Versicherungspflicht bzw. -freiheit in der Künstlersozialversicherung; Feststellung der Ausübung einer anderweitigen nicht
künstlerischen selbstständigen Tätigkeit; Berücksichtigung des Einkommensteuerbescheids
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Zuschüssen zum (privaten) Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag für das
Jahr 2007.
Der 1952 geborene Kläger, Diplom-Designer (FH), ist als Grafik-Designer selbstständig erwerbstätig und mittlerweile Gesellschafter-Geschäftsführer
der 1991 gegründeten Firma h. g. GmbH. Mit Bescheid vom 12.07.1989 stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Bestehen
von Versicherungspflicht des Klägers zur Renten- und Krankenversicherung gem. § 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ab 15.12.1987 fest. In dem Bescheid ist (u.a.) darauf hingewiesen, dass die Aufgabe der selbstständigen künstlerischen bzw.
publizistischen Tätigkeit und die Änderung oder der Eintritt rechtserheblicher Sachverhalte (z.B. Aufnahme einer abhängigen,
über eine Nebentätigkeit hinausgehenden Beschäftigung oder einer anderen selbstständigen nichtkünstlerischen/-publizistischen
Tätigkeit, Bezug von Altersruhegeld, Bezug von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz) unverzüglich mitzuteilen sind.
Mit Bescheid vom 17.11.2000 befreite die Beklagte den Kläger auf dessen am 04.09.2000 gestellten Antrag gem. § 7 KSVG ab 01.01.2001 von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung; gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 KSVG bestehe deswegen auch Versicherungsfreiheit in der Pflegeversicherung. Die Beklagte stellte außerdem fest, dass dem Kläger
ab 01.01.2001 ein Anspruch auf Beitragszuschuss zu den Aufwendungen für seine (private) Kranken- und Pflegeversicherung zusteht
(§§ 10, 10a KSVG).
In der Folgezeit setzte die Beklagte den Beitragszuschuss des Klägers auf dessen Jahresmeldungen (Angabe der tatsächlichen
Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung) u.a. durch Bescheide vom 12.06.2002, 09.07.2003, 10.06.2004,
03.06.2005, 26.05.2006, 08.06.2007, 13.06.2008, 12.08.2009, 18.05.2010, 27.05.2011, 11.05.2012 (endgültig) fest. Der Bescheid
vom 03.06.2005 und die Folgebescheide - mit Ausnahme des Bescheids vom 12.08.2009 - enthalten (u.a.) den Hinweis, dass Sachverhalte,
die zu Änderungen in der Beurteilung der Versicherungspflicht bzw. Zuschussberechtigung führen können, wie z. B. Aufgabe der
selbstständigen künstlerischen/publizistischen Tätigkeit, Änderung des Tätigkeitsschwerpunktes zu Lasten künstlerischer/publizistischer
Arbeiten, Beschäftigung von mehr als einem Arbeitnehmer, Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung oder einer nicht künstlerischen/nicht
publizistischen selbstständigen Tätigkeit, Bezug einer Rente, Aufnahme eines Studiums, Verlegung des Tätigkeitsortes in das
Ausland für mehr als ein Jahr, (<ab 18.05.2010> Beginn/Ende des Bezugs von Leistungen der Agentur für Arbeit <z.B. Arbeitslosengeld
I oder II>) unverzüglich mitzuteilen sind. In den Aufforderungen der Beklagten zur Abgabe der Jahresmeldungen wird jeweils
darauf hingewiesen, dass zur endgültigen Berechnung des Beitragszuschusses der Nachweis über die tatsächlichen Aufwendungen
für die Kranken- und Pflegeversicherung benötigt wird. Entsprechende Ausführungen finden sich als Hinweis auf dem Jahresmeldungsformular
der Beklagten.
