlt werden. Würde die Bestrahlung jedes dieser Einzelfelder
mit einer unterschiedlichen Strahlendosis als jeweils eine Fraktion interpretiert, wäre eine Unterteilung in zwei Fraktionen
je Bestrahlungsvorgang - wie von der Klägerin vorgenommen - nicht erklärlich.
Weiterhin ist zu beachten, dass bei der IMRT nach den vorgenommenen Einstellungen am Bestrahlungsgerät und zu Beginn des einheitlichen
und simultanen Bestrahlungsvorgangs die Dosismengen feststehen, die zur intensitätsmodulierten Bestrahlung des vorab definierten
Bestrahlungsfeldes (einschließlich der unterteilten Einzelfelder) eingesetzt werden sollen. Eine weitere Dosis iSd Hinweissatzes
4 liegt im vorliegenden Kontext dann nicht bereits vor, wenn von Anfang an festgelegt war, dass unterschiedliche Körperregionen
in unterschiedlich hohen Intensitäten bestrahlt werden, sondern wenn nach Durchführung eines ersten Bestrahlungsvorgangs die
Dosis oder das Dosiszeitmuster wieder geändert werden. Unter diesen Umständen kommt die vergütungsrechtliche Aufspaltung des
einheitlichen und simultanen Bestrahlungsvorgangs mittels IMRT in mehrere Fraktionen nicht in Betracht. Hätte eine solche
vergütungsrechtliche Aufspaltung dieses alle Einstellungen und Bestrahlungsfelder für die Bestrahlung eines unter Berücksichtigung
zweckmäßiger Feldanordnungen erfassten Zielvolumens umfassenden Geschehens erfolgen sollen, wäre eine genaue Beschreibung
des den Vergütungsvorgang auslösenden Geschehens in dem OPS 8-522.9 erforderlich gewesen. Eine solche liegt nicht vor, sodass
nach der vorgenommenen Auslegung der Vergütungsbestimmung die streitigen Strahlentherapien mittels IMRT nur jeweils einmal
je Bestrahlungssitzung abgerechnet werden konnten.
Hinzu kommt folgende systematische Erwägung: Für den Fall, dass an einem Tag mehrere Bestrahlungsvorgänge (Bestrahlungssitzungen)
zeitlich nacheinander erfolgen und deshalb grundsätzlich die Annahme mehrerer Fraktionen in Betracht kommt, hat die Formulierung
"welches ohne Patientenumlagerung oder Tischverschiebung über zweckmäßige Feldanordnungen erfasst und mit einer festgelegten
Dosis nach einem bestimmten Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann" eine die Abrechenbarkeit einschränkende Funktion. Selbst
bei mehreren an einem Tag nacheinander erfolgenden Bestrahlungen liegt eine weitere abrechenbare Fraktion nur vor, wenn zwischen
den Bestrahlungsvorgängen entweder eine Patientenumlagerung/Tischverschiebung oder eine Dosisänderung vorgenommen wurde. War
dies nicht der Fall, kann auch in diesem Fall nur eine Fraktion abgerechnet werden. Das von der Klägerin für zutreffend erachtete
Verständnis des OPS-Kode hätte jedoch zur Folge, dass die Formulierung "und mit einer festgelegten Dosis nach einem bestimmten
Dosiszeitmuster bestrahlt werden kann" nicht zu einer Einschränkung der Abrechenbarkeit von Fraktionen führt, sondern im Gegenteil
zu (mindestens) einer Verdoppelung der Fraktionen bei jedem Bestrahlungsvorgang bzw jeder Bestrahlungssitzung.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 HS. 1
SGG i.V.m. § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.