Keine Anerkennung eines Wegeunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Unfall nach Schlagen eines Fahrradfahrers nach
einem anderen Verkehrsteilnehmer mit Kontrollverlust über das Fahrrad
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls vom 25.05.2012 in der Wegeunfallversicherung streitig.
Der 1968 geborene Kläger, wohnhaft in der S.str. .. in W., ist seit August 2011 als technischer Einkäufer bei der Firma Dr.
F., D.straße , F. versicherungspflichtig beschäftigt. Am 25.05.2012, dem Tag des Fahrradunfalls, befuhr der Kläger nach Verlassen
seiner Wohnung mit seinem Rennrad die Gemeindestraße zwischen W. und S. in Richtung W., um zu seiner Arbeitsstätte in F. zu
gelangen. Es handelte sich um einen (am Ort der Unfallstelle) gerade verlaufenden asphaltierten Feldweg mit einer Fahrbahnbreite
von 3,1 m, der insbesondere von Schülern genutzt wird, die mit dem Fahrrad in ihre Schule nach W. gelangen wollen. Gegen 7.04
Uhr verunfallte der Kläger mit seinem Rennrad auf dieser Gemeindestraße, als er im Vorbeifahren an einer Schülergruppe von
drei Kindern, die ebenfalls die Gemeindestraße mit dem Fahrrad befuhren, stürzte und sich dabei so starke Verletzungen zuzog,
dass er mit dem Rettungshubschrauber ins Klinikum Stuttgart geflogen werden musste. Dort wurde eine Fraktur der Klavikula,
eine Fraktur des Orbitabodens mit Orbitahämatom und Läsion des Nervus opticus (Sehnerv) rechts, eine Fraktur des Jochbeins
und des Oberkiefers rechts, eine Rippenserienfraktur 2 bis 8 rechts, ein traumatischer Pneumothorax, eine traumatische subarchnoidale
Blutung, eine traumatische subdurale Blutung, eine Contusio cerebri, eine traumatisches Hirnödem, eine Lungenkontusion und
eine Beckenprellung rechts diagnostiziert. Am 05.06.2012 wurde die Fraktur der Klavikula operativ behandelt (offene Reposition).
Auf Grund der Schädigung des rechten Sehnerves ist der Kläger seit dem genannten Unfall auf dem rechten Auge erblindet.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger (wegen versuchter Körperverletzung) gab der den Unfall aufnehmende Polizeioberkommissar
(POK) H. in seinem Abschlussbericht an, der Kläger sei an der Unfallstelle liegend ohne Bewusstsein angetroffen und von der
Besatzung eines Rettungswagens erstversorgt worden. Es seien der Zeuge Dr. W. sowie der geschädigte Schüler N. W. vernommen
worden. Die beiden anderen Schüler, M. S. sowie M. K., seien befragt worden, eine Niederschrift sei aber nicht gefertigt worden.
Laut dem Protokoll der Zeugenvernehmung des Dr. W. vom 25.05.2012 gab dieser an, in seine Richtung sei ein Radfahrer den Kindern
entgegen gekommen. Kurz davor habe er "Achtung" geschrien und im Vorbeifahren nach einem Kind geschlagen, obwohl er genug
Platz gehabt habe. In seiner Vernehmung vom 29.05.2012 bestätigte er dies nochmals und gab weiter an, er sei zum Unfallzeitpunkt
von W. kommend Richtung S. gejoggt. Ihm seien auf dem Weg viele Kinder auf dem Fahrrad entgegen gekommen. Die drei Jungs seien
nach dem Ruf "Achtung" zusammengerückt, sodass man hätte vorbeikommen können. Er habe dann die linke Hand des Klägers gesehen,
wie dieser sie hoch gehoben habe, als ob er nach einem Kind habe schlagen wollen. Dann sei er aber auch schon vom Fahrrad
gestürzt. Für ihn habe es so ausgesehen, als ob der Kläger mit der Faust ausgeholt habe, um den Jungen zu schlagen. Der geschädigte
N. W., geboren 1998, gab bei seiner Befragung am 30.05.2012 gegenüber POK H. an, sie hätten dem Kläger Platz gemacht, nachdem
dieser "Achtung" geschrien habe. Dann habe er einen Schlag auf dem Oberarm gespürt. Der Kläger habe ihm auf den Arm geschlagen.
Dann sei dieser hingefallen. Der Kläger selbst gab im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 13.06.2012 an, er könne sich
an den Unfall nicht konkret erinnern. Er gehe davon aus, dass er - als er an den Kindern habe vorbeifahren wollen - von links
einen Schatten gesehen und reflexartig die Hand gehoben habe. Er sei vor ca. einem Jahr, im Juni 2011, auf der gleichen Strecke
unverschuldet mit einem entgegenkommenden Radfahrer zusammengestoßen. Daher erkläre er sich auch seine reflexartige Handlung.
Er könne sich nicht daran erinnern, dass er den Jungen habe schlagen wollen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart stellte das
Ermittlungsverfahren gegen den Kläger gemäß §
170 Abs.
2 Strafprozessordnung (
StPO) ein, da ein strafbares Verhalten des Klägers nicht sicher nachweisbar sei.
Mit Unfallanzeige vom 29.05.2012 zeigte die Arbeitgeberin des Klägers den Unfall bei der Beklagten an. Der Kläger habe am
25.05.2012 mit seinem Fahrrad einen Wegeunfall auf dem Weg zur Arbeit erlitten. Er sei seit dem 01.08.2011 als technischer
Einkäufer beschäftigt gewesen (Arbeitgeberauskunft vom 14.06.2012). Die Beklage holte daraufhin medizinische Befundunterlagen
ein. Im Durchgangsarztbericht vom 25.05.2012 gab Prof. Dr. K. an, der Kläger sei auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad gestürzt
und auf den Kopf gefallen. Er sei intensivmedizinisch versorgt worden. Als Erstdiagnosen wurden genannt: Orbitabodenfraktur
und multiple Mittelgesichtsfrakturen mit Läsion des Nervus opticus rechts, Rippenserienfraktur zweite bis achte Rippe rechts
mit traumatischem Pneumothorax, traumatische SAB und Subduralhämatom mit Contusio cerebri und Lungenkontusion sowie Fraktur
des mittleren Drittels der Klavikula. Im Entlassungsbericht vom 11.06.2012 gab Oberarzt G. an, der Kläger sei vom 25.05. bis
11.06.2012 stationär behandelt worden. Er habe sich durch den Fahrradsturz eine Fraktur der Klavikula, eine Fraktur des Orbitabodens
mit Orbitahämatom, eine Fraktur des Jochbeins und des Oberkiefers rechts, eine Rippenserienfraktur 2 bis 8 rechts, einen traumatischen
Pneumothorax, eine traumatische subarachnoidale Blutung, eine traumatische subdurale Blutung, eine Contusio cerebri, ein traumatisches
Hirnödem, eine Lungenkontusion und eine Beckenprellung rechts zugezogen. Trotz einer Entlastung des intra- orbitalen Hämatoms
sei es zu einer Sehnervschädigung rechts gekommen. Der Kläger habe im Rahmen der Anamnese angegeben, beim Passieren von Fußgängern
habe er seine Hand kurzzeitig vom Lenker genommen, wodurch es zu dem Sturzereignis auf die rechte Körperhälfte gekommen sei.
