Tatbestand
Der am 1947 geborene Kläger (Diplommusiker) begehrt vom Beklagten die Gewährung sozialhilferechtlicher Eingliederungshilfe
in Form von Hilfen zur Erlangung einer Fahrerlaubnis, zur Anschaffung eines PKW sowie zum Betrieb und zur Unterhaltung eines
PKW.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100. Die Merkzeichen G und B sind ihm zuerkannt (Bescheid
des Versorgungsamtes Heidelberg vom 26.01.2004, Bl. 87 der Verwaltungsakte - VA -). Mit Bescheid vom 03.12.2007 übernahm der
Beklagte im Wege der Eingliederungshilfe gemäß § 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und §
45 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) die Kosten für die Versorgung mit einem Mofa (Bl. 15 VA). Leistungen zur Unterhaltung des Mofas werden ihm fortlaufend gewährt.
Am 18.06.2012 beantragte der Kläger weitere Leistungen zur Teilhabe und zwar in Form der Bewilligung finanzieller Mittel für
das Erlangen eines Führerscheins, den Erwerb eines PKW sowie den Unterhalt eines PKW (Bl. 443 VA). Den bisher benutzten Roller
könne er wegen seines Rückenleidens nicht mehr bzw. nur noch unter starken Schmerzen benutzen. Er sei nicht mehr in der Lage,
den Roller auf- und abzubocken. Darüber hinaus seien die Straßen in H. und Umgebung in schlechtem Zustand, so dass ihm bei
Benutzung des Rollers Schmerzen entstünden. Bei schlechter Witterung könne er den Roller nicht benutzen. Einen Bus könne er
ebenfalls nicht benutzen, da er nicht schwer tragen könne und dürfe. Aufgrund seiner Behinderungen könne er ohne Auto nicht
mehr am kulturellen und religiösen Leben teilhaben. Als praktizierender katholischer Christ wolle er täglich eine heilige
Messe besuchen. Da dies in H. selbst nicht möglich sei, sei er gezwungen, auf diesbezügliche Angebote in umliegenden Gemeinden
wie N., A., R. oder sogar S. oder S. zurückzugreifen. Der Weg zu Bus oder Bahn bzw. von den Bahnhöfen oder Haltestellen zur
Kirche und zurück sei zu weit für ihn. Ferner beabsichtige er in naher Zukunft, als aktives Mitglied in einen Musikverein
im Umkreis von H. einzutreten, welches ihm ohne einen PKW nicht möglich wäre (Bl. 477 VA).
Mit Bescheid vom 12.11.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab (Bl. 485 VA). Der vom Gesetz in § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, §
55 Abs.
2 Nr.
7 SGB IX i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Eingliederungshilfeverordnung vorgesehene Schwerpunkt der Versorgung mit einem Kraftfahrzeug liege in der Eingliederung in das Arbeitsleben. Zwar seien
damit andere Gründe nicht von vornherein ausgeschlossen, doch müssten sie mindestens vergleichbar gewichtig sein. Dazu gehöre
auch, dass die Notwendigkeit der Benutzung ständig, nicht nur vereinzelt oder gelegentlich bestehe. Die Notwendigkeit, ständig
ein Kraftfahrzeug zu benutzen, fehle, wenn die erforderliche Mobilität des behinderten Menschen auf andere Weise sichergestellt
werden könne, z.B. durch Benutzung eines Krankenfahrzeugs oder durch öffentliche Verkehrsmittel. Bei den vom Kläger geltend
gemachten Besuchen einer heiligen Messe und den Übungsterminen bei einem Musikverein handele es sich in aller Regel um Fahrten
zur Freizeitgestaltung (Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft). Diese könnten, auch wenn sie für den Hilfesuchenden von großer
subjektiver Bedeutung sein möchten, jedenfalls dann nicht als vergleichbar gewichtig angesehen werden wie die Fahrten zur
Arbeitsstätte, wenn sie nicht regelmäßig benötigt würden. Freizeitaktivitäten trügen jedoch grundsätzlich einen zeitlich eingeschränkten,
im Gegensatz zum Arbeitsleben nicht von festen, unumgänglichen Terminen bestimmten Charakter, sodass hier kein vergleichbar
gewichtiger Grund zur Kraftfahrzeugnutzung vorliege, der eine Erstattung der Kosten rechtfertigen könnte. Darüber hinaus könne
beim Kläger die erforderliche Mobilität zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch auf andere Weise, z.B. durch die Nutzung
der öffentlichen Verkehrsmittel sichergestellt werden. Nach §
145 Abs.1
SGB IX führe die Zuerkennung des Merkzeichens G zum Anspruch des Behinderten auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr.
