Anerkennung eines Wegeunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung; sachlicher Zusammenhang mit der Tätigkeit im Unternehmen;
Abgrenzung zum Abweg
Gründe:
I. Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des vom Kläger am 08.11.2006 erlittenen Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall
(Wegeunfall).
Der 1964 geborene und in der B.str. ..., S. wohnhafte, Kläger war zum Unfallzeitpunkt bei die Firma D. AG, Standort S., versicherungspflichtig
beschäftigt. Er erlitt am 08.11.2006 um etwa 17.10 Uhr einen unverschuldeten Verkehrsunfall, in dessen Verlauf er sich Verletzungen
zuzog, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machten. Der Kläger hatte nach seinen Angaben im Erörterungstermin vom
19.07.2011 (Bl. 33 Senatsakte) seine Arbeit bei der D. AG in S. um 15.30 Uhr beendet und begab sich dann mit dem PKW zu seiner
Psychotherapeutin Dr. V. nach L. zur Durchführung eines Termins der seinerzeit laufenden Psychotherapie des Klägers. Er traf
um ca. 16.00 Uhr zur Durchführung der Therapiesitzung dort ein. Um etwa 17.00 Uhr begab sich der Kläger von der Praxis Dr.
V. aus dann mit dem PKW auf den Heimweg. Er beabsichtigte, zunächst über die B 27 und dann über die Autobahn A 8/A 81 Richtung
B. zu fahren, danach die Ausfahrt 'B.-Ost' zu benutzen und so auf Höhe der Stadt B. auf den sonst von ihm genutzten Heimweg
von der Arbeitsstätte (S. - B. - S.) einzumünden. Etwa 7-8 Minuten nach seiner Abfahrt in L. erlitt er auf der B 27 (Autobahnzubringer)
den hier streitgegenständlichen Verkehrsunfall, noch bevor er auf die Autobahn A 8 aufbiegen konnte (vgl. auch Skizzenzeichnung
des Klägers auf Bl. 10 Verwaltungsakte der Beklagten - VA). Von dem Unfallort aus wurde der Kläger per Rettungstransportwagen
in die F.klinik gebracht.
Mit Schreiben vom 26.02.2008 (Bl. 1 VA) teilte der Kläger den geschilderten Ereignisablauf der Beklagten mit und bat um Prüfung,
welche Versicherungsleistungen ihm zustünden. Auf Anforderung der Beklagten legte er mit Schreiben vom 10.12.2008 noch eine
Skizze vor, auf welcher der übliche Heimweg von der Arbeit in S. zum Wohnort des Klägers ebenso eingezeichnet war wie die
Fahrtstrecke nach L. und der Rückweg von dort bis zum Unfallort (Bl. 10 VA).
Nach Auswertung der Angaben des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.04.2009 (Bl. 11 VA) die Anerkennung des am
08.11.2006 erlittenen Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, ein terminierter Arztbesuch sei
der Privatsphäre des Klägers zuzurechnen. Ein allein zu diesem privaten Zweck zurückgelegter Weg stehe nicht unter dem Schutz
der gesetzlichen Unfallversicherung. Dabei komme es nicht auf die Länge des für private Zwecke eingeschobenen Weges an. Der
Unfallversicherungsschutz lebe erst dann wieder auf, wenn sich der Versicherte auf dem üblichen Heimweg befinde. Zum Zeitpunkt
des Unfalls habe sich der Kläger demgegenüber auf einem privaten Zwecken dienenden Rückweg von einem Arztbesuch befunden und
habe den unmittelbaren Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung noch nicht erreicht, weshalb er zum Unfallzeitpunkt nicht unter
dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, er habe sich bei Frau Dr. V. aus Gründen in Behandlung
befunden, die in seiner Arbeit bei der D. AG begründet gewesen seien. Durch die "Situation an seinem Arbeitsplatz (Mobbing
usw.)" sei er dort schon länger in Behandlung. Diese dauere an. Einen ursächlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit
nehme er an, weil er aufgrund des Arbeitgeber-Verhältnisses (Mobbing) in ärztlicher Behandlung gestanden habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus,
ärztliche Untersuchungen gehörten grundsätzlich zum unversicherten persönlichen Lebensbereich, da sie wesentlich der eigenen
Gesundheit dienten, an deren Erhaltung oder Wiederherstellung der Versicherte ein eigenwirtschaftliches Interesse habe. Versicherungsschutz
bestehe nur bei zusätzlicher Betriebsbezogenheit. Die Behandlung müsste dann wesentlich dazu dienen, einer Verschlechterung
des Befindens des Versicherten entgegenzuwirken und ihm auf diese Weise mit Aussicht auf Erfolg eine Fortsetzung der aktuellen
betrieblichen Tätigkeit in der Arbeitsschicht zu ermöglichen. Dafür gebe es keine Hinweise. Es habe sich vielmehr um einen
im Voraus geplanten Termin bei Dr. V. zur Durchführung einer schon länger andauernden psychotherapeutischen Behandlung gehandelt.