Mit Bescheid vom 13.06.2008 setzte die Beklagte den Zuschuss zur (privaten) Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers für
das Jahr 2007 endgültig auf 2.842,92 € bzw. 213,48 € fest. Zuvor hatte sie den Kläger mit Schreiben vom 09.04.2008 aufgefordert,
seine tatsächlichen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung nachzuweisen; der Kläger hatte die Nachweise (Bescheinigungen
der H. vom 22.01.2008: Krankenversicherung 6.656,32 €; Pflegeversicherung 426,96 €) am 23.05.2008 vorgelegt.
Mit Schreiben vom 27.09.2012 forderte die Beklagte den Kläger im Rahmen einer Stichprobenprüfung auf, die tatsächlichen Einkünfte
aus selbstständiger künstlerischer /publizistischer Tätigkeit und etwaige weitere Einkünfte aus einer nicht künstlerischen/nicht
publizistischen selbstständigen Tätigkeit anzugeben und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 vorzulegen.
Der Kläger legte die Einkommensteuerbescheide des Finanzamts F.-St. für die Jahre 2007 bis 2010 vor. Im Einkommensteuerbescheid
vom 01.07.2008 für das Jahr 2007 sind (u.a.) Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i. H. v. 9.134 € ausgewiesen (2008:
-77 €; 2009: 1.511 €; 2010: 1.739 €). Im Bescheid (Mitteilung) des Finanzamts F.-St. vom 12.01.2007 für 2005 heißt es, der
am 12.09.2006 eingegangenen Umsatzsteuererklärung des Klägers sei zugestimmt worden. Das Umsatzsteuerrestguthaben betrage
8.472,64 €; es werde dem Kläger erstattet.
In den (im Berufungsverfahren vorgelegten) Einkommensteuerbescheiden des Finanzamts F.-St. für die Jahre 2005 und 2006 sind
(u.a.) Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb von -8.694 € bzw. - 3.325 € ausgewiesen.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger unter dem 14.12.2012 mit, bei den in den Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen
Einkünften aus Gewerbebetrieb handele es sich um Einnahmen aus Stromeinspeisung (in das öffentliche Stromnetz). Der Strom
werde mit einer Solaranlage auf seinem Wohnhaus erzeugt. Ein Gewerbe habe er nicht angemeldet.
Mit Anhörungsschreiben vom 15.01.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, man beabsichtige, die Beitragszuschüsse für 2007
zurückzufordern. Der Kläger habe 2007 mehr als nur geringfügige Einkünfte aus einer selbstständigen nicht künstlerischen Tätigkeit
- (Solar-)Stromeinspeisung - erzielt, weshalb gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 2 Satz 1 KSVG Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung eingetreten und der Zuschussanspruch weggefallen sei. Der Kläger
hätte die Einkünfte aus Stromeinspeisung nach Maßgabe der Hinweise im Bescheid vom 12.07.1989 und in den ab 2005 ergangenen
Jahresendabrechnungen mitteilen müssen; das habe er grob fahrlässig unterlassen.
Der Kläger trug vor, die Solaranlage habe er aus ökologischen und nicht aus unternehmerischen Gründen angeschafft. Gewinne
habe er damit nicht erzielen wollen, auch wenn die Einnahmen aus der Stromeinspeisung steuerlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb
behandelt würden. Außerdem sei die Geringfügigkeitsgrenze von 450 € nicht regelmäßig, sondern nur einmalig im Jahr 2007 wegen
der verspäteten Umsatzsteuererstattung für 2005 überschritten worden. Er habe die Umsatzsteuererklärung für 2005 am 12.09.2006
abgegeben. Wegen verzögerter Bearbeitung durch das Finanzamt sei ihm die Umsatzsteuererstattung nicht im Jahr 2006, sondern
erst im Jahr 2007 (am 12.01.2007) zugeflossen. Durch Zahlung des Erstattungsbetrags von (ca.) 8.472 € bereits im Jahr 2006
hätte sich für dieses Jahr ein Überschuss von 5.147 € (also weniger als 450 € monatlich) und für 2007 von 662 € ergeben. Der
Kläger legte seinen Steuererklärungen beigefügte Einnahme-Überschussrechnungen ("M. H. Strom") für die Jahre 2005 bis 2007
vor. In der Einnahme-Überschussrechnung für 2005 sind Einnahmen aus Stromverkauf von 0 € und Betriebsausgaben von 8.913,92
€ (Abschreibung 441,28 €; gezahlte Vorsteuer 8.472,64 €) angegeben. In der Einnahme-Überschussrechnung für 2006 sind Einnahmen
aus Stromverkauf von 1.227,33 € (brutto) und Betriebsausgaben von 4.551,93 € (Abschreibung 2.647,70 €; Schuldzinsen 1.904,23
€) und ein Überschuss von - 3.324,60 € angegeben.