Augenarzt Prof. Dr. W. gab in seinem Befundbericht vom 11.06.2012 an, der Kläger sei auf dem rechten Auge erblindet, er könne
kein Licht wahrnehmen (Nulla lux). Im Rahmen eines Telefonats mit der Beklagten gab der Kläger am 19.06.2012 an, an den Unfall
selbst erinnere er sich nicht mehr. Er habe auch keine Flashbacks oder Alpträume. Allerdings komme er mit der Situation, auf
einem Auge erblindet zu sein, weiterhin nicht zurecht. In seinem Selbstauskunftsbogen gab er am 22.06.2012 gegenüber der Beklagten
an, seine Arbeitszeit hätte am Unfalltag um 7.30 Uhr beginnen sollen. Er sei von seiner Wohnung aus in W. zu seiner Arbeitsstätte
nach F. mit dem Fahrrad gefahren. Er habe seine Wohnung um 6.50 Uhr verlassen. Mit dem Fahrrad betrage die Strecke 17,5 km,
mit dem Motorrad 18,8 km und mit dem Auto 22 km. Er benötige für die Fahrstrecke ca. 38 bis 45 Minuten. Er habe an den Fahrradsturz
keine Erinnerung. Die Beklagte holte daraufhin noch den Befundbericht der Augenärztin Dr. E. vom 15.08.2012 ein, wonach auf
dem rechten Auge Blindheit wegen der Läsion des Nervus optikus bestehe. Außerdem zog die Beklagte die Ermittlungsakte der
Staatsanwaltschaft S. (Az: 60 Js 59129/12) bei. Mit Schreiben vom 03.08.2012 teilte sie der Krankenkasse des Klägers (BKK) mit, dass vorbehaltlich der Entscheidung
des Rentenausschusses der Unfall als Arbeits- bzw. Wegeunfall anerkannt werde. Solange Arbeitsunfähigkeit wegen der Folgen
des Versicherungsfalls ärztlich bescheinigt werde und der Kläger kein Arbeitsentgelt erhalte, solle im Rahmen der Verwaltungsvereinbarung
Verletztengeld gezahlt werden. Der Kläger erhielt eine Kopie dieses Schreibens zur Kenntnis.
Mit Bescheid vom 18.09.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls vom 25.05.2012 als Arbeitsunfall ab. Ein Anspruch
auf Leistungen bestehe nicht. Nach den Aussagen eines Zeugen sowie des betroffenen Jungen bestünden keine Zweifel daran, dass
der Kläger nach dem Jungen geschlagen habe und infolgedessen gestürzt sei. Das Schlagen nach dem Jungen habe wesentlich der
Verfolgung eigener Interessen gedient und stelle damit eine deutliche Zäsur dar, die nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung stehe. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, das gegen ihn eingeleitete Verfahren wegen versuchter
Körperverletzung sei mangels Tatverdacht eingestellt worden. Es sei unzutreffend, dass er beim Vorbeifahren mit der linken
Hand nach einem der Jungen geschlagen habe. Bereits vor einem Jahr, im Mai 2011, sei er auf diesem Weg an einer Schülergruppe
vorbeigefahren, die ihm entgegen gekommen sei. Ein Schüler sei dabei so weit links in seine Fahrbahn hinein geraten, dass
er beim Vorbeifahren mit seiner linken Hand am Lenker des entgegenkommenden Schülers hängengeblieben sei und sich hierdurch
Schürfwunden an den Fingern zugezogen habe. An den konkreten Unfalltag vom 25.05.2012 habe er keine detaillierte Erinnerung
mehr. Er wisse noch, dass er damals mit einer Fahrradbrille mit getönten Gläsern kurz nach Sonnenaufgang unterwegs gewesen
sei. Er sei irrtümlich davon ausgegangen, dass an diesem Freitag bereits Schulferien gewesen seien. Er wisse noch, dass er
auf einmal etwas abrupt auf sich habe zukommen sehen, wobei er nicht sagen könne, ob dies ein Schüler oder ein Gegenstand,
wie z.B. eine Tüte, gewesen sei. Instinktiv habe er dann seine linke Hand - im Hinblick auf den Vorfall vor einem Jahr - weggezogen.
Dies sei aber nicht als Schlag oder gar versuchte Körperverletzung gegenüber einem anderen Fahrradfahrer gedacht gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen
aus, es sei weiterhin davon auszugehen, dass der Kläger gestürzt sei, weil er mit der linken Hand nach einem ihm entgegenkommenden,
ebenfalls mit dem Rad fahrenden Schüler geschlagen habe. Dieses Handeln stehe nicht im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
und unterliege nicht dem Schutzbereich der Norm. Da der Kläger keine detaillierten Erinnerungen mehr habe, könne man sich
nur auf die vorliegenden Zeugenaussagen und Feststellungen der Polizei zur Wegbeschaffenheit stützen. An Tatsachen, die das
Abkommen vom Fahrradweg als Realisierung einer Verkehrsgefahr qualifizieren könnten, fehle es hier.
Hiergegen hat der Kläger am 24.04.2013 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Das Heben seiner linken Hand habe eine reine Schutzhandlung
dargestellt, um diese Hand zu schützen. Ebenso sei es möglich, dass er auf der geteerten Fahrbahn in einen Spalt zwischen
der geteerten Fläche und dem angrenzenden Wiesenbereich hinein geraten sei und deshalb die Kontrolle über sein Fahrrad verloren
habe. Im Übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden (Bezugnahme auf Urteil vom 04.06.2010 - B 2 U 11/01 R), dass auch ein verkehrswidriges Verhalten unter den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung falle. Zur weiteren Begründung
hat der Kläger Lichtbilder vorgelegt, die drei bzw. vier Fahrradfahrer auf dem Unfallweg zeigen (Bl. 44/45 der SG-Akte).