Hiergegen hat der Kläger am 14.11.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ausgeführt, er sei nun schwerbehindert und habe seinen Arbeitsplatz nach über 30 Jahren verloren. Aufgrund seines
schlechten Gesundheitszustandes, der durch den Arbeitgeber verursacht sei und die psychische Behandlung dadurch notwendig
gemacht habe, sei er wegen eines terminierten Arztbesuches auf direktem Weg zu seinem Arzt gefahren. Nach dem Besuch sei er
direkt nach Hause gefahren und auf dem Heimweg verunglückt (Klagebegründungsschrift vom 03.03.2010, Bl. 6 SG-Akte). Er habe sich nur deshalb bei Dr. V. in Behandlung befunden, weil er an seinem Arbeitsplatz Mobbing ausgesetzt gewesen
sei. Deshalb bestehe ein innerer Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung des Arzttermins sowie der Ausübung der beruflichen
Tätigkeit. Die Durchführung der Psychotherapie sei eine sog. Vorbereitungshandlung gewesen, aufgrund derer die Ausübung der
beruflichen Tätigkeit überhaupt erst möglich gewesen sei (Schriftsatz vom 27.04.2010, Bl. 29 f. SG-Akte).
Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegen getreten, dass der Weg zum Arztbesuch allenfalls dann unter Versicherungsschutz
stehe, wenn es sich bei dem betrieblichen Mobbing um eine anerkannte Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall gehandelt hätte.
Mit Urteil vom 17.09.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, grundsätzlich seien ärztliche Untersuchungen und Behandlungen zum
unversicherten persönlichen Lebensbereich zu rechnen, weil diese Verrichtungen im Wesentlichen der eigenen Gesundheit dienten,
an deren Erhaltung oder Wiederherstellung der Versicherte ein eigenwirtschaftliches Interesse habe. Versicherungsschutz bestehe
nur ausnahmsweise bei einer zusätzlichen Betriebsbezogenheit. Dies könne der Fall sein, wenn die beabsichtigte Maßnahme nach
den Umständen des Einzelfalls wesentlich dazu dienen solle, einer Verschlechterung des Befundes entgegen zu wirken und dem
Versicherten voraussichtlich eine Fortsetzung der aktuellen betrieblichen Tätigkeit in der Arbeitsschicht zu ermöglichen.
Lediglich in diesen Fällen trete neben die eigenwirtschaftlichen Interessen das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an
der Weiterarbeit. Beim Kläger liege ein derartiges betriebliches Interesse der Arbeitgeberin nicht vor, denn er habe nach
Beendigung seiner Arbeit einen bereits vorher festgelegten Arzttermin in L. wahrgenommen. Auf dem Rückweg - außerhalb der
Wegstrecke vom Arbeitsort zum Wohnort - sei der Kläger dann verunfallt. Ein Arztbesuch ohne zusätzliche Betriebsbezogenheit
aber gehöre zum unversicherten persönlichen Bereich.
