Verstöße gegen das Vergaberecht beim Ausschreibungsverfahren zum Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V, Unternehmereigenschaft von gesetzlichen Krankenkassen, Zulässigkeit der Aufteilung in Regionallose, Nachprüfungsantrag
Gründe:
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden als AS bezeichnet) ist ein in der Rechtsform der GmbH betriebenes
pharmazeutisches Unternehmen, das Generika i.S. des § 24b Arzneimittelgesetz (AMG) herstellt. Die Antragsgegnerinnen (im Folgenden als AG bezeichnet) sind Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK). Die AOK Baden-Württemberg
führt europaweit ein offenes Ausschreibungsverfahren zum Abschluss von Rabattverträgen nach §
130a Abs.
8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) für den Zeitraum 2009/2010 mit Verlängerungsoption um drei Monate, längstens bis zum 31. März 2011, für insgesamt 64 Wirkstoffe
durch. Die Ausschreibung wurde im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. Reihe S) 2008/S 154-207965 vom 9.
August 2008, berichtigt durch 2008/S 175-232638 vom 10. September 2008, bekannt gemacht. Die Bekanntmachung erfolgte durch
die AOK Baden-Württemberg mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass sie sowohl im eigenen Namen handele wie auch namens der übrigen
AG. Unter der Rubrik "Kurze Beschreibung des Auftrags- oder Beschaffungsvorhabens" wurde ausgeführt: "Gegenstand der Ausschreibung
ist der Abschluss von wirkstoffbezogenen Rabattvereinbarungen gem. §
130a Abs.
8 SGB V (im Folgenden: Rabattverträge oder einzeln Rabattvertrag) für den Zeitraum 1.1.2009 bis 31.12.2010. Die Ausschreibung erfolgt
wirkstoffbezogen für die unten aufgezählten 64 Wirkstoffe (vgl. Angaben zu den Losen). Jeder Wirkstoff stellt ein eigenes
Fachlos dar. Für jedes Fachlos werden 5 Teillose (Gebietslose) gebildet, und zwar wie folgt: 1) Gebietslos 1: AOK Bayern (ca.
4,1 Mio. Versicherte), 2) Gebietslos 2: AOK Rheinland/Hamburg und AOK Westfalen-Lippe (ca. 5 Mio. Versicherte), 3) Gebietslos
3: AOK Hessen und AOK PLUS (ca. 4,3 Mio. Versicherte), 4) Gebietslos 4: AOK Baden-Württemberg, AOK Rheinland-Pfalz und AOK
Saarland (ca. 5 Mio. Versicherte), 5) Gebietslos 5: AOK Berlin, AOK Brandenburg, AOK Bremen/Bremerhaven, AOK Mecklenburg-Vorpommern,
AOK Niedersachsen, AOK Sachsen-Anhalt und AOK Schleswig-Holstein (ca. 5,6 Mio. Versicherte). Die Bieter entscheiden selbst,
für welche/n Wirkstoff/e und welche/s Gebietslos/e sie Rabattangebote abgeben wollen. Pro angebotenem Wirkstoff und Gebietslos
sind Rabattangebote jedoch für alle zu diesem Wirkstoff gehörenden Pharmazentralnummern (PZN), die der jeweilige Bieter gem.
Lauer-Taxe, Stand 1. August 2008, im Sortiment hat, abzugeben. Die Zuschlagserteilung erfolgt pro Wirkstoff und Gebietslos.
Der Zuschlag erstreckt sich pro Wirkstoff und Gebietslos ebenfalls auf alle zu dem Wirkstoff gehörenden PZN, die der bezuschlagte
Bieter gem. Lauer-Taxe, Stand 1. August 2008, im Sortiment hat. Pro Wirkstoff und Gebietslos wird ein Rabattvertrag nur mit
einem pharmazeutischen Unternehmer (Bieter oder Bietergemeinschaft) geschlossen."
Die Lauer-Taxe enthält den Datenbestand aller bei der Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA GmbH) gemeldeten Fertigarzneimittel
und apothekenüblichen Waren, die in Deutschland für den Handel zugelassen sind. Die IFA GmbH teilt aufgrund der von den Arzneimittelherstellern
gemachten Angaben jedem Fertigarzneimittel eine siebenstellige Pharmazentralnummer (PZN) zu. Die PZN ist zugleich in der gemäß
§
300 Abs.
3 SGB V geschlossenen Arzneimittelabrechnungsvereinbarung als bundeseinheitliches Arzneimittelkennzeichen vereinbart worden. Sie
gibt Auskunft über Handelsname, Hersteller, Darreichungsform, Wirkstoffstärke und Packungsgröße des Arzneimittels. Gesellschafter
der IFA GmbH sind die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände - ABDA, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie
e.V. - BPI und der Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels e.V. - PHAGRO. Der im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. Reihe S) 2008/S 154-207965 vom 9. August 2008 für die Ausschreibung und Angebotsabgabe
als maßgeblich bekannt gegebene Stand der Lauer-Taxe (1. August 2008) wurde im Amtsblatt 2008/S 175-232638 vom 10. September
2008 auf Stand 1. September 2008 berichtigt.
Gegenstand der Ausschreibung waren folgende Wirkstoffe:
Alendronsäure Levodopa + Benserazid Alfuzosin Levodopa + Carbidopa Allopurinol Lisinopril Amiodaron Lisinopril + Hydrochlorothiazid
Amisulprid Melperon Amlodipin Metformin Azathioprin Metoclopramid Bisoprolol Metoprolol Bisoprolol + Hydrochlorothiazid Metoprolol
+ Hydrochlorothiazid Captopril Mirtazapin Captopril + Hydrochlorothiazid Molsidomin Carvedilol Moxonidin Cefacior Nifedipin
Cefuroxim Nitrendipin Ciprofloxacin Olanzapin Citalopram Omeprazol, Clarithromycin Paroxetin Diclofenac Ramipril Doxazosin
Ramipril + Hydrochlorothiazid Doxepin Ranitidin Enalapril Risperidon Enalapril + Hydrochlorothiazid Roxithromycin Felodipin
Sertralin Finasterid Simvastatin Furosemid Spironolacton Gabapentin Sumatriptan Glimepirid Tamsulosin Hydrochlorathiazid Terazosin
Ibuprofen Torasemid Isosorbiddinitrat Tramadol Isosorbidmononitrat Trimipramin Itraconazol Verapamil
In Abschnitt IV: Verfahren der Bekanntmachung wurde unter "IV. 2.1 Zuschlagskriterien" ausgeführt: "Wirtschaftlich günstigstes
Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zur Angebotsabgabe
oder zur Verhandlung bzw. in der Beschreibung zum wettbewerblichen Dialog aufgeführt sind."
In den Verdingungsunterlagen der AG (Bl. 56 bis 215 der LSG-Akte) werden u. a. die Bedingungen für das Vergabeverfahren und
die Anforderungen an die Eignungsnachweise der Bieter konkretisiert; außerdem erfolgt noch eine Leistungsbeschreibung. Im
Einzelnen enthalten die Verdingungsunterlagen im Abschnitt A. "Bedingungen für das Vergabeverfahren" folgende Vorgaben:
- unter Teil I. "Gegenstand der Ausschreibung"
1. Gegenstand der vorliegenden Ausschreibung (EU-weites Offenes Verfahren) ist der Abschluss von - gemäß Vergabebekanntmachung
- wirkstoffbezogenen "Vereinbarungen gem. §
130a Abs.
8 SGB V" (im Folgenden: Rabattverträge oder einzeln Rabattvertrag) für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2011 über
bestimmte Arzneimittel. Gemäß §
130a Abs.
8 Satz 1
SGB V ist die Ausschreibung nur an pharmazeutische Unternehmer (oder Bietergemeinschaften pharmazeutischer Unternehmer) i. S. d.
§ 4 Abs. 18 AMG gerichtet.
2. Vertragspartner für die Rabattverträge werden auf Seiten des Auftraggebers alle durch das jeweilige Gebietslos (s. o. Rubrum
und u. 1.4.) zusammengefassten AOKs.
3. Die Ausschreibung erfolgt bezogen auf die in der Vergabebekanntmachung und in dem Produkt- und Rabattblatt benannten 64
Wirkstoffe (in der Bedeutung von §§ 24b Abs. 2 AMG; 129 Abs.
1 Satz 3
SGB V, nicht in der Bedeutung von § 4 Abs. 19 AMG).
Jeder der in der Vergabebekanntmachung und dem Produkt- und Rabattblatt (vgl. u. 6.) enthaltenen Wirkstoffe stellt ein eigenes
Fachlos dar.
4. Für jedes Fachlos (Wirkstoff) werden 5 Teillose (Gebietslose) gebildet, und zwar wie folgt:
Gebietslos 1 (ca. 4,1 Mio. Versicherte) AOK Bayern - Die Gesundheitskasse
Gebietslos 2 (ca. 5 Mio. Versicherte) AOK Rheinland/Hamburg - Die Gesundheitskasse AOK Westfalen-Lippe - Die Gesundheitskasse
Gebietslos 3 (ca. 4,3 Mio. Versicherte) AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen AOK PLUS - Die Gesundheitskasse für Sachsen und
Thüringen
Gebietslos 4 (ca. 5 Mio. Versicherte) AOK Baden-Württemberg AOK - Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz AOK - Die Gesundheitskasse
im Saarland
Gebietslos 5 (ca. 5,6 Mio. Versicherte) AOK Berlin - Die Gesundheitskasse AOK Brandenburg - Die Gesundheitskasse AOK Bremen/Bremerhaven
AOK Mecklenburg-Vorpommern - Die Gesundheitskasse AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen AOK Sachsen-Anhalt - Die Gesundheitskasse
AOK Schleswig-Holstein - Die Gesundheitskasse.
5. Jeder Bieter kann ein Angebot für nur eines, mehrere oder alle Fach- bzw. Gebietslose abgeben.
6. Jeder Bieter hat pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und Gebietslos einen Rabatt-ApU für alle Pharmazentralnummern (PZN)
anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff gem. Lauer-Taxe, Stand 1. September 2008, im Sortiment hat. Angebote für
Arzneimittel (PZN), die nicht im Produkt- und Rabattblatt aufgeführt sind, werden nicht nachgefragt.
Der den jeweils vertragschließenden AOKs zu gewährende Rabatt errechnet sich je PZN wie folgt: Rabatt = ApU - (minus) Rabatt-ApU.
Dabei gilt:
ApU Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers exkl. MWSt. [EUR] Rabatt-ApU Angebotener Wert exkl. MWSt. [EUR] gemäß "Produkt-
und Rabattblatt".
Hinweise zum Ausfüllen des Produkt- und Rabattblatts können der Anlage 2 entnommen werden. Die Bieter können für jede auf
einen Wirkstoff entfallende PZN ein unterschiedliches Angebot abgeben. Ebenso können innerhalb eines Wirkstoffes auch für
die jeweiligen Gebietslose unterschiedliche Angebote abgegeben werden. Die Erteilung des Zuschlags erfolgt pro Wirkstoff und
Gebietslos auf alle zu dem bezuschlagten Wirkstoff gehörenden PZN des Bieters, die zum 1. September 2008 in der Lauer-Taxe
geführt werden und demzufolge in dem von ihm ausgefüllten Produkt- und Rabattblatt enthalten und angeboten sind. Angebote,
welche nicht zu allen PZN des Bieters einen Rabatt-ApU enthalten, müssen - jeweils bezogen auf das betreffende Los - wegen
Fehlens wesentlicher Preisangaben (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. a VOL/A) ausgeschlossen werden.
7. Pro Gebietslos und pro Wirkstoff wird ein Rabattvertrag gemäß Anlage 1 nur mit einem pharmazeutischen Unternehmer (Bieter
oder Bietergemeinschaft) geschlossen. Erhält ein pharmazeutischer Unternehmer innerhalb eines Gebietsloses den Zuschlag für
mehrere Wirkstoffe, werden diese Wirkstoffe in einem Rabattvertrag zusammengefasst.
8. Zur Laufzeit und zur Verlängerungsoption bezüglich der wechselseitigen Rechte und Pflichten aus den beabsichtigten Rabattverträgen
wird auf die §§ 1 Abs. 3, 9 des als Anlage 1 beigefügten Rabattvertrages verwiesen.
9. Die Auftraggeber können Angaben zu dem voraussichtlichen Abgabevolumen pro Wirkstoff nur auf der Basis von Erfahrungswerten
aus der Vergangenheit machen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die künftigen Mengen der an AOK-Versicherte abgegebenen
Arzneimittel insbesondere vom Gesundheitszustand der AOK-Versicherten, dem Verordnungsverhalten der Ärzte, dem Abgabe- und
Bevorratungsverhalten der Apotheken, dem Verhalten der Vertriebsunternehmen (Großhandel) sowie regionalen Vertragsstrukturen
zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern abhängen."
- unter Teil III "Verfahren":
"10. Bietergemeinschaften
10.1 Bietergemeinschaften sind zugelassen, soweit ihre Bildung durch die jeweiligen Mitglieder im Einzelfall rechtmäßig ist.
Bietergemeinschaften haften gesamtschuldnerisch für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten und haben in den Angeboten sämtliche
Mitglieder der Bietergemeinschaft zu benennen. Bietergemeinschaften haben eines ihrer Mitglieder als bevollmächtigten Vertreter
für das Vergabeverfahren, den Abschluss und die Durchführung des Vertrages zu bezeichnen. Die Bietergemeinschaftserklärung
(Anlage 10) ist vollständig unterzeichnet mit den Angebotsunterlagen vorzulegen. Die in der Vergabebekanntmachung geforderten
Eignungsnachweise sind von jedem Mitglied der Bietergemeinschaft vorzulegen, da die angebotenen PZN auch im Fall einer Bietergemeinschaft
pro Wirkstoff und Gebietslos jeweils exklusiv einem Mitglied der Bietergemeinschaft zuzuordnen sind (s. u. 10.3.). Die unter
Ziff. III. 2.1. c), Ziff. III. 2.2 und Ziff. III.2.3 der Vergabebekanntmachung genannten Eignungsnachweise sind dabei jeweils
auf den Teilbereich/die PZN zu beziehen, den das jeweilige Mitglied der Bietergemeinschaft übernommen hat.
10.2 Es gilt das Gebot des Geheimwettbewerbs. Bezogen auf ein und dasselbe Los können Mitglieder einer Bietergemeinschaft,
wenn sie als solche ein Angebot abgegeben haben, daher nicht zugleich auch als Einzelbieter an der Ausschreibung teilnehmen.
10.3 Aus dem ausgefüllten Produkt- und Rabattblatt muss sich klar ergeben, welches Mitglied der Bietergemeinschaft für welche
Preisvergleichsgruppe (s. Spalte Q des Produkt- und Rabattblattes und die dazugehörigen Ausfüllhinweise - Anlage 2) einen
Rabatt anbietet. Arzneimittel der gleichen Preisvergleichsgruppe dürfen jeweils nur durch ein Mitglied einer Bietergemeinschaft
angeboten werden. Die Mitglieder einer Bietergemeinschaft müssen sich also innerhalb eines Wirkstoffs entscheiden, welches
(eine) Mitglied für die Preisvergleichsgruppe (s. auch u. IV. 2. a.) das Rabattangebot für die Bietergemeinschaft abgibt.
Bei Angeboten von mehreren Mitgliedern einer Bietergemeinschaft auf ein und dieselbe Preisvergleichsgruppe innerhalb eines
Wirkstoffs wird das Angebot der Bietergemeinschaft jeweils bezogen auf das betreffende Los ausgeschlossen.
15. Zuschlags- und Bindefrist
Die Zuschlags- und Bindefrist endet am 2. März 2009 um 24.00 Uhr MESZ.
16. Zuschlagserteilung
Es ist vorgesehen, dass die Auftraggeber noch im November 2008 die Prüfung und Bewertung der Angebote abschließen und die
Vorabinformationen (s. o. 14.1.) versenden. Nach Ablauf der 14-Tages-Frist gem. § 13 VgV wird der Zuschlag erteilt, falls bis dahin kein Vergabenachprüfungsantrag zugestellt wird."
- unter Teil IV "Angebotswertung":
"2. Zuschlagskriterien a) aa) Bildung von Preisvergleichsgruppen und eines durchschnittlichen ApU der Preisvergleichsgruppe
Nach Auswahl angebotsgegenständlicher Wirkstoffe durch den Bieter wird jedem Arzneimittel (PZN) zunächst eine Preisvergleichsgruppe
zugeordnet (Spalte Q des Produkt- und Rabattblattes). Die Preisvergleichsgruppen dienen der Ermittlung durchschnittlicher
Preise (auf Basis der ApU) unter Arzneimitteln gleicher Wirkstoffe, vergleichbarer Anwendungshinweise (...), vergleichbarer
Wirkstoffmengen (...), sowie gleicher Normpackungsgröße (...) im Sinne der Verordnung über die Bestimmung und Kennzeichnung
von Packungsgrößen für Arzneimittel in der vertragsärztlichen Versorgung "
In den ausgeschriebenen Rabattverträgen verpflichten sich die AG, für die Vertragslaufzeit zu den Wirkstoffen, für die die
Vereinbarung geschlossen wird, keine Rabattverträge außerhalb dieser Ausschreibung zu schließen und bestehende Vereinbarungen
mit Wirkung zum Beginn der Vertragslaufzeit zu beenden oder anderweitig sicherzustellen, dass bestehende Vereinbarungen gemäß
§
130a Abs.
8 SGB V während der Vertragslaufzeit nicht für diese Wirkstoffe gelten (§
7 Abs. 1 des Rabattvertrages, Bl. 85 der LSG-Akte).
Die AS gab zu 13 der ausgeschriebenen Wirkstoffe Angebote ab, mit 12 Wirkstoffen zu allen Gebietslosen und mit einem Wirkstoff
zu 4 Gebietslosen. Dabei handelt es sich um folgende Wirkstoffe (siehe Anlage 9 der Beschwerdeschrift, Bl. 229 der LSG-Akte):
1. Alendronsäure 2. Metformin 3. Doxazosin 4. Omeprazol 5. Furosemid 6. Roxithromycin 7. Tamsulosin 8. Nitrendipin 9. Tramadol
10. Sertralin 11. Citalopram 12. Ciprofloxacin 13. Azathioprin
Mit einem an die AOK Baden-Württemberg gerichteten Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 27. August 2008 rügte die AS Vergaberechtsverstöße.