Mit Bescheid vom 08.03.2013 hob die Beklagte den Bescheid vom 17.11.2000 für das Jahr 2007 insoweit auf, als darin der Anspruch
des Klägers auf Zuschuss zum (privaten) Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag (dem Grunde nach) festgestellt worden war.
Außerdem nahm sie den Bescheid vom 13.06.2008 über die endgültige Festsetzung des Beitragszuschusses für 2007 zurück und gab
dem Kläger auf, den Beitragszuschuss für dieses Jahr i. H. v. 3.056,40 € (Krankenversicherung: 2.849,92 €, Pflegeversicherung:
213,48 €) zurückzuzahlen. Zur Begründung führte sie aus, dem Kläger habe für 2007 ein Beitragszuschuss nicht zugestanden,
da er seinerzeit wegen einer neben der künstlerischen Tätigkeit in mehr als geringfügigem Umfang ausgeübten anderen selbstständigen
Erwerbstätigkeit - Einspeisung von Solarstrom in das öffentliche Stromnetz - in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei
gewesen sei. Der Bescheid vom 17.11.2000 sei gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wegen des vom Kläger aus der Stromeinspeisung erzielten Einkommens, das zum Wegfall des Zuschussanspruchs geführt habe,
rückwirkend aufzuheben, ohne dass es auf die - hier im Hinblick auf die Hinweise im Bescheid vom 12.07.1989 bzw. in den Jahresabrechnungen
aber ohnehin vorliegende - grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten ankomme. Die endgültige Abrechnung über den
Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung sei gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen. Es gebe auch im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Anhörungsverfahren keine Gründe, von der Rückforderung
des zu Unrecht gezahlten Beitragszuschusses nach Ermessen abzusehen. Dem stünden auch Erwägungen der Gleichbehandlung entgegen.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, der Betrieb einer Solaranlage auf dem Dach des selbst
bewohnten Wohnhauses stelle eine selbstständige Erwerbstätigkeit nicht dar. Außerdem sei die Geringfügigkeitsgrenze nicht,
jedenfalls nicht regelmäßig (vgl. BSG, Urt. v. 27.07.2011, - B 12 R 15/09 R -, in [...]), überschritten. Die ihm im Jahr 2007 zugeflossene Umsatzsteuererstattung habe die Kosten für den Kauf der
Solaranlage im Jahr 2005 betroffen und stelle einen neutralen, durchlaufenden Rechnungsposten dar. Sie müsste als einmalige
Sonderzahlung auch zumindest auf die gesamte Abschreibungsdauer (20 Jahre) umgelegt werden. Er habe durch die Umsatzsteuererstattung
keinen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, sondern nur die zuvor verauslagte Umsatzsteuer zurückerhalten. Grob fahrlässig habe
er nicht gehandelt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, gem. §
15 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) sei Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn
aus einer selbstständigen Tätigkeit. Damit werde eine weitgehende Parallelität von Steuer- und Sozialversicherungsrecht hergestellt.