Gegen das seiner Bevollmächtigten am 30.09.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.10.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung
führt der Kläger aus, er sei spätestens seit einer im Jahr 2002 durchgeführten Bandscheibenoperation "massivem Mobbing" seitens
seines Arbeitgebers ausgesetzt gewesen. Er sei, wenn er nicht über Wochen gar keine Arbeit erhalten habe, zu Hilfsarbeiten
eingeteilt, systematisch schikaniert und angefeindet worden. Verursacht durch das jahrelange massive Mobbing sei der Kläger
psychisch krank geworden. Er habe sich dann an die für ihn zuständige Sozialberatung des M. in S. gewandt, wo ihm im Rahmen
der Beratung durch die dort eingesetzte Sozialpädagogin dringend nahe gelegt worden sei, einen Therapeuten aufzusuchen und
sich entsprechend behandeln zu lassen. Von seinem Hausarzt Dr. W. sei er deshalb an Dr. V. überwiesen worden. Eine Betriebsbezogenheit
der ärztlichen Behandlung liege vor. So habe der Arbeitgeber des Klägers selbst über die angebotene Sozialberatung diesen
veranlasst, entsprechende ärztliche Behandlung zu suchen, die allein aufgrund der Bedingungen am Arbeitsplatz, also wegen
des Mobbings, erforderlich geworden sei, da anderenfalls der Kläger nicht mehr hätte weiterarbeiten können. Der ansonsten
versicherte Heimweg des Klägers sei hiernach nur durch eine betrieblich veranlasste Fahrt zum Arzt unterbrochen worden, so
dass ein Wegeunfall vorliege.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. September 2010 und den Bescheid vom 27. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 15. Oktober 2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem vom Kläger am 8. November 2006 erlittenen Verkehrsunfall
um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Kläger hat die Kopie eines Schriftsatzes seiner vormaligen Rechtsanwältin, gerichtet gegen einen ehemaligen Vorgesetzten,
vom 16.12.2005 (Bl. 26 Senatsakte) vorgelegt, in welchem dieser aufgefordert worden ist, ehrverletzende Äußerungen gegen den
Kläger künftig zu unterlassen. Vorgelegt hat er darüber hinaus das erste Blatt eines Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart
(Az. 11 Ca 3111/07, Bl. 29 Senatsakte), mit welchem die Firma D. AG verurteilt worden ist, Durchschriften/Kopien von Abmahnungen des Klägers
vom 04.04.2007 und vom 25.04.2007 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Ebenfalls vorgelegt hat der Kläger ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin W. vom 10.05.2011 (Bl. 30 Senatsakte), mit welchem
dieser mitgeteilt hat, den Kläger wegen "Auffälligkeiten im psychosomatischen Bereich" erstmals im Jahr 2006 angesprochen
zu haben. Es habe den Anschein gehabt, dass die von ihm schon seit längerer Zeit geschilderte innerbetriebliche Situation
mit starker Belastung durch Vorgesetzte (Mobbing am Arbeitsplatz) eskaliert sei. Er habe den Kläger daraufhin gebeten, mit
dem innerbetrieblichen Sozialen Dienst der D. AG Kontakt aufzunehmen, welcher die Empfehlung zu einem Psychotherapeuten ausgesprochen
habe. Er habe daraufhin den Kläger mittels Überweisung zur Psychotherapeutin Dr. V. in L. unterstützt.
Hierzu hat der Kläger im Erörterungstermin vom 19.07.2011 ausgeführt, er habe vom Betriebrat erfahren, dass es eine Sozialberatungsstelle
bei der Firma D. gebe. Dort sei ihm von der zuständigen Dame gesagt worden, sie finde es wichtig, dass er eine Psychotherapie
mache. Eigentlich habe er gar nicht so gerne eine Psychotherapie machen wollen, aber die Sozialberatungsstelle hänge eng mit
dem Personalbüro zusammen, weshalb er gemacht habe, was ihm empfohlen worden sei. Sein Hausarzt habe ihm die Psychotherapie
auch empfohlen und ihm erklärt, dass alles zusammenhänge, die Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und seine Probleme
am Arbeitsplatz (Niederschrift vom 19.07.2011, Bl. 34 f. Senatsakte).
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte
der Beklagten, die SG-Akte und die Senatsakte Bezug genommen.
II. Der Senat entscheidet über die form- und fristgerecht erhobene sowie statthafte Berufung nach Anhörung der Beteiligten,
die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben haben, gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
1. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §
54 Abs.
1 i.V.m. §
55 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist anerkannt, dass wenn die Frage streitig ist, ob ein
bestimmter Unfall Arbeitsunfall ist, der Versicherte diese Frage vorab im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und isolierten
Feststellungsklage klären lassen kann (vgl. etwa Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - m.w.N.).
2. Die Berufung ist nicht begründet. Der vom Kläger am 08.11.2006 erlittene Verkehrsunfall ist kein Arbeitsunfall im Sinne
der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen. Es fehlt an einem inneren Zusammenhang zwischen dem zurückgelegten Weg und der
Tätigkeit des Klägers in dem Unternehmen D. Der Kläger hat sich zum Unfallzeitpunkt auf einem maßgeblich eigenwirtschaftlich
geprägten sog. "Abweg" außerhalb des Weges von der Arbeitsstätte zu seiner Wohnung befunden ohne seine gewöhnlich von der
Arbeitsstätte zurückgelegte Wegstrecke wieder erreicht zu haben, weshalb er zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der
gesetzlichen Unfallversicherung gestanden ist. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen
Urteils an und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§
153 Abs.
2 SGG).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
Nach §
8 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Versicherte Tätigkeit ist gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum
Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung
zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich
begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis
einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen
von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Bedingung
für die Feststellung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des BSG vom 30.01.2007, Az. B 2 U 8/06 R, UV-Recht Aktuell 2007, 860-866, zitiert nach [juris], dort Rn. 10 m.w.N., sowie vom 27.02.2009, Az. B 2 U 18/07 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 31, zitiert nach [juris], dort Rn. 9).