Nach gesetzlicher Vorstellung seien Inhaber dieses Merkzeichen also gerade in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen
und zu nutzen.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.12.2012 Widerspruch (Bl. 493 VA). Zwar könne bei ihm der Schwerpunkt natürlich nicht in der
Eingliederung in das Arbeitsleben liegen, dafür seien andere Gründe vorhanden, welche seines Erachtens mindestens vergleichbar
gewichtig seien. Die Notwendigkeit der Benutzung eines Kraftfahrzeuges bestehe ständig und nicht nur vereinzelt oder gelegentlich.
Seine erforderliche Mobilität als behinderter Mensch könne auf keine andere Weise sichergestellt werden. Von der Krankenkasse
bekomme er keine Krankentransporte zu Einkäufen oder Gottesdienstbesuchen bezahlt und die Wege zu und von öffentlichen Verkehrsmitteln
seien für ihn zu weit. Bei den geltend gemachten täglichen Besuchen von heiligen Messen und sonstigen Gottesdiensten handele
es sich um ein ihm vom
Grundgesetz ausdrücklich zugesichertes Recht auf freie Religionsausübung (Art.4 Abs.2
Grundgesetz). Hierbei handele es sich also um keine Freizeitgestaltung, sondern um Religionsausübung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 587 VA). Grundsätzlich führten Fahrten
zu Versorgungseinrichtungen (Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Anderes) sowie aufgrund der Teilnahme an kulturellen und
sonstigen Veranstaltungen nicht zu der vom Gesetzgeber geforderten regelmäßigen Notwendigkeit der behinderungsbedingten Nutzung
eines Kfz, weil sie nur gelegentlich anfielen. Der dem Kläger bewilligte Roller biete ihm die Möglichkeit, mobil zu sein,
um Kontakte zu anderen Menschen zu suchen und zu unterhalten. Es seien auch keine konkreten greifbaren Hinweise auf notwendige
Fahrten vorgetragen und belegt, die der Kläger mit seinem Mofa bisher nicht habe durchführen können. Er wohne in der großen
Kreisstadt H.. Die Wohnung in der sei 800 m vom Zentrum entfernt, 1000 m von der katholischen Kirche und 600 m von der Musikschule.
Innerorts und in der Region stehe ein weitreichender öffentlicher Personennahverkehr zur Verfügung. Das Stadtgebiet von H.