Sie führte aus:
"1. Aufgrund der Verdingungsunterlagen könnte - theoretisch - ein Unternehmen (bzw. einige wenige Unternehmen) sämtliche Zuschläge
für die von Ihnen ausgeschriebenen Lose erhalten. Dieses Unternehmen/diese wenige Unternehmen würde(n) dann den gesamten AOK-Markt
beliefern können, was erhebliche Verwerfungen in der mittelständisch geprägten Industrie nach sich ziehen würde. Auch unsere
mittelständische Mandantin wäre hiervon massiv betroffen. Die wirtschaftliche Bedeutung des von Ihnen ausgeschriebenen Volumens
dürfte Ihnen hinreichend bekannt sein.
Aus unserer Sicht wird daher dem in § 97 Abs. 3 GWB verorteten Mittelstandsschutz nicht hinreichend Rechnung getragen. Nach unserer Auffassung hätten Sie zwingend eine Loslimitierung
oder andere geeignete Maßnahmen vornehmen müssen, um einem Verdrängungswettbewerb entgegen zu wirken.
Die bloße Aufteilung in fünf sehr groß dimensionierte Regionallose ist nicht ausreichend, um mittelständische Interessen ausreichend
zu berücksichtigen. Sie hätten hier ergänzend weitere Maßnahme, insbesondere eine Limitierung der an einzelne Unternehmen
zu vergebenen Lose zugrunde legen müssen.
Wir rügen diesen Vergaberechtsverstoß und fordern Sie namens und im Auftrag unserer Mandantin auf, diesen Verstoß abzustellen
und eine Beschränkung der an einen Bieter zu vergebenden Lose in den Verdingungsunterlagen vorzusehen.
2. Darüber hinaus rügen wir auch die in den Verdingungsunterlagen vorgesehene Stichtagsregelung, wonach ausschließlich solche
Präparate Gegenstand der Ausschreibung sind, die zum 01.08.2008 in der sog. Lauer-Taxe geführt werden. Wir halten diese Stichtagsregel
für willkürlich, zumal die Angebote erst zum 06.10.2008 eingehen müssen.
Durch die willkürliche Stichtagsregelung kann sich unsere Mandantin nicht mit zugelassenen Präparaten an der Ausschreibung
beteiligen, welche erst im Oktober in der Lauer-Taxe geführt werden. Es handelt sich hierbei um die Wirkstoffe Glimepirid
(Präparatename: Glime-Q 1/2/3/4 mg Tabletten), Alendronsäure (Präparatename: AlendroQ 10 mg Tabletten), Omeprazol (Präparatename:
Ome-Q 10 mg magensaftresistente Kapseln).
Darüber hinaus vertreibt unsere Mandantin verschiedene Sondergrößen, die nunmehr nicht mehr an die "herkömmlichen" Packungsgrößen
angepasst werden können. So hat unsere Mandantin - wie andere mittelständische Unternehmen auch - verschiedene Packungen mit
beispielsweise 98 Tabletten/Kapseln im Angebot, während die größeren pharmazeutischen Unternehmer 100er Packungen anbieten.
Da die unterschiedlichen Packungsgrößen nicht miteinander vergleichbar sind, kann unsere Mandantin ihre Packungsgrößen im
Rahmen des Vergabewettbewerbs nicht anbieten.
Da eine Änderung der Packungsgröße nach § 29 Abs. 2a AMG eine zustimmungspflichtige, aber regelmäßig unproblematische Änderung eines Arzneimittels darstellt, hätte ohne die von Ihnen
festgesetzte Stichtagsregelung eine Anpassung entsprechender Packungsgrößen vorgenommen werden können.
Die Stichtagsregelung verstößt damit nicht nur gegen das Willkürverbot als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes, sondern
auch gegen das Gebot mittelstandsfreundlicher Vergabegestaltung, da zahlreiche mittelständische Unternehmen entsprechende
Sondergrößen anbieten.
Wir fordern Sie auch hier auf, von der Stichtagsregelung Abstand zu nehmen oder diese ggf. angemessen zu verschieben und jedenfalls
den pharmazeutischen Unternehmern und damit auch unserer Mandantin die Möglichkeit einzuräumen, sog. Sondergrößen anzubieten."
Zu diesen Schreiben nahm die AOK Baden-Württemberg mit Schreiben vom 29. August 2008 Stellung. Sie vertrat die Ansicht, eine
Pflicht zur Loslimitierung bestehe nicht. Jeder Stichtagsregelung sei ein Element der Ungleichbehandlung immanent. Die von
den AG vorgenommene Wahl des Stichtages sei nicht willkürlich. Die AG fragten Rabatte für die am 1. August 2008 unmittelbar
vor dem Start des Verfahrens in der aktuellsten verfügbaren Lauer-Taxe geführten, marktgängigen Produkte nach und bestimmten
auf diese Weise zugleich ihren Beschaffungsbedarf. Aus dem Umstand, dass die AS zum 1. August 2008 nur eine 98er-Packung im
Produktportfolio habe und nicht eine 100er-Packung, resultierten im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens keinerlei Nachteile
für die AS.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 24. Oktober 2008 und 30. Oktober 2008 forderte die AS die AG auf, die Ausschreibung
hinsichtlich des Wirkstoffes Alendronsäure entweder ganz aufzuheben oder den Zuschlag zumindest bis zu einer rechtskräftigen
Entscheidung über die Wirksamkeit des Patents auszusetzen. Sie machte unter Hinweis auf bestehende Patentstreitigkeiten bezüglich
dieses Wirkstoffs geltend, dass die AG den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis aufbürdeten, in dem sie pharmazeutische Unternehmer
dazu veranlassten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt Angebote für Alendronsäure abzugeben und die erfolgreichen Bieter sodann auch
zur Belieferung verpflichteten (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A). Das ungewöhnliche Wagnis sei insbesondere darin begründet, dass sich im Fall des Zuschlags das Schadensersatzrisiko gegenüber
dem Patentinhaber signifikant erhöhen werde, da davon auszugehen sei, dass der erfolgreiche Bieter erhebliche Umsatz- und
Gewinnzuwächse zu erwarten habe. Dies wirke sich auch auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch des Originators aus. Als öffentlicher
Auftraggeber seien die AG verpflichtet, derartige Risiken zu Lasten der Bieter auszuschließen. Dabei habe die AS durchaus
das von den AG zu erwartende Argument berücksichtigt, dass kein Bieter verpflichtet sei, für einen Wirkstoff Angebote abzugeben,
bei dem Patentstreitigkeiten ungeklärt seien. Dieser Einwand würde jedoch übersehen, dass aufgrund der Marktstellung der AOK
ein Unternehmen durchaus gezwungen sein könne, Angebote auch für derartige Wirkstoffe abzugeben, um größere wirtschaftliche
Nachteile zu vermeiden. Das bedeute, dass die Unternehmen allein aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der vorliegenden
Ausschreibung mit einem durchschnittlichen Marktanteil von rd. 40% gezwungen seien, ein Risiko einzugehen, welches sie unter
gewöhnlichen Marktbedingungen so nicht eingegangen wären.
Hierauf erwiderte die AOK Baden-Württemberg mit Schreiben vom 3. November 2008, dass die AS nicht gezwungen gewesen sei, ein
Angebot abzugeben, und auch nicht gezwungen gewesen sei, Alendronat-Produkte überhaupt zur Lauer-Taxe zu melden.
Am 30. Oktober 2008 stellte die AS bei der Vergabekammer des Bundes beim Bundeskartellamt einen Nachprüfungsantrag. Dieser
wurde von der Vergabekammer des Bundes auf Antrag der AS mit Beschluss vom 4. November 2008 analog §§
83 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO), 17 Abs. 2
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG) an die als örtlich zuständig erachtete Vergabekammer Baden-Württemberg verwiesen. Die Vergabekammer Baden-Württemberg hat
den Nachprüfungsantrag der AS mit Beschluss vom 27. November 2008, der AS zugestellt am 8. Dezember 2008, teils als unzulässig,
teils als unbegründet zurückgewiesen; wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidung der Vergabekammer (Bl.
283 bis 309 der LSG-Akte) verwiesen.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer hat die AS am 22. Dezember 2008 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG)
sofortige Beschwerde eingelegt und gleichzeitig Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestellt.
Zur Begründung führt sie aus, sie sei am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt gewesen und deshalb gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zur sofortigen Beschwerde berechtigt. Die sofortige Beschwerde sei form- und fristgerecht gemäß § 117 GWB innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen eingelegt worden. Sie sei durch die Entscheidung der Vergabekammer zudem beschwert,
da die streitgegenständliche Ausschreibung hätte aufgehoben, zumindest aber im Sinne ihrer Hilfsanträge hätte abgeändert werden
müssen. Die sofortige Beschwerde sei auch begründet, weil ihr Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Die Vergabekammer
habe den Nachprüfungsantrag zu Unrecht teilweise als unzulässig, teilweise als unbegründet zurückgewiesen.
Sie erwirtschafte einen Jahresumsatz von 15 Mio. Euro, wobei auf die von den AG ausgeschriebenen Wirkstoffe ein Umsatz von
13. Mio Euro entfalle. Mehr als ein Drittel ihres Umsatzes erziele sie mit den ausgeschriebenen Wirkstoffen mit den AG. In
der vergaberechtlichen Rüge sei ausdrücklich auf den Mittelstandsschutz abgestellt worden, der angesichts der erheblichen
Losgröße und der fehlenden Loslimitierung verletzt werde. In dem Nachprüfungsantrag sei dieser Gesichtspunkt lediglich weiter
vertieft und dokumentiert worden. Wie dem Nachprüfungsantrag ohne Weiteres zu entnehmen sei, sei von ihr zunächst dargelegt
worden, dass die AG durch ihren Zusammenschluss zu einer Auftraggebergemeinschaft eine erhebliche Nachfragemacht bildeten,
die mittelständischen Interessen entgegenlaufe. Dieser Gesichtspunkt sei durch die von der Vergabekammer isoliert aufgegriffenen
Aspekte der Größe der Gebietslose, der eingeschränkten Möglichkeit zur Bildung von Bietergemeinschaften sowie der Gewichtung
der Sortimentsbreite im Ergebnis verzerrt wiedergegeben worden. Richtig sei vielmehr, dass es sich hierbei um Einzelgesichtspunkte
handele, die in ihrer Gesamtheit bereits den in den vergaberechtlichen Rügen angesprochenen mittelstandsfeindlichen Charakter
der Ausschreibung verdeutlichten. Vor diesem Hintergrund sei es nicht haltbar, den Nachprüfungsantrag in die von der Vergabekammer
vorgenommenen Einzelaspekte aufzuteilen und insofern eine teilweise Unzulässigkeit anzunehmen.
Die Vergabekammer vertrete zu Unrecht die Auffassung, dass der Schutz mittelständischer Interessen in diesem Fall gegenüber
dem vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot sowie dem von ihr neu kreierten Interesse der AG, im Bereich der Sozialversicherung
Kosten einzusparen, zurücktreten müsse. Die Konfliktlage zwischen den jeweils in § 97 GWB geregelten vergaberechtlichen Grundsätzen des Mittelstandsschutzes einerseits und dem Wirtschaftlichkeitspostulat andererseits
sei vergaberechtlich vorgegeben. Weder das europäische noch das nationale Vergaberecht bevorzugten einen der beiden Gesichtspunkte.
Es sei vielmehr im konkreten Einzelfall eine praktische Konkordanz beider vergaberechtlicher Grundprinzipien zu suchen. Es
sei daher zwar grundsätzlich zutreffend, dass der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz im Regelfall einer Loslimitierung entgegenstehe.
Dies sei auch im Verfahren vor der Vergabekammer nicht bestritten worden. Wie allerdings der Vergabekammer vor allem durch
die Antragsschrift unmissverständlich nahe gelegt worden sei, bestehe hier eine Sondersituation, die - soweit ersichtlich
- aus vergaberechtlicher Sicht einmalig erscheine. Angesichts der erheblichen Marktmacht, genauer Nachfragemacht, der AG drohe
durch die konkrete Gestaltung des Vergabeverfahrens, insbesondere des Loszuschnitts und die fehlende Loslimitierung ein weitgehender
Ausschluss mittelständischer Unternehmen von den Zuschlägen.
Im Beschluss vom 27. Februar 2008 - L 5 KR 508/08 W-A (gemeint wohl: L 5 KR 507/08 ER-B) - habe das LSG Baden-Württemberg - mit Blick auf die Vorgängerausschreibung der AG - deutlich gemacht, dass dem Schutz
mittelständischer Interessen auch bei der Vergabe von Rabattverträgen erhebliches Gewicht beizumessen sei. In der zitierten
Entscheidung führe der Senat aus, dass insoweit eine Losbildung für einzelne Bundesländer oder Regionen diesen Mittelstandsschutz
besonders befördern würde, da kleineren oder mittelständischen Unternehmen eine faire Chance geboten würde, sich mit Erfolg
an der Ausschreibung zu beteiligen. Dieser Forderung seien die AG nur unvollkommen nachgekommen, da sie zwar fünf sehr große
Gebietslose gebildet, gleichzeitig aber es zugelassen hätten, dass Angebote für sämtliche Lose abgegeben werden. Hier hätte
zur Stärkung mittelständischer Interessen - ausnahmsweise - eine Loslimitierung vorgenommen werden müssen, da nur so eine
flächendeckende Vergabe an einige wenige Unternehmen hätte verhindert werden können.
Die Bildung der Beschaffungsgemeinschaft durch die AG würde - worauf das Bundeskartellamt in dem zitierten Schreiben vom 22.
November 2006 hingewiesen habe - ein unzulässiges Nachfragekartell darstellen. Entscheidend sei - und darauf habe auch das
LSG im Beschluss vom 27. Februar 2008 ausdrücklich hingewiesen -' dass durch die Bündelung der Nachfragemacht in der konkreten
Ausgestaltung jedenfalls eine nicht gerechtfertige Verletzung des in § 97 Abs. 1 GWB geregelten Wettbewerbsprinzips zu sehen sei. Die Kartellverbote des § 1 GWB sowie des Art. 81 EG-Vertrag - EGV - hätten auch im Rahmen des Kartellvergaberechts durch die Pflicht zur Beachtung des Wettbewerbsgrundsatzes in § 97 Abs. 1 GWB eigenständige Bedeutung. Korrespondierend mit der erheblichen Nachfragemacht der AG führe die konkrete Ausgestaltung des
Vergabeverfahrens zu einer Konzentration auf der Bieterseite. Wie vorstehend im Einzelnen dargelegt worden sei, sei die Gestaltung
des Vergabeverfahrens darauf angelegt, kleinere und mittlere Unternehmen von der Vergabe auszuschließen, auch wenn den AG
zugestanden sein möge, dass dies nicht beabsichtigt sei. Damit erweise sich das Vergabeverfahren als wettbewerbsfeindlich,
da es zukünftigen Wettbewerb einschränken werde. Auch unter diesem Gesichtspunkt hätte daher eine entsprechende Limitierung
der ausgeschriebenen Lose vorgenommen werden müssen.
Darüber hinaus sei europäisches (Art. 81 und 82 EGV) und nationales Kartellrecht (§§ 19 bis 21 GWB) verletzt. Das Verhalten der AG verstoße zunächst gegen Art. 81 EGV. Da die Verhandlung und der Abschluss von Rabattverträgen ein unternehmerisches Verhandeln der gesetzlichen Krankenkassen
darstellten, unterlägen sie insoweit dem Anwendungsbereich des Art. 81 EGV. So entspreche es einer gefestigten deutschen Rechtsprechungstradition, die gesetzlichen Krankenkassen und die Sozialversicherungsträger
beim Abschluss von Verträgen mit Herstellern oder Lieferanten als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts einzustufen. Dies
decke sich dem Grunde nach mit der Judikatur des EuGH zum funktionalen Unternehmensbegriff. Höchst vorsorglich sei darauf
hinzuweisen, dass das Urteil des EuGH zu der kartellrechtlichen Bewertung von Festbetragsfestsetzungen (EuGH, Slg. 2004, 1-2526 ff.) nicht entgegenstehe. In dieser Entscheidung habe der Gerichtshof die Unternehmenseigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen
allein in Bezug auf die Tätigkeit der Festsetzung von Festbeträgen abgelehnt. Die gemeinsame Ausschreibung von Rabattverträgen
durch die AG beschränkten auch den Wettbewerb i.S.v. Art. 81 Abs. 1 EGV. Hierdurch werde die Nachfrage nach den von der Rabattvereinbarung erfassten Wirkstoffen koordiniert. Die hierin liegende
Nachfragekonzentration in Höhe von ca. 40 % habe das Bundeskartellamt in seiner Stellungnahme vom 22. November 2006 (Geschäftszeichen:
B 3-552/06) als "sehr kritisch" bzw. "kaum hinnehmbar" qualifiziert.
Ferner verstoße das Verhalten der AG gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Die AG zählten zu
den Normadressaten des Missbrauchsverbots. Dies ergebe sich - unabhängig von der Einordnung ihrer Tätigkeit als unternehmerisches
Handeln - für die Anwendbarkeit des GWB schon aus der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in §
69 Satz 2
SGB V. Für das EG-kartellrechtliche Missbrauchsverbot des Art. 82 EGV folge das aus den vorstehend dargelegten Ausführungen zum Unternehmensbegriff. Die AG vereinigten in sich eine Nachfragekonzentration
von ca. 40 % durch die gemeinsame Ausschreibung. Eine missbräuchliche Diskriminierung ergebe sich bereits daraus, dass für
jeden Wirkstoff maximal ein Rabattvertrag abgeschlossen werde. Damit drohe aufgrund der Beschränkung auf einen Vertragspartner
selbst bei Unternehmen mit identischem Leistungsangebot die Verdrängung ihrer Präparate aus dem GKV-Verordnungsmarkt. Darüber
hinaus ermögliche diese außerordentliche Nachfragekonzentration es den AG, unangemessene Einkaufspreise zu erzwingen. Die
betroffenen Arzneimittelhersteller würden hierdurch vor die Wahl gestellt, entweder aus der GKV-Versorgung verdrängt zu werden
oder aber die Versorgung zu nicht marktgerechten Preisen anbieten zu müssen.
