Gründe
I.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich als Beschwerdeführer gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten.
Im Rahmen des Klageverfahrens des Klägers vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG; S 8 P 3278/14) beraumte dieses durch Terminmitteilung vom 7. April 2016, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 8. April
2016, für den 10. Mai 2016 eine mündliche Verhandlung an, an der der Kläger, nicht aber sein Prozessbevollmächtigter teilnahm.
Auf Antrag des Klägers vertagte das SG die Verhandlung und wies auf seine Absicht hin, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Verschuldenskosten aufzuerlegen.
Nachdem die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten, wies das SG ohne Anberaumung eines neuen Termins die Klage mit Urteil vom 22. November 2016 ab und sprach des Weiteren als Ziffer 3 des
Tenors aus, der Klägervertreter habe dem Gericht Kosten in Höhe von € 250,00 zu erstatten. Zur Auferlegung der Kosten nach
§
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) an den Prozessbevollmächtigten des Klägers führte es aus, dieser sei zulässiger Adressat der Verschuldenskosten (Landessozialgericht
[LSG] Berlin-Brandenburg, Urteile vom 29. Februar 2012 - L 29 AS 1144/11 -, vom 8. Mai 2008 - L 8 R 8/04 und L 8 RA 94/04 -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. August 2010 - L 8 SO 159/10 - alle [...]). Auf telefonische Nachfrage der Kammervorsitzenden
am Verhandlungstag habe er mitgeteilt, der Termin sei in seinem Kalender versehentlich nicht eingetragen worden. Somit habe
er es trotz ordnungsgemäßer Ladung aufgrund eines Kanzleifehlers schuldhaft versäumt, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen,
die daraufhin auf Antrag des Klägers vertagt worden sei. Als verursachter Kostenbetrag sei neben dem Mindestbetrag nach §
192 Abs.
1 Satz 3 i.V.m. §
184 Abs.
2 SGG ein am unteren Rahmen einer Termingebühr orientierter Betrag von € 100,00 zu berücksichtigen. Die dem Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung
wies als statthaftes Rechtsmittel allein die Berufung aus.
Gegen das ihm am 17. Januar 2017 zugestellte Urteil legte allein der Kläger Berufung zum LSG Baden-Württemberg (L 4 P 534/17) ein, die durch gerichtlichen Vergleich vom 15. November 2017 erledigt wurde.
Am 27. November 2017 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim LSG Baden-Württemberg im eigenen Namen Beschwerde eingelegt,
mit der er die Aufhebung der Ziffer 3 des Urteils vom 22. November 2016 begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Verhandlung
sei tatsächlich nicht vertagt worden. Vertagung werde als Bestimmung eines neuen Termins in einem noch nicht beendeten Termin
definiert. Ein neuer Termin sei aber nicht bestimmt, sondern ohne mündliche Verhandlung entschieden worden. Er, der Prozessbevollmächtigte
des Klägers, habe sein Nichterscheinen entschuldigt; so habe er mitgeteilt, dass aufgrund eines Kanzleiversehens der Termin
im händisch geführten Kalender nicht eingetragen bzw. gestrichen gewesen sei. Kosten könnten des Weiteren nur Beteiligten
i.S.d. §
69 SGG auferlegt werden, wozu der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten nicht gehöre. Dies entspreche der überwiegenden Kommentarauffassung.
Schließlich sei er für die "Vertagung" nicht verantwortlich, da er sie nicht beantragt habe.
Der Beschwerdeführer beantragt,
Ziffer 3 des Urteils des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. November 2016 aufzuheben.
Auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats wird ergänzend Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig.
a) Die Beschwerde ist statthaft.
aa) Die Beschwerde an das LSG findet nach §
172 Abs.
1 SGG gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte
statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Zwar hat das SG dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die Verschuldenskosten in einem Urteil nach §
125 SGG auflegt. Entscheidet das Gericht jedoch nicht in der korrekten Entscheidungsform (Urteil statt Beschluss), kann der Beteiligte
auch das Rechtsmittel einlegen, das gegen die Entscheidung gegeben wäre, die richtigerweise zu erlassen war (Meistbegünstigungsgrundsatz;
Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Auflage, vor § 43 Rn. 14 m.w.N.). Ein Urteil ergeht zwischen den am Rechtsstreit Beteiligten (vgl. auch §
141 SGG zur Rechtskrafterstreckung). Hierzu gehören nach §
69 SGG nur Kläger, Beklagter und Beigeladener, nicht aber der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten. Somit konnte gegen den Prozessbevollmächtigten
des Klägers nicht durch Urteil entschieden werden. Entscheidungen gegen Außenstehende (z.B. Ordnungsgeld gegen Zeugen) können
nur durch Beschluss ergehen (Senatsurteil vom 22. Januar 2010 - L 4 KR 3147/08 - nicht veröffentlicht).
bb) Die Beschwerde ist nicht ausgeschlossen. Die Auflegung von Kosten ist eine Entscheidung des Gerichts und unterfällt damit
nicht dem Ausschluss von Beschwerden gegen Verfügungen des Vorsitzenden des §
172 Abs.
2 SGG. Die Ausschlusstatbestände des §
172 Abs.
3 Nr.
3 und
4 SGG beschränken sich auf Kostengrundentscheidungen nach §
193 SGG und Entscheidungen nach §
192 Abs.
4 SGG. Beschwerden gegen Entscheidungen nach §
192 Abs.
1 SGG, wie vorliegend, sind somit nicht ausgeschlossen.
b) Die Beschwerde ist durch die vergleichsweise Erledigung der Hauptsache nicht unzulässig geworden. Die Kostenentscheidung
nach §
192 SGG bleibt von dieser Erledigung unberührt (vgl. §
192 Abs.
3 SGG).
c) Die Beschwerde wurde form- und insbesondere fristgerecht eingelegt. Die nach §
173 Satz 1
SGG grundsätzlich geltende Monatsfrist findet vorliegend keine Anwendung. Vielmehr gilt wegen der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung
im Urteil vom 22. November 2016, die nur die Berufung, nicht aber die Beschwerde als statthaftes Rechtsmittel benannte, die
Jahresfirst des §
66 Abs.
2 SGG, die vorliegend gewahrt ist.
2. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist begründet. Das SG hätte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers keine Verschuldenskosten auferlegen dürfen.