Da das Finanzamt die Einkünfte des Klägers aus dem Betrieb der Solaranlage als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausgewiesen habe,
sei hiervon auch für das Beitragsrecht bzw. die Gewährung von Zuschüssen zum Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag des Klägers
auszugehen. Der Bescheid vom 13.06.2008 habe daher aufgehoben und die für 2007 gezahlten Beitragszuschüsse hätten zurückgefordert
werden müssen; ebenso sei der Bescheid vom 17.11.2000 (teilweise) aufzuheben gewesen. Gem. § 10b KSVG solle der Bescheid über die Festsetzung des endgültigen Beitragszuschusses mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen
werden, wenn die Meldung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 KSVG in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben enthalte. Gem. § 11 Abs. 2 KSVG müssten auf Verlangen alle Angaben gemacht werden, die (u.a.) zur Feststellung der Versicherungspflicht, der Höhe der Beiträge
und ggf. der Zuschüsse erforderlich seien. Dazu gehöre im Zusammenhang mit der Jahresmeldung auch die Angabe von etwaigen
Einkünften aus Gewerbebetrieb. Bei der Zuschussrückforderung nach § 10b KSVG komme es auf Vertrauensschutz von vornherein nicht an. Bei Anwendung des § 45 KSVG (gemeint wohl SGB X) scheide Vertrauensschutz aus, weil der Kläger auf Grund des Bescheids des Finanzamts F.-St. vom 12.01.2007 (Umsatzsteuer
2005) und des Einkommensteuerbescheids vom 01.07.2008 (für 2007) um die Erzielung des zuschussschädlichen Einkommens gewusst
habe. Dieses Einkommen hätte er - worüber er in zuvor ergangenen Bescheiden belehrt worden sei - angeben müssen.
Am 01.07.2013 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er trug vor, er habe sein Wohnhaus mit der Solaranlage im Jahr 2005 erworben. Die Einnahmen aus Stromeinspeisung hätten
von 2005 bis 2012 zwischen 1.058,04 € und 5.334,67 € (netto) betragen. Unter Berücksichtigung von Abschreibungen und Schuldzinsen
hätten sich jährliche Überschüsse zwischen - 8.913,92 € und 2.864,79 € ergeben. Nur im Jahr 2007 habe er einen (höheren) Überschuss
von 9.134,08 € erzielt. Dies beruhe auf der Erstattung der Umsatzsteuer, die er im Jahr 2005 beim Kauf der Solaranlage (Kaufpreis
52.954 €) gezahlt habe. Die Umsatzsteuer sei in der Umsatzsteuererklärung für 2005 als Vorsteuer in Abzug gebracht und im
Jahr 2007 erstattet worden. Insgesamt erziele er aus der Solaranlage nur Einkünfte unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze (§
8 SGB IV). Die ihm im Jahr 2007 zugeflossene Umsatzsteuererstattung sei insoweit nicht zu berücksichtigen; sie dürfe nicht auf das
Jahr 2007 umgelegt werden. Er habe daher auch Mitteilungspflichten nicht grob fahrlässig verletzt. Er habe die Umsatzsteuererstattung
als neutralen durchlaufenden Posten und nicht als Arbeitseinkommen angesehen, da er daraus einen wirtschaftlichen Vorteil
nicht erlangt habe; das Finanzamt habe ihm nur die zuvor verauslagte Umsatzsteuer zurückgezahlt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug vor, das Finanzamt F.-St. habe die Umsatzsteuererstattung im Einkommensteuerbescheid
für 2007 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesehen und daher nicht (nur) als durchlaufenden Posten gewertet. Die vom Kläger
erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2007 seien nicht nur auf den Zeitpunkt der Umsatzsteuerrückerstattung,
sondern auf das Veranlagungsjahr 2007 zu beziehen.
