Keine Kostenerstattung bei Brustverkleinerungsoperationen
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der Kosten einer Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik [MRP]) streitig.
Die am 1947 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Nachdem die Beklagte im Jahre 1997 einen ersten Antrag
der Klägerin auf Übernahme der Kosten einer MRP abgelehnt hatte, beantragte die Klägerin im Oktober/November 2001 erneut die
Übernahme der Kosten einer entsprechenden Operation. Sie legte die Atteste des Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten S.
vom 03. September 2001 sowie des Arztes für Orthopädie Dr. W. vom 16. Oktober 2001 vor. Diplom-Psychologe S. führte aus, die
Klägerin leide seit ihrer Pubertät an ihren übergroßen Brüsten. Bereits mit zwölf Jahren habe sie BH- Größe 80 C getragen.
Nach der Geburt des ersten Kindes sei Größe 90 E und nach der Geburt ihrer Zwillinge Größe 95 F erforderlich geworden. Daraus
resultierten Schamgefühle, dysmorphophobische Tendenzen, anhaltend herabgesetzte Selbstwertgefühle sowie depressive Verstimmungen.
Verschlimmert und überlagert würden diese Beschwerden durch andauernde schwere und quälende Schmerzen speziell im Nacken sowie
im Schulter- und Rückenbereich. Trotz erheblicher jahrelanger Anpassungsbemühungen einschließlich psychotherapeutischer Interventionen
für mehr Körperakzeptanz und Schmerzabbau bleibe die Klägerin fixiert auf die tatsächlichen bzw. vermeintlichen negativen
Wirkungen der Brüste. Da die Anpassungskräfte nunmehr erschöpft seien, die Schmerzen anhielten und andere Bewältigungsmechanismen
nicht gegeben seien, bestehe die Indikation für die Durchführung einer MRP. Nach den Ausführungen des Dr. W. leide die Klägerin
an ausgeprägten schmerzhaften Verhärtungen der Nacken- und Schultermuskulatur sowie der Muskelursprünge der Schulterblätter.
Es bestehe beidseits eine ausgeprägte Hypertrophie der Mammae, deren Gewicht diese Beschwerden massiv verstärkten. Die Beklagte
holte die Stellungnahme der Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Mannheim ein, die ausweislich
ihrer Ausführungen vom 19. November 2001 die beantragte Operation nicht befürwortete. Als ursächlich an der Erkrankung ansetzende
Therapie hielt sie bei einem generellen Übergewicht von 22 kg eine allgemeine Gewichtsreduktion für erforderlich, durch die
wegen des Zusammenhangs zwischen Brustlast und Körpergewicht auch eine Reduktion der Brustlast zu erwarten sei. Dies hätte
auch eine erhebliche Entlastung des Halte- und Achsapparates zur Folge. Ein Zusammenhang zwischen Brustlast und den geklagten
Rückenbeschwerden sei wissenschaftlich im Übrigen nicht erwiesen, so dass als ursächlich an der Erkrankung ansetzende Therapien
die Mittel der Haltungsschulung und eine orthopädische Mitbehandlung angezeigt seien. Psychische Beschwerden seien im Übrigen
nicht chirurgisch, sondern mit den Mitteln der Psychologie und Psychiatrie zu behandeln. Gestützt auf diese Stellungnahme
lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 26. November 2001 ab. Im Widerspruchsverfahren machte
die Klägerin geltend, eine Gewichtsreduzierung werde mit Sicherheit die notwendige Besserung nicht erbringen. Bereits früher
hätten entsprechende Versuche gezeigt, dass die Auswirkungen auf die Brust kaum merkbar gewesen seien. Auf Veranlassung der
Klägerin äußerte sich zur Frage des Zusammenhangs zwischen Brustlast und Rückenschmerzen der Oberarzt in der Orthopädischen
Klinik des Klinikums Mannheim Dr. S.-B. mit Schreiben vom 19. Dezember 2001. Darin führte er drei Untersuchungen auf, die
belegten, dass durch eine operative Brustverkleinerung Rückenschmerzen zumindest deutlich gebessert werden könnten. Die Beklagte
holte hierzu die weitere Stellungnahme des Dr. Wi. vom MDK in Heidelberg vom 29. Januar 2002 ein, nach der die aufgeführten
Studien nicht die biometrischen Anforderungen, die seit vielen Jahren für klinische Studien selbstverständlich seien, erfüllten.