werde tagsüber werktags und samstags mit einer Kleinbuslinie versorgt. Die Busse hielten u.a. am Bahnhof, von wo aus verschiedene
Supermärkte in direkter Umgebung erreichbar seien. Die Haltestelle Waldblick befinde sich ca. 300 m vom Wohnhaus J. entfernt,
sei demzufolge für den Kläger erreichbar. Des Weiteren biete der Gemeinnützige Tauschring H.er Talente eine Vielzahl von Angeboten
an, u.a. auch für Behördengänge und Einkäufe. Ebenso bestehe hier eine Nachfrage nach musikalischem Unterricht, wo vom Kläger
beispielsweise aufgrund seiner musisch-fachlichen Kompetenz Leistungen erbracht werden könnten und hierfür Talente anderer
(Fahrdienste, Einkäufe) in Anspruch genommen werden könnten. Das Grundrecht auf eine ungestörte Religionsausübung gebe keinen
Anspruch auf Gewährung finanzieller Mittel zur Ausübung der Glaubensfreiheit. Das Pfarrblatt der Seelsorgeeinheit H. zeige,
dass an fünf Tagen in der Woche zu unterschiedlichen Zeiten in H. Gottesdienste bzw. Eucharistiefeiern stattfänden. Ein Ausweichen
auf Gottesdienste in anderen Gemeinden sei, wenn überhaupt, nur bedingt erforderlich und begründe keinen Bedarf im Sinne einer
sozialen Rehabilitation. Im Übrigen bestehe die Möglichkeit, bei Bedarf Gottesdienste via Satellit/Kabel zu empfangen. Darüber
hinaus könne bei einer 65-jährigen alleinstehenden Person, die schon lange in derselben Stadt wohne und regelmäßig Gottesdienste
besuche, davon ausgegangen werden, dass sie zumindest in die Seelsorgeeinheit integriert sei und soziale Kontakte vorhanden
seien. Diese Kontakte ermöglichten gerade im kirchlichen Bereich kommunikative und sozial unterstützende Hilfen, beispielsweise
Abholung zum Gottesdienst. Hinsichtlich der Aufnahme in einen Musikverein falle es schwer, einen Mobilitätsbedarf hierfür
zu erkennen, nachdem der Kläger bis heute noch nicht einmal Kontakt zu einem Verein aufgenommen habe.
Hiergegen hat der Kläger am 17.06.2013 Klage zum Sozialgericht Mannheim erhoben. Er hat sein Begehren mit der Begründung weiterverfolgt,
dass der Personennahverkehr in H. nicht seinen Bedürfnissen entspreche (hinsichtlich Betriebszeiten und Entfernung der Haltestelle).
Die Teilnahme an einem Tauschring würde seine persönliche Freiheit einschränken. Aus den genannten Gründen habe er in H. seit
2007 nicht regelmäßig Gottesdienste besucht und sei nicht in der Seelsorgeeinheit integriert. Auch weil er Einzelgänger sei,
werde er keine kommunikative und sozial unterstützende Hilfe bekommen. Wegen seiner Herzprobleme, seiner schweren Arthrose
im linken Fuß, seiner Wirbelsäule und einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit in beiden Beinen sei er nicht mehr
in der Lage, 300 m zu gehen. Bis zur Haltestelle komme er nur mit heftigen Schmerzen und mehreren Unterbrechungen. Nachdem
bereits die Anschaffung eines Mofas bewilligt worden sei, seien nunmehr Leistungen zur Anschaffung eines PKW zu gewähren.
Hierauf sei er angewiesen. Zur Bestätigung hat der Kläger ärztliche Unterlagen vorgelegt, aus denen sich eine Limitierung
der Gehstrecke auf weniger als 100 m sowie orthopädische Beschwerden vor allem an der Brustwirbelsäule ergeben (Bl. 18 f.
SG-Akte).
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid
vom 16.05.2013 Bezug genommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zur Erlangung einer PKW-Fahrerlaubnis, zur Beschaffung eines PKW sowie zur Unterhaltung desselben. Dies habe der Beklagte
im Widerspruchsbescheid vom 16.05.2013 unter Hinweis auf die fehlende Angewiesenheit des Klägers auf einen PKW ausführlich
und zutreffend dargelegt, hierauf werde verwiesen (§
136 Abs.
3 SGG). Ergänzend sei auszuführen, dass dem Kläger zum Erreichen der nahe gelegenen Haltestelle des öffentlichen Personennahverkehrs
die Benutzung des vom Beklagten finanzierten Mofas anzusinnen sei, das bei Nichtgebrauch auch angelehnt werden könne und nicht
zwangsläufig aufgebockt werden müsse.