Mit Urteil vom 27.03.2014 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2013 auf. Zur Begründung führte
es aus, die Voraussetzungen des § 10b KSVG und des § 45 SGB X seien nicht erfüllt, weshalb der Bescheid über die Festsetzung des endgültigen Beitragszuschusses zu Unrecht aufgehoben worden
sei. Gem. § 10b KSVG solle der Bescheid über die Festsetzung des endgültigen Beitragszuschusses mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten
des Zuschussberechtigten zurückgenommen werden, wenn die Meldung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 KSVG in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben enthalte. Gem. 10 Abs. 1 Satz 3 KSVG beginne der Anspruch der Zuschussberechtigten mit dem auf den Antrag folgenden Kalendermonat. § 10 KSVG regele Meldepflichten in Abs. 1 Satz 4 und 5. Gem. § 10 Abs. 1 Satz 4 KSVG sei für die Berechnung des endgültigen Zuschusses bei Zuschussberechtigten, die nach dem KSVG in der allgemeinen Rentenversicherung nicht versichert seien, das erzielte Jahresarbeitseinkommen maßgebend; dieses sei der
Künstlersozialkasse bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 31. Mai des
folgenden Jahres zu melden. Nach § 10 Abs. 1 Satz 5 KSVG sei die Höhe der Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung für jedes Kalenderjahr ebenfalls bis zum 31. Mai des
folgenden Jahres nachzuweisen. Hier sei allein die in § 10 Abs. 1 Satz 5 KSVG festgelegte Meldepflicht von Belang. Diese habe der Kläger aber nicht verletzt. Gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X dürfe ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt habe (begünstigender
Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig sei, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, nur unter den Voraussetzungen der
Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nur in den
Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X werde der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X könne sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit er (1.) den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung
oder Bestechung erwirkt habe, (2.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig
in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe, oder (3.) er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts
gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Begünstigte die erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe. Gem. § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X sei die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit auch nach Ablauf
von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe möglich, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend §
580 Zivilprozessordnung (
ZPO) vorlägen. Der (Zuschuss-)Bescheid vom 13.06.2008 beruhe nicht auf vom Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig gemachten Angaben. Seine Angaben zur Höhe der Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung
seien zutreffend gewesen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit des genannten
Bescheids gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Die Beklagte habe ihn zwar in dem die Versicherungspflicht
nach Maßgabe des KSVG feststellenden Bescheid vom 12.07.1989 darauf hingewiesen, dass die Versicherungspflicht bei Aufnahme einer abhängigen oder
einer anderen selbstständigen, nicht künstlerischen oder nicht publizistischen Tätigkeit entfallen könne. Daraus folge aber
nicht, dass dem Kläger der Wegfall der Versicherungspflicht wegen der Einnahmen aus dem Betrieb der Solaranlage auf dem privaten
Wohnhaus wegen besonders schwerwiegender Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt entgangen wäre. Der Betrieb von Solaranlagen
auf privaten Wohnhäusern werde in der Laiensphäre nicht als selbstständige gewerbliche Tätigkeit angesehen. Außerdem würden
Umsatzsteuererstattungen nicht als tatsächliche Einnahmen bewertet, da dadurch nur eine zuvor gezahlte Steuer wieder zurückgezahlt
werde. Es gebe insgesamt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nur bei Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt in
besonders schwerem Maße hätte erkennen können, dass er wegen der Erstattung der Umsatzsteuer im Jahr 2007 eine nicht nur geringfügige
selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Ein Wiederaufnahmegrund i. S. d. §
580 ZPO komme nicht in Betracht.
Gegen das ihr am 30.04.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.05.2014 Berufung eingelegt. Sie bezieht sich auf die
Begründung der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, der Kläger habe spätestens seit 2005 gewusst, dass er wegen
der Solaranlage steuerlich als Gewerbetreibender eingestuft worden sei; auf Bewertungen in der Laiensphäre komme es daher
nicht an. Dem Kläger hätte sich die Ausübung einer anderen nicht künstlerischen Tätigkeit deswegen auch aufdrängen müssen.