Des Weiteren stehe sie auch in einem Verhältnis der sortimentsbedingten Abhängigkeit von den AG. Die Fallgruppe der sortimentsbedingten
Abhängigkeit sei zwar primär für das Verhältnis zwischen Handel und Hersteller entwickelt worden. Der Grundgedanke sei jedoch
auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation anwendbar. Denn ebenso wie von einem Fachhändler erwartet werde, dass er ein
bestimmtes Kernsortiment führe, seien die Arzneimittelhersteller ihrerseits darauf angewiesen, dass ihre Präparate grundsätzlich
den AOK-Versicherten im Rahmen des Leistungskatalogs der GKV zur Verfügung stünden. Denn die sortimentsbedingte Abhängigkeit
sei generell dadurch gekennzeichnet, dass das Fehlen dieser Ware im Angebot eines Handelsunternehmens, bei dem der Verkehr
das Angebot als selbstverständlich voraussetze, zu einem Verlust an Ansehen und zu einer wichtigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit
führe. Dies treffe auf sie in gleicher Weise zu, wenn sie nicht mehr in der Lage sei, ihre Präparate gegenüber dem Kreis der
Versicherten der AOK abzusetzen. Auch insofern stelle es daher eine unbillige Behinderung dar, wenn die AG sämtliche Anbieter,
die zu dieser in einem Verhältnis der sortimentsbedingten Abhängigkeit stünden, komplett aus der Versorgung ausschlössen und
den Abschluss des Rabattvertrages auf einen einzigen Bieter, der das günstigste Angebot abgegeben habe, beschränkten. Damit
liege zugleich ein Verstoß gegen den inhaltsgleichen Missbrauchtatbestand des Art. 82 EGV vor.
Diese kartellrechtlichen Verstöße seien auch im Vergabenachprüfungsverfahren zu berücksichtigen. Der (vergaberechtliche) Rechtsweg
sei eröffnet, da eine "Handlung in einem Vergabeverfahren" im Sinne des § 104 Abs. 2 GWB vorliege. Der Begriff des Verhandlungsverfahrens im Sinne des § 104 Abs. 2 GWB sei nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH materiell- und nicht formell-rechtlich zu verstehen, so dass auch und insbesondere
die Bildung einer Nachfragegemeinschaft von dem Begriff "Handlungen in einem Vergabeverfahren" erfasst werde. Sie sei mit
diesem Vorbringen auch nicht nach § 107 Abs. GWB präkludiert. Es sei allgemein anerkannt, dass es keiner Rüge bedürfe, wenn sie eine bloße Förmelei darstelle, da offensichtlich
sei, dass der öffentliche Auftraggeber dem geltend zu machenden Verstoß ohnehin nicht abhelfen werde. So liege der Fall hier:
Sie habe die Losaufteilung und den Loszuschnitt als unvereinbar mit mittelständischen Interessen gerügt. Dieser Rüge hätten
die AG nicht abgeholfen. Wenn aber die AG bereits dem vergaberechtswidrigen Loszuschnitt nicht abgeholfen hätten, dann sei
offensichtlich, dass sie der vergabe- bzw. kartellrechtswidrigen Bildung einer Einkaufgemeinschaft im laufenden Vergabeverfahren
erst recht nicht abgeholfen hätten. Denn der vergaberechtswidrige Loszuschnitt stehe zwangsläufig in unmittelbaren Zusammenhang
mit der Bildung einer Einkaufsgemeinschaft. Ferner handele es sich bei den geltend gemachten vergabe- bzw. kartellrechtlichen
Verstößen um solch offenkundige und massive Wettbewerbverstöße durch die AG, dass diese bereits aus Gründen des im Nachprüfungsverfahrens
geltenden Amtsermittelungs- und Untersuchungsgrundsatzes, vgl. § 142a Abs. 1
Sozialgerichtsgesetz -
SGG -, §§ 120 Abs. 2, 70 Abs. 2 GWB, zu berücksichtigen seien.
Der Gesetzgeber habe auch ganz bewusst davon abgesehen, die gesetzlichen Krankenkassen zu einem gemeinsamen und einheitlichen
Aushandeln und Abschließen von Rabattverträgen zu ermächtigen. Hierdurch würde zudem das angestrebte Prinzip eines dezentralen
Wettbewerbs konterkariert und zugleich eine nachhaltige Ungleichgewichtslage zu Lasten der pharmazeutischen Unternehmen geschaffen
werden. Denn diese dürften ihre marktbezogenen Interessen schon deshalb nicht koordinieren und bündeln, weil sie als Adressaten
des nationalen und europäischen Kartellrechts hierdurch einen Straf- und Bußgeld bewehrten Rechtsverstoß begingen. Soweit
im Übrigen im System der GKV ein einheitliches Handeln der Krankenkassen bzw. deren Verbände durch das
SGB V ermöglicht werden solle, werde dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet. Dies gelte zunächst für die Festsetzung von Festbeträgen
gem. §
35 SGB V, die in der Vergangenheit bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen seien. Des Weiteren ermächtige beispielsweise
§
131 Abs.
1 SGB V "die Spitzenverbände der Krankenkassen" dazu, einen Vertrag über die Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
abzuschließen. Zur Wahrung der wirtschaftlichen Parität sehe die Regelung im Gegenzug vor, dass der Vertrag nicht mit einem
einzelnen pharmazeutischen Unternehmen, sondern mit deren "maßgeblichen Spitzenorganisationen" abzuschließen sei. Vergleichbare
Vorgaben fänden sich auch in anderen Regelungen, in denen ein gemeinsames und einheitliches Handeln ermöglicht werden solle.
In §
130a Abs.
8 SGB V sei eine entsprechende Ermächtigung - aus gutem Grund - nicht vorgesehen. Eine solche Befugnis zum gemeinsamen und einheitlichen
Handeln könne insbesondere nicht in die Formulierung "die Krankenkassen oder ihre Verbände" in §
130a Abs.
8 SGB V hineingelesen werden. Hierdurch werde lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Rabattverträge nicht zwingend durch die jeweilige
lokale Krankenkasse selbst, sondern auch durch den diese repräsentierenden Landesverband abgeschlossen werden könnten. Der
Gesetzgeber habe den Krankenkassen durch die Zuweisung der Verhandlungs- und Abschlusskompetenz auf die Verbände, die die
jeweilige Krankenkasse auf Lokalebene repräsentierten, eine organisatorische Entlastung ermöglichen wollen. Die aus den Landesverbänden
gebildeten Bundesverbände (§
212 SGB V, bzw. nunmehr der GKV-Spitzenverband Bund) seien jedoch gerade nicht Adressaten dieser Ermächtigungsgrundlage. Auch ermächtige
§
130a Abs.
8 SGB V die Verbände nicht dazu, ihrerseits gemeinsam und einheitlich (verbandsübergreifend) Rabattverträge auszuhandeln und abzuschließen.
Denn dies würde die bereits dargelegte Intention des Gesetzgebers, die darauf abziele, einen "dezentralen Wettbewerb" zu ermöglichen,
konterkarieren.
Anders als von der Vergabekammer angenommen, sei auch die Stichtagsregelung willkürlich gewählt worden und führe zu einem
Verstoß gegen das vergaberechtliche Gebot der Chancengleichheit (§ 97 Abs. 2 GWB, § 2 Nr. 2 VOL/A). Die Festlegung schränke den Kreis der potentiellen Bieter ohne sachliche Begründung ein. Dabei werde nicht übersehen, dass
es selbstverständlich dem Auftraggeber grundsätzlich freigestellt sei, den Auftragsgegenstand zu bestimmen. Allerdings unterliege
auch diese Wahlfreiheit dem allgemeinen Willkürverbot. Dabei sei es gerade nicht sachgerecht, die von den AG gewählte Stichtagsregelung
festzulegen, da es auch mit Blick auf den gesetzlichen Auftrag der AG geboten gewesen wäre, auch solche Arzneimittel in die
Rabattverträge einzubeziehen, die erst zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe in der so genannten Lauer-Taxe geführt würden. Dieser
Befund werde dadurch unterstrichen, dass im Rahmen einer zeitlich parallel laufenden Ausschreibung der Deutschen Angestellten
Krankenkasse (DAK) ausdrücklich auch solche Arzneimittel Vertragsgegenstand werden sollten, die bis zum 1. Mai 2009 neu eingeführt
würden. Dieser Umstand belege, dass weder vergaberechtliche noch sozialversicherungsrechtliche Gründe die vorgenommene Stichtagsregelung
rechtfertigen könnten.
Hinsichtlich des Wirkstoffs Alendronsäure bestehe für die Bieter ein ungewöhnliches Wagnis, da sich im Falle des Zuschlages
das Schadensersatzrisiko gegenüber dem Patentinhaber signifikant erhöhen werde, weil davon auszugehen sei, dass der erfolgreiche
Bieter erhebliche Umsatz- und Gewinnzuwächse zu erwarten habe. Dies wirke sich zwangsläufig auch auf den etwaigen Schadensersatzanspruchs
des Originators aus. Soweit die AG darauf hinwiesen, dass kein Unternehmen gezwungen sei, Angebote für den Wirkstoff Alendronsäure
abzugeben, greife diese Argumentation ersichtlich zu kurz. Es sei durchaus üblich, in vergleichbaren Situationen bis zur rechtskräftigen
Klärung einer offenen Patentstreitigkeit entsprechende Präparate gar nicht oder nur in geringem Umfang in den Verkehr zu bringen,
um kein oder nur ein geringes Schadensersatzrisiko gegenüber dem Originator einzugehen. Aufgrund der besonderen Marktstellung
der AG, die ausführlich dargelegt worden sei, bestehe hier aber eine "Sogwirkung", welche die pharmazeutischen Unternehmen
dazu zwinge, an der Ausschreibung auch für derartige Wirkstoffe teilzunehmen, bei denen die patentrechtliche Situation ungeklärt
sei. Würde ein pharmazeutisches Unternehmen sich an einer derartigen Ausschreibung nicht beteiligen, wäre der Marktzugang
für die Laufzeit des Rabattvertrages weitgehend unmöglich, obwohl unter Umständen das betreffende Patent höchstrichterlich
als unwirksam beurteilt werde. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A verbiete aber die Auferlegung ungewöhnlicher Wagnisse im Rahmen einer Ausschreibung.
Die Rüge hinsichtlich des Wirkstoffs Alendronsäure sei nicht verspätet erfolgt, sondern unverzüglich, nachdem der relevante
Vergaberechtsverstoß festgestellt worden sei. Sie habe mit Blick auf die von den AG erst im Vergabeverfahren festgelegte Regelung
zum Wirkstoff Olanzapin im Rahmen einer Bieteranfrage vom 24. Oktober 2008 um eine Bestätigung gebeten, dass auch hinsichtlich
des Wirkstoffs Alendronsäure u. a. eine Aussetzung der Zuschlagserteilung erfolgen werde. Dies hätten die AG bereits aus Gründen
der Gleichbehandlung akzeptieren müssen. Erst nachdem die AG diese Anfrage verneint hätten, habe sie wenige Tage später -
mithin ohne schuldhaftes Zögern - die vergaberechtliche Rüge ausgesprochen. Es sei daher nicht erkennbar, dass die Rüge nicht
rechtzeitig ausgesprochen worden wäre. Ferner habe die Vergabekammer die Voraussetzungen des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB verkannt. Die vergaberechtliche Rüge erfordere nicht nur die Kenntnis des dem Vergaberechtsverstoß zugrunde liegenden Sachverhaltes,
sondern auch die rechtliche Bewertung, dass es sich in dem konkreten Punkt um ein vergaberechtlich zu beanstandendes Verfahren
handele. Habe der Bieter bei laienhafter Wertung nur den Verdacht eines etwaigen Vergaberechtsverstoßes, sei er ohne Weiteres
berechtigt, zunächst externen Rechtsrat einzuholen, so dass die maßgebliche Kenntnis vom Vergaberechtsverstoß und damit die
Obliegenheit zur vergaberechtlichen Rüge erst zu dem Zeitpunkt eintrete, zu dem der entsprechende Rechtsrat vorliege. Im vorliegenden
Fall habe sie ihren Prozessbevollmächtigten erstmals mit E-Mail vom 21. Oktober 2008 darüber informiert, dass hinsichtlich
des Wirkstoffs Alendronsäure eine patentrechtliche Auseinandersetzung existiere; genauere Informationen dazu habe sie ihrem
Prozessbevollmächtigten erst am 23. Oktober 2008 bekannt gegeben. Erst nach eingehender Prüfung der patentrechtlichen Situation
des Wirkstoffs Alendronsäure habe daher von ihr festgestellt werden können, dass ein beträchtliches Schadensersatzrisiko für
sie bestehe und dies zugleich auch einen Vergaberechtsverstoß (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A) darstelle. Daraufhin sei - unverzüglich - nach einer entsprechenden Bieterfrage das entsprechende Rügeschreiben an die AG
versandt worden.
Die von den AG eingeräumte Möglichkeit zur Bildung von Bietergemeinschaften erweise sich in der konkreten Ausgestaltung als
mittelstandsfeindlich. Die jeweiligen Mitglieder einer Bietergemeinschaft dürften für einen Wirkstoff nur ein Angebot eines
Mitglieds der Bietergemeinschaft abgeben. Es liege auf der Hand, dass ein pharmazeutisches Unternehmen regelmäßig nicht bereit
sei, angesichts des erheblichen Volumens der Ausschreibung und der damit verbundenen Marktbedeutung auf einzelne seiner Präparate
zu verzichten. Dadurch werde die Bildung einer Bietergemeinschaft entweder ganz ausgeschlossen oder doch erheblich erschwert,
was wiederum mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB und § 2 Nr. 2 VOL/A) nicht zu vereinbaren sei, insbesondere aber gegen § 7 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A verstoße.
Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der AS im Beschwerdeverfahren wird auf die Schriftsätze vom 22. Dezember 2008
und 15. Januar 2009 sowie die hierzu beigefügten Anlagen Bezug genommen.
Die AS hat zunächst u. a. folgende Anträge gestellt:
1. Die Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Karlsruhe vom 27.11.2008, 1 VK 52/08 - wird
aufgehoben.
2. a) Die Ausschreibung der Antragsgegnerinnen und Beschwerdegegnerinnen zum Abschluss von Rabattverträgen gem. §
130a Abs.
8 SGB V, bekannt gemacht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABl./S 154 207965-2008-DE vom 09.08.2008, korrigiert im Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaft ABl. EG 2008/S 175/232638 vom 10.09.2008 wird mit Ausnahme des Wirkstoffs Omeprazol aufgehoben.
Zugleich hat die AS beantragt,
gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.
Der Senat hat mit Beschluss vom 5. Januar 2009 folgende Entscheidung getroffen:
1. Auf den Antrag der Antragstellerin wird die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den
Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Karlsruhe, 1 VK 52/08, vom 27. November 2008 bis zum
Abschluss des Beschwerdeverfahrens angeordnet, soweit mit der sofortigen Beschwerde die Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer
und der Ausschreibung der Antragsgegnerinnen zum Abschluss von Rabattverträgen gemäß §
130a Abs.
8 SGB V bezüglich der Wirkstoffe Glimepirid, Alendronsäure, Metformin, Doxazosin, Furosemid, Roxithromycin, Tamsulosin, Nitrendipin,
Tramadol, Sertralin, Citalopram, Ciprofloxacin und Azathioprin, bekannt gemacht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
ABl./S 154 207965-2008-DE vom 09.08.2008, korrigiert im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ABl. EG 2008/S 175/232638
vom 10.09.2008 geltend gemacht wird.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde zurückgewiesen.
2. Termin zur mündlichen Verhandlung wird bestimmt auf Dienstag, den 20. Januar 2009, 13:30 Uhr, Saal 405, Landessozialgericht
Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart.
Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2009 hat die AS weiter vorgetragen und zum Umfang der Anfechtung ausgeführt, dass die sofortige
Beschwerde mit Rücksicht auf den Beschluss des Senats vom 5. Januar 2009 auf die Wirkstoffe Alendronsäure, Metformin, Doxazosin,
Furosemid, Roxithromycin, Tamsulosin, Nitrendipin, Tramadol, Sertralin, Citalopram, Ciprofloxacin und Azathioprin beschränkt
werde. Der Antrag zu Nr. 2. a) der sofortigen Beschwerde vom 22. Dezember 2008 werde daher nicht weiter aufrecht erhalten.
Im Übrigen werde an den gestellten Anträgen, wie sie mit der sofortigen Beschwerde gestellt worden seien, festgehalten.
Die AG haben sich zwar mit Schriftsatz vom 5. Januar 2009 (auch) zu dem Antrag der AS, die aufschiebende Wirkung der sofortigen
Beschwerde zu verlängern, geäußert. Allerdings hatte der Senat schon vor Eingang dieses Schriftsatzes (per Fax um 10:38) den
o. g. Beschluss gefasst und diesen auch bereits per Fax (laut Sendebericht um 10:05 bzw. 10:07) an die Beteiligten übermittelt.
In der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2009 hat die AS ihren Antrag wie folgt gefasst:
1. Die Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Karlsruhe vom 27.11.2008, 1 VK 52/08 - wird
abgeändert. 2. a) Die Ausschreibung der Antragsgegnerinnen und Beschwerdegegnerinnen zum Abschluss von Rabattverträgen gem.
§
130a Abs.
8 SGB V bezüglich der Wirkstoffe Alendronsäure, Metformin, Doxazosin, Furosemid, Roxithromycin, Tamsulosin, Nitrendipin, Tramadol,
Sertralin, Citalopram, Ciprofloxacin und Azathioprin, bekannt gemacht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABl./S
154 207965-2008-DE vom 09.08.2008, korrigiert im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ABl. EG 2008/S 175/232638 vom 10.09.2008
wird aufgehoben. b) Hilfsweise: Der Gegenstand, der von den Antragsgegnerinnen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
ABl./S 154 207965-2008-DE vom 09.08.2008 veröffentlichten Ausschreibung wird insoweit aufgehoben/abgeändert, als ausschließlich
solche Arzneimittel Vertragsgegenstand werden sollen, die zum 01.09.2008 in der sog. Lauer-Taxe geführt wurden. c) Weiter
hilfsweise: Die Ausschreibung der Antragsgegnerinnen zum Abschluss von Rabattverträgen gem. §
130a Abs.