Nach Vernehmung der Zeugen Dr. W. und W. in der mündlichen Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 24.06.2014 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.03.2013 verurteilt, den Unfall vom 25.05.2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, der Kläger habe sich im Zeitpunkt des Unfalls auf dem Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte und damit auf einem
versicherten Weg befunden. Die durch den Fahrradunfall verursachten gesundheitlichen Einwirkungen auf den Körper des Klägers
begründeten auch einen Arbeitsunfall, da sie infolge des Zurücklegens des versicherten Weges aufgetreten und damit nach dem
Schutzzweck der Norm der versicherten Tätigkeit zuzurechnen seien. Der Auffassung der Beklagten, wonach der Kläger durch einen
Schlag auf den Zeugen W. eine eigenwirtschaftliche Handlung vorgenommen habe, könne nicht gefolgt werden. Nach der Auswertung
der Zeugenaussagen stehe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger den Zeugen W. vorsätzlich
geschlagen habe. Fest stehe nur, dass der Kläger, während er an den Schülern vorbeigefahren sei, den linken Arm und die linke
Hand vom Lenker genommen habe und dass er infolge dessen den Zeugen W. an der rechten Schulter bzw. Brust berührt habe. Dies
ergebe sich aus den Zeugenaussagen und den Angaben des Klägers. Ein Grund hierfür könne jedoch nicht mehr ermittelt werden.
Letztendlich lasse es sich nicht klären, was tatsächlich hinter der Armbewegung des Klägers gesteckt habe. Den Zeugenaussagen
könne nicht entnommen werden, dass es sich um einen vorsätzlichen Schlag gehandelt habe. Es sei unklar, aus welcher Entfernung
der Zeuge Dr. W. das Geschehen beobachtet habe. In der polizeilichen Aussage seien es 20 m, in der mündlichen Verhandlung
seien es zwischen 50 bis 100 m gewesen. Eine eigenwirtschaftliche Handlungstendenz liege daher nicht im Vollbeweis vor. Eine
reflexartige Handlung des Klägers sei von einer solchen eigenwirtschaftlichen Handlungstendenz nicht getragen, da sie einen
Reflex und damit keine willensgesteuerte Handlung darstelle. Damit verbleibe es bei der einen Wirkursache für den Sturz, nämlich
dem Zurücklegen des Weges des Klägers von seiner Wohnung zur Arbeit. Die Beklagte trage die Beweislast dafür, dass der Kläger
im Zeitpunkt des Unfalls keiner versicherten Verrichtung nachgegangen sei.
Gegen das der Beklagten am 07.07.2014 zugestellte Urteil hat diese am 04.08.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt
und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, aufgrund der vorliegenden Zeugenaussagen sei sie weiterhin davon überzeugt,
dass der Kläger im Vorbeifahren mit der linken Hand nach einem der Schüler geschlagen und diesen am Arm bzw. im Schulterbereich
getroffen habe. Dieses Handeln stehe nicht in einem so engen und gewichtigen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit,
dass sie vom Schutzzweck der Wegeunfallversicherung noch getragen werde. Wesentlich sei die finale Handlungstendenz des Versicherten,
die durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigt werde. Der Kläger selbst habe durchgängig angegeben, keine konkrete
Erinnerung an den Unfall zu haben. Nachträglich habe er dann ausgeführt, aufgrund eines Unfalls vor einem Jahr im Reflex den
Arm hochgehoben zu haben. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG habe er nicht angegeben können, was er an diesem Tag mit der linken Hand gemacht habe. Insoweit wurzele die nachgeschobene
Behauptung, den Arm im Reflex hochgehalten zu haben, ausschließlich auf Annahmen, Vermutungen bzw. Spekulationen. Dagegen
stünden Zeugenaussagen, die unbeeinflusst bereits unmittelbar nach dem Unfallereignis polizeilich erhoben und im weiteren
Verfahren bestätigt worden seien. Der Zeuge Dr. W. habe von Anfang an erklärt, dass der Kläger den Schüler geschlagen habe.
Ob er dies aus einer Entfernung von 20 m oder 50 bis 100 m gesehen habe, spiele keine Rolle, da seine Aussage seit Beginn
widerspruchsfrei sei. Diese stimme insoweit auch mit den Angaben des Zeugen W. sowie seinen beiden Mitschülern überein. Es
habe sich hierbei um ein objektiv beobachtetes und beobachtbares Verhalten gehandelt. Dabei komme es auf die Schwere der Verletzung
nicht an. Selbst wenn eine gemischte Tätigkeit anzunehmen sei, gelte dies nicht für Risiken, die sich rechtlich wesentlich
aus dem privaten Handlungsteil ergäben. Immerhin habe der Kläger nach eigenen Angaben auf dem Radweg mit einer Geschwindigkeit
von ca. 25 km/h an der Gruppe der drei Schüler vorbeifahren wollen. Inwieweit dieses Tempo auf einem Radweg mit Gegenverkehr
noch angemessen sei, erscheine sehr fraglich.
Die Beklage beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.06.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Zeuge Dr. W. habe sich im Hinblick auf seine Aussagen zur Entfernung
vom Unfallort in Widersprüche verwickelt. Auch bei einer Entfernung von 20 m könne kaum wahrgenommen werden, ob eine Handbewegung
vorsätzlich oder quasi reflexartig ausgeführt werde. Dies habe sich gerade bei der letzten Fußballweltmeisterschaft gezeigt,
bei der viele erfahrene Schiedsrichter durchaus falsche Entscheidungen getroffen hätten. Im Übrigen könne eine eigenwirtschaftliche
Verrichtung während der Fahrradfahrt auch nicht angenommen werden. Auf die Aussagen des Zeugen W. könne man sich ebenfalls
nicht stützen, da dieser bereits vor seiner Zeugenaussage vom Kläger außergerichtlich auf Zahlung eines Schadenersatzbetrags
in Höhe von mehr als 50.000 € in Anspruch genommen worden sei. Im Übrigen sei für einen geübten Radfahrer eine Geschwindigkeit
von ca. 25 km/h ohne große Anstrengung schnell erreicht.
Der Senat hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart (Az: 60 Js 59129/12) zum Verfahren beigezogen und die Beteiligten hierüber unterrichtet.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2015 wurden die Zeugen Dr. W. und W. vernommen. Hinsichtlich ihrer Aussagen
wird auf die Niederschrift und deren Anlagen verwiesen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz, auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte und auf die bei der Staatsanwaltschaft S. beigezogene
Ermittlungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 18.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.03.2013 (§
95 SGG) aufgehoben, denn die Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der vom
Kläger am 25.05.2012 erlittene Verkehrsunfall war kein Arbeitsunfall im Rahmen der Wegeunfallversicherung. Der Senat sieht
es unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles nicht als nachgewiesen an, dass der Kläger einen Wegeunfall
erlitten hat. Denn die Wegeunfallversicherung schützt nicht gegen Gefahren, die sich erst und allein aus dem Schlagen nach
einem anderen Verkehrsteilnehmer ergeben.