Ein Arbeitsunfall ist nach alledem nur anzunehmen, wenn das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat,
einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst
muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche
Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr. 92; BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 82 und 97; SozR 3-2200 § 548 Nrn. 19 und 26). Der innere Zusammenhang
ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der
Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich;
bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit
als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine
versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (vgl. insgesamt zum Vorstehenden
Urteil des BSG vom 14.12.1999, B 2 U 3/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 1, zitiert nach [juris], dort Rn. 15).
Gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII ist - wie bei der Vorgängervorschrift des § 550 Abs 1
RVO - der Versicherungsschutz für die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
beschränkt. Die Vorschrift verlangt nur, dass die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt
des Weges ist - nach wie vor - gesetzlich nicht festgelegt (vgl. etwa BSG 05.05.1998, B 2 U 40/97 R, BSGE 82, 138-143, zitiert nach [juris], dort Rn. 13 m.w.N.). Allerdings hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz
gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist es nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII darüber hinaus erforderlich, dass der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen (rechtlich) zusammenhängt, d.h. dass ein innerer
Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass
der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder - nach deren Beendigung - in der
Regel die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit (sog. "dritter Ort") zu erreichen.
Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles
bestätigt wird. Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich
der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt
(BSG 05.05.1998 aaO.). Für die tatsächlichen Grundlagen des Vorliegens versicherter Tätigkeit muss der volle Beweis erbracht
werden, das Vorhandensein versicherter Tätigkeit also sicher feststehen (vgl BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84 mwN), während für die kausale Verknüpfung zwischen ihr und dem Unfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit
genügt (vgl BSGE 58, 80, 82 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN; zum Ganzen Urteil des BSG vom 03.12.2002, SozR 3-2700 § 8 Nr. 13, zitiert nach [juris],
dort Rn. 17).
Wenn nicht der häusliche Bereich, sondern ein "dritter Ort" den Ausgangspunkt bzw Endpunkt des nach oder von dem Ort der Tätigkeit
angetretenen Weges bildet, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des Versicherten,
sich zur Arbeit zu begeben oder hiervon zurückzukehren oder davon rechtlich wesentlich geprägt ist, einen eigenwirtschaftlichen
Besuch am "dritten Ort" zu unternehmen (Urteil des BSG vom 03.12.2002, Az. B 2 U 18/02 R, zitiert nach [juris], dort Rn. 19 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nicht von oder nach der Wohnung angetretener
Weg nach Sinn und Zweck des §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen
Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen muss (aaO. Rn. 20). Ein wesentliches, wenn auch nicht das allein entscheidende
Kriterium für die Prüfung der Angemessenheit ist mithin die Entfernung, wobei die neuere Rechtsprechung des BSG ausdrücklich
fordert, stärker als bisher die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Dabei kommt insbesondere der Frage eine besondere Bedeutung zu, ob am "dritten Ort" Verrichtungen des täglichen Lebens erledigt
wurden oder werden sollen, die keinerlei Bezug zur versicherten Tätigkeit an sich haben, oder ob es sich um Verrichtungen
handelt, die zumindest mittelbar auch dem Betrieb zugute kommen sollen, wie zB dringende Arztbesuche zur Erhaltung oder Wiederherstellung
der Arbeitsfähigkeit (hierzu und zum Folgenden vgl. Urteil des BSG vom 03.12.2002, Az. B 2 U 18/02 R, zitiert nach [juris], dort Rn. 21 m.w.N.). Diese betriebsbezogenen Umstände beeinflussen zwar nicht die Beurteilung der
Angemessenheit des Weges vom "dritten Ort", können ihn jedoch im Sinne einer Betriebsdienlichkeit prägen (BSG 02.05.2001,
B 2 U 33/00 R, Rn. 20, zitiert nach [juris]).