Daher sei der therapeutische Nutzen der MRP auch weiterhin nicht valide beurteilbar. Auf Veranlassung der Klägerin führte
Privatdozent Dr. St., Leitender Oberarzt und Leiter der Sektion Rekonstruktive Mammachirurgie in der Frauenklinik des Universitätsklinikums
H., mit Schreiben an die Beklagte vom 26. Februar 2002 aus, bei der Klägerin liege eine erhebliche Asymmetrie bei einem Jugulum-Mamillenabstand
rechts von 40 cm und links von 36 cm und einer Brustweite von rechts 28 cm und links 24 cm vor. Rechts sei von einem Resektionsgewicht
von mindestens 800 bis 1000 g und links von 500 bis 600 g auszugehen. Eine Brust dieser Größe und Asymmetrie erkläre die erhebliche
Schmerzsymptomatik, die durch andauernde schmerztherapeutische Behandlungen nicht hätte behoben werden können. Bei der begehrten
Behandlung handle es sich nicht um eine Schönheitsoperation, vielmehr sei eine Rekonstruktion bei Asymmetrie indiziert. Die
von Dr. S.-B. in seinem Schreiben angegebenen Studienergebnisse enthielten im Übrigen durchaus genügende Aussagen und Hinweise
zur Frage des Zusammenhangs zwischen Brustlast und Rückenbeschwerden. Eine von den Kassen geforderte randomisierte Studie,
die den wissenschaftlichen Beweis führen könne, sei aufgrund der vielen Einflussfaktoren äußerst schwierig aufzulegen. Die
Beklagte schaltete daraufhin erneut Dr. Wi. ein, der im Rahmen seiner Ausführungen vom 12. März 2002 an der bisher getroffenen
Einschätzung festhielt und darauf verwies, dass Privatdozent Dr. St. das erhebliche Übergewicht von 22 kg und die Möglichkeit,
durch eine Reduktion des Körpergewichts und damit des Fettanteils auch ein Reduktionsäquivalent von ca. 440 g je Mamma zu
erzielen, unberücksichtigt gelassen habe. Auffällig sei im Übrigen, dass mit Schreiben vom 26. Februar 2002 erstmals eine
erhebliche Mamma-Asymmetrie angegeben werde. Anlässlich der bisher zur Verfügung gestellten Befundberichte habe diese keine
Erwähnung gefunden; auch sei sie weder bei der sozialmedizinischen Begutachtung im Jahre 1997 noch bei der körperlichen Untersuchung
im November 2001 beschrieben worden. Die Beurteilung, ob eine Behandlung ursächlich an einer Krankheit ansetze, habe sich
im Übrigen nach wissenschaftlichen Kriterien zu richten. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten gemeinsamen
Widerspruchsausschusses Krankenversicherung/Pflegeversicherung vom 03. April 2002 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Dagegen erhob die Klägerin am 06. Mai 2002 beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage. Sie machte geltend, seit vielen Jahren unter Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen zu leiden. Diese Schmerzen
seien auf ihre übergroßen Brüste zurückzuführen, die eine Fehlbelastung der Bandscheiben verursachten. Der Zusammenhang zwischen
der Brustgröße und ihren Beschwerden sei durch die vorgelegten Bescheinigungen bestätigt worden. Durch eine Gewichtsreduzierung
werde ihr Problem nicht gelöst. Denn durch die in den siebziger Jahren durchgeführte Fasten- und Ernährungskur in einer speziellen
Klinik habe sie zwar ihr Gewicht auf 60 kg reduzieren können, im Bereich der Brüste habe eine Gewichtsabnahme jedoch nicht
verzeichnet werden können.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes
entgegen.