8 SGB V wird hinsichtlich des Wirkstoffs Alendronsäure aufgehoben und d) äußerst hilfsweise: Der Zuschlag zu Gunsten des Wirkstoffes
"Alendronsäure" wird bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Patentes Alendronsäure ausgesetzt.
3. Weiter äußerst hilfsweise: Die Vergabekammer wird verpflichtet, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen
Gerichtes über die Sache erneut zu entscheiden. 4. Die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Antragstellerin
und Beschwerdeführerin wird für notwendig erklärt. 5. Die Beschwerdegegnerinnen tragen die Kosten des Verfahrens sowie die
notwendigen Auslagen als Gesamtschuldnerinnen.
Die AG beantragen,
1. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen, 2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich die für die zweckentsprechende
Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerinnen aufzuerlegen, 3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines anwaltlich
Bevollmächtigten durch die Antrags- und Beschwerdegegnerinnen notwendig war.
Die AG machen geltend, die - erstmals in der Beschwerdebegründung vorgetragenen - Beanstandungen angeblicher Kartellrechtsverstöße
der AG seien zum einen verspätet gerügt worden. In erster Instanz habe die AS hierzu nichts Einlassungsfähiges vorgetragen.
Die Rügen verfingen zum anderen auch aus weiteren prozessualen Gründen sowie in der Sache nicht. Das kartellrechtliche Vorbringen
der AS sei im vorliegenden Vergabenachprüfungsverfahren nicht zu prüfen. Eine derartige "Aufblähung" des Verfahrens wäre schon
mit dem gesetzlich verankerten Beschleunigungsgebot (§ 113 GWB) von vorneherein unvereinbar. Doch auch unabhängig davon könne die AS mit ihrem kartellrechtlichen Vorbringen im vorliegenden
Verfahren kein Gehör finden. Denn erstens stelle die Bildung einer Nachfragegemeinschaft durch die AG ein dem Vergabeverfahren
vorgelagertes Verhalten und keine "Handlung in einem Vergabeverfahren" im Sinne des § 104 Abs. 2 GWB dar, so dass schon der Rechtsweg nicht gegeben sei. Zweitens fehle der AS insoweit die Antragsbefugnis, da es sich bei den
als verletzt gerügten kartellrechtlichen Vorschriften nicht um "Bestimmungen über das Vergabeverfahren im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB" handele. Die AG berufen sich insoweit u. a. auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 10. April 2002 - Verg 6/02).
In der Sache verfange der kartellrechtliche Vortrag der AS schon angesichts seiner fehlenden Substantiiertheit nicht. Tatsächlich
verstießen die AG mit der gemeinsamen Ausschreibung der Rabattverträge gemäß §
130a Abs.
8 SGB V weder gegen das Kartellverbot des Art. 81 EGV, noch könne ihnen ein Missbrauch einer marktbeherrschenden oder marktmächtigen Stellung vorgeworfen werden, so dass auch
der Wettbewerbsgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB durch die vorliegend angegriffene Ausschreibung der Antragsgegnerinnen nicht verletzt werde. Der Anwendungsbereich der Regelungen
des EG-Kartellrechts sei vorliegend angesichts der eindeutigen Rechtsprechung des EuGH hierzu nicht eröffnet. Insbesondere
handelten die AG als gesetzliche Krankenkassen nach den klaren Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung hier nicht als Unternehmen
i. S. v. Art. 81, 82 EGV.
Die AG verletzten durch die gemeinsame Ausschreibung und den teilweisen gemeinsame Abschluss von Rabattverträgen gemäß §
130a Abs.
8 SGB V weder Art. 82 EGV noch §
69 S. 2
SGB V, §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 2 GWB analog. Weder sei vorliegend der Anwendungsbereich von Art. 82 EGV oder der §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 2 GWB analog eröffnet, noch sei das Verhalten der AG missbräuchlich. Die AG seien nicht marktbeherrschend i. S. d. §
69 Satz 2
SGB V, §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 GWB analog. Die von der AS zu Grunde gelegte sachliche und räumliche Marktabgrenzung sei unzutreffend, die entsprechende Marktanteilsbehauptung
("Vereinigung einer Nachfragekonzentration von 40 %" - S. 38 der Beschwerdebegründung) sei fehlerhaft. Denn die betreffenden
sachlichen Märkte seien als Nachfragemärkte aus Sicht der Anbieter, d.h. der Arzneimittelhersteller, zu definieren. Aus dieser
Perspektive bestehe gerade kein eigenständiger GKV-Nachfragemarkt. Es sei von einem einheitlichen Gesamtnachfragemarkt für
den jeweils einzelnen von der Ausschreibung betroffenen Wirkstoff auszugehen. Dieser Gesamtnachfragemarkt umfasse jeweils
die über Apotheken sowie die über die Krankenhäuser im stationären wie auch im ambulanten Bereich (im Rahmen des §
129a SGB V) an Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen, an Mitglieder der privaten Krankenversicherungen, an Selbstzahler
sowie an sonstige Abnehmer (z.B. öffentliche Stellen) abgegebenen Wirkstoff- bzw. Arzneimittelmengen.
Auch eine allein auf Deutschland beschränkte räumliche Marktabgrenzung sei unzutreffend. Sie entspreche nicht den tatsächlichen,
rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten im Arzneimittelsektor und insbesondere im Generikabereich. Der räumlich relevante
Markt erfasse das Gebiet, in dem das betroffene Unternehmen wirksamem Wettbewerb von Konkurrenten ausgesetzt sei, die Wettbewerbsbedingungen
hinreichend homogen seien und das sich insoweit von benachbarten Gebieten deutlich unterscheide. Die Bestimmung des räumlich
relevanten Marktes erfolge grundsätzlich, wie auch die Definition des sachlich relevanten Marktes, aus Sicht der Marktgegenseite.
Die betreffenden Märkte seien auch in räumlicher Hinsicht als Nachfragemärkte und somit aus Sicht der pharmazeutischen Unternehmer
zu definieren.
Bei ihrer Marktanteilsberechnung stelle die AS unzutreffend auf einen gemeinsamen Nachfragemarktanteil aller AG ab. Dies berücksichtige
nicht die Aufteilung der jeweiligen wirkstoffbezogenen Fachlose in fünf Gebietslose. Der maßgebliche Nachfragemarktanteil
der AG für einen Wirkstoff sei jeweils maximal nur der Marktanteil entsprechend des Nachfrageumfangs des betreffenden Gebietsloses
für den einzelnen Wirkstoff bezogen auf den EU-weiten Gesamtmarkt. Die Nachfrage der AG nach einem Wirkstoff erfolge nicht
gemeinsam mit allen übrigen Landes-AOKs, sondern ausschließlich getrennt nach Gebietslosen. Die Rabattverträge würden für
jeden Wirkstoff jeweils getrennt nach Gebietslosen geschlossen, Vertragspartner seien jeweils unterschiedliche Landes-AOKs.
Auch die Angebote der Arzneimittelhersteller erfolgten für jeden Wirkstoff jeweils spezifisch für das einzelne Gebietslos.
Die Angebote würden für jedes Gebietslos von den Arzneimittelherstellern einzeln kalkuliert. Sie würden von den Landes-AOKs
jeweils einzeln und getrennt bewertet und bezuschlagt. Eine - erfolgreiche - Teilnahme an der Ausschreibung sei möglich, wenn
ein Arzneimittelhersteller für einen Wirkstoff auf ein Gebietslos biete.
Die AG seien gegenüber der AS auch nicht marktstark i. S. v. § 20 Abs. 2 GWB analog. Die "Abhängigkeit" i. S. v. §
69 Abs.
2 Satz 1 1. Hs.
SGB V i.d.F. des GKVOrgWG, § 20 Abs. 2 GWB analog sei ebenfalls stets im Hinblick auf einen bestimmten Markt nachzuweisen, d.h. bezogen auf jeden einzelnen relevanten
Wirkstoffmarkt, und könne nicht pauschal behauptet werden. Dieser Anforderung genüge der Vortrag der AS nicht. Zudem könne
- im Rahmen einer Einzelmarktbetrachtung - vorliegend allein eine regionallosbezogene Betrachtung maßgeblich sein, die allein
auf den Gesamtabsatz der Antragstellerin mit den jeweiligen Rabattvertragspartnern pro Gebietslos (und Fachlos) abstelle.
Nur jeweils in Bezug auf die diesbezügliche Nachfrage werde eine Rabattvereinbarung getroffen. Auch hierzu trage die AS jedoch
in keiner Weise vor. Der AS stünden sowohl EU-weit als auch in Deutschland vielfältige andere Absatzmöglichkeiten offen, so
etwa an Versicherte anderer gesetzlicher Krankenkassen, privater Krankenversicherungen etc. Ferner blieben die Arzneimittel
der AS, wenn diese keinen Zuschlag für einen Arzneimittelrabattvertrag erhielten, für den betreffenden Wirkstoff auch für
die Versicherten der AG in vollem Umfang verordnungsfähig und erstattungsfähig. Die Steuerungswirkung der Arzneimittelrabattverträge
sei durch die ärztliche Therapiefreiheit von vornherein begrenzt.
Die gemeinsame Ausschreibung und der gemeinsame Abschluss der Rabattverträge durch die AG sei zudem - eine Anwendbarkeit von
§
69 Abs.
2 Satz 1 1. Hs.
SGB V i. d. F. des GKV-OrgWG, §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 2 GWB analog unterstellt - weder eine unbillige Behinderung, noch eine sachlich nicht gerechtfertigte Diskriminierung der AS. In
dem vorgesehenen Vertragsabschluss mit nur einem Rabattpartner je wirkstoffbezogenem Gebietslos als Ergebnis einer an vergaberechtlichen
Grundsätzen orientierten Ausschreibung liege keine Behinderung oder Diskriminierung. Ein Vertragsabschluss mit nur einem Vertragspartner
je Los sei typisches Ergebnis einer solchen Ausschreibung.
Schließlich sei die Möglichkeit der gemeinsamen Rabattvertragsausschreibung durch alle AOK vom Gesetzgeber ausdrücklich eröffnet,
wenn §
130a Abs.
8 SGB V bestimme, dass Krankenkassen oder ihre Verbände mit pharmazeutischen Unternehmern Rabatte für die zu ihren Lasten abgegebenen
Arzneimittel vereinbaren könnten. Es könne insoweit keinen Unterschied machen, ob nun der jeweilige Bundesverband für verschiedene
gesetzliche Krankenkassen handele oder die gesetzlichen Krankenkassen selbst gemeinsam aufträten. Festzuhalten bleibe, dass
gemäß §
130a Abs.
8 Satz 1
SGB V gemeinsame Rabattvertragsabschlüsse gesetzlicher Krankenkassen der ausdrücklichen Intention des Gesetzgebers entsprächen.
Daher schließe auch §
69 Abs.
1 Satz 1
SGB V i. d. F. des GKV-OrgWG grundsätzlich eine Anwendung des GWB, insbesondere § 1 GWB, auf Arzneimittelrabattverträge gemäß §
130a Abs.
8 SGB V aus.
Nicht nur mit ihrem kartellrechtlichen Vorbringen, sondern auch mit den vergaberechtlichen Beanstandungen sei die AS - abgesehen
von den Aspekten der fehlenden Loslimitierung und der Stichtagsregelung - gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert. Die Ausführungen der Vergabekammer seien zutreffend. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der AS, die Vergabekammer
habe den Inhalt ihres Rügeschreibens vom 27. August 2008 mutwillig in einzelne Aspekte zerlegt und inhaltlich verkehrt wiedergegeben,
überzeuge nicht. Die AS verkenne dabei den Sinn und Zweck des Rügeerfordernisses gemäß § 107 Abs. 3 GWB. Die Rüge solle, worauf die Vergabekammer zu Recht hingewiesen habe, den Auftraggeber in die Lage versetzen, den behaupteten
Vergaberechtsverstoß zu prüfen und gegebenenfalls abzustellen. Dazu sei es indes erforderlich, dass der Vergaberechtsbeschluss
so konkret bezeichnet und dargelegt werde, dass dem Auftraggeber eine Abhilfe überhaupt möglich sei. Die bloß pauschale und
undifferenzierte Behauptung einer allgemeinen "Mittelstandsfeindlichkeit" der Ausschreibung genüge diesen Anforderungen nicht.
Insbesondere bleibe es auch dabei, dass die erst durch Rügeschreiben vom 24. Oktober 2008 erfolgte Beanstandung der Auswahl
des Wirkstoffs Alendronsäure für die Ausschreibung verspätet gewesen sei. Denn angesichts der Tatsache, dass die AS spätestens
am 14. August 2008 Kenntnis von der (ersten) Vergabebekanntmachung gehabt habe und kurz danach im Besitz der Ausschreibungsunterlagen
gewesen sei, wäre es völlig praxisfern anzunehmen, ihr wäre erst Ende Oktober 2008 aufgefallen, dass auch Alendronsäure zu
den ausgeschriebenen Wirkstoffen gehöre und dass im Hinblick auf Alendronsäure eine Patentstreitigkeit mit dem Originator
schwele. Diese Annahmen habe die AS selbst widerlegt. Denn bereits in ihrem Schreiben vom 27. August 2008 (Seite 3 unten)
habe sie ausdrücklich gerügt, dass sie zum Wirkstoff Alendronsäure ein neues Produkt zur Listung in der Lauer-Taxe anmelden
möchte, mit diesem jedoch nicht an der Ausschreibung habe teilnehmen können. Zudem trage die AS im Rahmen der Beschwerdebegründung
(S. 40) selbst vor, bisher mit Rücksicht auf die nicht abschließend geklärte patentrechtliche Situation Produkte zum Wirkstoff
Alendronsäure lediglich in geringem Umfang zu vertreiben, um den Umfang etwaiger Schadensersatzansprüche des Originators möglichst
gering zu halten. Damit stehe fest, dass die Antragstellerin und Beschwerdeführerin spätestens im Zeitpunkt der Abfassung
des ersten Rügeschreibens vom 27. August 2008 Kenntnis von allen relevanten Umständen gehabt habe, auf welche sie ihre vergaberechtliche
Rüge hinsichtlich der Ausschreibung des Wirkstoffs Alendronsäure stütze.
In der sofortigen Beschwerde wende sich die AS - wenn man vom kartellrechtlichen Vortrag absehe - nur gegen die angeblich
mittelstands- und wettbewersbfeindliche Losbildung, die fehlende Loslimitierung, die sog. "Stichtagsregelung" sowie die Ausschreibung
von Rabattvereinbarungen auch für den Wirkstoff Alendronsäure (für den derzeit noch ein Wirkstoffpatent bestehe, das allerdings
offensichtlich derzeit von der Antragstellerin selbst nicht für durchsetzbar erachtet werde). Zu all diesen Punkten habe die
Vergabekammer Baden-Württemberg mit dem angegriffenen Beschluss in Würdigung der Argumente der AS - wesentlich neues Vorbringen
sei der Beschwerde nicht zu entnehmen - klar Stellung bezogen und ohne Rechtsfehler auf die Unbegründetheit der von der Antragstellerin
erhobenen Rügen erkannt.
Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der AG im Beschwerdeverfahren wird auf die Schriftsätze vom 5. Januar 2009,
15. Januar 2009 und 19. Januar 2009 sowie die hierzu beigefügten Anlagen Bezug genommen.
Die AS hat am 22. Januar 2009 mit Schriftsatz vom selben Tag die sofortige Beschwerde zurückgenommen, die AG haben dieser
Rücknahme mit Schriftsatz vom 22. Januar 2009 widersprochen; hierzu hat sich wiederum die AS mit Schriftsatz vom 23. Januar
2009 geäußert. Auch auf diese Schriftsätze wird Bezug genommen.
Der Senat hat mit zwei Beschlüssen vom 15. Januar 2008 die Beiladungsanträge der Firmen biomo pharma GmbH und corax pharma
GmbH abgelehnt. Die Beiladungsanträge und die Beschlüsse sind der AS nicht übersandt worden. Die beiden Firmen hatten in ihren
Anträgen an verschieden Stellen darauf hingewiesen, dass ihr Vortrag Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalte. Der Senat
hat den Beteiligten jedoch in der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2009 mitgeteilt, dass die Beiladungsanträge gestellt
und vom Senat abgelehnt worden sind. Mit weiterem Beschluss vom 23. Januar 2009 hat der Senat schließlich den Beiladungsantrag
der Firmen ALIUD PHARMA GmbH und STADApharm GmbH abgelehnt.
Die Akten der Vergabekammer und die von den AG geführten Vergabeakten (§ 110 Abs. 2 Satz 1 GWB) liegen dem Senat vor.