Dass er diese Tätigkeit nicht angegeben habe, beruhe auf grober Fahrlässigkeit. Wie aus der Einnahme-Überschussrechnung für
2006 hervorgehe, habe der Kläger den entsprechenden Verlust (3.324,60 €) steuerlich geltend gemacht. Im Jahr 2007 habe der
Kläger aus dem Betrieb der Solaranlage einen über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Gewinn erzielt, weshalb die Versicherungspflicht
zur Kranken- und Pflegeversicherung und damit auch der Anspruch auf Beitragszuschuss entfallen sei. Die - nicht unmittelbar
anwendbare - Bestimmung des § 10b KSVG müsse hier aus Gründen der normativen Gerechtigkeit entsprechend angewendet werden. Das Gesetz beziehe sich nach seinem Wortlaut
zwar fehlerhaft auf § 10 Abs. 1 Satz 3 KSVG; richtig wäre eine Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 Satz 4 KSVG. Unter die dort geregelte Mitteilungspflicht (Jahresarbeitseinkommen) sei auch die Angabe zu Einkünften aus Gewerbebetrieb
zu fassen. Im Hinblick darauf enthalte § 10b KSVG eine planwidrige Regelungslücke, die durch entsprechende Anwendung der Vorschrift zu schließen sei. § 10b KSVG ermögliche die Rückforderung überzahlter Zuschüsse, ohne dass es auf Verschulden des Zuschussempfängers ankomme. Zuschüsse
sollten nur denjenigen verbleiben, die hierauf materiell-rechtlich Anspruch hätten. Unmittelbar geregelt sei freilich nur
der Fall, dass ein überhöhtes Jahresarbeitseinkommen gemeldet worden sei; hier solle eine Verminderung auf das tatsächliche
Jahresarbeitseinkommen vorgenommen werden. Die Fallgestaltung, dass wegen anderweitiger Einkünfte ein Zuschussanspruch für
das jeweilige Jahr gar nicht bestehe, regele das Gesetz nicht; man habe das im Gesetzgebungsverfahren offenbar übersehen.
Deshalb müsse § 10b KSVG im Hinblick auf seine Zielsetzung für solche Fälle entsprechend angewendet werden. Die Umsatzsteuererstattung sei vom Finanzamt
auch als (echte) steuerbare Einnahme nach §
11 Einkommenssteuergesetz (
EStG) eingestuft worden.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27.03.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, er habe seinerzeit das private Plusenergiehaus mit
Solaranlage (notarieller Kaufvertrag vom 02.08.2005: Kaufpreis Grundbesitz 564.000 €, Stellplatz-Pool 12.800 €, Solarstromanlage
61.426,64 € <62.084,00 € abzgl. Investitionszulage der Solarsiedlung 9.130,00 € zzgl. MWSt 8.472,64 €>) nicht aus wirtschaftlichen
oder unternehmerischen Gründen, sondern ausschließlich zu privaten Wohnzwecken gekauft. Vom Kaufpreis entfielen etwa 10 %
auf die Solaranlage auf dem Dach des Gebäudes. Er habe sich nicht zuletzt aus ökologischen Gründen für den Erwerb eines Plusenergiehauses
entschieden. Die Anschaffung der Solaranlage sei durch ein Förderprogramm des örtlichen Energieversorgers für private Photovoltaikanlagen
unterstützt worden. Er habe nicht gewusst, dass die Versteuerung der angegebenen Einnahmen (Umsatzsteuererstattung) zu einer
Änderung des sozialversicherungsrechtlichen Status führen könnte. Die Einnahmen aus der Stromerzeugung dienten nur der Amortisierung
der Solaranlage. Nach einer Aufstellung des Verkäufers sei bei einer Laufzeit von 20,5 Jahren ein Gewinn von etwa 26.000 €
zu erwarten gewesen. Die Einnahmen aus der Stromeinspeisung gleichten Einkünften aus Vermietung oder aus Kapitalerträgen,
die für die Sozialversicherung ebenfalls nicht von Belang seien. § 10b KSVG könne als abschließende (Sonder-)Regelung nicht entsprechend angewendet werden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die
Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG).