Gegen den ihm mit Postzustellungsurkunde am 26.8.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.09.2013 Berufung
zum Landessozialgericht eingelegt. Aufgrund seiner Schwerbehinderung und seiner Krankheiten sei er dringendst auf einen PKW
angewiesen. Außerdem werde er in seinen vom
Grundgesetz, der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 9) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Rechten verletzt. Das SG habe seine Problematik in keiner Weise verstanden und seine ureigensten Bedürfnisse sowie den erklärten Willen des Gesetzgebers
ignoriert. Zwar habe er bisher seine Wege (auch zu Arztpraxen) mit dem Roller zurückgelegt, dies aber nur unter Schmerzen
und Schwierigkeiten. Ein Kfz könnte hier Abhilfe schaffen und ihm zu einem schmerzfreieren Leben verhelfen. Er wolle auch
einen 400 €/450,00 €-Job annehmen. Leider seien solche Jobs sehr dünn gesät und nur mit einem PKW erreichbar.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. August 2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. November 2012
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen der
Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zur Erlangung einer PKW-Fahrerlaubnis, zur Beschaffung eines PKW sowie zur Unterhaltung des PKW zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch die vom LSG noch eingeholten Arztauskünfte ließen nicht den Schluss zu, dass der Kläger aufgrund seines Gesundheitszustandes
nicht in der Lage sei, die ca. 300 m lange Strecke von seinem Wohnhaus bis zur Haltestellt des ÖPNV zurückzulegen. Darüber
hinaus habe der Kläger die beiden Ärzte im Jahre 2013 insgesamt nur fünfmal aufgesucht, sodass zumindest die Häufigkeit der
Arztbesuche nicht eine höhere Mobilität rechtfertige. Darüber hinaus könne dem Kläger unter Umständen durch Gewährung eines
persönlichen Budgets etwas mehr Mobilität gewährt werden, vorausgesetzt, es bestehe tatsächlich eine Mitgliedschaft in einem
Verein.
Der Senat hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Bei dem Chirurgen Sch. hat
sich der Kläger einmalig am 12.03.2013 vorgestellt (vgl. Auskunft vom 10.12.2013, Bl.23 LSG-Akte). Er habe über eine Limitierung
der Gehstrecke auf weniger als 100 m im Sinne einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit Stadium II b geklagt. Eine
weitere Vorstellung sei nicht erfolgt. Bei dem Orthopäden Dr. L. sind im Jahr 2013 vier Konsultationen erfolgt (vgl. Auskunft
vom 28.11.2013, Bl. 25 LSG-Akte). Es bestünden die Diagnosen posttraumatische OSG-Arthrose links bei Zustand nach Calcaneusfraktur,
Beinverkürzung links 1,0 cm, Senkspreizfuß beidseits, Morbus Scheuermann, Zustand nach Nephrektomie links. Durch die vorliegende
Arthrose im linken Sprunggelenk komme es nachvollziehbar zu einer gelegentlichen heftigen Schmerzsymptomatik. Die Beschwerden
im Bereich der BWS und LWS seien nachvollziehbar auf die veränderte Beckenstatik zurückzuführen. Der Kläger sei in seiner
Gehfähigkeit deutlich eingeschränkt, da die posttraumatische Sprunggelenksarthrose zu einer relevanten Schmerzsymptomatik
führe. Längeres Gehen über zehn Minuten bzw. länger als einen Kilometer führe höchstwahrscheinlich zu einer deutlichen Schmerzsymptomatik.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.12.2014 hat der Kläger eine schriftliche Bestätigung des Vorstandes des Musikantenkreises
W. nebst Beitrittserklärung vorgelegt, wonach er seit September 2014 dort als Posaunist und Aushilfsdirigent tätig sei. Es
finde wöchentlich eine Probe statt, hinzu kämen eventuell vor Konzerten Zusatzproben. Bisher stünden für 2015 25 öffentliche
Auftritte fest. Derzeit werde der Kläger bis zum Erwerb eines PKW für die Proben und Auftritte von zu Hause abgeholt und auch
wieder heimgebracht (einfache Wegstrecke 12 km). Dies sei allerdings kein Dauerzustand.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gem. §§
143,
144 SGG zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zutreffend hat der Beklagte es abgelehnt, dem Kläger Leistungen der Eingliederungshilfe
für Beschaffung und Unterhalt eine PKW sowie zum Erwerb einer Fahrerlaubnis zu gewähren.