II. Der Senat hat über die Beschwerde sachlich zu entscheiden, obwohl die AS mit Schriftsatz vom 22. Januar 2009 - nach der
mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2009 und nach der dortigen Stellung der Anträge zur Hauptsache - erklärt hat, sie nehme
ihre sofortige Beschwerde zurück. Denn die AG (und zugleich Beschwerdegegnerinnen) haben ebenfalls noch mit Schriftsatz vom
22. Januar 2009 erklärt, dass sie der Beschwerderücknahme nicht zustimmen.
Für die Rücknahme der sofortigen Beschwerde findet sich in den Vorschriften des GWB (Vierter Teil, §§ 116 ff.) über das Vergabenachprüfungsverfahren keine spezielle Regelung und auch in § 120 Abs. 2 GWB, auf den § 142a Abs. 1
SGG verweist, keine ausdrückliche Verweisung. Der Senat sieht darin eine planwidrige, durch Analogie zu anderen Verfahrensvorschriften
zu schließende Gesetzeslücke, weil die Regelung in §
102 SGG über die Klagerücknahme jedenfalls keine direkte Anwendung finden kann. Denn die sofortige Beschwerde ist keine Klage, sondern
ein Rechtsbehelf eigener Art. Der erkennende Senat ist mit dem OLG Düsseldorf der Auffassung, dass diese Gesetzeslücke sachgerecht
mit der Methode der Analogie zu vergleichbaren Rechtsregeln geschlossen werden muss. Hierzu bietet sich entweder an, auf die
Rechtslage im Kartellverwaltungsverfahren zurückzugreifen, weil der Instanzenzug und die Art des Hauptrechtsmittels im Vergabenachprüfungsverfahren
in Anlehnung an das Kartellverwaltungsverfahren - zudem ebenfalls im GWB - gesetzlich geregelt worden sind. Oder aber man wendet für die Schließung der zahlreichen Lücken der §§ 116 ff. GWB die entsprechenden Vorschriften der
VwGO wegen ihrer Sachnähe an (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. August 2001, Verg 27/01, zit. nach juris). Für die letztgenannte methodische Alternative spricht, dass der Beschluss der Vergabekammer ein Verwaltungsakt
ist, über dessen Rechtmäßigkeit mit dem Landessozialgericht ein besonderes Verwaltungsgericht entscheidet.
Der Senat hält allerdings die Anwendung des §
269 Abs.
1 ZPO für geboten. Dies bedeutet, dass die sofortige Beschwerde nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung wirksam nur noch mit
Zustimmung der Beschwerdegegnerinnen zurückgenommen werden kann. Die Anwendung dieser Bestimmung folgt aus §
202 SGG, der vorsieht, dass die
ZPO entsprechend anzuwenden ist, wenn dass
SGG keine Bestimmungen über das Verfahren enthält. Da die Rücknahme der sofortigen Beschwerde im
SGG - wie dargelegt - nicht geregelt ist, ist der Anwendungsbereich des §
202 SGG eröffnet. Dem steht nicht entgegen, dass eine Anwendung der
ZPO nach §
202 SGG nicht erfolgen darf, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten (Sozialgerichtsprozes einerseits, Zivilprozess
andererseits) dies ausschließen. Denn mit "Verfahrensarten" sind hier die Klage-, Berufungs- und Beschwerdeverfahren gemeint,
die im
SGG geregelt sind. Für das Verfahren der sofortigen Beschwerde verweist das
SGG aber in § 142a Abs. 1
SGG auf die Vorschriften des GWB. Das Verfahren der sofortigen Beschwerde ist also im
SGG gerade nicht geregelt. Eine analoge Anwendung von §
516 ZPO (dafür Summa in jurisPK-VergR, 2. Aufl. 2008, § 116 GWB RdNr. 55) scheidet aus, da die sofortige Beschwerde keine Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung ist, sondern
ein Rechtsbehelf sui generis gegen einen Verwaltungsakt und daher einer Klage eher vergleichbar ist als einer Berufung.
Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht vom Beschluss des OLG Naumburg vom 17. August 2007 (Verg 5/07, zit. nach juris) ab, das eine Anwendung von §
269 Abs.
1 ZPO abgelehnt hat, da er sich - anders als die Vergabesenate der OLG - auf die Regelung in §
202 SGG berufen kann. Im Übrigen lässt sich dem Beschluss des BGH vom 25. Oktober 2005 (X ZB 15/05 zit. nach juris), auf den sich das OLG Naumburg beruft, nicht entnehmen, dass der BGH eine Rücknahme der sofortigen Beschwerde
nach Beginn der mündlichen Verhandlung auch ohne Zustimmung der Gegenseite für zulässig erachtet. Mit der Vorlage an den BGH
tritt dieser an die Stelle des Vergabesenates, so dass nicht mehr auf eine mündliche Verhandlung beim Vergabesenat des OLG
abzustellen ist.
Der Senat kann über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 142a
SGG i.V.m. § 120 Abs. 2 GWB und §
69 Abs.
1 Hs. 2 der
Zivilprozessordnung). In der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2009, die vertagt worden ist, um der AS bis 22. Januar 2009 Gelegenheit zur
Stellungnahme zu dem von den AG am 19. Januar 2009 eingereichten Schriftsatz zu geben, haben sich die Beteiligten damit einverstanden
erklärt, dass der Senat nach Eingang des von der AS angekündigten Schriftsatzes bzw. nach dem 22. Januar 2009 ohne weitere
mündliche Verhandlung entscheiden kann. Die AG haben auf das Recht, sich zu dem angekündigten Schriftsatz der AS zu äußern,
verzichtet.
Die sofortige Beschwerde der AS ist zulässig, aber unbegründet. Die Vergabekammer Baden-Württemberg hat den Antrag des AS
auf Nachprüfung des Vergabeverfahrens zu Recht abgelehnt.
1. Rechtsweg
Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde der AS ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet, zuständiges Gericht
ist das LSG Baden-Württemberg. Dies folgt aus den mit Wirkung ab 18. Dezember 2008 durch Art. 2b, Art. 7 Abs. 5 des Gesetzes
zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG, BGBl I S. 2426) eingeführten
§
29 Abs.
5 und § 142a
SGG. Danach entscheidet in Streitigkeiten über Entscheidungen von Vergabekammern, die Rechtsbeziehungen nach §
69 SGB V betreffen, ausschließlich das für den Sitz der Vergabekammer zuständige Landessozialgericht (§
29 Abs.
5 Satz 1
SGG). Dabei sind §
115 Abs.
2 Satz 2 bis 5, § 116 Abs. 1 und 2, die §§ 117 bis 123 sowie die §§ 125 und 126 GWB entsprechend anzuwenden.
2. Streitgegenstand
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Beschluss (Bescheid) der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 27. November
2008, soweit er die von den AG vorgenommene Ausschreibung der Wirkstoffe Alendronsäure, Metformin, Doxazosin, Furosemid, Roxithromycin,
Tamsulosin, Nitrendipin, Tramadol, Sertralin, Citalopram, Ciprofloxacin und Azathioprin betrifft. Die AS hat bereits im Schriftsatz
vom 15. Januar 2009 und in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2009 ihre sofortige Beschwerde ausdrücklich auf die genannten
Wirkstoffe beschränkt.
3. Beteiligte
Beteiligte des Beschwerdeverfahrens sind die AS und die AG. Im Nachprüfungsverfahren sind durch die Vergabekammer keine Beiladungen
erfolgt. Im Beschwerdeverfahren sind vier Beiladungsanträge von Unternehmen, die ebenfalls mit der Abgabe von Angeboten an
der Ausschreibung teilgenommen haben, gestellt worden. Diese Beiladungsanträge sind vom Senat mit zwei Beschlüssen vom 15.
Januar 2009 und 23. Januar 2009 abgelehnt worden; von Amts wegen sind keine Beiladungen vorgenommen worden. Ungeachtet der
Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Beschwerdesenat erstmals eine Beiladung Dritter im Beschwerdeverfahren vornehmen
kann, sieht der Senat für Beiladungen in Verfahren der vorliegenden Art keine Notwendigkeit, und zwar unabhängig davon, ob
Beiladungsanträge gestellt werden oder nicht.
Die Notwendigkeit einer Beiladung zum vorliegenden Beschwerdeverfahren beurteilt sich nach den §§ 119, 109 GWB, nicht nach §
75 SGG. Dies folgt aus § 119 GWB, der nach § 142a Abs. 1
SGG entsprechend anzuwenden ist und der vorschreibt, dass an dem Verfahren vor dem Beschwerdegericht die an dem Verfahren vor
der Vergabekammer Beteiligten beteiligt sind. Damit wird der Kreis der am Beschwerdeverfahren Beteiligten abweichend von §
69 SGG bestimmt. Im sozialgerichtlichen Verfahren muss die Beiladung durch das Gericht ausgesprochen worden sein. Die Hinzuziehung
eines Dritten durch die Verwaltung nach § 12 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) macht diesen noch nicht zu einem am Sozialgerichtsprozess Beteiligten. Daraus folgt, dass sich nicht nur die Frage, wer
Beteiligter des Beschwerdeverfahrens ist, sondern auch die Frage, wie die Rechtsstellung als Beteiligter erlangt werden kann,
nach den Vorschriften des GWB beurteilt.
Im Beschwerdeverfahren eines Vergabenachprüfungsverfahrens ist das angerufene Gericht - über den Wortlaut der §§ 109, 119 GWB hinaus - berechtigt, erstmalig im Beschwerdeverfahren die Beiladung Dritter anzuordnen, wenn nur so das rechtliche Gehör
Dritter in dem Nachprüfungsverfahren sichergestellt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Februar 2007, VII-Verg 2/07; Beschluss vom 13. November 2000, Verg 14/00, WuW/E Verg 402; Beschluss vom 26. Juni 2006, Verg 24/02; OLG Rostock, Beschluss vom 20. September 2000, 17 W 12/00; OLG Naumburg, Beschluss vom 9. Dezember 2004, 1 Verg 21/04, jeweils zit. nach juris). Die Regelung in § 119 GWB soll die Kontinuität der Beteiligten am Verfahren sichern, d. h. bewirken, dass eine nochmalige Beiladung im Verfahren vor
dem Beschwerdegericht nicht erforderlich ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 17. Juni 2003, 1 Verg 9/03, zit. nach juris). Eine Beiladung durch das Beschwerdegericht kommt daher in Betracht, wenn ein Unternehmen zu Unrecht nicht
am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt worden ist (Summa in jurisPK-VergR, § 119 GWB RdNr. 6), ein Bieter durch die Entscheidung der Vergabekammer erstmalig beschwert wird oder die Möglichkeit besteht, dass
er durch die Beschwerdeentscheidung materiell beschwert wird (Summa in jurisPK-VergR, § 119 GWB RdNr. 7; OLG Naumburg, Beschluss vom 17. Juni 2003, 1 Verg 9/03, zit. nach juris). Für die Entscheidung über die Beiladung im Beschwerdeverfahren gelten grundsätzlich dieselben Maßstäbe
wie im Verfahren vor der Vergabekammer (Summa in jurisPK-VergR, § 119 GWB RdNr. 8). Entscheidend ist daher, ob die Interessen eines Bieters i. S. v. § 109 GWB schwerwiegend berührt sind.
Dies ist für Beschwerdeverfahren, in denen - wie hier - die Aufhebung einer Ausschreibung von Rabattverträgen nach §
130a Abs.
8 SGB V für bestimmte Wirkstoffe geltend gemacht wird, aufgrund der bei der Arzneimittelversorgung von Versicherten der gesetzlichen
Krankenkassen bestehenden Besonderheiten regelmäßig zu verneinen. Bei der ambulanten Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten
bieten die pharmazeutischen Unternehmer Waren (Arzneimittel) zu einem von ihnen festgelegten Preis an, der (abgesehen von
Arzneimitteln, für die Festbeträge gelten) letztlich von den Krankenkassen bezahlt werden muss, wenn Dritte (Vertragsärzte)
die Versorgung der Versicherten mit diesen Waren für notwendig erachten. Denn bei der Auslieferung von Arzneimitteln an Versicherte
der gesetzlichen Krankenkasse kommt ein Kaufvertrag zwischen der Krankenkasse und dem Apotheker zustande, der die Krankenkassen
zur Zahlung des Preises (bzw. des Festpreises) abzüglich etwaiger vom Versicherten zu tragenden Zuzahlungen oder Verordnungsgebühren
verpflichtet (BSG, Urteil vom 3. August 2006, B 3 KR 6/06 R SozR 4-2500 § 129 Nr. 2). Bei dem Vertragsabschluss agieren dabei auf Seiten der Krankenkasse nur der Vertragsarzt bei der
Ausstellung der Arzneimittelverordnung (als Vertreter der Krankenkasse) und der Versicherte (ebenfalls als Vertreter bei der
Auswahl der Apotheke, im Übrigen als Bote). Aufgrund der dadurch bestehenden Aussicht der Arzneimittelhersteller, Abnehmer
für ihre Waren zu erhalten, unterscheidet sich die vergaberechtliche Ausgangssituation bei der Ausschreibung von Rabattverträgen
nach §
130a Abs.
8 SGB V deutlich von anderen Beschaffungsvorgängen öffentlicher Auftraggeber. Während bei anderen Aufträgen der öffentlichen Hand
Leistungen von Unternehmen nur erbracht und vergütet werden können, wenn nach einer Ausschreibung ein Zuschlag erteilt wird,
können die Arzneimittelhersteller jedenfalls Arzneien mit Wirkstoffen, für die kein Rabattvertrag besteht, im Rahmen der ambulanten
Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen an die Krankenkassen veräußern, ohne dass sie in einem Vergabeverfahren
einen Zuschlag erhalten haben. Eine Aufhebung der Ausschreibung von Rabattverträgen führt daher zwar für denjenigen Bieter,
der die besten Aussichten auf den Zuschlag hat, insofern zu einem Nachteil, als er die mit einer Zuschlagserteilung verbundenen
Vorteile nicht in Anspruch nehmen kann. Der Nachteil wird aber dadurch abgemildert, dass er trotz der Aufhebung der Ausschreibung
weiterhin Arzneimittel zu Lasten der Krankenkassen abgeben kann und dies - da ein Rabattvertrag gerade nicht zustande kommt
- ohne Nachlass auf den bisherigen Preis. Wie die Notwendigkeit der Beiladung eines bislang nicht beteiligten Bieters zu beurteilen
ist, wenn das Beschwerdeverfahren nicht mit dem Ziel der Aufhebung einer Ausschreibung betrieben wird, bedarf hier keiner
Entscheidung.
4. Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde
Nach § 116 Abs. 1 und 2 GWB ist gegen Entscheidungen der Vergabekammer die sofortige Beschwerde zulässig. Sie steht den am Verfahren vor der Vergabekammer
Beteiligten zu. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung
beginnt, schriftlich bei dem Beschwerdegericht einzulegen, sie ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen und muss durch
einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der
Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 GWB). Diese formalen Voraussetzungen sind erfüllt. Die Entscheidung der Vergabekammer ist der AS am 8. Dezember 2008 zugestellt
worden, sodass die am 22. Dezember 2008 beim LSG eingegangene Beschwerde fristgerecht eingelegt worden ist. Die AS wird durch
die Entscheidung der Vergabekammer auch beschwert.
5. Begründetheit der sofortigen Beschwerde
5.1. Anwendung des GWB
Die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens war statthaft. Für die Zeit bis zum Inkrafttreten des GKV-OrgWG am 18. Dezember
2008 folgt dies aus einer richtlinienkonformen Auslegung des bis dahin geltenden §
69 SGB V. Für die Zeit danach schreibt die ab 18. Dezember 2008 geltende Fassung des §
69 Abs.
2 Satz 1 Hs. 2
SGB V (Art. 1 Nr. 1e, Art. 7 Abs. 5 GKV-OrgWG) die Anwendung der §§ 97 bis 115 und 128 GWB ausdrücklich vor. Eine wesentliche Änderung hat sich dadurch nicht ergeben. Denn sowohl nach europäischem als auch nach dem
ab 18. Dezember 2008 geltenden nationalen Kartellrecht hängt die Notwendigkeit einer Ausschreibung und mithin die Zulässigkeit
eines Nachprüfungsverfahrens davon ab, ob die AG als öffentliche Auftraggeber zu betrachten und die Rabattverträge als öffentliche
Lieferaufträge zu werten sind.
5.2. AG als öffentliche Auftraggeber
Öffentlicher Auftraggeber i. S. der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über
die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. EG
vom 30. April 2004 L 134 S. 114) ist jede Einrichtung, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse
liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, Rechtspersönlichkeit besitzt und überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften
oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch
Letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat,
von den Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind. Diese Begriffsbestimmung
entspricht im Wesentlichen derjenigen in § 98 Nr. 2 GWB. Der Zweck der Richtlinie 2004/18/EG besteht darin, die Gefahr einer Bevorzugung einheimischer Bieter oder Bewerber bei der
Auftragsvergabe durch öffentliche Auftraggeber auszuschalten und zugleich die Möglichkeit auszuschließen, dass eine vom Staat
finanzierte oder kontrollierte Stelle sich von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt (EuGH, Urteile vom 13.
Dezember 2007, C-337/06 und 3. Oktober 2004, C-380/98, jeweils zit. nach juris). Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers ist funktionell zu verstehen. Eine staatliche Finanzierung
ist anzunehmen, wenn vom Bürger ein Entgelt (Gebühr, Beitrag) verlangt wird, dessen Voraussetzungen und Höhe auf einer gesetzlichen
Regelung beruhen und das im Wege hoheitlichen Handelns eingezogen wird, für das er aber keine spezifische Gegenleistung erhält
(vgl. EuGH aaO.).
Die AG sind danach als öffentliche Auftraggeber iSd § 98 Nr. 2 GWB anzusehen. Dies beruht aber - entgegen der vom OLG Düsseldorf (Beschluss vom 19. Dezember 2007, NZBau 2008, 194) vertretenen Ansicht - nicht auf einer überwiegenden Finanzierung durch den Bund. Dem steht bereits §
220 Abs.
1 Satz 1
SGB V entgegen, wonach die Mittel der Krankenversicherung durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht werden. Der Bund beteiligt
sich nach §
221 Abs.
1 Satz 1
SGB V nur in Form einer pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistung an dieser Finanzierung.
Von einer Finanzierung durch den Bund kann daher bereits nach dem klaren Wortlaut des
SGB V nicht gesprochen werden. Weiter erhalten sowohl die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten als auch
die Pflichtversicherten für ihre Beiträge eine spezifische Gegenleistung in Form eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes
(Frenz, NZS 2007, 233, 236). Anders als bei der Rundfunkgebühr, bei der die Gebührenpflicht allein dadurch entsteht, dass ein Empfangsgerät bereitgehalten
wird und die Gebühr keine Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme der von den fraglichen Einrichtungen erbrachten
Dienstleistungen darstellt (EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2007, C-337/06, zit. nach juris), erwerben die gesetzlich Krankenversicherten einen Schutz gegen das Risiko einer Krankheit. Die Gegenleistung
besteht nicht in der Gewährung bestimmter Dienst-, Sach- oder Geldleistungen, sondern wie bei jeder anderen Risikoversicherung
in der Abdeckung eines bestimmten versicherten Risikos und wird deshalb auch dann erbracht, wenn ein Versicherungsfall gar
nicht eintritt. Der Umstand, dass die Beitragserhebung bei den Pflichtversicherten nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung
der Versicherten mit den Krankenkassen beruht, sondern auf einer gesetzlichen Regelung, zwingt nicht dazu, eine staatliche
Finanzierung anzunehmen. So ist z.B. ein bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen gegen Krankheit Versicherter verpflichtet,
eine private Pflegeversicherung abzuschließen (§§
1 Abs.
2 Satz 2,
23 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung -
SGB XI), wobei der Gesetzgeber zudem noch bestimmte Versicherungsbedingungen vorgegeben hat (§
110 SGB XI), ohne dass das private Versicherungsunternehmen dadurch zu einem öffentlichen Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 2 GWB wird.