Das SG hörte Dr. W. unter dem 30. Dezember 2002, Dr. Br., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, unter dem 07. Januar 2003, Dr.
Be., Oberarzt in der Orthopädischen Klinik im Klinikum M., unter dem 16. Januar 2003 sowie den Diplom-Psychologen S. unter
dem 10. Februar 2003 schriftlich als sachverständige Zeugen an und holte das Gutachten des Arztes für Orthopädie, Chirotherapie,
Sportmedizin und Physikalische Therapie Dr. P. vom 05. Juni 2003 ein. Mit Urteil vom 22. August 2003 wies es die Klage, gestützt
auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. P., im Wesentlichen mit der Begründung ab, von einer operativen Verminderung der
Brustlast sei keine entscheidende Reduzierung der Beschwerdesymptomatik zu erwarten. Wegen der Einzelheiten der Begründung
wird auf den Inhalt des dem Bevollmächtigten der Klägerin am 02. September 2003 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils
verwiesen.
Dagegen richtet sich die am 01. Oktober 2003 schriftlich durch Fernkopie beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung
der Klägerin, mit der sie geltend macht, sie habe die beantragte Operation im Hinblick auf die immer stärker gewordenen Rückenschmerzen
im Januar 2004 durchführen lassen. Offensichtlich seien ihre Rückenbeschwerden durch die enorme Gewichtsbelastung der zu großen
Brüste verursacht worden, da diese bereits im März 2004 zu 80 vom Hundert (v.H.) verschwunden seien. Bereits erstinstanzlich
habe Anlass bestanden, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, nachdem ein niedergelassener Arzt ohne tägliche
Praxis in einer Spezialklinik eine andere Auffassung vertreten habe als zwei wissenschaftlich und in der Praxis sehr erfahrene
Privatdozenten und Oberärzte an einer Spezialklinik, die ihre Auffassung durch Hinweise auf wissenschaftliche Literatur untermauert
hätten. Soweit das SG die Auffassung vertrete, es bestehe grundsätzlich keine Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen, zur Behebung einer
psychischen Störung die Kosten für einen operativen Eingriff bei einem noch nicht krankhaften Befund zu tragen, sei darauf
hinzuweisen, dass bereits ein krankhafter Befund vorgelegen habe; gerade deshalb habe sie in fachärztlicher psychotherapeutischer
Behandlung gestanden. Die Klägerin legt den Bericht der Frauenklinik des Diakonie Krankenhauses M. vom 27. Januar 2004 über
die vom 13. bis 21. Januar 2004 durchgeführte stationäre Behandlung sowie den Operationsbericht des am 14. Januar 2004 durchgeführten
Eingriff vor.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. August 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.
November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. April 2002 zu verurteilen, die Kosten der stationären Behandlung
vom 13. bis 21. Januar 2004 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und legt die weitere Stellungnahme des Dr. Wi. vom 02. April 2004 vor.
Die Berichterstatterin des Senats hat die Beteiligten mit Schreiben vom 17. Februar 2004 darauf hingewiesen, dass der Senat
erwäge, über die Berufung gemäß §
153 Abs.
4 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Die Klägerin hat hierauf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
beantragt und die Berufungsbegründung vorgelegt. Die Beklagte hat sich mit der angekündigten Verfahrensweise einverstanden
erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm
zustehenden Ermessens gemäß §
153 Abs.
4 SGG durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 03. April 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte war nicht verpflichtet, der
Klägerin eine operative Behandlung zur Verkleinerung der Brüste als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Dementsprechend
ist sie, nachdem die Klägerin die im Streit stehende Operation zwischenzeitlich auf eigene Kosten hat durchführen lassen,
auch nicht verpflichtet, der Klägerin die ihr entstandenen Kosten zu erstatten.