Wege zum Ort der Tätigkeit, die nach einer rein eigenwirtschaftlichen Verrichtung vom dritten Ort angetreten werden, stehen
unter Versicherungsschutz, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zur Arbeitsstätte
zurückgelegten Weg steht. Das gilt auch für Wege vom Ort der Tätigkeit zu einem dritten Ort. Ist der Weg zum oder vom dritten
Ort unverhältnismäßig, unangemessen länger als von der Wohnung zum oder vom Ort der Tätigkeit, wird die erheblich längere
Wegstrecke grundsätzlich nicht durch die beabsichtigte oder beendete betriebliche Tätigkeit geprägt, sondern durch die eigenwirtschaftliche
Verrichtung am dritten Ort. Hat dagegen der Aufenthalt am dritten Ort betriebsdienliche Motive, war er also - aus der Sicht
des Versicherten - dem Betrieb zu dienen bestimmt, ist der innere Zusammenhang auf dem Weg dann - eher - anzunehmen, auch
wenn dieser Weg nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum regelmäßig zurückgelegten Weg steht. Die erforderliche Prägung
des Weges durch betriebsdienliche Zwecke wird um so eher anzunehmen sein, je näher die beabsichtigte oder schon vollzogene
Verrichtung am dritten Ort der eigentlichen versicherten betrieblichen Tätigkeit steht. Das gleiche gilt auch, wenn nach einem
rein eigenwirtschaftlichen Aufenthalt am dritten Ort der Weg zum Ort der Tätigkeit aus unvorhersehbaren betrieblichen Gründen
angetreten wird (vgl. Urteil des BSG aaO. Rn. 21).
Letztlich kann vorliegend offen bleiben, ob der Umstand, dass der Kläger sich vorgestellt hat, mit der Durchführung der Psychotherapie
zur Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zumindest auch - mittelbar - betrieblichen Zwecken zu dienen,
geeignet ist, dem Weg von der beendeten betrieblichen Tätigkeit zur Psychotherapeutin Dr. V. in L. eine Prägung im Sinne einer
Betriebsdienlichkeit zu verleihen, denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stünde dann lediglich der Weg zur
Praxis von Dr. V., die dann als "dritter Ort" im Sinne der dargestellten Rechtsprechung anzusehen wäre, unter Versicherungsschutz,
und dieser dritte Ort träte dann als Endpunkt des Versicherungsschutzes an die Stelle der Wohnung (Urteil des BSG vom 03.12.2002,
B 2 U 18/02 R, zitiert nach [juris], dort Rn. 18 a.E.). Der Rückweg von der Praxis nach Hause, und auf diesem erlitt der Kläger den Verkehrsunfall,
stünde auch bei Eingreifen der dargestellten Rechtsprechung zum dritten Ort nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Abgesehen davon kann die Praxis Dr. V. in L. auch wegen des nur einstündigen Aufenthalts des Klägers dort nicht als dritter
Ort angesehen werden. Das Bundessozialgericht verlangt seit der teilweisen Aufgabe der zuvor für Wege zum und von dem Ort
der beruflichen Tätigkeit bestehenden uneinheitlichen Rechtsprechung im Urteil vom 05.05.1998 (Az. B 2 U 40/97 R, BSGE 82, 138-143, zitiert nach [juris], dort Rn. 18) nunmehr einheitlich zwei Stunden Aufenthalt ohne Anrechung des Weges zu dem anderen
Ort (aaO. Rn. 14), damit ein Ort "dritter Ort" im Sinne der Rechtsprechung sein kann.
Hier hat sich der Kläger somit auf einem sog. "Abweg" befunden, einer Unterbrechung des versicherten Heimweges von der beruflichen
Tätigkeit mit anderer Zielrichtung und - allenfalls - mittelbarem betrieblichem Bezug, denn mit dem Aufsuchen der Therapeutin
zur Durchführung einer Therapiesitzung bezweckte der Kläger die Erhaltung bzw. Wiederherstellung seiner Gesundheit und verfolgte
damit unmittelbar eigenwirtschaftliche und nur allenfalls mittelbar betriebliche Zwecke. Er hat sich somit, da er noch nicht
wieder den gewöhnlichen Weg von dem Ort der versicherten Tätigkeit zu seiner Wohnung erreicht hatte, während des erlittenen
Verkehrsunfalls auf der B 27 bei L. nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung befunden (vgl. aaO. Rn. 19;
vgl. ferner bereits Urteil vom 18.12.1979, 2 RU 53/78, SozR 2200 § 550 Nr 42, zitiert nach [juris], dort Rn. 9). Ein Versicherter, der den Weg von dem Ort der versicherten Tätigkeit
bis zu 2 Stunden unterbrochen hat, steht nach Beendigung der Unterbrechung erst nach Erreichen der gewöhnlichen Wegstrecke
von der Arbeitsstätte zur Wohnung wieder unter Versicherungsschutz.
Aus diesen Gründen war daher die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§
160 Abs.
2 SGG).