An dieser im Beschluss vom 28. Oktober 2008 dargelegten Rechtsauffassung hält der Senat auch in Kenntnis des Schlussantrages
des Generalanwalts beim EuGH vom 16. Dezember 2008 in der Rechtssache C-300/07 fest. Der Generalanwalt führt darin aus, dass die von den deutschen Krankenkassen erbrachten Gesundheitsdienstleistungen
keine "spezifische Gegenleistung" für die gezahlten Versicherungsbeiträge im Sinn der Rechtssprechung des EuGH seien, weil
die Pflicht zur tatsächlichen Leistungserbringung von der Zahlung der Versicherungsbeiträge unabhängig sei. Dieser Auffassung
vermag sich der Senat - zumindest derzeit - nicht anzuschließen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 18. Juli
2005, 2 BvF 2/01, zit. nach juris) zeichnen sich Sozialversicherungsbeiträge durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete
Zweckbindung aus. Die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft
in der gesetzlichen Krankenversicherung vermöge die Auferlegung nur solcher Geldleistungspflichten zu rechtfertigen, die ihren
Grund und ihre Grenze in den Aufgaben der Sozialversicherung finden. Die erhobenen Geldmittel dürfen daher allein zur Finanzierung
der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden. Zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner
Glieder stehen sie nicht zur Verfügung. Dementsprechend sieht das
SGB V ausdrücklich vor, dass die Beiträge der Versicherten der Finanzierung der Leistungen und sonstigen Ausgaben der Krankenkassen
dienen. Die Beiträge sind so zu bemessen, dass sie die vorgesehenen Ausgaben decken. Zu hohe Beiträge sind zwingend zu verringern,
zu niedrige zu erhöhen (vgl. §
220 Abs.
2 SGB V). Daraus ergibt sich, dass in rechtstatsächlicher Hinsicht die von den AG gewährten Leistungen eine Gegenleistung für die
gezahlten Beiträge darstellen.
Die AG können aber als staatlich kontrollierte Einrichtung betrachtet werden. Sie unterliegen sowohl einer nachträglichen
Rechtsaufsicht (§§
87 ff. Viertes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB IV) als auch einer präventiven Aufsicht (z.B. §
34 SGB IV). Die staatliche Regelungsdichte ist derart hoch, dass den Sozialversicherungsträgern eine eigenverantwortliche Gestaltung
des Satzungs-, Organisations-, Beitrags- und Leistungsrechts weitgehend verwehrt ist (BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 2004,
2 BvR 1248/03, 2 BvR 1249/03, zit. nach juris). Aufgrund der besonderen staatlichen Aufsicht sind die AG öffentlicher Auftraggeber i. S. der Richtlinie
2004/18 EG bzw. § 98 Nr. 2 GWB (vgl. Bloch/Pruns, SGb 2007, 645, 647; Frenz, NZS 2007, 233, 236 m.w.N.; a.A. BayObLG, NVwZ 2005, 117, 118 ff.).
5.3. öffentlicher Lieferauftrag
Öffentliche Lieferaufträge sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern (z.B. pharmazeutischen Unternehmern) und
einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge, die den Kauf, das Leasing,
die Miete, die Pacht oder den Ratenkauf, mit oder ohne Kaufoption, von Waren (z.B. Arzneimitteln) betreffen (Art. 1 Abs. 2
Buchst. c) der Richtlinie 2004/18 EG). Dazu zählen Rabattverträge nach §
130a Abs.
8 SGB V grundsätzlich nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 28. Oktober 2008 aaO.). Etwas anderes gilt allerdings auch nach Ansicht
des Senats, wenn der Rabattvertrag - wie hier - eine Bestimmung enthält, nach der die Krankenkasse verpflichtet ist, keine
weiteren Rabattverträge mit anderen pharmazeutischen Unternehmen abzuschließen, die vergleichbare Arzneimittel anbieten (Zusicherung
von Exklusivität). In einem solchen Fall führt der Rabattvertrag i. V. m. der Ersetzungsverpflichtung des Apothekers nach
§
129 Abs.
1 Satz 3
SGB V tatsächlich zu einem Wettbewerbsvorteil, den der Auftraggeber dem Unternehmen einräumt, um einen möglichst hohen Rabatt zu
erzielen. Insoweit kann der Rabattvertrag als öffentlicher Auftrag in Form einer Rahmenvereinbarung zu werten sein. Nach Abschnitt
2 § 3a Nr. 4 Satz 1 der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) Teil A, Ausgabe 2006 vom 6. April 2006 (Bundesanzeiger vom
30. Mai 2006 S. 1 ff.) sind auch Rahmenvereinbarungen, die die Auftraggeber an ein oder mehrere Unternehmen vergeben können,
um die Bedingungen für Einzelaufträge, die während eines bestimmten Zeitraumes vergeben werden sollen, festzulegen, öffentliche
Aufträge. Die hier ausgeschriebenen Rabattverträge sind öffentliche Lieferaufträge, weil sich die AG darin verpflichten, für
die Vertragslaufzeit zu den Wirkstoffen, für die die Vereinbarung geschlossen wird, keine Rabattverträge außerhalb dieser
Ausschreibung zu schließen und bestehende Vereinbarungen mit Wirkung zum Beginn der Vertragslaufzeit zu beenden oder anderweitig
sicherzustellen, dass bestehende Vereinbarungen gemäß §
130a Abs.
8 SGB V während der Vertragslaufzeit nicht für diese Wirkstoffe gelten (§
7 Abs. 1 des Rabattvertrages, Bl. 85 der LSG-Akte).
5.4. Zuständigkeit der Vergabekammer Baden-Württemberg
Die Zuständigkeit der Vergabekammer Baden-Württemberg ist gegeben. Nach der vom Senat vertretenen Auffassung sind die AG nur
deshalb öffentliche Auftraggeber i.S. des § 98 Nr. 2 GWB, weil sie von den Ländern beaufsichtigt werden. Da alle 15 AG landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts sind,
die der Aufsicht der nach Landesrecht zuständigen Behörden unterliegen, und zwar auch diejenigen, deren Zuständigkeitsbereich
sich über das Gebiet eines Landes hinaus (vgl. §
90 Abs.
1 und
2 SGB IV) erstreckt (AOK Rheinland/Hamburg, AOK PLUS, Die Gesundheitskasse für Thüringen und Sachsen, AOK Westfalen-Lippe), stellt
sich nur die Frage, welche Vergabekammer zuständig ist, wenn mehrere Auftraggeber beteiligt sind, die jeweils anderen Ländern
zuzuordnen sind. Insoweit geht der Senat in Übereinstimmung mit dem OLG Düsseldorf (Beschluss vom 19. Dezember 2007, VII-Verg 51/07, NZBau 2008, 73) davon aus, dass § 18 Abs. 7 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) kein Kriterium für eine Abgrenzung in diesen Fällen enthält. Auch ist die Frage einer zuständigkeitsbedingten Verweisung
zwischen den Vergabekammern des Bundes und der Länder gesetzlich nicht geregelt (Thüringer OLG, Beschluss vom 16. September
2007, 9 Verg 4/07, zit. nach juris). Auf jeden Fall ist aber eine Zuständigkeit der Vergabekammer Baden-Württemberg gegeben, entweder weil
die AOK Baden-Württemberg die Ausschreibung federführend durchführt, oder weil eine Bindung an den Verweisungsbeschluss der
Vergabekammer des Bundes besteht (eine solche Bindungswirkung bejahend Thüringer OLG aaO.), oder weil im Falle gemeinsamer
Ausschreibung durch in verschiedenen Bundesländern ansässige Auftraggeber grundsätzlich die Vergabekammer eines jeden in Frage
kommenden Landes zuständig ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 5. September 2002, 1 Verg 2/02, NZBau 2002, 699, zit. nach juris) und es deshalb darauf ankommt, wo der Antragsteller seinen Antrag einreicht (so OLG Düsseldorf, Beschluss
vom 19. Dezember 2007, VII-Verg 50/07, zit. nach juris). Ist - wie hier - die zuerst angegangene Vergabekammer des Bundes unzuständig, wäre danach die Vergabekammer
zuständig, an die das Verfahren auf Antrag der AS abgeben worden ist.
5.5. Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB)
Der AS steht eine Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB für die Wirkstoffe, die noch Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, zu. Antragsbefugt ist nach Abs. 2 Satz 1 der
genannten Vorschrift jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Das Interesse der AS am Auftrag (Abschluss eines Rabattvertrages)
kann sich nur auf diejenigen der ausgeschriebenen Wirkstoffe beziehen, die von der AS auch hergestellt werden. Außerdem muss
sie geltend machen können, dass sie sich mit diesen Wirkstoffen am Vergabeverfahren beteiligt hätte. Antragsteller eines Nachprüfungsverfahrens
kann lediglich der (potentielle) Auftragnehmer sein. Demgemäß kann einen Nachprüfungsantrag nur derjenige stellen, der darlegt,
er habe oder hätte sich bei ordnungsgemäßer Vergabe um den fraglichen Auftrag beworben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.
Mai 2008, VII-Verg 27/08, zit. nach juris). Die AS hat sich mit den Wirkstoffen Alendronsäure, Metformin, Doxazosin, Furosemid, Roxithromycin, Tamsulosin,
Nitrendipin, Tramadol, Sertralin, Citalopram, Ciprofloxacin, Azathioprin an der Ausschreibung beteiligt.
5.6. Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB)
Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im
Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Dabei muss eine Kenntnis des Antragstellers
nachgewiesen sein (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Juli 2007, 11 Verg 5/07, zit. nach juris).
Die Rüge der AS, hinsichtlich der Ausschreibung des Wirkstoffs Alendronsäure werde dem Bieter ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet
für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss habe und deren Einwirkung auf Preise und Fristen er nicht im Voraus
schätzen könne (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A), ist im Nachprüfungsverfahren verspätet erhoben worden. Die AS ist deshalb mit dieser Rüge auch im Beschwerdeverfahren präkludiert.
Die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses wird von der AS damit begründet, dass bezüglich dieses Wirkstoffs eine offene
Patentstreitigkeit bestehe. Im Falle des Zuschlages würde sich deshalb das Schadensersatzrisiko gegenüber dem Patentinhaber
signifikant erhöhen, weil davon auszugehen sei, dass der erfolgreiche Bieter erhebliche Umsatz- und Gewinnzuwächse zu erwarten
habe.
Die AS hat nicht geltend gemacht, dass sie von dem schwelenden Patentstreit mit dem Originator in Bezug auf den Wirkstoff
Alendronsäure erst nach der Bekanntmachung der Ausschreibung erfahren hat. Im Gegenteil: Sie hat ausgeführt, es sei durchaus
üblich, in vergleichbaren Situationen bis zur rechtskräftigen Klärung einer offenen Patentstreitigkeit entsprechende Präparate
gar nicht oder nur in geringem Umfang in den Verkehr zu bringen, um kein oder nur ein geringes Schadensersatzrisiko gegenüber
dem Originator einzugehen. Daraus lässt sich nur der Schluss ziehen, dass die Anmeldung von Arzneimitteln mit diesem Wirkstoff
zur Lauer-Taxe durch die AS in Kenntnis der Patentproblematik erfolgt ist. Auch aus den Verdingungsunterlagen der AG ergeben
sich diesbezüglich keine zusätzlichen Erkenntnisse. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass der AS das Bestehen von Patentstreitigkeiten
in Bezug auf den Wirkstoff Alendronsäure bereits zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Ausschreibung im Europäischen Amtsblatt
bekannt war. Dies hat die AS in der mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2009 auch nicht in Abrede gestellt. Ein pharmazeutischer
Unternehmer, der in der Ausschreibung eines Wirkstoffes, welcher Gegenstand offener Patentstreitigkeiten ist, einen Vergabeverstoß
sieht, und dem die Patentstreitigkeiten bekannt sind, erlangt mit der Bekanntmachung der Ausschreibung auch Kenntnis von dem
seiner Meinung bestehenden Vergabeverstoß. Die AS war daher verpflichtet, diesen Verstoß unverzüglich zu rügen. Dies ist nicht
geschehen.
So hat die AS zunächst ausgeführt, sie habe mit Blick auf die von den AG erst im Vergabeverfahren festgelegte Regelung zum
Wirkstoff Olanzapin im Rahmen einer Bieteranfrage vom 24. Oktober 2008 um eine Bestätigung gebeten, dass auch hinsichtlich
des Wirkstoffs Alendronsäure u. a. eine Aussetzung der Zuschlagserteilung erfolgen werde. Dies hätten die AG bereits aus Gründen
der Gleichbehandlung akzeptieren müssen. Erst nachdem die AG diese Anfrage verneint hatten, habe sie wenige Tage später -
mithin ohne schuldhaftes Zögern - die vergaberechtliche Rüge ausgesprochen (Schriftsatz vom 22. Dezember 2008). Später hat
sie ausgeführt, im vorliegenden Fall habe sie ihren Prozessbevollmächtigter erstmals mit E-Mail vom 21. Oktober 2008 darüber
informiert, dass hinsichtlich des Wirkstoffs Alendronsäure eine patentrechtliche Auseinandersetzung existiere; genauere Informationen
dazu habe sie ihrem Prozessbevollmächtigten erst am 23. Oktober 2008 bekannt gegeben. Erst nach eingehender Prüfung der patentrechtlichen
Situation des Wirkstoffs Alendronsäure habe daher von ihr festgestellt werden können, dass ein beträchtliches Schadensersatzrisiko
für sie bestehe und dies zugleich auch einen Vergaberechtsverstoß (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A) darstelle. Daraufhin sei - unverzüglich - nach einer entsprechenden Bieterfrage das entsprechende Rügeschreiben an die AG
versandt worden (Schriftsatz vom 15. Januar 2009) worden.
Mit diesen Ausführungen lässt sich nicht begründen, dass der geltend gemachte Vergabeverstoß unverzüglich gerügt worden sei.
Zum einen ist für die Kenntnis des Vergabeverstoßes nicht auf das Wissen des Prozessbevollmächtigten abzustellen, sondern
auf dasjenige des Bieters. Zum anderen ist der Umgang mit der patentrechtlichen Problematik bei Arzneimitteln für einen Hersteller
von Generika derart existentiell, dass es nicht einer zusätzlichen anwaltlichen Beratung bedarf, um zu wissen, dass Verstöße
gegen Patentrechte zu Schadensersatzansprüchen des Originators führen können. Die AS hätte deshalb ihre Rüge mit dem Schreiben
vom 27. August 2008 vorbringen können, dies selbst unter der Voraussetzung, dass einem Bieter grundsätzlich Zeit zur Einholung
eines Rechtsrates zuzubilligen ist (vgl. hierzu OLG Celle, Beschluss vom 13. Dezember 2007, 13 Verg 10/07 m. w. N., zit. nach juris). Da dies nicht geschehen ist, war die Rüge nicht mehr unverzüglich. Im Übrigen schließt sich der
Senat insoweit den Ausführungen der Vergabekammer an.
5.7. Begründetheit der Rügen
5.7.1. Verstoß gegen Art. 81, 82 EGV
Die Bildung einer Beschaffungsgemeinschaft durch die AG verstößt weder gegen europäisches noch gegen nationales Kartellrecht,
wenn diese Form der Zusammenarbeit nur dem Abschluss und der Ausschreibung von Rabattverträgen nach §
130a Abs.
8 SGB V dient.
Der Senat lässt offen, ob es sich bei dem Vorbringen der AS, die Ausschreibung der AG verstoße gegen Art. 81 EGV, um eine im Nachprüfungsverfahren zulässige Rüge handelt, ob diese Rüge unverzüglich hätte erhoben werden müssen und ob ggf.
eine unverzügliche Rüge anzunehmen ist. Zweifel an einer rechtzeitigen Rüge bestehen deshalb, weil die AS in ihrem Schreiben
vom 27. August 2008 maßgeblich das Fehlen einer Loslimitierung beanstandet hat. Diese steht aber - wie die AS selbst einräumt
- in einem Zusammenhang mit der Frage der Bildung einer Beschaffungsgemeinschaft. Es erscheint widersprüchlich, einen Vergabeverstoß
(hier: fehlende Loslimitierung) geltend zu machen, der eine Ausschreibung zur Voraussetzung hat, die so umfangreich ist, dass
eine Losbildung überhaupt notwendig wird, gleichzeitig aber den Umfang der Ausschreibung zu rügen. Dabei wäre nicht zu beanstanden,
dass Rügen, die sich u. U. widersprechen, gleichzeitig geltend gemacht werden. Es ist aber kaum möglich anzunehmen, dass mit
der Rüge der fehlenden Loslimitierung gleichzeitig die Prämisse dieser Rüge (Beschaffungsgemeinschaft) beanstandet wurde.
Darauf kommt es jedoch letztlich nicht entscheidend an. Denn die AG handeln beim Abschluss von Rabattverträgen nach §
130a Abs.
8 SGB V nicht als Unternehmen iS der Art. 81 und 82 des EGV. Nach diesen Bestimmungen sind u. a. Vereinbarungen zwischen Unternehmen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche
den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung
des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, ebenso verboten (Verbot wettbewerbshindernder Vereinbarungen
nach Art. 81 EGV) wie die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil
desselben durch ein oder mehrere Unternehmen (Verbot des Missbrauchs einer den Markt beherrschenden Stellung nach Art. 82 EGV).