Als Anspruchsgrundlage für das im Berufungsverfahren sinngemäß geltend gemachte Erstattungsbegehren kommt allein §
13 Abs.
3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (
SGB V) in Betracht. Danach sind die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung, soweit sie notwendig war, in der entstandenen Höhe
von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte
(Alternative 1), oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und dadurch dem Versicherten für die
selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Dieser Kostenerstattungsanspruch tritt an die Stelle eines an sich gegebenen
Sachleistungsanspruchs, den die Kasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfüllt hat. Der von der Klägerin
geltend gemachte Anspruch wäre daher nur dann zu bejahen, wenn die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin die durchgeführte
stationäre Behandlung als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Dies ist indes zu verneinen. Gemäß §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung
durch des Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder
ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Im Sinne dieser Vorschrift war die im Diakonie
Krankenhaus Mannheim durchgeführte operative Behandlung nicht erforderlich.
Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Klägerin, was den Zustand der Brust anbelangt, keine Krankheit vorliegt, die
der ärztlichen Behandlung bedarf. Als Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand anzusehen, wobei für die
Feststellung der Regelwidrigkeit vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen ist. Dabei ist unter Gesundheit jeder Zustand
zu verstehen, der dem Einzelnen die Ausübung seiner körperlichen und geistigen Funktionen ermöglicht (vgl. BSGE 35, 10, 12). Eine Krankheit liegt nur bei einer erheblichen Abweichung von dieser Norm vor, wobei geringfügige Störungen ohne wesentliche
funktionelle Beeinträchtigungen nicht ausreichen (vgl. BSGE 36, 240, 243). Die bei der Klägerin zu objektivierende Mammahypertrophie stellt in diesem Sinne keine Krankheit dar. Insoweit ist
zu berücksichtigen, dass sich ein Normgewicht der Brüste nicht bestimmen lässt. Es besteht ein großer Schwankungsbereich,
der im Bezug auf Brustgröße und -gewicht unabhängig ist von Körperlänge und -gewicht. Daher verbietet es sich, von einer Krankheit
dann zu sprechen, wenn die Brust ein gewisses Gewicht aufweist bzw. eine Gewichtsreduktion in einer bestimmten Größenordnung
vorgenommen wird bzw. werden kann. Entsprechend lässt sich auch aus dem im Operationsbericht des Diakonie Krankenhauses aufgeführten
Resektionsgewicht von rechts 860 g und links 580 g nicht ableiten, dass bei der Klägerin ein Brustbefund von Krankheitswert
vorgelegen hat. In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass kosmetische Defizite keine Krankheit darstellen,
die Verbesserung des Aussehens mithin kein Behandlungsziel sein kann. Somit können insbesondere Maßnahmen zur Beseitigung
einer Asymmetrie oder Ptose der Mammae im Allgemeinen keine Operationsindikation im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung
begründen, da ein solcher Eingriff allein auf eine Verbesserung des Aussehens gerichtet wäre. Entsprechendes gilt für die
von der Klägerin unter Bezugnahme auf die Bescheinigung des behandelnden Psychotherapeuten S. geltend gemachten psychischen
Aspekte, die für sich genommen eine MRP notwendig machten. Denn angesichts der mit einem operativen Eingriff immer verbundenen
Risiken kommt ein solcher Eingriff regelmäßig nicht in Betracht, wenn dieser lediglich der Behandlung psychischer Störungen
dienen soll (vgl. BSGE 92, 96; 82, 158, 163). Solchen Beeinträchtigungen ist mit den Mitteln der Psychotherapie zu begegnen, nicht aber mit einem operativen Eingriff
an einem für sich betrachtet funktionell gesunden und damit nicht behandlungsbedürftigen Körperorgan. Auf den von der Klägerin
im Rahmen ihrer Berufungsbegründung hervorgehobenen Umstand, dass bei ihr eine psychische Erkrankung bereits eingetreten sei,
kann der geltend gemachte Anspruch daher nicht gestützt werden.