Dabei weist der Senat vorab darauf hin, dass die Beklagte das Ereignis vom 25.05.2012 durch ihr Schreiben vom 03.08.2012 an
die BKK nicht verbindlich als Arbeits- bzw. Wegeunfall anerkannt hat. Denn die Beklagte hat insoweit keine rechtsverbindliche
positive Feststellung getroffen, die sie daran hinderte, den ablehnenden Bescheid vom 18.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 22.03.2013 zu erlassen. In dem Schreiben vom 03.08.2012, das dem Kläger nur zur Kenntnisnahme übermittelt wurde, hat die
Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie den Unfall vom 25.05.2012 nur "vorbehaltlich" der Entscheidung des Rentenausschusses
als Arbeits- bzw. Wegeunfall anerkennt, damit der Kläger im Rahmen der Verwaltungsvereinbarung Verletztengeld erhalten konnte,
solange Arbeitsunfähigkeit wegen der Folgen des Unfalls ärztlich bescheinigt wurde und er deshalb auch kein Arbeitsentgelt
erhielt. Hiermit hat die Beklagte keinen endgültigen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht, sondern vielmehr klargestellt,
dass es sich lediglich um eine vorläufige Entscheidung zur Zahlbarmachung von Verletztengeld handelt. In Anbetracht der Rechtsprechung
des BSG, wonach Maßstab der Auslegung eines Verwaltungsaktes der im Ausspruch geäußerte Erklärungswille und Erklärungswert ist, wie
er sich einem verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, darstellt (vgl. nur BSG SozR 4100 § 71 Nr. 2; SozR 3-1300 § 32 Nr. 2; SozR 3-1300 § 34 Nr. 2 m.w.N.), kann dem Schreiben der Beklagten vom 03.08.2012 keine endgültige Entscheidung über
die Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der Wegeunfallversicherung entnommen werden. Denn in dem Schreiben wird - wie bereits
dargelegt - hinreichend deutlich gemacht, dass die Entscheidung des Rentenausschusses, welche am 18.09.2012 erging, allein
maßgeblich sein soll. Durch die Entscheidung vom 18.09.2012 hat sich das Schreiben vom 03.08.2012 - soweit man es als Verwaltungsakt
im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) versteht - gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt.
Nach §
8 Abs.
1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung unmittelbar vor dem fraglichen Unfallereignis
den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "versichert" ist. Die Verrichtung muss ein
zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod
des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität;
vgl. BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 46, RdNr. 20; zuletzt BSG, Urteil vom 14.11.2013 - B 2 U 27/12 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 51 RdNr. 3 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Kläger war zwar am 25.05.2012 auf seinem Weg von seiner Wohnung zur
Arbeitsstätte im Rahmen der Wegeunfallversicherung (§
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII) kraft Gesetzes versichert. Er hat auch einen Unfall im Sinne des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII erlitten. Dieser Unfall ist jedoch kein Arbeitsunfall, weil die Einwirkung nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist.
Mit dem Verlassen seiner Wohnung am 25.05.2012 um 06.50 Uhr (so die Angabe des Klägers im Selbstauskunftsbogen vom 22.06.2012)
befand sich der Kläger nicht auf einem "Betriebsweg". Der Kläger legte nach seinen eigenen Angaben im Rahmen der mündlichen
Verhandlung am 11.05.2015 vielmehr einen Weg im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII zurück, als er sich zur Zeit des Unfalls um 07.04 Uhr (vgl. Abschlussbericht des POK H.) auf der Gemeindestraße zwischen
W. und S. befand. Denn nach seinen Angaben nutzte er diese (im Verglich zu anderen Verkehrsmitteln kürzeste) Wegstrecke täglich
mit dem Fahrrad, um zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen. Er befand sich mithin zur Zeit des Unfalls auf dem unmittelbaren
Hinweg von seiner Wohnung (W.) zum Ort seiner versicherten Beschäftigung (F.) und legte damit den mit der nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weg nach dem Ort der Tätigkeit zurück. Anhaltspunkte dafür, dass seine
Fortbewegung nicht von dem Zweck bestimmt war, die Arbeitsstätte in F. zu erreichen, liegen nicht vor. Entsprechendes wird
auch von der Beklagten nicht behauptet.
Der Kläger hat zudem eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall im Sinne
des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII erlitten. Dadurch, dass er von seinem Fahrrad stürzte und auf die rechte Körperhälfte prallte, wurde seine körperliche Integrität
verletzt. Das entnimmt der Senat dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. K. vom 25.05.2012. Danach führte der Fahrradsturz
am 25.05.2012 zu einer Orbitabodenfraktur und multiplen Mittelgesichtsfrakturen mit Läsion des Nervus opticus rechts, einer
Rippenserienfraktur (zweite bis achte Rippe rechts) mit traumatischem Pneumothorax, einer traumatischen SAB, einem Subduralhämatom
mit Contusio cerebri und einer Lungenkontusion sowie zu einer Fraktur des mittleren Drittels der Klavikula. Im Entlassungsbericht
vom 11.06.2012 gab Oberarzt G. des Weiteren ein traumatisches Hirnödem sowie eine Beckenprellung rechts als Diagnosen an.
Durch die Schädigung des Nervus Opticus rechts kam es zu einer Erblindung auf dem rechten Auge. Dies entnimmt der Senat dem
Arztbericht des Prof. Dr. W. vom 11.06.2012 und dem Befundbericht der Dr. E. vom 15.08.2012. Danach kann der Kläger auf dem
rechten Auge keinen Lichtschein mehr wahrnehmen (Nulla Lux).
Die Einwirkung und die dadurch verursachten Gesundheitserstschäden sind jedoch entgegen §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII nicht "infolge" der Verrichtung der versicherten Tätigkeit eingetreten und ihr damit nicht zuzurechnen.
Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit,
den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand
konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung
des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen
dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand
schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung
erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit
muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod sowohl objektiv (1.
Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 46 RdNr. 32).
Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O., RdNr. 33 ff.) setzt die Zurechnung auf der ersten Stufe voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung
objektiv (mit)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht
schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche
Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen.
Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich- philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder
beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg
entfiele (conditio- sinequa- non). Nach der im Strafrecht maßgeblichen rechtlichen Zurechnungslehre der "Äquivalenztheorie"
gelten alle solchen notwendigen Bedingungen stets als gleichwertig (äquivalent) und deshalb schon rechtlich als Ursachen.
Die auf dieser Grundlage sehr weitgehende Zurechnung der Rechtsgutverletzung zum Täter wird nachgehend etwa durch die Institute
der objektiven Zurechnung, des Schutzzwecks der Norm etc. eingeschränkt.