Zwar gehört der Kläger grundsätzlich und unstreitig zum Personenkreis der Eingliederungshilfeberechtigten im Sinne von § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) i.V.m. §§
26,
33,
41 und
55 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) und durch die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) konkretisiert. Die Hilfe zur Beschaffung eines KfZ wird nach § 8 Abs. 1 S. 1 EinglHV i.V.m. S. 2 in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere
zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kfz angewiesen ist. Nach § 10 Abs. 6 EinglHV kann als Versorgung im angemessenen Umfang auch Hilfe zur Erlangung der Fahrerlaubnis, zur Instandhaltung sowie zur Übernahme
von Betriebskosten eines Kfz gewährt werden, wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Nutzung
dieses Kfz angewiesen ist oder angewiesen sein wird. Im Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal
der Notwendigkeit (§
4 Abs.
1 SGB IX) ist das Merkmal der Angewiesenheit nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich
zum Erreichen der Eingliederungsziele ist, die darin liegen, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern
und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. "Angewiesen sein" bedeutet wegen Fehlens anderweitiger Beförderungsmöglichkeiten
die Notwendigkeit der wiederkehrend häufigen Nutzung eines eigenen Kfz, also nicht nur vereinzelt oder gelegentlich. Dieser
Häufigkeitsgrad ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der behinderte Mensch nur mit Hilfe seines Kfz die Wohnung verlassen
kann, wenn er also zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft überhaupt auf ein Auto angewiesen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg,
Urt. v. 26.9.2012, L 2 SO 1378/11, [...] Rn. 43; etwas zu weitgehend sogar Notwendigkeit einer "ständigen" Nutzung verlangt
vom Schleswig-Holsteinischen LSG, Urt. v. 27.11.2013, L 9 SO 16/11, [...] Rn. 30)). Gem. §§
55 Abs.
2 Nr.
7,
58 Abs.
2 SGB IX, anwendbar über §
54 Abs.
1 S. 1
SGB IX, umfassen die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen kulturellen
Leben, insbesondere auch Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung
oder kulturellen Zwecken dienen. In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft
teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs. 1 SGB XII; BSG, Urt. v. 2.12.2012, B 8 SO 9/10 R, [...] Rn. 26). Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig
einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalles entgegensteht (vgl. nur BSG, Urt. v. 23.8.2013, B 8 SO 24/11 R, [...] Rn. 16; BSG, Urt. v. 12.12.2013, B 8 SO 18/12 R, [...] Rn. 15 f. m.w.N.). Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen
am Leben in der Gemeinschaft werden weder von den Vorstellungen des Beklagten bzw. der Gerichte, sondern von dessen angemessenen
Wünschen bestimmt (BSG, Urt. v. 12.12.2013, B 8 SO 18/12 R, [...] Rn. 16).
Zwar wäre unter Berücksichtigung dieser Maßgaben die Anschaffung eines PKW zum Erreichen des Eingliederungsziels Teilhabe
am Leben in der Gemeinschaft mit Blick auf die vom Kläger geäußerten Teilhabewünsche (Musikverein, Gottesdienste, Einkäufe)
grundsätzlich geeignet. Dem Kläger stehen jedoch andere Möglichkeiten als die Benutzung eines (eigenen) Kfz in ausreichendem
Umfang zur Verfügung, mit denen die Teilhabeziele zumutbar verwirklicht werden können. Er ist damit auch unter Berücksichtigung
seiner Wünsche und Vorstellungen nicht tatsächlich auf die Benutzung eines Kfz angewiesen. Der Senat lässt dabei die Frage
nach der generellen Fahreignung des Klägers, die u.U. bereits dem Erwerb einer Fahrerlaubnis entgegenstehen könnte, mangels
Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich offen.
