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LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.11.2012 - 2 SF 1495/12
Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer im sozialgerichtlichen Verfahren
1. Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert - insbesondere als feste Jahresgrenze - angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (vgl. BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, 214).
2. Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rdnr. 32; Urteil vom 8. Juni 2006 Nr.75529/01 Rdnr. 128; Urteil vom 21. April 2011 Nr. 41599/09 Rdnr. 42; BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 - 1 BvR 232/11 - Rdnr. 16 in [...]).
3. Eine besondere Bedeutung für den Kläger kann dann nicht angenommen werden, wenn diese jetzt erstmals im Verfahren auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer behauptete besondere Bedeutung (hier die angeblich beabsichtigte verfassungsrechtliche Prüfung durch das BVerfG) an keiner Stelle im Ausgangsverfahren geltend gemacht wurde und auch nicht ansatzweise ein erkennbares wirkliches Interesse an der Klärung der Rechtsfrage tatsächlich bestanden hat.
4. Wenn eine gesetzliche Neuregelung ständige Rechtsprechung kodifiziert, werden dadurch nicht per se schwierige Rechtsfragen aufgeworfen. Die gesetzliche Regelung in § 198 GVG nimmt gerade die schon langjährige ständige Rechtsprechung des EGMR wie auch des BVerfG und des BSG zu den Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch und den Prüfkriterien zur Frage, wann ein Verfahren unangemessen lange gedauert hat, auf. D.h. mit anderen Worten, bei der Prüfung zur Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind gerade keine neuen schwierigen Rechtsfragen zu lösen, sondern vielmehr eine ständige und gefestigte Rechtsprechung anzuwenden. Da folglich die Entscheidung in der Hauptsache nicht von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängig ist, ist hier auch nicht unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 4. Februar 2004 (1 BvR 596/03) bei Beachtung des Gebotes der Rechtsschutzgleichheit unter diesem Aspekt Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist - wie in allen übrigen Verfahren - auch bei Gerichtsverfahren, die Ansprüche aus dem SGB II betreffen, im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen. Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 S. 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. [Nicht amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette:
SGB II § 22 Abs. 1
,
EMRK Art. 6 Abs. 1
,
GG Art. 19 Abs. 4
,
GG Art. 20 Abs. 3
,
GVG § 198 Abs. 1 S. 2
Vorinstanzen: SG Freiburg 30.09.2011 S 3 AS 789/08
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. für das Klageverfahren L 2 SF 1495/12 EK wird abgelehnt.

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