In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die i.S. der "conditio-Formel" eine erforderliche
Bedingung des Erfolges (stets neben anderen Bedingungen) war, darüber hinaus in einer besonderen tatsächlichen Beziehung zu
diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht
nur eine (bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare) zufällige Randbedingung gewesen sein.
Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung (und dadurch für den Gesundheitserstschaden
oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten
anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen (gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten)
beantwortet werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 44).
Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die (Ein-)Wirkung rechtlich unter
Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den
Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der
"Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte
Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine
Rechtsvermutung dafür, dass die versicherte Verrichtung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Einwirkung auch rechtlich
wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des
Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl. BSG, a.a.O.).
Der Schutzzweck einer Rechtsnorm aufgrund des ihr zugrunde liegenden vom Normgeber anerkannten Schutzbedürfnisses des Begünstigten
ist ein u.a. im deliktischen Haftungsrecht anerkanntes Zurechnungskriterium, das neben der Kausalität erfüllt sein muss (BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 46 RdNr. 38 m.w.N.). Die haftungsrechtliche Zurechnung des Schadens zu dessen Verursacher erfolgt grundsätzlich
schon allein wegen des Handelns, das objektiv für den nach der Lebenserfahrung nicht ausgeschlossenen Schaden (aus der ex
ante Sicht des optimalen Beobachters) adäquat ursächlich war. Sie entfällt aber auf der (zweiten, rechtlichen) Wertungsstufe,
wenn die Vorschrift nach ihrer Art und Entstehungsgeschichte gerade eine Person wie den Verletzten (persönlicher Schutzbereich)
vor einer Verletzung der erlittenen Art (sachlicher Schutzbereich) nicht schützen soll. Die Haftung des Schadensverursachers
ist deshalb ausgeschlossen, wenn sich keine Gefahr verwirklicht hat, der die Rechtsvorschrift gerade entgegenwirken soll.
Allerdings geht es in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht um die Zurechnung eines Erfolges zum Verursacher, sondern
um die Begründung einer (versicherungsrechtlichen) Einstandspflicht eines Unfallversicherungsträgers für einen tatbestandlichen
Schaden, den ein anderes Rechtssubjekt, der Verletzte, unter eigener Mitwirkung erlitten hat. Diese Einstandspflicht setzt
voraus, dass die Rechtsgutverletzung in persönlicher und sachlicher Hinsicht in den jeweiligen Schutzbereich der begründeten
Versicherung fällt. Der persönliche Schutzbereich ist eröffnet, wenn, solange und soweit der Verletzte vor dem Unfall durch
eine eigene Verrichtung den Tatbestand einer aufgrund der §§
2,
3,
6 oder 8 Abs.
2 SGB VII versicherten Tätigkeit erfüllt und dadurch seinen Versicherungsschutz bei dem für diesen Tatbestand zuständigen Unfallversicherungsträger
"begründet" i.S. des §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII. Der sachliche Schutzbereich greift ein, wenn sich mit dem durch die versicherte Verrichtung mitverursachten tatbestandlichen
Schaden eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll.
Für Schäden, die außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegen, muss der jeweils zuständige Unfallversicherungsträger nicht einstehen.
In der Sache läuft diese Voraussetzung der Einstandspflicht darauf hinaus, dass entschieden werden muss, ob der begründete
Versicherungsschutz den Sinn und Zweck hat, gegen Schäden der konkret eingetretenen Art zu schützen. Deshalb wirkt der Schutzzweck
der Norm in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht haftungslimitierend, sondern pflichtbegründend (BSG, a.a.O., RdNr. 40).
Den Schutzzweck der jeweils begründeten Versicherung hat das Gericht (und die Verwaltung) durch Auslegung des Versicherungstatbestandes
nach den anerkannten juristischen Methoden unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber festgelegten Sinns und Zwecks des Gesetzes
zu bestimmen (vgl. BVerfG vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193, 206, 210 f. m.w.N.; zu den anerkannten Methoden stellv. BVerfG vom 15.01.2009 - 2 BvR 2044/07 - BVerfGE 122, 248, 257 f., insb. abw. Meinung S. 282 f. m.w.N.). Nur diese methodengerechte Unterwerfung unter die Gesetzesbindung verhindert,
dass sich der Rechtsanwender unter missbräuchlicher Berufung auf einen angeblichen "Schutzzweck der Norm" von seiner Gesetzesbindung
löst (vgl. hierzu Becker, MedSach 2007, 92, 94). Im Wege der Subsumtion eines konkreten Lebenssachverhaltes unter den durch
Auslegung nach den juristisch anerkannten Methoden bestimmten Schutzbereich der jeweils begründeten Versicherung ist daher
festzustellen, ob die versicherte Verrichtung ein Risiko verwirklicht hat, das unter diesen Schutzbereich fällt.
Die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers wird danach nur begründet, wenn der durch die versicherte Verrichtung
objektiv mitverursachte Unfall eine Gefahr mitverwirklicht hat, gegen die die begründete Versicherung schützen soll. Denn
nur wenn der Schutzzweck der Norm den durch die versicherte Handlung mitbewirkten Schaden überhaupt umgreift, kommt es rechtlich
darauf an, ob neben der versicherten Wirkursache auch andere unversicherte Mitursachen bestehen. Diese können die Einstandspflicht
nie begründen, aber gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das Unfallgeschehen
derart geprägt haben, dass sie die versicherte Wirkursache verdrängen, so dass der Schaden "im Wesentlichen" rechtlich nicht
mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt.
Bei dieser Subsumtion sind die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten Wirkursachen
und ihre Mitwirkungsanteile in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes
zu bewerten (vgl. BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 44). Unter Berücksichtigung der Auffassung des praktischen Lebens ist abzuwägen, ob der Schaden den
versicherten oder den unversicherten Wirkursachen zuzurechnen ist (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 RdNr. 12 m.w.N.; s. hierzu auch Schur/Spellbrink, SGb 2014, 589, 594 ff.).
Nach diesen Maßstäben ist die Einwirkung auf den Körper des Klägers am 25.05.2012 zwar objektiv, nicht aber rechtlich wesentlich
durch das Zurücklegen des Weges von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte verursacht worden. Das gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII versicherte Zurücklegen des unmittelbaren Weges von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte hat zwar die Einwirkung auf den Körper
des Klägers (Sturz vom Fahrrad) objektiv mitverursacht. Denn der Kläger befand sich - wie bereits dargelegt - auf dem unmittelbaren
Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte in F., um die nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII versicherte Tätigkeit auszuüben. Das Zurücklegen dieses Weges war offenkundig eine mitwirkende Grundbedingung für den Sturz
vom Fahrrad.