Die vom Kläger geltend gemachte Notwendigkeit einer Kfz-Nutzung für Fahrten in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (Minijob
als Kurierfahrer, Bote o.ä.) oder zur Erreichung eines Arbeitsplatzes, zu Ärzten und zur Erledigung von Einkäufen ist außer
Betracht zu lassen. Eine entsprechende berufliche Tätigkeit übt der Kläger derzeit weder aus noch hat er eine solche konkret
in Aussicht. Eine tatsächliche Notwendigkeit der Benutzung eines Kfz besteht insoweit nicht. Allein für die Suche nach einem
Arbeitsplatz ist der Kläger nicht auf ein Fahrzeug angewiesen. Hinsichtlich der Arztbesuche ist es am Kläger, hier vorrangig
Leistungen bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung zu beanspruchen (§
60 SGB V i.V.m. §§
7 und
8 der Krankentransportrichtlinien zu §
92 Abs.
1 S. 2 Nr.
12 SGB V). Aufgrund des Nachranggrundsatzes kommt für Fahrten zu Ärzten und ärztlich verordneten Therapien nach Auffassung des Senats
der Einsatz von Sozialhilfe- und Eingliederungshilfemitteln demzufolge grundsätzlich nicht in Betracht (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB XII), auch dann nicht, wenn die gesetzliche Krankenversicherung ein etwaiges Leistungsbegehren des Klägers mit rechtlich haltbarer
Begründung ablehnt (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.9.2011, L 9 SO 40/09, [...] Rn. 57). Auch hinsichtlich der
geltend gemachten Fahrten zu Einkäufen kann der Kläger auf die Bedarfsdeckung durch andere Sozialleistungen verwiesen werden
(z.B. ggf. Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung). Im Übrigen gewährt der Beklagte dem Kläger bereits monatlich grundsicherungsrechtliche
Mehrbedarfsleistungen gem. § 30 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII in Höhe von 66,47 € (vgl. Bescheid über die Grundsicherung im Alter, Bl. 49 LSG-Akte). Dieser Mehrbedarf wird Personen über
65 Jahren gewährt, die gehbehindert sind und soll den entsprechenden zusätzlichen Bedarf abdecken (beispielsweise Pflege von
Kontakten zu Dritten, Aufmerksamkeiten bei gelegentlichen Hilfeleistungen durch Dritte, verteuerter Einkauf von Bedarfsgütern
und zusätzliches Fahrgeld). Insoweit sind hiervon auch Einkaufsfahrten oder die Honorierung von Bringdiensten erfasst.
Soweit der Kläger meint, für regelmäßige Gottesdienstbesuche und die Teilnahme an Proben eines Musikvereins (wobei eine entsprechende
Mitgliedschaft im Musikantenkreis W. erst seit September 2014 besteht) sei ein Kfz unentbehrlich, vermag der Senat diese Auffassung
nicht zu teilen. Auch hier bestehen andere Möglichkeiten für die Verwirklichung der Teilhabeziele. Die Benutzung des 300 m
von der Wohnung des Klägers entfernt haltenden Stadtbusses ist für den Kläger nach Überzeugung des Senats zumutbar, denn er
kann die Haltestelle zu Fuß erreichen. Zwar haben die vom Senat befragten Ärzte eine deutliche Einschränkung der Gehfähigkeit
bestätigt. Nach Auskunft des Orthopäden Dr. Lemke (Bl. 25 LSG-Akte) ist aber davon auszugehen, dass lediglich längeres Gehen
über 10 Minuten bzw. länger als 1 km höchstwahrscheinlich zu einer deutlichen Schmerzsymptomatik (aufgrund der posttraumatischen
Arthrose im linken Sprunggelenk) führt. Auch unter Berücksichtigung laut Auskunft des Chirurgen A. Schmitt (Bl. 23 LSG-Akte)
vorliegenden peripheren arteriellen Verschlusskrankheit kann der Kläger daher die 300 m zur Stadtbushaltestelle, ggf. mit