Im Bereich der sozialen Sicherheit hat der EuGH entschieden, dass bestimmte Einrichtungen, die mit der Verwaltung gesetzlicher
Kranken- und Rentenversicherungssysteme betraut sind, einen rein sozialen Zweck verfolgen und keine wirtschaftliche Tätigkeit
ausüben. Dies ist der Fall bei Krankenkassen, die nur die Gesetze anwenden und keine Möglichkeit haben, auf die Höhe der Beiträge,
die Verwendung der Mittel und die Bestimmung des Leistungsumfangs Einfluss zu nehmen. Denn ihre auf dem Grundsatz der nationalen
Solidarität beruhende Tätigkeit wird ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt und die Leistungen werden von Gesetzes wegen und
unabhängig von der Höhe der Beiträge erbracht (Urteil vom 17. Februar 1993 in den Rechtssachen C-159/91 und C-160/91, Poucet und Pistre, Slg. 1993, I-637, Rdnr. 15 und 18, zit. nach juris). Speziell in Bezug auf die Krankenkassen der gesetzlichen
Krankenversicherung in Deutschland hat der EuGH im Urteil vom 16. März 2004 (C-264/01, Slg. 2004 I-02493 zit. nach juris) ausgeführt, dass diese vom Begriff des Unternehmens im Rahmen des gemeinschaftlichen
Wettbewerbsrechts nicht erfasst werden. Begründet hat er dies u. a. damit, dass die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet
seien, ihren Mitgliedern im Wesentlichen gleiche Pflichtleistungen anzubieten, die unabhängig von der Beitragshöhe sind. Die
Krankenkassen hätten somit keine Möglichkeit, auf diese Leistungen Einfluss zu nehmen. Sie seien überdies zu einer Art Solidargemeinschaft
zusammengeschlossen, die es ihnen ermögliche, untereinander einen Kosten- und Risikoausgleich vorzunehmen. So erfolge nach
den §§
265 ff.
SGB V (in der damals geltenden Fassung) ein Ausgleich zwischen den Krankenkassen mit den niedrigsten Gesundheitsausgaben und den
Krankenkassen, die kostenträchtige Risiken versicherten und deren Ausgaben im Zusammenhang mit diesen Risiken am höchsten
seien. Die Krankenkassen konkurrierten somit weder miteinander noch mit den privaten Einrichtungen hinsichtlich der Erbringung
der im Bereich der Behandlung oder der Arzneimittel gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen, die ihre Hauptaufgabe darstellten.
Diese Ausführungen des EuGH haben nach Ansicht des Senats auch für die heute geltende Rechtslage Gültigkeit. Zwar können die
Krankenkassen nach §
53 SGB V in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I S. 378) ihren Versicherten in größerem Umfang als bisher sog. Wahltarife mit Selbstbehalt und Beitragsrückzahlung anbieten. Da die
Versicherten aber nicht gezwungen sind, hiervon Gebrauch zu machen, ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Krankenkassen
ihren gesetzlich Pflichtversicherten im Wesentlichen gleiche Leistungen anbieten müssen, die unabhängig von der Beitragshöhe
sind. Ferner ist auch nach den ab 1. Januar 2009 geltenden Regelungen in den §§
266 ff.
SGB V ein Risikostrukturausgleich vorgesehen, der die gesetzlichen Krankenkassen weiterhin zu einer Art Solidargemeinschaft zusammenschließt.
So erhalten sie als Zuweisungen aus dem neu eingeführten Gesundheitsfonds nicht nur eine Grundpauschale, sondern auch alters-,
geschlechts-, und risikoadjustierte Zu- und Abschläge zum Ausgleich unterschiedlicher Risikostrukturen. Der Spielraum, über
den die Krankenkassen mit der Möglichkeit verfügen, einen Zusatzbeitrag zu erheben (§
242 Abs.
1 SGB V) oder eine Prämienzahlung (§
242 Abs.
2 SGB V) vorzusehen, und dadurch einander einen gewissen Wettbewerb um Mitglieder zu liefern, führt nicht zu einer anderen Betrachtung.
Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit eingeführt, um die Krankenkassen zu veranlassen, im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens
des Krankenversicherungssystems ihre Tätigkeit nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit auszuüben, d. h. so effizient und
kostengünstig wie möglich. Die Verfolgung dieses Zieles ändert nichts an der Natur der Tätigkeit der Krankenkassen (vgl. EuGH,
Urteil vom 16. März 2004, aaO.). Die Tätigkeit der Krankenkassen ist deshalb nichtgewerblicher Art (ebenso zur Rechtslage
vor Inkrafttreten des GKV-WSG Bernhardt, ZESAR 2008, 128, 135 m.w.N.).
Beim Abschluss von Rabattverträgen nach §
130a Abs.
8 SGB V liegt auch deshalb kein unternehmerisches Handeln der AG vor, weil die AG auf die Nachfrage nach verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln so gut wie keinen Einfluss haben. Denn die Nachfrage nach Arzneimitteln wird - abgesehen von den Versicherten
- durch den die Arzneimittelverordnung ausstellenden Vertragsarzt bestimmt. Dieser entscheidet auch darüber, ob die Ersetzung
des verordneten Arzneimittels durch ein wirkungsgleiches ausgeschlossen wird. Die Krankenkassen haben auch keine Möglichkeit,
Umfang und Zeitpunkt der Beschaffung von Arzneimitteln festzulegen. So können sie z. B. die Beschaffung von Arzneimitteln
nicht aufschieben, um die Arzneimittelhersteller zu einem Preisnachlass zu bewegen, sondern müssen ihren Versicherten die
Leistungen sofort zur Verfügung stellen. Dies schränkt nicht nur die Nachfragemacht der AG ein, sondern mildert auch den Wettbewerbsdruck
der Arzneimittelhersteller untereinander ab. Wie bereits ausgeführt, bieten die pharmazeutischen Unternehmer Waren (Arzneimittel)
zu einem von ihnen festgelegten Preis an, der letztlich von den Krankenkassen bezahlt werden muss, wenn Dritte (Vertragsärzte)
die Versorgung der Versicherten mit diesen Waren für notwendig erachten. Damit unterscheidet sich die vergaberechtliche Ausgangsituation
bei der Ausschreibung von Rabattverträgen nach §
130a Abs.
8 SGB V von anderen Beschaffungsvorgängen öffentlicher Auftraggeber. Während bei anderen Aufträgen der öffentlichen Hand Leistungen
von Unternehmen nur erbracht und vergütet werden können, wenn ein Auftrag erteilt wird, können die Arzneimittelhersteller
auch ohne dass sie in einem Vergabeverfahren einen Zuschlag erhalten haben, ihre Waren veräußern. Ihr wirtschaftliches Interesse
an der Durchführung (und Teilnahme an) einer Ausschreibung (von Rabattverträgen) dürfte erheblich geringer sein als dies bei
Unternehmen der Fall ist, die u. U. existentiell darauf angewiesen sind, öffentliche Aufträge zu erhalten. Dies erklärt auch,
weshalb der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren versucht hat, den Abschluss von Rabattverträgen für Arzneimittel zu fördern,
obwohl es den Krankenkassen schon immer gestattet war, mit den pharmazeutischen Unternehmern Rabattverträge auszuhandeln (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005, 2 BvF 2/03, SozR 4-2500 §
266 Nr. 9). Mit der Einführung von §
130a Abs.
8 SGB V durch Art. 1 Nr.
8 Beitragssatzsicherungsgesetz vom 23. Dezember 2002 (BGBl I S. 4637) zum 1. Januar 2003 wurde diese Möglichkeit nicht erst geschaffen, sondern nur bestätigt. Der Gesetzgeber hat die mit dem
GKV-WSG in §
129 Abs.
1 Satz 3
SGB V zum 1. April 2007 eingeführte Verpflichtung der Apotheker, die vorgeschriebene Ersetzung eines Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches
mit solchen Arzneimitteln vorzunehmen, für die ein Rabattvertrag besteht, ausdrücklich damit begründet, dass der Wettbewerb
um günstige Preise der pharmazeutischen Unternehmer gestärkt werden solle (BT-Drs 16/3100 S. 135). Dadurch sind die Krankenkassen
- in Verbindung mit der Möglichkeit, einzelnen Arzneimittelherstellern vertraglich Exklusivität zuzusichern - in die Lage
versetzt worden, spürbare Preisnachlässe zu erreichen. Dies führt aber nicht dazu, dass die Krankenkassen nunmehr unternehmerisch
tätig werden. An ihrer Verpflichtung, die Versicherten mit Arzneimitteln zu versorgen, sobald diese einen Anspruch darauf
haben, hat sich nichts geändert. Die vertraglich ausgehandelten Rabatte dienen lediglich dazu, die Wirtschaftlichkeit der
Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbessern. Das GKV-WSG hat über die Regelung in §
129 Abs.
1 Satz 3
SGB V einen Wettbewerbsdruck unter den pharmazeutischen Unternehmern erzeugt und die Verhandlungsposition der Krankenkassen gestärkt.
Wollen die Krankenkassen diese Verhandlungsposition ausnutzen, indem sie Rabattverträge nur mit einem oder einigen wenigen
Arzneimittelherstellern schließen, führt dies dazu, dass der Abschluss eines Rabattvertrages in diesem Fall als öffentlicher
Lieferauftrag i.S. von Abschnitt 2 § 3a Nr. 4 Satz 1 VOL Teil A anzusehen ist. Dem Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb wird dann dadurch Rechnung getragen, dass die Krankenkassen
solche Rabattverträge, mit denen sie einzelnen Herstellern Exklusivität zusichern, ausschreiben müssen.
5.7.2. Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB
Ein Verstoß gegen die §§ 19, 20 GWB kann im Vergaberechtsverfahren nicht gerügt werden. Die AS kann im Verfahren vor der Vergabekammer und dem Vergabesenat (nur)
den Anspruch geltend machen, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 7 GWB). Dazu gehören die §§ 19 und 20 GWB nicht. Diese Normen sind außerhalb des Vergaberechts angesiedelt (Summa in jurisPK-VergR, 2. Aufl. 2008, § 97 GWB RdNr. 120; vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Mai 2002, Verg 6/02, zit. nach juris). Die Verletzung eigener Rechte durch einen Verstoß des Auftraggebers gegen diese Bestimmungen muss die
AS vor den Kartellgerichten geltend machen (OLG Düsseldorf, aaO.).
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bei einer Auftragsvergabe durch
einen öffentlichen Auftraggeber gerade durch das Vergabeverfahren vorgebeugt werden soll. Der Missbrauch einer marktbeherrschenden
Stellung kann zwar vorliegen, wenn eine marktbeherrschende Nachfragemacht besteht, dies aber nur, wenn gleichwohl keine Ausschreibung
der nachgefragten Leistungen erfolgt. Die Ausschreibung der nachgefragten Leistungen stellt, sofern sie ohne Rechtsverstoß
erfolgt - einen Ausgleich für eine ggf. vorhandene wettbewerbsbeschränkende Nachfragemacht dar und beugt dem Missbrauch vor
(Zeiss in jurisPK-VergR, 2. Aufl. 2008, Einleitung VergR RdNr. 181). Auch der 5. Senat des LSG Baden-Württemberg hat in seinem
Beschluss vom 27. Februar 2008 (L 5 KR 507/08 ER-B, MedR 2008, 309) mit seinen Ausführungen zu § 19 GWB nicht die Bildung einer Beschaffungsgemeinschaft mit mehreren Krankenkassen in Frage gestellt, sondern für diesen Fall die
Notwendigkeit einer Ausschreibung und die hieran zu stellenden Anforderungen (Aufteilung nicht nur in Fachlose, sondern auch
in Gebietslose) abgeleitet. Die von der AS vertretene Auffassung würde in anderen Fällen auch zu Ergebnissen führen, die dem
geltenden Recht widersprechen. Müsste man z. B. davon ausgehen, dass eine bundesweit auftretende Krankenkasse über eine marktstarke
Stellung verfügt oder in Zukunft verfügen wird, könnte diese Rabattverträge gar nicht ausschreiben (da sie sich ja nicht in
kleinere Einheiten aufteilen kann) und müsste diese entweder ohne Ausschreibung abschließen oder ganz auf den Abschluss von
Rabattverträgen verzichten. Beide Lösungen dürften nicht mit dem geltenden Recht zu vereinbaren sein. Deshalb kann offen bleiben,
über welche Marktmacht die AG verfügen und wie die Märkte ggf. gegeneinander abzugrenzen wären.
Eine unbillige Behinderung (§ 20 GWB) oder ein sonstiges den Wettbewerb beschränkendes Verhalten der AG (§ 21 GWB) könnte zwar darin gesehen werden, dass sie sich in den Rabattverträgen verpflichten, für die Laufzeit dieser Verträge keine
weiteren Rabattverträge über denselben Wirkstoff mit anderen pharmazeutischen Unternehmern abzuschließen. Auch diesem Gesichtspunkt
wird jedoch mit einer Ausschreibung Rechnung getragen. Nach der vom Senat vertretenen Auffassung zwingt ohnedies nur und gerade
die Zusicherung von Exklusivität an einzelne Anbieter zu einer Ausschreibung. Die von den AG durchgeführte Ausschreibung stellt
demzufolge keinen Verstoß gegen die nach §
69 Abs.
2 Satz 1
SGB V für entsprechend anwendbar erklärten Bestimmungen in den §§ 20 bis 21 GWB dar, sondern dient umgekehrt dazu, einen solchen zu vermeiden.
Der Hinweis der AS darauf, dass kartellrechtliche Verstöße u. U. auch Gegenstand von Nachprüfungsverfahren sein können, führt
zu keinem anderen Ergebnis. Das OLG Frankfurt (Beschluss vom 27. Juni 2003, 11 Verg 2/03, zit. nach juris) hat zwar entschieden, dass nach § 1 GWB eine Vereinbarung zwischen konkurrierenden Unternehmen einer Branche verboten sei, wenn sie geeignet ist, die Marktverhältnisse
durch Beschränkung des Wettbewerbs spürbar einzuschränken. Die Frage stelle sich im Zusammenhang mit der Bildung von Bietergemeinschaften
und vor allem dann, wenn sich Unternehmen zusammenschlössen, die als Einzelunternehmen den Auftrag allein hätten ausführen
können, weil sie über die geforderten Kapazitäten, technischen Ausrüstungen und fachlichen Kenntnisse verfügen. Durch derartige
Bietergemeinschaften könne es zu einer Einschränkung des Wettbewerbs durch eine Verringerung der Bewerberzahl und damit zu
einer Einschränkung der Konkurrenz kommen. Diese Rechtsprechung betrifft aber die Einschränkung des Wettbewerbs durch ein
Verhalten der Bieter, nicht des öffentlichen Auftraggebers. Dieser muss einen Auftrag ja gerade deshalb ausschreiben, weil
er nicht wie eine Unternehmen am Wettbewerb teilnimmt.
Im Beschluss des BGH vom 1. Februar 2005 (X ZB 27/04, zit. nach juris) ging es um die (vom BGH bejahte) Frage, ob ein Nachprüfungsantrag auch statthaft ist, obwohl mit ihm nicht
die Art und Weise der Einleitung oder Durchführung eines geregelten Vergabeverfahrens gerügt wird, sondern beanstandet wird,
dass ein Vergabeverfahren bislang gar nicht stattgefunden hat.
Die gemeinsame Ausschreibung und der gemeinsame Abschluss von Rabattverträgen nach §
130a Abs.
8 SGB V sind den AG auch nicht durch Vorschriften des
SGB V verwehrt. Soweit die AS darauf hinweist, dass der Gesetzgeber ganz bewusst davon abgesehen habe, die gesetzlichen Krankenkassen
zu einem gemeinsamen und einheitlichen Aushandeln und Abschließen von Rabattverträgen zu ermächtigen, ist dem zunächst entgegen
zu halten, dass ein vom Gesetz vorgeschriebenes gemeinsames und einheitliches Handeln der Krankenkassen diese nicht nur hierzu
ermächtigt, sondern verpflichtet. In diesem Fall hätten sich die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen über
die Ausschreibung und den Abschluss von Rabattverträgen einigen sollen und wären für den Fall, dass ein Konsens nicht erzielt
werden kann, sogar verpflichtet, eine Mehrheitsentscheidung über das gemeinsame Handeln herbeizuführen (vgl. §
211a SGB V). Aus der Tatsache, dass ein gemeinsames und einheitliches Handeln der Krankenkassen beim Abschluss von Rabattverträgen nicht
vorgeschrieben ist, kann nicht gefolgert werden, dass ein solches nicht gestattet ist. Es gibt keine Vorschrift und keinen
Grundsatz, dass Krankenkassen nur in den Fällen gemeinsam handeln dürfen, in denen ihnen dies ausdrücklich vorgeschrieben
wird. Vorschriften, die es den AG verbieten, Rabattverträge nach §
130a Abs.
8 SGB V gemeinsam abzuschließen, enthält das
SGB V nicht.
5.7.3. Fehlende Loslimitierung
Die AG waren nicht verpflichtet, eine Loslimitierung vorzusehen. Eine Loslimitierung liegt vor, wenn der Auftraggeber einen
ausgeschriebenen Auftrag in Lose teilt und in der Aufforderung zur Angebotsabgabe eine Höchstzahl der Teillose bestimmt, für
die sich ein Bieter nur bewerben kann. Sie dienen dem Zweck, von vornherein einer größeren Zahl von Bietern Chancen für einen
Auftrag zu geben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juni 2000, Verg 6/00, NZBau 2000, 440). Ob eine solche Vergabebeschränkung generell oder im Einzelfall nach § 97 Abs. 3 GWB oder nach § 5 Nr. 1 und Nr. 2 VOL/A zulässig ist, kann ebenso offen bleiben wie die von den AG aufgeworfene Frage, inwieweit dies dem Wirtschaftlichkeitsgebot
widerspricht oder seinerseits massiv in den Wettbewerb eingreift (so die Vergabekammer). Wenn sich der Auftraggeber entschließt,
einen ausgeschriebenen Auftrag in Lose zu teilen, schreiben die vorgenannten Bestimmungen ihm jedenfalls eine Loslimitierung
für die Auftragsvergabe nicht vor; sie gestatten ihm allenfalls eine Selbstbindung dergestalt, dass er außer der Teilung des
Auftrags in Lose von vornherein auch eine Loslimitierung pro Bieter vorgibt (OLG Düsseldorf aaO.). Der Senat vermag bei der
Ausschreibung von Rabattverträgen auch keine Besonderheit zu erkennen, die den Auftraggeber zu einer Loslimitierung verpflichten
könnte. Der Nachfragemacht der AG wird bereits durch eine Einteilung des Auftrags in Fach- und Gebietslose hinreichend Rechnung
getragen. Mit ihrer Entscheidung halten sich die AG innerhalb des ihnen zustehenden Gestaltungsspielraums.
