Wirksamkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung; Notwendigkeit der Vorlage eines Ausweises
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger auch für die Zeit vom 11.02.2009 bis 29.03.2009 Anspruch auf Gewährung
von Arbeitslosengeld (Alg) hat.
Der 1986 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.2005 bis 30.01.2008 eine Berufsausbildung als Elektroniker - Automatisierungstechnik
bei der Firma Robert Bosch GmbH. Vom 31.01.2008 bis 30.01.2009 war er bei dieser befristet beschäftigt. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung
erhielt er eine Urlaubsabgeltung, ohne die der noch zustehende Urlaub im Anschluss an das Arbeitsverhältnis bis zum 10.02.2009
gedauert hätte.
Am 30.10.2008 meldete sich der Kläger bei der Beklagten telefonisch arbeitsuchend, woraufhin ihm der Alg-Antrag übersandt
und mitgeteilt wurde, dass Alg erst ab dem Tag der persönlichen Arbeitslosmeldung gezahlt werden könne (SC-Vermerk vom 30.10.2008).
Am 17.12.2008 sprach der Kläger bei der Beklagten persönlich vor. Im Beratungsvermerk über diese Vorsprache ist u.a. festgehalten:
"Gem. AP wünscht Kunde Anstellung im Ausbildungsberuf im Umkreis von 25 km. .... Kunde berichtet von gesundheitlichen Problemen
mit Knie, Wechseltätigkeit ist notwendig, im Knien kann Kunde nach Sportunfall gar nicht mehr arbeiten. Ob eine Vermittlung
durch vorliegende gesundheitliche Probleme möglich ist, wird durch ÄG geklärt. Kunde ist mit Beauftragung ÄG einverstanden.
..... Kunde hat heute keinen Ausweis dabei, Identifikation zur Alo-meldung nicht möglich. Kunden auf Notwendigkeit der persönlichen
Vorsprache hingewiesen."
Mit Bescheid vom 26.03.2009 lehnte die Beklagte "den Antrag auf Alg vom 31.01.2009" ab mit der Begründung, der Kläger habe
sich nicht persönlich arbeitslos gemeldet. Hiergegen legte der Kläger am 30.03.2009 persönlich bei der Rechtsbehelfsstelle
der Agentur für Arbeit Reutlingen Widerspruch ein mit der Begründung, er habe sich am 30.10.2008 telefonisch arbeitsuchend
gemeldet. Daraufhin habe am 17.12.2008 ein erstes Vermittlungsgespräch stattgefunden, bei dem seine berufliche Situation erörtert
worden sei. Es sei auch über seine gesundheitlichen Einschränkungen gesprochen und vereinbart worden, dass ein ärztliches
Gutachten erstellt werde. Die ihm ausgehändigten Vordrucke des Ärztlichen Dienstes (Gesundheitsfragebogen, Entbindungserklärungen)
habe er ausgefüllt innerhalb weniger Tage wieder bei der Agentur für Arbeit eingereicht. Seitdem habe er nichts mehr gehört
und auch keinen Termin für eine ärztliche Untersuchung erhalten. Ausweislich der Verwaltungsakten gingen die Unterlagen für
den ärztlichen Dienst am 19.01.2009 bei der Beklagten ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Anspruch auf Alg
nach §
118 Abs.
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) setze u.a. voraus, dass sich der Arbeitnehmer bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet habe. Der Kläger habe zwar
erstmals am 17.12.2008 persönlich bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen, sich hierbei jedoch nicht ausweisen können. Eine
persönliche Arbeitslosmeldung habe daher nicht aufgenommen werden können. Mit dieser persönlichen Meldung habe deshalb auch
die Voraussetzung der persönlichen Arbeitslosmeldung nicht erfüllt werden können. Der Kläger sei sowohl bei diesem Gespräch
als auch am 20.01.2009 vom Service-Center auf das Erfordernis einer persönlichen Meldung bei der zuständigen Agentur für Arbeit
hingewiesen worden.
Gegen den am 09.04.2009 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 11.05.2009 Klage zum Sozialgericht Reutlingen
(SG) erhoben. Er hat vorgetragen, eine persönliche Arbeitslosmeldung sei am 17.12.2008 erfolgt, hierbei habe ein ausführliches
Erstgespräch stattgefunden, außerdem sei eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen worden. Voraussetzung für die
Arbeitslosmeldung sei die persönliche Anwesenheit des Arbeitslosen in der zuständigen Agentur. Dies bedeute, dass eine Arbeitslosmeldung
schon dann vorliege, wenn der Arbeitslose in der Arbeitsagentur erscheine und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringe, er
sei arbeitslos. Dies sei vorliegend der Fall. Die Prüfung der Identität und des Wohnsitzes sei vorliegend bereits geklärt
gewesen.
Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger sei ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Identifikation zur Arbeitslosmeldung hingewiesen
worden. Der Termin am 17.12.2008 habe zur Nachholung der persönlichen Arbeitssuchendmeldung nach § 37 b
SGB III stattgefunden, die im Falle des Klägers zunächst lediglich telefonisch erfolgt sei. Die hierbei gleichzeitig erfolgte Erhebung
des klägerischen Berufsprofils und der Abschluss der Eingliederungsvereinbarung hätten vorsorglich erfolgen können.
Mit Urteil vom 18.10.2010 hat das SG den Bescheid vom 26.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt,
Alg ab dem 11.02.2009 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Kläger habe sich bereits am 17.12.2008 arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosmeldung stelle eine Tatsachenerklärung
dar, mit welcher der Agentur für Arbeit gegenüber die Tatsache des Eintritts der Arbeitslosigkeit angezeigt werde. Sie diene
vornehmlich dazu, die Agentur für Arbeit tatsächlich in die Lage zu versetzen, mit ihren Vermittlungsbemühungen zu beginnen,
um die Arbeitslosigkeit und damit die Leistungspflicht möglichst rasch zu beenden. Formelle Voraussetzung sei die persönliche
Anwesenheit des Arbeitslosen in der zuständigen Agentur; inhaltlich habe sich die Meldung nur auf den Eintritt des Leistungsfalles
(Arbeitslosigkeit) zu beziehen. Dies bedeute, dass eine Arbeitslosmeldung schon dann vorliege, wenn der Arbeitslose in der
Agentur für Arbeit erscheine und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringe, er sei arbeitslos. Vorliegend lägen keine Anhaltspunkte
dafür vor, dass nicht der Kläger selbst, sondern ein Dritter am 17.12.2008 persönlich vorgesprochen habe. Sofern die Beklagte
den Bezug von Alg von der Vorlage eines Personendokumentes abhängig machen wollte wäre sie verpflichtet gewesen, den Kläger
hierzu nach §
60 Abs.
1 Nr.
3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) aufzufordern und auf die Folgen der fehlenden Mitwirkung nach §
66 SGB I hinzuweisen.
Gegen das ihr am 04.01.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.01.2011 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Personenidentifikation
gehöre zur materiell-rechtlichen Arbeitslosmeldung nach §
122 Abs.
1 Satz 1
SGB III. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach sich der Arbeitslose ".... persönlich.....arbeitslos
zu melden .... " habe. Die "Persönlichkeit" sei vom Betroffenen nachzuweisen, da es sich bei der Arbeitslosmeldung um eine
Anspruchsvoraussetzung handele, deren Vorliegen dem Anspruchsteller obliege. Solange dieser Nachweis nicht erbracht sei, könne
keine materiell-rechtlich wirksame Arbeitslosmeldung vorliegen. Dieser Nachweis könne durch Vorlage des Personalausweises
geführt werden, der zur Identifikation und dem Nachweis einer natürlichen Person diene. Neben dem Ausschluss einer vertretungsweisen
Arbeitslosmeldung sowie der Verhinderung von Leistungsmissbrauch diene die eindeutige Identitätsprüfung auch der Prüfung der
Zuständigkeit der Agentur zu dem Zweck, den Betroffenen unverzüglich an die zuständige Arbeitsagentur zu verweisen, falls
die erst angegangene Arbeitsagentur örtlich unzuständig sein sollte. Es sei auch durchaus nicht unstreitig, dass der Kläger
selbst am 17.12.2008 vorgesprochen habe, da sich die vorsprechende Person nicht legitimiert habe. Ob der Kläger an diesem
Tag selbst vorgesprochen habe, bleibe daher offen. Schließlich sei auch eine Versagungsentscheidung nach den §
60 ff.
SGB I nicht vorrangig.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Bescheid vom 01.04.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg vom 30.03.2009 bis 28.03.2010. Mit Bescheid vom 17.09.2009
wurde die Bewilligungsentscheidung ab 14.09.2009 aufgehoben, da der Kläger ab dem 14.09.2009 das Berufskolleg besuchte. Nachdem
sich der Kläger am 13.07.2010 erneut arbeitslos gemeldet hatte bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2010 Alg
für die Zeit vom 13.07.2010 bis 26.01.2011. Nach Aufnahme eines Studiums durch den Kläger am 04.10.2010 hob die Beklagte die
Bewilligungsentscheidung ab dem 04.10.2010 auf.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge
ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung gem. §
124 Abs.
2 SGG entscheidet, ist zulässig. Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Alg für die Zeit vom 11.02.2009 bis 29.03.2009 mit einem
Leistungsbetrag von täglich 38,19 EUR, so dass der Wert des Beschwerdegegenstandes die Summe von 750 EUR übersteigt (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG].
Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben gemäß §
118 Abs.
1 SGB III Arbeitnehmer, die
1.
arbeitslos sind,
2.
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3.
die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Der Kläger hatte die Anwartschaftszeit erfüllt und war ab dem 11.02.2009 auch arbeitslos. Dies ist zwischen den Beteiligten
unstreitig.