Die an sich grundsätzlich versicherte Verrichtung (Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte) war vorliegend jedoch keine rechtlich
wesentliche Wirkursache für den Fahrradunfall. Mit dem Sturz vom Fahrrad hat sich keine Gefahr realisiert, vor der die Wegeunfallversicherung
des §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII schützen soll. Die Unfallversicherung des Zurücklegens des Wegs nach und von dem Ort der jeweiligen versicherten Tätigkeit
schützt nur gegen Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer
eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen durch die Beschaffenheit des
Verkehrsraums hervorgeht (vgl. hierzu nochmals BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R, a.a.O., RdNr. 45).
Eine solche Verkehrsgefahr hat sich vorliegend nicht verwirklicht. Ein technisches Versagen, widrige Straßenverhältnisse oder
andere äußere Einflüsse auf die Fahrt konnte der Senat nicht feststellen. Nach den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen der
mündlichen Verhandlung beim SG hat dieser ausdrücklich angegeben, dass sich sein Fahrrad in einem "Topzustand" befunden hat (Niederschrift vom 24.06.2014,
Bl. 49 der SG-Akte). Ein technisches Versagen (etwa Riss der Fahrradkette oder Nichtfunktionieren der Bremsen) wird mithin vom Kläger nicht
behauptet und lässt sich auch aus den Zeugenaussagen sowie dem Abschlussbericht des POK H. nicht entnehmen. Aus dem Abschlussbericht
des POK H. folgt zudem, dass die Gemeindeverbindungsstraße an der Unfallstelle 3,1 m breit war. Soweit der Kläger in der mündlichen
Verhandlung vom 11.05.2015 angegeben hat, die Fahrbahnbreite betrage nur 2,5 m, so hat er auf Nachfrage bestätigt, dass bei
Hinzuaddieren der seitlichen Betonstreifen man auf eine Fahrbahnbreite von 3,1 m kommen könne. Der Senat hat daher keine Zweifel
daran, dass die Fahrbahnbreite von POK H. in seinem Abschlussbericht, der in der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft
S. enthalten ist, richtig angegeben wurde.
Zwar waren auf der Gemeindestraße keine Fahrbahnmarkierungen vorhanden, im Bereich der Unfallstelle verläuft die Fahrbahn
aber gerade und eben. Dies wurde vom Zeugen Dr. W. in der mündlichen Verhandlung am 11.05.2015 bestätigt und lässt sich auch
den Lichtbildern, die in der Lichtbildmappe der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft S. vorhanden sind, entnehmen.
Die Kratzspuren auf der Fahrbahn, die auf Bild Nr. 4 der Lichtmappe sichtbar sind, stammen nach Ansicht des POK H. vom Fahrrad
des Klägers. Diese Kratzspuren befinden sich im rechten Drittel der Fahrbahn in Fahrtrichtung (laut Abschlussbericht 80 cm
vom recht Fahrbahnrand) und mithin nicht in unmittelbarer Nähe der angrenzenden Wiese. Die Fotos von der Unfallstelle zeigen
auch, dass die Fahrbahn im Bereich der Unfallstelle im Übrigen nicht beschädigt war, sodass der Senat keine Anhaltspunkte
dafür sieht, dass die Beschaffenheit der Fahrbahn eine wesentliche Wirkursache für den Fahrradunfall war. Die These des Klägers,
wonach er eventuell im Übergangsbereich zwischen dem asphaltierten Weg und der Wiese die Kontrolle über sein Fahrrad verloren
habe, lässt sich danach nicht bestätigen. Denn sonst wären keine Kratzspuren seines Fahrrades 80 cm vom Fahrbahnrand festgestellt
worden. Im Übrigen hat er in der mündlichen Verhandlung am 11.05.2015 auch angeben, den seitlichen Fahrbahnrand nicht befahren
zu haben, da der seitliche Betonstreifen wegen teilweiser "großer Löcher" nicht befahrbar sei.
Danach führten weder technisches Versagen noch widrige Straßenverhältnisse zu dem Unfallereignis. Andere äußere Einflüsse
auf die Fahrt konnte der Senat ebenfalls nicht feststellen. Die Sichtverhältnisse waren an diesem Morgen nach den übereinstimmenden
Aussagen der Zeugen W. und Dr. W. in der mündlichen Verhandlung am 11.05.2015 gut. Nach den insoweit übereinstimmenden Auskünften
des Klägers und des Zeugen W., haben sich die beiden Fahrräder beim Vorbeifahren auch nicht berührt. Der Zeuge Dr. W. hat
bereits bei seiner Vernehmung vom 29.05.2012 angegeben, dass die drei Jungen Platz gemacht haben, sodass man aneinander vorbeifahren
konnte. Dies hatte er auch bereits bei seiner Vernehmung am Unfalltag angegeben und im Rahmen der mündlichen Verhandlung am
11.05.2015 bestätigt. Gleiches wurde vom Zeugen W. in der mündlichen Verhandlung am 11.05.2015 berichtet. Aus dem Entlassungsbericht
des Oberarztes Grünwald vom 11.06.2012 lässt sich zudem entnehmen, dass der Kläger bei der Anamnese angegeben hat, durch das
kurzzeitige Wegnehmen der Hand vom Lenker sei es zu Sturzereignis gekommen. Von einer Kollision hat er hingegen nicht berichtet.
Es kann daher ausgeschlossen werden, dass der Kläger wegen einer Kollision mit dem Fahrrad des Zeugen W. gestürzt ist.
Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren gemutmaßt hat, dass er von links beispielsweise eine Tüte abrupt auf sich habe
zukommen sehen, kann ein solcher Gegenstand den noch am Unfalltag aufgenommenen Lichtbildern der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft
S. nicht entnommen werden. Auch im Abschlussbericht des POK H. finden sich keine Hinweise auf Gegenstände, die an der Unfallstelle
aufgefunden worden sind. Schließlich haben die Zeugen W. und Dr. W. in der mündlichen Verhandlung am 11.05.2015 auf ausdrückliche
Nachfrage des Senats angeben, keine derartigen Gegenstände gesehen zu haben. Zudem haben sie bestätigt, dass die Sichtverhältnisse
zur Unfallzeit gut waren.
Damit lässt sich der Eintritt eines vom Schutzzweck der Wegeunfallversicherung erfassten Risikos nicht positiv feststellen.
Vielmehr stellt der Schlag des Klägers auf den Oberarm bzw. den Schulterbereich des Zeugen W. die wesentliche Wirkursache
für den Sturz und damit für den Unfall dar. Die Gefahren, die durch Schläge auf andere Verkehrsteilnehmer entstehen, werden
vom Schutzzweck der Wegeunfallversicherung aber nicht erfasst.