Nach §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise
die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen
Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig geworden ist. Satz 1 sieht somit die
Auferlegung von Kosten nur gegenüber einem Beteiligten vor, zu denen der Prozessbevollmächtigte des Klägers, wie oben ausgeführt,
gerade nicht gehört.
Anderes ergibt sich auch nicht aus §
192 Abs.
1 Satz 2
SGG (wie hier B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, §
192 Rn. 2; Knittel in Hennig,
SGG, Stand Oktober 2017, §
192 Rn. 2; Zeihe,
SGG, Stand April 2017, §
192 Rn. 23; a.A. jeweils zu Missbräuchlichkeitskosten nach §
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG: LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 29. Februar 2012 - L 29 AS 1144/11 - [...], Rn. 52 ff., vom 8. Mai 2008 - L 8 R 8/04 -und L 8 RA 94/04 - [...], Rn. 56 bzw. 43 ohne nähere Begründung; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. August 2010 - L 8 SO 159/10 - [...],
Rn. 2 ff.). Danach steht dem Beteiligten sein Vertreter oder Bevollmächtigter gleich. Dabei handelt es sich um eine reine
Zurechnungsvorschrift, die zum Ausdruck bringt, das ein Beteiligter im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Verschuldens
(§
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG) und der Missbräuchlichkeit ((§
192 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG) das Verhalten seines Bevollmächtigten gegen sich gelten lassen muss. Gegen eine Gleichstellung des Bevollmächtigten mit
dem Beteiligten spricht bereits die oben dargelegte Systematik. Das Urteil, in dem die Kosten nach §
192 Abs.
1 SGG auferlegt werden, ergeht nur gegenüber den Beteiligten, nicht dem Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten. Des Weiteren
obliegt die Mitwirkungspflicht, deren Verletzung nach §
192 SGG sanktioniert werden soll, dem Beteiligten und nicht seinem Bevollmächtigten (Knittel, a.a.O.). Die amtliche Begründung des
Gesetzentwurfes (BT-Drucks. 14/5943 zu Nummer 65 [§ 192], S. 28) enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Kostenauferlegung
auf Bevollmächtigte möglich ist. Danach lehne sich die Neufassung des §
192 SGG an § 34 Gerichtskostengesetz (GKG) - jetzt § 38 GKG - an. Nach dessen Satz 1 kann das Gericht dem Kläger oder dem Beklagten von Amts wegen eine besondere Gebühr auferlegen,
wenn durch Verschulden des Klägers, des Beklagten oder eines Vertreters die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die
Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig wird. Adressat der Kostenentscheidung bleibt hier auch bei
Verschulden des Bevollmächtigten immer der Beteiligte, der durch diesen vertreten wird. In der amtlichen Begründung (a.a.O.)
wird weiter ausgeführt, dem Gericht werde in Missbrauchsfällen "entsprechend § 34 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes" [BVerfGG] die Möglichkeit eröffnet, "einem Beteiligten die Kosten aufzuerlegen". Zwar entspricht es der Praxis des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG), bei missbräuchlicher Erhebung von Verfassungsbeschwerden die Gebühr nach § 34 Abs. 2 BVerfGG dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers aufzuerlegen. Diese Norm trifft aber, anders als §
192 Abs.
1 Satz 1
SGG gerade keine ausdrückliche Bestimmung, wem die Gebühr auferlegt werden kann. Im gesetzlichen Wortlaut des §
192 Abs.
1 Satz 1
SGG wird dies jedoch in Übereinstimmung mit amtlichen Begründung zu §
192 SGG (a.a.O.) ausdrücklich bestimmt ("einem Beteiligten").
3. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers war erfolgreich. Insoweit sind Gerichtskosten nicht angefallen.
Denn nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Kostenverzeichnis Nr. 7504 beträgt die Gerichtsgebühr bei erfolgloser Beschwerde pauschal € 60,00, bei teilweiser Erfolglosigkeit ggf. weniger. Dies
schließt Gerichtskosten im Falle eines vollen Erfolges der Beschwerde aus, sodass eine Entscheidung über Gerichtskosten des
Beschwerdeverfahrens entfällt. Deshalb ist nur über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers für das Beschwerdeverfahren
zu entscheiden. Diese hat die Staatskasse dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zu erstatten, wobei der Streitwert der von
dem Prozessbevollmächtigten erhobenen Beschwerde - der Höhe der auferlegten Verschuldenskosten entsprechend - € 250,00 beträgt.
Wie bei Beschwerden von Beteiligten, Zeugen oder Sachverständigen gegen Ordnungsgeldbeschlüsse ist nur der jeweilige Beschwerdeführer
beteiligt, mithin nicht die Beklagte, so dass sie auch nicht als Kostenschuldnerin in Betracht kommt. In entsprechender Anwendung
des § 46 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten i.V.m. §
467 Strafprozessordnung ist Kostenschuldner die Staatskasse (Senatsurteil vom 22. Januar 2010, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. März
2009 - L 10 U 1056/09 KO-B - [...], Rn. 5ff.).
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).