Gründe:
I. Die Klägerin begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens höheres Arbeitslosengeld (Alg).
Die 1943 geborene Klägerin meldete sich am 6. April 2006 bei der Agentur für Arbeit (AA) L. mit Wirkung zum 8. Juli 2006 arbeitslos
und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 12. Juli 2006 stellte die AA L. den Eintritt einer Sperrzeit in der Zeit vom 8. Juli
bis 29. September 2006 fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Alg; dieser mindere sich darüber hinaus um 135 Tage.
Mit Bewilligungsbescheid vom selben Tag gewährte die AA L. der Klägerin Alg in Höhe von 42,47 EUR täglich (Bemessungsentgelt
102,72 täglich; Lohnsteuerklasse 3; Prozentsatz 60) für die Dauer von 540 Tagen. Mit ihrem am 19. Juli 2006 erhobenen Widerspruch
wandte sich die Klägerin gegen die Festsetzung einer Sperrzeit und gegen die Höhe des Alg. Betreffend die Sperrzeit hob die
AA L. ihre Entscheidung mit Bescheid vom 10. August 2006 auf; im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
29. August 2006 zurückgewiesen. Die am 4. Oktober 2006 erhobene Klage (S 22 AL 7336/06) wies das Sozialgericht Stuttgart mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2007 ab; die am 15. März 2007 eingelegte Berufung
(L 12 AL 1517/07) wurde vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 21. September 2007 zurückgewiesen. Auch die seitens
der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg; sie wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts
(BSG) vom 14. November 2007 (B 11a AL 164/07 B) als unzulässig verworfen.
Am 4. Oktober 2007 beantragte die Klägerin sinngemäß, den (Bewilligungs-) Bescheid vom 12. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid
vom 29. August 2006 gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch zu überprüfen und ihr für die Zeit vom 8. Juli
2006 bis 31. Dezember 2007 Alg in Höhe von 1.276,20 EUR (statt 1.274,10 EUR) monatlich zu gewähren. Die AA Stuttgart lehnte
diesen Antrag mit Bescheid vom 7. November 2007 ab; den hiergegen erhobenen Widerspruch wies deren Widerspruchsstelle mit
Widerspruchsbescheid vom 13. November 2007 zurück. Mit seiner am 19. November 2007 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. Juli 2008 abgewiesen; die Entscheidung ist dem Bevollmächtigten der Klägerin gemäß Postzustellungsurkunde
am 19. August 2008 um 10:50 Uhr zugestellt worden.
Die Klägerin hat mit beim SG am Sonntag, dem 21. September 2008 eingegangenen Telefax Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Berufungsfrist sei gewahrt,
da das Urteil am 19. August 2008 erst nach 16:00 Uhr zugestellt worden sei. Die Zustellung gelte deshalb erst am Folgetag,
dem 20. August 2008 als bewirkt. Der Fristablauf (20. September 2008) falle auf einen Samstag, so dass die Berufungseinlegung
am 21. September 2008 noch fristgerecht erfolgt sei. Hilfsweise beantrage sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie habe
sich ab 10. September 2008 zusammen mit ihrem Ehemann und Prozessbevollmächtigten um dessen schwer erkrankte Tante kümmern
müssen. Die Rückreise hätte erst am 21. September 2008 erfolgen können.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7.
November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November 2007 zu verpflichten, den Bescheid vom 12. Juli 2006
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2006 abzuändern und ihr für die Zeit vom 8. Juli 2006 bis 31. Dezember
2007 Arbeitslosengeld in Höhe von 1.276,20 EUR monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat mit an den Bevollmächtigten der Klägerin gerichteten Schreiben vom 7. Oktober 2008 und vom 24. November
2008 darauf hingewiesen, dass die Berufung verfristet sein dürfte und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraussichtlich
nicht zu gewähren sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat daraufhin den zum Berichterstatter bestellten Richter am Landessozialgericht
H. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der abgelehnte Richter habe durch die genannten Hinweisschreiben den Anspruch
der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des
SG (S 3 AL 4151/07) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 4617/08) Bezug genommen.