Aber auch die von der Klägerin zur Begründung ihres Begehrens auf eine MRP in erster Linie geltend gemachten orthopädischen
Beschwerden begründen nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs im Bereich der Brüste. Eine Krankenbehandlung durch
ärztliche Leistungen hat grundsätzlich unmittelbar an der Krankheit anzusetzen. Dies bedeutet, dass den Nacken-, Schulter-
und Rückenbeschwerden der Klägerin in erster Linie mit den Mitteln der anerkannten orthopädischen und physiotherapeutischen
Therapiekonzepte begegnet werden muss. Zwar schließt dies nicht aus, dass auch andere Maßnahmen zur Erreichung des Behandlungsziels
erforderlich sein können, doch bedarf die konkrete Art der eingesetzten Maßnahme dann einer speziellen Rechtfertigung, wenn
diese sich - wie vorliegend der Fall - nur als mittelbare Behandlung darstellt, weil nämlich beabsichtigt ist, in ein funktionell
intaktes Organ einzugreifen, das verändert werden soll. Die therapeutischen Bemühungen setzen dann nämlich dort an, wo für
sich genommen eine Behandlung nicht erforderlich ist. Es bedarf daher einer besonders umfassenden Abwägung zwischen voraussichtlichem
medizinischem Nutzen und möglichem gesundheitlichem Schaden, in die auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit
der Intervention sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen sind (vgl. BSGE 85, 86).
Auf dieser Grundlage war der im Streit stehende operative Eingriff im Bereich der Brüste nicht hinreichend gerechtfertigt.
Denn schon der therapeutische Nutzen dieser Maßnahme ist nicht ausreichend gesichert. Der Versicherte kann, wie sich aus §
12 Abs.
1 Satz 1
SGB V ergibt, nämlich nur Leistungen beanspruchen, die für den angestrebten Behandlungserfolg nach den Regeln der ärztlichen Kunst
zweckmäßig sind; das setzt voraus, dass von einer hinreichenden Wirksamkeit der betreffenden Leistungen ausgegangen werden
kann. Wissenschaftliche Studien, die den Zusammenhang zwischen Größe bzw. Schwere der Brüste und dem Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden
belegen, liegen aber nicht vor. Solche Studien wurden weder von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. P. genannt noch von
den behandelnden Ärzten der Klägerin, die sich - soweit sie die MRP für erforderlich hielten - offenbar ausschließlich auf
ihre Alltagserfahrungen gestützt haben. Auch den von Privatdozent Dr. S.-B. erwähnten Abhandlungen liegen keine randomisierten
kontrollierten Studien der für das Fachgebiet der Orthopädie zuständigen Fachärzte zugrunde, die eine wissenschaftliche Aussage
über den Zusammenhang zwischen Brustlast und Wirbelsäulenbeschwerden zuließen. Indirekt wird dies sogar durch Privatdozent
Dr. St. in seinem Schreiben vom 26. Februar 2002 bestätigt, der den angegebenen Studienergebnissen zwar eine ausreichende
Aussagekraft beimisst, gleichzeitig aber darauf hinweist, dass eine randomisierte Studie, die den geforderten wissenschaftlichen
Beweis führen könnte, aufgrund der vielen Einflussfaktoren äußerst schwierig aufzulegen sei. Mithin bestätigt er damit selber,
dass auch ihm eine derartige Studie nicht bekannt ist.
Dass im Falle der Klägerin möglicherweise ein Behandlungserfolg insoweit eingetreten ist, dass sich die Schmerzsituation verbessert
hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn ein eventuell im Einzelfall erreichter Behandlungserfolg rechtfertigt es nicht,
die Beklagte mit Kosten einer Maßnahme zu belasten, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert ist.
Nachdem die Beklagte somit nicht verpflichtet war, der Klägerin die streitige operative Behandlung als Sachleistung zur Verfügung
zu stellen, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung der ihr durch die selbst beschaffte Leistung entstandenen
Kosten. Das SG hat die noch auf Gewährung der Sachleistung gerichtete Klage daher zutreffend abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.