5.7.4. Gebietslose
Nach § 97 Abs. 3 GWB sind mittelständische Interessen vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen.
Dementsprechend sieht § 5 Nr. 1 der VOL/A vor, dass der Auftraggeber in jedem Falle, in dem dies nach Art und Umfang der Leistung zweckmäßig ist, diese - z. B. nach
Menge und Art - in Lose zerlegen hat, damit sich auch kleinere und mittlere Unternehmen um Lose bewerben können. Die einzelnen
Lose müssen so bemessen sein, dass eine unwirtschaftliche Zersplitterung vermieden wird. Unter Hinweis auf diese Vorschrift
hat der 5. Senat des LSG Baden-Württemberg in seinem erwähnten Beschluss vom 27. Februar 2008 ausgeführt, dass bei einer Losbildung
für einzelne Bundesländer oder Regionen durchaus auch für kleinere oder mittelständige Unternehmen eine Beteiligung bei umsatzstarken
Wirkstoffen möglich wäre. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an, zumal die wirkstoffbezogene Ausschreibung
ohnehin dazu führt, dass sich sämtliche pharmazeutischen Unternehmen mit ihren jeweiligen Produkten beteiligen können, ohne
ihr Produktportfolio um weitere Wirkstoffe erweitern zu müssen. Die von den AG vorgenommene Aufteilung in fünf Gebietslose
ist nicht zu beanstanden. Zwar hat die AS gerügt, dass die Aufteilung in fünf sehr große Regionallose große Unternehmen bevorzuge,
die solche ausgeschriebenen Volumina ohne Weiteres abdecken könnten. Die vorgenommene Einteilung sei nicht ausreichend, um
mittelständische Interessen ausreichend zu berücksichtigen. Die Beteiligung mittelständischer Unternehmen werde auch nicht
nur durch den reinen Loszuschnitt, sondern auch dadurch eingeschränkt, dass die Möglichkeit der Bildung von Bietergemeinschaften
in erheblichem Umfang erschwert werde. Außerdem hat sie in diesem Zusammenhang auf die fehlende Loslimitierung hingewiesen.
Diese sowie die weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung sind allgemein gehalten und lassen substantiierte Ausführungen
zu einer aus Sicht der AS "richtigen" Losgröße vermissen. Die AS hat z. B. weder vorgetragen noch belegt, dass mittelständische
Unternehmen gar nicht in der Lage wären, die Versicherten der AG innerhalb eines Gebietsloses mit wenigstens einem PZN versorgen
zu können. Im Gegenteil: Das eigene Verhalten der AS bei der Abgabe von Angeboten für die hier zu beurteilende Ausschreibung
belegt, dass zumindest Firmen von der Größe der AS sich in der Lage fühlen, die von den AG gebildeten Gebietslose mit Arzneimitteln
zu versorgen.
Was den Zusammenhang zwischen der Größe der Gebietslose und der fehlenden Loslimitierung betrifft, hat die Vergabekammer dargelegt,
die im Gesetz vorgesehene Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose bedeute nicht, dass die öffentlichen Arbeitgeber gezwungen
wären, dafür zu sorgen, dass kleine oder mittlere Unternehmen in die Lage versetzt werden, zu allen Losen Angebote abgeben
zu können. Diesem Bieterkreis solle lediglich die Möglichkeit eröffnet werden, sich um eines der Lose oder einzelne Lose bemühen
zu können. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.
Im Übrigen ist die Größe der Gebietslose nach sachlichen Kriterien gewählt worden. Im Vergabevermerk vom 11. August 2008 ist
hierzu ausgeführt, Referenzgröße für die Bildung der Gebietslose sei die AOK Bayern als versichertenstärkste AOK mit ca. 4,1
Mio Versicherten gewesen. Diese bilde daher das erste Gebietslos. Die restlichen AOK seien so auf vier weitere Gebietslose
verteilt worden, dass einerseits vergleichbare Gebietsgrößen hätten erzielt werden können und andererseits den Interessen
mittelständischer Unternehmer dadurch Rechnung getragen worden sei, dass benachbarte AOK zu Gebietslosen zusammengefasst worden
seien, soweit nicht - wie bei der AOK Rheinland/Hamburg - eine räumliche Trennung unvermeidbar gewesen sei. Ferner seien die
beiden AOK in Nordrhein-Westfalen mit Blick auf einen möglichen, von der Landespolitik befürworteten Zusammenschluss der AOK
Rheinland/Hamburg mit der AOK Westfalen-Lippe während der Vertragslaufzeit zu einem Gebietslos zusammengefasst worden. Diese
Art der Losbildung verstößt nicht gegen das Vergaberecht. Diejenigen pharmazeutischen Unternehmen, die nicht in der Lage sind,
die Versorgung von Versicherten einer Krankenkasse von der Größe der AOK Bayern mit einem PZN alleine zu bewältigen, müssen
sich auf die Möglichkeit der Bildung einer Bietergemeinschaft verweisen lassen.
5.7.5. Stichtagsregelung/Lauer-Taxe
Die Rüge der AS, die Stichtagsregelung, nach der die Erteilung des Zuschlags pro Wirkstoff und Gebietslos auf alle zu dem
bezuschlagten Wirkstoff gehörenden PZN des Bieters erfolge, die zum 1. September 2008 in der Lauer-Taxe geführt werden, sei
willkürlich gewählt worden und führe zu einem Verstoß gegen das vergaberechtliche Gebot der Chancengleichheit (§ 97 Abs. 2 GWB, § 2 Nr. 2 VOL/A), weil die Festlegung den Kreis der potentiellen Bieter ohne sachliche Begründung einschränke, ist unbegründet. Mit der Bezugnahme
auf die Lauer-Taxe, auf deren Datenbestand die AG keinen Einfluss haben, bestimmen die AG auf nachvollziehbare und transparente
Weise ihren Beschaffungsbedarf.
Auch die Festsetzung des 1. September 2008 als Stichtag ist ohne Rechtsverstoß erfolgt. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner
Entscheidung, ob als Stichtag auch ein anderer Termin rechtsfehlerfrei hätte gewählt werden können. Darauf kommt es nicht
an. In der Wahl eines konkreten Stichtages ist der Auftrageber nur insoweit Beschränkungen unterworfen, als es dadurch zu
keiner Ungleichbehandlung der Wettbewerber i. S. des § 97 Abs. 2 GWB kommen darf, die über diejenigen Härten hinausgeht, die mit jeder Festsetzung eines Stichtages typischerweise verbunden sind.
Dies bedeutet, dass der Stichtag nicht so gewählt werden darf, dass er bestimmte Unternehmen gezielt benachteiligt, und er
darf nicht willkürlichen Erwägungen beruhen. Diesen Anforderungen haben die AG in vollem Umfang Rechnung getragen. Im Vergabevermerk
ist hierzu u. a. angeführt:
"Darüber hinaus ermöglicht nur diese Stichtagsregelung, mit Wahl eines Stichtags, der vor der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens
liegt, für die Bieter ein Höchstmaß an Transparenz für die Bewertung der Rabattangebote. Nur hierdurch ist es möglich, den
kompletten Datenstamm, der für die Auswertung der Rabattangebote erforderlich ist, in das Produkt- und Rabattblatt einfließen
zu lassen. Auf der Basis dieser xls-Datei können die Bieter die für die Bewertung maßgeblichen "Wirtschaftlichkeitsmaßzahlen"
für ihre Rabattangebote im Rahmen der Erstellung der Rabattangebote selbst nachvollziehen. Aufgrund der Datei, in der alle
relevanten Daten sowie die für die Wirtschaftlichkeitsberechnung maßgeblichen Formeln hinterlegt sind, haben die Bieter bereits
im Rahmen der Erstellung ihrer Angebote die Möglichkeit, die Auswirkungen einer möglichen Änderung ihrer Angebote auf die
Wirtschaftlichkeit ihres Angebotes zu überprüfen. Sie haben zudem die Möglichkeit, "Testläufe" in Bezug auf das Sortiment
anderer Unternehmen durchzuführen, um die Wirtschaftlichkeit ihres Angebots mit einem fiktiven Angebot in Bezug auf einen
anderen Bieter zu vergleichen. Die Bieter können sich durch entsprechende Planspiele insbesondere auch einen Eindruck darüber
verschaffen, inwieweit sie - bei einer geringen Sortimentsbreite - hypothetische Rabattangebote anderer pharmazeutischen Unternehmen
mit einer größeren Sortimentsbreite unterbieten müssen, um ein wirtschaftlicheres Angebot zu erzielen. Das den Bietern zur
Verfügung gestellt Produkt- und Rabattblatt führt also zu einem Höchstmaß an Transparenz in Bezug auf die Bewertung der Angebote.
Anhand des Produkt- und Rabattblattes können sich die Bieter zudem einen Einblick in die für die Ausschreibung maßgeblichen
Rahmendaten verschaffen, die den Angeboten der anderen Bieter zugrunde liegen. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen
erhalten hierdurch die Chance, ihre Angebote richtig zu platzieren. Schließlich führt das Produkt- und Rabattblatt auch zu
einem Höchstmaß an Kalkulationssicherheit für den jeweiligen Bieter selbst. Da er pro Wirkstoff und Gebietslos die für die
Zuschlagserteilung maßgebliche Gesamtwirtschaftlichkeitsmaßzahl im Rahmen der Ausfüllung der Datei selbst ausrechnen kann,
sind Kalkulationsfehler, die etwa auf einem falschen Verständnis der in den Verdingungsunterlagen näher erläuterten Berechnungsgrößen
und -formeln für die Wirtschaftlichkeit eines Angebotes beruhen könnten, ausgeschlossen.
Alle genannten Vorteile setzen zwingend voraus, dass bereits das den Bietern für die Erstellung ihrer Angebote zur Verfügung
gestellte Produkt- und Rabattblatt im xls-Format den kompletten für die Angebotswertung maßgeblichen Datenstamm enthält. Dies
ist jedoch nur möglich, wenn auf einen Stichtag abgestellt wird, der (unmittelbar) vor der Bekanntmachung des Vergabeverfahrens
liegt."
Mit diesen Überlegungen wird die Wahl des Stichtages sachlich begründet. Im Übrigen schließt sich der Senat auch insoweit
den Ausführungen im Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg an.
5.7.6. Sortimentsbreite
Nach den Vergabebedingungen hat jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und Gebietslos einen Rabatt für alle PZN
anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff gemäß der Lauer-Taxe, Stand 1. September 2008, im Sortiment hat. Die damit
gegebene Berücksichtigung der Sortimentsbreite bei der Wertung der Angebote stellt, wie die Vergabekammer zutreffend entschieden
hat, keinen Vergabefehler dar. Soweit diese Vergabebedingung zur Folge hat, dass Anbieter mit großer Sortimentsbreite gegenüber
Herstellern, die nicht alle zu einem Wirkstoff nachgefragten Medikamente produzieren, einen Vorteil haben, liegt darin kein
Verstoß gegen das Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen (§ 97 Abs. 3 GWB). Auch diesbezüglich ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Anbieter mit geringerer Produktbreite die Möglichkeit haben, mit
anderen Bietern eine Bietergemeinschaft zu bilden. Darüber hinaus ist die Berücksichtigung der Sortimentsbreite eine Folge
der Bezugnahme auf die Lauer-Taxe. Diejenigen Folgen für einzelne Unternehmen, die sich daraus ergeben, dass die AG den Umfang
ihres Beschaffungsvorhabens durch eine Bezugnahme auf die Lauer-Taxe festlegen, führen jedoch grundsätzlich zu keinem Verstoß
gegen das Vergaberecht. Da die Lauer-Taxe den Datenbestand aller bei der Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA GmbH)
gemeldeten Fertigarzneimittel und apothekenüblichen Waren, die in Deutschland für den Handel zugelassen sind, enthält, spiegelt
sie auch das Ergebnis der von den Arzneimittelherstellern verfolgten unternehmerischen Strategien und Konzepte wieder. So
mag es Unternehmen geben, die möglichst viele Wirkstoffe anbieten wollen, dafür aber eine geringere Produktpalette pro Wirkstoff
im Sortiment haben, während andere darauf setzen, nur wenige Wirkstoffe auf den Markt zu bringen, dafür aber zu einem Wirkstoff
ein möglichst großes Sortiment anbieten wollen. Die AG legen ihrer Ausschreibung durch die Bezugnahme auf die Lauer-Taxe nur
die von den Arzneimittelherstellern selbst getroffenen Produktionsentscheidungen zugrunde. Dazu sind sie, wenn nicht verpflichtet,
so auf jeden Fall berechtigt. Die AS hat keinen Anspruch darauf, dass eine Ausschreibung so durchgeführt wird, dass dadurch
die von ihr getroffenen Produktionsentscheidungen möglichst optimal berücksichtigt werden, womit wiederum zwingend eine Verschlechterung
für andere Anbieter verbunden wäre, die sich für ein anders gestaltetes Produktangebot entschieden haben. Im Übrigen verweist
der Senat auch in diesem Punkt auf die zutreffenden Ausführungen der Vergabekammer.
5.7.7. Bietergemeinschaft
Die Rüge der AS, die von den AG eingeräumte Möglichkeit zur Bildung von Bietergemeinschaften erweise sich in der konkreten
Ausgestaltung als mittelstandsfeindlich, ist unbegründet. Nach den Vergabebedingungen dürfen Arzneimittel der gleichen Preisvergleichsgruppe
jeweils nur durch ein Mitglied einer Bietergemeinschaft angeboten werden. Die Mitglieder einer Bietergemeinschaft müssen sich
also innerhalb eines Wirkstoffs entscheiden, welches Mitglied für die Preisvergleichsgruppe das Rabattangebot für die Bietergemeinschaft
abgibt. Diese Einschränkung in Bezug auf die Bildung von Bietergemeinschaften verstößt weder gegen das Gleichbehandlungsgebot
des § 97 Abs. 2 GWB noch gegen die Pflicht gemäß § 97 Abs. 3 GWB zur Berücksichtigung mittelständischer Interessen. Sie beruht auf der von den AG zulässigerweise vorgesehenen Bewertung der
Angebote auf der Grundlage von Preisvergleichsgruppen (PVG). Da sich der Rabattvertrag auf alle Produkte der PVG erstreckt
und die Produkte ein und derselben PVG grundsätzlich untereinander austauschbar sind, bestünde für den Apotheker ein Wahlrecht,
welches Produkt er abgibt. Den AG ist es nicht verwehrt, durch eine Vorgabe in den Verdingungsunterlagen ein solches Wahlrecht
mit der Begründung auszuschließen, es solle verhindert werden, dass die Versicherten einer AOK innerhalb ein und derselben
PVG ständig wechselnde Medikamente erhielten (hierzu sowie zu weiteren Begründungen wird auf den Vergabevermerk der AG vom
11. August 2008, S. 28 f. verwiesen). Im Übrigen trifft - worauf die Vergabekammer zu Recht hingewiesen hat - die Aussage
der AS, dass die jeweiligen Mitglieder einer Bietergemeinschaft nur ein Angebot eines Mitglieds der Bietergemeinschaft für
einen Wirkstoff abgeben dürften, nicht zu. Die Vorgabe bezieht sich nicht auf den Wirkstoff, sondern auf das Arzneimittel
(PZN). Auf diese Weise wird kleineren und mittleren Firmen die Möglichkeit eingeräumt, im Rahmen einer Bietergemeinschaft
ihr Sortiment (PZN pro Wirkstoff) zu vergrößern.
6. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht entweder auf den §§
154 Abs.
2,
155 Abs.
2 VwGO analog oder auf §
202 SGG i. V. m. §
97 Abs.
1 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 (X ZB 15/05 zit. nach juris). Danach trägt die AS die Kosten der ohne Erfolg eingelegten sofortigen Beschwerde. Dazu gehören auch die
Kosten des Antrages auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB). Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
notwendigen Aufwendungen der AS und der AG (§
162 Abs.
1 VwGO analog bzw. §
202 SGG i. V. m. §
91 Abs.
2 ZPO). Die Hinzuziehung von Bevollmächtigten durch die AG war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig. Im Übrigen
verbleibt es bei der von der Vergabekammer getroffenen Kostenentscheidung.
7. Streitwert
Dies Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 50 Abs. 2, 52 Abs. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach darf in Verfahren vor den Sozialgerichten der Streitwert nicht über 2,5 Mio. Euro angenommen werden. Diese Obergrenze
ist hier zu beachten, obwohl der Streitwert nach § 50 Abs. 2 GKG nur 5 Prozent der Bruttoauftragssumme beträgt. Der Senat geht davon aus, dass der Bruttoauftragswert für die Ausschreibung
von 63 bzw. 64 Wirkstoffen für die Dauer von zwei Jahren den Wert von 50 Mio. Euro übersteigt. In ihrem Nachprüfungsantrag
vom 30. Oktober 2008 ist die AS von einem Gesamtvolumen der Ausschreibung von 5,175 Mrd. Euro ausgegangen. Da die AS die Entscheidung
der Vergabekammer mit der sofortigen Beschwerde zunächst ausdrücklich insgesamt angefochten und eine Einschränkung des Antrags
erst später vorgenommen hat, ist auf die gesamte Auftragssumme abzustellen. Insoweit kann offen bleiben, wie bei einer nur
teilweisen Anfechtung zu verfahren wäre.
8. Rechtsbehelfe/Vorlage
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Eine Vorlage an das BSG hält der Senat nicht für notwendig, da kein
Fall des § 142a Abs. 4
SGG gegeben ist.