Davon, dass der Kläger beim Vorbeifahren den Zeugen W. mit der linken Hand geschlagen hat, ist der Senat aufgrund der Zeugenaussagen
des Dr. W. und des Geschädigten W. überzeugt. Im Gegensatz zur Auffassung des SG ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger den Zeugen W. bewusst mit der linken Hand geschlagen hat. Ausgangspunkt
ist zunächst die - im Hinblick auf den Unfalltag (25.05.2012) zeitnächste - Angabe des Klägers im Krankenhaus S., wie sie
in der Anamneseerhebung durch Oberarzt G. in seinem Entlassungsbericht vom 11.06.2012 wiedergegeben ist. Danach kam es zu
dem Sturz, weil der Kläger seine Hand kurzzeitig vom Lenker genommen hat. Die Handlung ging danach vom Kläger (und nicht etwa
von einem der vorbeifahrenden Schüler) aus. Dies wurde von den Zeugen Dr. W. und W. auch bestätigt. So hat der Zeuge Dr. W.
bereits bei seiner Vernehmung am 25.05.2012 am Unfallort angegeben, dass der Kläger kurz vor Erreichen der drei Kinder "Achtung"
gerufen und im Vorbeifahren nach einem Kind geschlagen hat. Dies entnimmt der Senat der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft
S.. Seine Aussage hat der Zeuge Dr. W. bei seiner Vernehmung am 29.05.2012 bekräftigt und dabei angegeben, dass er dachte,
nicht richtig zu sehen, da der Kläger die linke Hand hochgezogen habe, als ob er nach dem Zeugen W. habe schlagen wollen.
In diesem Zusammenhang hat er auch ausgesagt, dass es dem Kläger gereicht hätte, an den Kindern vorbei zu fahren. Schließlich
gab er an, eher eine Faust und keine flache Hand des Klägers gesehen zu haben. Im Rahmen seiner Vernehmung durch den Senat
am 11.05.2015 hat er seine Aussagen im Wesentlichen bestätigt. Er hat angeben, dass er gesehen hat, wie der Kläger den Arm
mit der Faust gehoben hat und danach gestürzt ist. Für ihn sah es auch so aus, dass der Schlag absichtlich ausgeführt wurde.
Der Zeuge W. hat bei seiner Vernehmung am 30.05.2012 ausgesagt, sie hätten dem Kläger Platz gemacht, nachdem dieser "Achtung"
gerufen hat. Dann habe er auf dem Oberarm einen Schlag gespürt. Auch dies entnimmt der Senat der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft
S.. Diese Aussagen hat der Zeuge vor dem SG und dem Senat bestätigt, wobei es nicht darauf ankommt, dass teilweise der Oberarm bzw. Schulter-/Brustbereich als Stelle
der Einwirkung durch den Schlag angegeben wurden. Denn nach den insoweit schlüssigen Aussagen des Zeugen W. in der mündlichen
Verhandlung am 11.05.2015 wurde er durch den Schlag des Klägers soweit im oberen Bereich des linken Oberarmes getroffen, dass
man auch von "Schulterbereich" sprechen kann.
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger die linke Hand reflexartig, d.h. ohne Absicht, den Zeugen W.
zu schlagen, gehoben hat. Dabei ist vorab festzustellen, dass sich der Kläger an den Unfall nicht mehr konkret erinnern kann.
Bereits am 19.06.2012 hat er gegenüber der Beklagten darauf hingewiesen, dass er sich an den Unfall selbst nicht mehr erinnert.
Diese Aussage hat er auch in seinem Selbstauskunftsbogen vom 22.06.2012 bestätigt. Dies entnimmt der Senat der von der Beklagten
vorgelegten Verwaltungsakte (Bl. 42 und 52). Auch im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 13.06.2012 hat der Kläger gegenüber
POK H. angegeben, sich an den Unfall nicht konkret zu erinnern. Erst im Krankenhaus sei ihm "die Vorstellung oder auch die
Erinnerung" gekommen, dass er zum Unfallzeitpunkt von links einen Schatten bemerkt und hierauf mit einem Reflex der Hand reagiert
habe. In seiner Widerspruchsbegründung vom November 2012 hat er diesbezüglich angegeben, dass er auf einmal etwas auf sich
abrupt habe zukommen sehen, wobei er sich nicht daran erinnern könne, ob dies ein Schüler oder nur ein Gegenstand, beispielsweise
eine Tüte, gewesen sei. Soweit dieses Vorbringen auch im weiteren Verfahren wiederholt wurde, handelt es sich nach Auffassung
des Senats um eine reine Schutzbehauptung. Denn weder die Zeugen Dr. W. und W. haben bei ihrer Vernehmung durch die Polizei
und auch bei ihrer Vernehmung durch den Senat angegeben, Gegenstände gesehen zu haben, die auf den Kläger am Unfallort zuflogen
(wie z.B. eine Tüte). Auch die noch am Tag des Unfalls am 25.05.2012 gefertigten Lichtbilder zeigen keine entsprechenden Gegenstände
und im Abschlussbericht des POK H. werden keine entsprechenden Gegenstände benannt. Dies entnimmt der Senat der beigezogenen
Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Zudem haben die Zeugen Dr. W. und W. vor dem Senat übereinstimmend angegeben,
dass die Sichtverhältnisse am Unfalltag gut waren. Auch die Mutmaßung des Klägers, wonach er einen Schatten von links gesehen
habe, der bei ihm eine Reflexhandlung ausgelöst habe, überzeugt den Senat nicht. Denn nach seinen eigenen Angaben hat er die
drei Schüler entgegenkommen sehen und deshalb auch Achtung gerufen. Dies entnimmt der Senat seiner Aussage vor dem SG (vgl. Niederschrift vom 24.06.2014, Bl. 47 der SG-Akte). Dabei hat er auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er mit entgegenkommenden Radfahrern immer versucht, Sichtkontakt
zu halten. Das bedeutet aber, dass er (bewusst) die drei Schüler gesehen hat und mit dem Vorbeifahren an dieser Schülergruppe
gerechnet hat. Ein insoweit "abruptes" Zukommen von einem Schüler oder Gegenstand ist daher nicht wahrscheinlich, zumal der
Zeuge Dr. W. eine Bewegung des Zeugen W. in Richtung des Klägers nicht gesehen hat. Darüber hinaus hat der Kläger in der mündlichen
Verhandlung am 11.05.2015 angeben, "vorher derartige Reflexe" noch nicht gehabt zu haben. Soweit er in diesem Zusammenhang
vermutet hat, durch die Benutzung der optischen Sonnenbrille könnten eventuell Schatten entstanden seien und er habe - wegen
eines Unfalls im Jahr 2011 - seine Hände schützen wollen, überzeugt dies den Senat nicht. Denn von außen betrachtet sah die
Armbewegung des Klägers eindeutig nach einem absichtlichen Schlag und nicht nach einer reflexartigen Handbewegung aus. Der
Senat stützt sich hierbei auf die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen W. und Dr. W.. Der Zeuge W. hat im Rahmen der mündlichen
Verhandlung am 11.05.2015 angegeben, dass er die Hand des Klägers auf sich zukommen sah und diese "wie zum Schlag geformt"
war, wobei er das Gefühl hatte, dass dies absichtlich geschehen sei. Diese Wahrnehmung wird durch den Zeugen Dr. W. bestätigt.