II. 1. Der Senat konnte die Streitsache in der Besetzung, wie sie der Geschäftsverteilungsplan vorsieht, entscheiden, obwohl
die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2008 Richter am Landessozialgericht H. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt
hat. Es bedurfte vor der Entscheidung über die Berufung keiner förmlichen Entscheidung über das Ablehnungsgesuch; vielmehr
konnte der Senat hierüber zugleich mit der Entscheidung in der Hauptsache befinden (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 16 Februar
2001 - B 11 AL 19/01 B - SozSich 2003, 397; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 6 C 11/05; Beschluss des erkennenden Senats vom 8. Januar 2009 - L 13 AS 5628/08 - nicht veröffentlicht), weil die Klägerin ihr Ablehnungsrecht missbraucht hat und ihr Antrag damit unzulässig war (vgl.
dazu auch BSG, Beschluss vom 26. April 1989 - 11 BAr 33/88 - veröffentlicht in Juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
60 Rdnr. 10d m.w.N.).
Nach §
60 Abs.
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gilt für die Ablehnung eines Richters §
42 Abs.
1 Zivilprozessordnung (
ZPO) entsprechend. Danach kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes
ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die hier allein in Betracht zu ziehende Ablehnung
wegen Besorgnis der Befangenheit findet nach §
42 Abs.
2 ZPO statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur dann vor, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der den am Verfahren
Beteiligten auch von seinem Standpunkt aus befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch und nicht sachlich
entscheiden. Eine rein subjektive, unvernünftige Vorstellung ist unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Richter
tatsächlich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter
bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. Bundesverfassungsgericht
(BVerfG), BVerfGE 82, 30, 38; 73, 330, 335; Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1500 § 60 Nr. 1).
Der Befangenheitsantrag der Klägerin ist offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Eine Nichtbescheidung wegen offensichtlicher
Rechtsmissbräuchlichkeit ist u.a. dann gerechtfertigt, wenn das Ablehnungsgesuch nicht ausreichend individualisiert ist und/oder
keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden, die geeignet sein können, die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten
Richters zu begründen. Darüber hinaus liegt ein rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch vor, wenn es lediglich dazu dienen
soll, Richter, die zu einer bestimmten Rechtsfrage eine dem Gesuchsteller missliebige Rechtsauffassung vertreten, aus dem
Verfahren zu drängen (Hessisches LSG, Beschluss vom 18. Dezember 1985 - L 9/S 123/85 - Leitsatz veröffentlicht in Juris; Beschluss
des erkennenden Senats vom 8. Januar 2009 - L 13 AS 5628/08 - nicht veröffentlicht). Der Ablehnungsgrund muss durch nachvollziehbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit wenigstens ansatzweise
substantiiert werden; Wertungen ohne Tatsachensubstanz genügen nicht (vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 7.
August 1997 - B 18/97 - NJW 1997, 3327). Diesen Anforderungen genügt das Ablehnungsgesuch der Klägerin nicht. Zur Begründung macht sie geltend, der abgelehnte Richter
hätte ihr das rechtliche Gehör verweigert, indem er sich mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 30. Oktober 2008 nicht ausreichend
auseinandergesetzt und durch den richterlichen Hinweis vom 24. November 2008 zum Ausdruck gebracht habe, er halte an seiner
im Schreiben des Senats vom 7. Oktober 2008 geäußerten (vorläufigen) Rechtsansicht fest. Eine Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör (vgl. §
62 SGG) kommt hier jedoch offensichtlich bereits deshalb nicht in Betracht, weil eine Entscheidung in der Sache noch gar nicht ergangen
war; rechtliche Hinweise im Vorfeld der Entscheidung dienen vielmehr gerade der Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Klägerin
will mit ihrem Ablehnungsgesuch erkennbar nur verhindern, dass der abgelehnte Richter an der Entscheidung mitwirkt, weil sie
befürchtet, dieser werde nicht in ihrem Sinne entscheiden. Dies stellt einen Missbrauch des Ablehnungsrechts dar.
2. Über die Berufung konnte der Senat gemäß §
158 Satz 2
SGG durch Beschluss der Berufsrichter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die gemäß §§
143,
144 Abs.
1 Satz 2
SGG statthafte Berufung war als unzulässig zu verwerfen (§
158 Satz 1
SGG), denn sie ist nicht fristgerecht erhoben worden.