Pausen oder mit Hilfsmitteln zurücklegen.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger den in der Nähe seiner Wohnung haltenden Stadtbus wegen ungünstiger Verkehrszeiten
nicht immer nutzen kann, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen dürfte eine gewisse Anpassung der Bedürfnisse
des Klägers hinsichtlich Gottesdienstbesuchen und sonstiger Aktivitäten an die Verkehrszeiten des Stadtbusses (wie nicht behinderten
Personen auch) durchaus zumutbar sein. Zum anderen hat der Beklagte mitgeteilt, dass dem Kläger unter Umständen im Rahmen
der Eingliederungshilfe (im Hinblick auf von ihm nachzuweisende tatsächliche Aufwendungen) ein persönliches monatliches Budget
gewährt werden könne, um ihm etwas mehr Mobilität zu ermöglichen (Bl. 48 LSG-Akte). Dass dem Kläger selbst die damit verbundene
Notwendigkeit, seine Aufwendungen regelmäßig nachzuweisen, lästig ist, erscheint zwar in Ansätzen nachvollziehbar. Allein
hierdurch lässt sich allerdings die Angewiesenheit auf einen PKW nicht begründen.
Auch der Hinweis des Klägers auf die in Art.
4 Grundgesetz (
GG) verankerte Glaubens- und Gewissensfreiheit vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Die durch das
Grundgesetz gewährleistete Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses (Art.
4 Abs.
1 GG) verwehrt dem Staat eine Einmischung in die Glaubensüberzeugungen, -handlungen und -darstellungen Einzelner oder religiöser
Gemeinschaften. Art
4 Abs.
1 GG erlegt dem Staat darüber hinaus die Pflicht auf, dem Einzelnen einen Betätigungsraum zu sichern, in dem sich die Persönlichkeit
auf weltanschaulich-religiösem Gebiet entfalten kann, und sie vor Angriffen oder Behinderungen von Anhängern anderer Glaubensrichtungen
oder konkurrierender Religionsgruppen zu schützen. Die Bestimmung verleiht dem Einzelnen und den religiösen Gemeinschaften
aber grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ihrer Glaubensüberzeugung mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen (vgl.
nur BVerfG, Beschluss vom 16.5.1995, 1 BvR 1087/91, [...] Rn. 34, 35 - "Kruzifix" -). Es handelt sich somit um ein klassisches Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat. Die
Wahrnehmung dieses Grundrechts fällt allein in den Verantwortungsbereich des Grundrechtsträgers selbst. Leistungsansprüche
- wie hier eine Pflicht, dem Kläger durch Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe tägliche Gottesdienstbesuche zu
ermöglichen - gegen den Staat können aus Art.
4 GG selbst nicht abgeleitet werden (BSG, Urt. v. 2.11.2007, B 1 KR 11/07 R, [...] Rn. 18; BSG, Urt. v. 9.12.2003, B 2 U 8/03 R, [...] Rn. 25).
Die erforderliche tatsächliche Notwendigkeit einer ständigen, nicht nur gelegentlichen oder vereinzelten Benutzung eines KfZ
ist nach alledem nicht gegeben.
Das zuletzt noch vom Kläger gestellte Befangenheitsgesuch ist zurückzuweisen. Ablehnungsgründe i.S.v. §
42 Zivilprozessordnung (
ZPO) können grundsätzlich nur bis zum vollständigen Abschluss der Instanz geltend gemacht werden. Gem. §
43 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr abgelehnt werden, wenn die Partei, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund
zu nennen, Anträge gestellt hat. Der vom Kläger mit Schriftsatz vom 5.12.2014 gestellte Befangenheitsantrag gegen die Berichterstatterin
Dr. David ist erst am 11.12.2014 beim Landessozialgericht eingegangen, mithin nach Verkündung des Urteils vom 10.12.2014 und
Abschluss des Verfahrens.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG liegen nicht vor.