Er hat im Rahmen seiner Vernehmung durch den Senat am 11.05.2015 angegeben, dass der Kläger mit seiner Hand eine Faust geformt
und den Zeugen W. damit geschlagen habe. Auch für ihn sah es so aus, als ob dies absichtlich geschehen sei. Dabei hat er seiner
Aussage hinzugefügt, dass der Schlag für ihn nicht als "Abwehrreaktion" aussah, da der Arm nicht "z.B. schützend vor das Gesicht
gehalten" worden sei. Da sich der Kläger an den Unfall nicht mehr konkret erinnern kann, misst der Senat den Aussagen der
Zeugen, die den Vorgang gesehen und erlebt haben, ein hohes Maß an Bedeutung zu. Er ist aufgrund ihrer konsistenten und schlüssigen
Aussagen zu der Überzeugung gelangt, dass der Schlag auf den Zeugen W. absichtlich (und nicht etwa reflexartig) durchgeführt
wurde.
Der Senat hält die Zeugenaussagen des Dr. W. und des Geschädigten W. für glaubhaft und überzeugend. Er sieht keine Anhaltspunkte
dafür, dass die Zeugenaussagen nicht glaubhaft sind. Denn die unmittelbar nach dem Unfallereignis polizeilich erhobenen Aussagen
der Zeugen Dr. W. und W., die sich aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart ergeben, wurden im
weiteren Verfahren bestätig und sind mithin konsistent und in sich widerspruchsfrei. Dabei weist der Senat darauf hin, dass
die unterschiedlichen Angaben zur Entfernung durch den Zeugen Dr. W. (vor der Polizei: 20 m, vor dem SG: 50 bis 100 m, vor dem Senat: 50 bis 70 m) nichts an seiner Glaubwürdigkeit ändern. Denn zu berücksichtigen ist, dass der
Unfall zum Zeitpunkt der Vernehmung durch das SG bereits zwei Jahre zurücklag und sich die Erinnerung an Entfernungen in dieser Zeit ändern kann. Beide Zeugen haben aber
im Rahmen ihrer Vernehmung durch den Senat am 11.05.2015 angegeben, dass die Sichtverhältnisse am Unfalltag gut waren. Der
Zeuge Dr. W. hat auf Nachfrage des Senats ausdrücklich bestätigt, den Schlag und die Faust des Klägers gesehen zu haben.
Soweit der Kläger die Glaubwürdigkeit des Zeugen W. bezweifelt, weil er diesen außergerichtlich auf 50.000 € Schadensersatz
in Anspruch genommen habe, so konnte sich der Senat bei der Vernehmung des Zeugen W. hiervon nicht überzeugen. Seine Vernehmung
gab keine Hinweise darauf, dass er nur aus Eigeninteresse aussagt. Dagegen spricht schon die Konsistenz seiner Aussagen. Denn
diese stimmen mit den bereits am 30.05.2012 (einem Zeitpunkt, in dem sich der Zeuge W. noch keiner Schadensersatzforderung
des Klägers ausgesetzt sah) getätigten Aussagen überein.
Der Senat ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass der Schlag des Klägers auf den Zeugen W. dazu führte, dass er die Kontrolle
über sein Fahrrad verlor und stürzte. Bei der gebotenen wertenden Gesamtbeurteilung eröffnete der Schlag einen versicherungsfremden
neuen Gefahrenbereich, der allein mit dem Zurücklegen des Wegs mit dem Fahrrad nicht gegeben war (s. hierzu die Feststellungen
des Senats zur Wegbeschaffenheit, dem Unfallvorgang und zum Zustand des Rennrads) und damit vom Schutzzweck der Wegeunfallversicherung
nicht erfasst ist. Bei dem Schlag handelte es sich nicht um ein unzureichendes ("verkehrswidriges") aber dennoch versichertes
Fahrverhalten. Zwar hat das BSG entschieden, dass der Schutzbereich der Wegeunfallversicherung auch ein "normales" verkehrswidriges Verhalten erfasst (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 12/R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 49 RdNr. 20; BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 46 RdNr. 49). Bei einem Schlag nach einem anderen Verkehrsteilnehmer als Ausdruck aggressiven körperlichen
Verhaltens handelt es sich jedoch nicht um ein "normales" verkehrswidriges Verhalten. Ein solches wurde in der Rechtsprechung
des BSG z.B. bei leichtfertigen Überholvorgängen oder einer überhöhten Geschwindigkeit angenommen (BSG, Urteil vom 04.07.2013 - B 2 U 12/12 R, a.a.O., RdNr. 20), mithin bei Eigengefährdungen des Versicherten. Insoweit hat das BSG auch entschieden, dass der Unfallversicherungsschutz auf dem Weg zur Arbeitsstätte nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass
der Versicherte aufgrund seiner Fahrweise wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung bestraft wird, auch wenn der Unfall
auf dieser Verhaltensweise beruht (BSG, Urteil vom 04.06.2002 - B 2 U 11/01 R = SozR 3-2700 § 8 Nr. 10). Der vorliegende Fall unterscheidet sich davon aber wesentlich dadurch, dass der Kläger während
seiner Fahrradfahrt am 25.05.2012 von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte nicht vorsätzlich den Straßenverkehr gefährdet hat,
sondern durch den Schlag auf den Zeugen W. eine eigene Wirkursache für den Unfall gesetzt hat, die bei wertender Betrachtung
den maßgeblichen Mitwirkungsanteil an dem Unfall hatte (vgl. zur rechtlichen Gesamtbeurteilung von Versicherten und versicherten
Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile Schur/Spellbrink, SGb 2014, 589, 594).
Auf die Berufung der Beklagten war mithin das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 SGG), liegen nicht vor. Denn die Rechtsache hat keine über den hier zu entscheidenden Einzelfall hinausgehende grundsätzliche
Bedeutung und der Senat weicht auch nicht von der Rechtsprechung eines der in §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG genannten Gerichte ab. Vielmehr wurde der Entscheidung die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Wegeunfall zugrunde gelegt. Dem "Hilfsantrag" des Klägers war daher nicht stattzugeben.