Nach §
151 Abs.
1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift
des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Gemäß §
151 Abs.
2 SGG ist die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn sie innerhalb der Monatsfrist beim SG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Das mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung
versehene Urteil vom 29. Juli 2008 ist der Klägerin am Dienstag, dem 19. August 2008 mit Postzustellungsurkunde wirksam zugestellt
worden. Gemäß §
63 Abs.
2 SGG erfolgt die Zustellung von Amts wegen nach den Vorschriften der
ZPO. Nach §
176 ZPO kann die Post mit der Zustellung beauftragt werden. In diesem Fall erfolgt die Zustellung nach Maßgabe der §§
177 bis
181 ZPO (§
176 Abs.
2 ZPO). Zum Nachweis der Zustellung ist gemäß §
182 ZPO eine Zustellungsurkunde anzufertigen. §
180 ZPO sieht für den Fall, dass die Sendung nicht nach §
178 Abs.
1 Nr.
1 oder 2
ZPO zugestellt werden kann, die Möglichkeit einer Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten vor. Darüber, dass dies
hier am 19. August 2008 um 10:50 Uhr geschehen ist, begründet die Postzustellungsurkunde gemäß §
418 Abs.
1 ZPO vollen Beweis. Die Klägerin hat demgegenüber keine Gründe vorgebracht, die die Richtigkeit der Zustellungsurkunde in Zweifel
ziehen könnten (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 1988, 12 RK 16/88, veröffentlicht in USK 88163); ihr unsubstantiiertes, in keiner Weise belegtes Vorbringen, die Zustellung des Urteils vom
29. Juli 2008 sei am 19. August 2008 (anders als in der Zustellungsurkunde vermerkt) erst nach 16:00 Uhr erfolgt, vermag die
Beweiskraft der Zustellungsurkunde vom 19. August 2008 nicht zu erschüttern. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob die von
der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Landgerichts Berlin (Urteil vom 13. November 2001 - 65 S 132/01) auf den vorliegenden Fall übertragbar wäre. Die am 20. August 2008 beginnende Berufungsfrist ist somit am Freitag, dem 19.
September 2008 abgelaufen und die erst am Sonntag, dem 21. September 2008 per Telefax übersandte Berufungsschrift nicht mehr
fristgerecht beim SG eingegangen.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Klägerin nicht zu gewähren; der hierauf gerichtete Antrag war abzulehnen. Gemäß
§
67 Abs.
1 SGG ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden gehindert war,
eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Verschulden im Sinne des §
67 Abs.
1 SGG ist das Versäumen einer Verfahrensfrist, wenn ein Beteiligter nicht die ihm nach seinen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt
beachtet, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zur gewissenhaften Prozessführung nach allgemeiner Verkehrsanschauung
vernünftigerweise erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u. a. BSGE 38, 248; BSG SozR 1500 § 67 Nr. 18). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn die Klägerin war nicht ohne Verschulden gehindert,
die Berufungsfrist einzuhalten. Durch den Umstand, dass die Klägerin und ihr Ehemann ab 10. September 2008 ortsabwesend gewesen
sind, war die Klägerin nicht gehindert, rechtzeitig Berufung gegen das Urteil des SG vom 29. Juli 2008 einzulegen. Als der Ehemann der Klägerin (nach ihrem Vorbringen am 10. September 2008) zu dessen Tante
gerufen wurde, war das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Urteil vom 29. Juli 2008 bereits zugestellt;
sowohl der Klägerin, als auch dem von ihr mit der Prozessvertretung beauftragten Ehemann war also bekannt, dass die Berufungsfrist
am Freitag, dem 19. September 2008 ablaufen würde. Bei dieser Sachlage war die Klägerin - wie auch ihr Prozessbevollmächtigter
- gehalten, vor ihrer Abreise geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sicher zu stellen, dass die Berufungsfrist gewahrt werden
kann (vgl. dazu BVerfG, NJW 2007, 3486). Ohne weiteres wäre es zum Beispiel möglich gewesen, bereits am 10. September 2008 vorsorglich zur Fristwahrung per Telefax
Berufung einzulegen. Zudem sind keine nachvollziehbaren Gründe dafür ersichtlicht, dass eine fristwahrende Berufungseinlegung
nicht auch noch nach der Abreise hätte erfolgen können. Allein dieses Versäumnis stellt ein die Gewährung von Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand ausschließendes schuldhaftes Verhalten dar; das Verschulden ihres Ehemanns und Prozessbevollmächtigten
ist der Klägerin insoweit zuzurechnen (vgl. BSG, SozR 1500 §
67 Nr. 18; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
67 Rdnr. 3e m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.