Der Kläger hatte sich auch arbeitslos gemeldet. Nach §
122 Abs.
1 SGB III hat sich der Arbeitslose persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Eine Meldung ist auch zulässig,
wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate
zu erwarten ist.
Die Arbeitslosmeldung ist eine Tatsachenerklärung und keine Willenserklärung (vgl. Spellbrink in: Eicher/Schlegel,
SGB III, Stand Oktober 2005, §
122 RdNr. 21 f. m.w.N.). Die Arbeitslosmeldung hat - abgesehen von der Ausnahme in §
125 SGB III - persönlich zu erfolgen. Dies bedeutet, dass der Arbeitslose selbst und nicht lediglich ein Vertreter bei der Arbeitsagentur
vorspreche und die Tatsache seiner Arbeitslosigkeit mitteilen muss. Für die Wirksamkeit der Arbeitslosmeldung ist es nicht
erforderlich, dass sich der Arbeitslose durch ein Personenstandsdokument ausweist. Formelle Voraussetzung ist vielmehr lediglich
die persönliche Anwesenheit des Arbeitslosen in der zuständigen Agentur; inhaltlich hat sich die Meldung nur auf den Eintritt
des Leistungsfalles (Arbeitslosigkeit) zu beziehen. Das SG hat zutreffend unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19.01.2005 - B 11 a/11 AL
41/04 R) entschieden, dass eine Arbeitslosmeldung schon dann vorliegt, wenn der Arbeitslose in der Agentur für Arbeit erscheint
und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringt, er sei arbeitslos.
Soweit die Beklagte hierzu vorgetragen hat, die Personenidentifikation gehöre zur materiell-rechtlichen Arbeitslosmeldung
nach §
122 Abs.
1 Satz 1
SGB III, die "Persönlichkeit" sei vom Betroffenen nachzuweisen, gilt dies nur in dem Sinne, dass feststehen muss, dass der Betroffene
selbst und nicht vielmehr lediglich ein Vertreter die Arbeitslosmeldung erteilt hat. Insofern ist die Vorlage des Personalausweises
lediglich erforderlich für die Personenidentifikation, d.h. sie dient lediglich dazu festzustellen, dass die vorsprechende
Person auch der Arbeitslose ist. Sie ist jedoch keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Arbeitslosmeldung.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Vortrag der Beklagten, die Zuständigkeit der jeweiligen Agentur könne
nur anhand einer eindeutigen Identitätsprüfung erfolgen, neben der Verhinderung von Leistungsmissbrauch diene die Personenidentifizierung
auch dem Zweck, den Betroffenen unverzüglich an die zuständige Arbeitsagentur zu verweisen, falls die erstangegangene Arbeitsagentur
örtlich unzuständig sein sollte. Denn das Risiko, sich bei der unzuständigen Arbeitsagentur arbeitslos zu melden, trägt in
diesem Fall allein der Arbeitslose.
Zwar ist die Auffassung der Beklagten zutreffend, der Kläger trage die Beweislast dafür, dass er am 17.12.2008 tatsächlich
bei der Arbeitsagentur vorgesprochen und die Arbeitslosmeldung abgegeben habe. Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest,
dass der Kläger sich am 17.12.2008 persönlich arbeitslos gemeldet hat. Der Senat stützt sich hierbei - neben dem Vortrag des
Klägers - auf die Aktenvermerke der Beklagten über die Kontakte mit dem Kläger. Nachdem zunächst ein Termin am 17.12.2008
um 10 Uhr vereinbart worden war wurde dieser Termin auf 14 Uhr verlegt, da der Kläger in dieser Woche in Nachtschicht arbeitete.
Weiter wurde mit dem Kläger in dem Termin am 17.12.2008 eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen. Im Vermerk über
das Gespräch am 17.12.2008 wird vermerkt, der Kläger habe persönlich vorgesprochen. Auch im Widerspruchsbescheid vom 09.04.2009
hat die Beklagte ausgeführt, der Kläger habe am 17.12.2008 persönlich bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen, sich hierbei
jedoch nicht ausweisen können. Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund dieser Vermerke fest, dass der Kläger am 17.12.2008
bei der Beklagten persönlich vorgesprochen hat.
Das SG hat weiter zutreffend ausgeführt, dass allein ein Vorgehen nach §
60 Abs.
1 Nr.
3 SGB I in Betracht gekommen wäre. Danach hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen
des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Dem entsprechend wäre die Beklagte
berechtigt gewesen, bei Zweifeln über die Personenidentität die Vorlage des Personalausweises zu verlangen und, bei fehlender
Vorlage, gemäß §
66 Abs.
1 SGB I die Leistung zu versagen. Anders als die Beklagte meint führt die Versagung nach §
60 ff.
SGB I auch zu einem anderen Ergebnis als die Leistungsablehnung wegen fehlender Anspruchsvoraussetzungen. Denn bei einer Versagung
nach den §§
60 ff.
SGB I kann die Leistung nach Erbringung des Nachweises (hier: persönliche Vorsprache am 17.12.2008), gemäß §
67 SGB I, nachträglich erbracht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).