Die Berufung der Beklagten ist gem. §§
143,
144,
151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Streitgegenstand ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 08.03.2013
(Widerspruchsbescheid vom 06.06.2013), mit dem der Bescheid vom 17.11.2000 über die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht
zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung nach dem KSVG und über die Feststellung des Anspruchs auf Beitragszuschuss nach §§ 10, 10a KSVG (Befreiungs- und Feststellungsbescheid) hinsichtlich des Jahres 2007 sowie der Bescheid vom 13.06.2008 über die endgültige
Festsetzung des Beitragszuschusses (Festsetzungsbescheid) für dieses Jahr aufgehoben und der Beitragszuschuss für 2007 von
(insgesamt) 3.056,40 € zurückgefordert wird. Der Beschwerdewert des §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG (750 €) ist angesichts des festgesetzten Erstattungsbetrags überschritten.
Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Das SG hat sie im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
Die Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 08.03.2013 ist nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 SGB X zu beurteilen. § 45 SGB X ist nicht einschlägig.
§ 48 SGB X regelt im Unterschied zu § 45 SGB X die Aufhebung von Verwaltungsakten, die nicht schon bei ihrem Erlass (Wirksamwerden gem. § 39 Abs. 1 SGB X) rechtswidrig waren (ursprüngliche Rechtswidrigkeit), sondern erst danach rechtswidrig geworden sind (nachträgliche Rechtswidrigkeit).
Letzteres wäre hier hinsichtlich der mit dem angefochtenen Bescheid verfügten (Teil-)Aufhebung des Befreiungs- und Feststellungsbescheids
vom 17.11.2000 sowie hinsichtlich der außerdem verfügten Aufhebung des Festsetzungsbescheids vom 13.06.2008 für das Jahr 2007
der Fall, wenn im Jahr 2007 tatsächlich Versicherungsfreiheit zur Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG eingetreten wäre, was, wie noch darzulegen sein wird, indessen nicht der Fall gewesen ist. Bei Eintritt von Versicherungsfreiheit
wäre die Voraussetzung für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach Maßgabe des § 7 KSVG weggefallen; die Befreiung von der Versicherungspflicht setzt naturgemäß das Bestehen von Versicherungspflicht voraus. Der
Bescheid vom 13.06.2008 wäre bei rechtmäßiger (Teil-)Aufhebung des Bescheids vom 17.11.2000 für das Jahr 2007 ebenfalls nachträglich
rechtswidrig geworden. Voraussetzungen für die Gewährung des Beitragszuschusses gem. §§ 10, 10a KSVG ist nicht der auf dem Gesetz beruhende Eintritt von Versicherungsfreiheit, sondern die auf einem Verwaltungsakt der Beklagten
(nach § 7 KSVG) beruhende Befreiung von der Versicherungspflicht. Der Festsetzungsbescheid vom 13.06.2008 beruht für den Anspruchsgrund
daher auf dem Befreiungs- und Feststellungsbescheid vom 17.11.2000 und regelt (lediglich) die Anspruchshöhe unter Berücksichtigung
der bis zum 31. Mai des Folgejahres zu meldenden Aufwendungen für eine private Krankenversicherung (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 6, Abs. 1 Satz 4 KSVG). Deswegen entfallen die Voraussetzungen der Zuschussgewährung bei Eintritt von Versicherungsfreiheit grundsätzlich erst
nachträglich mit der Aufhebung des Befreiungsbescheids. Nur hinsichtlich des für die Frage einer rückwirkenden Aufhebung gem.
§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X maßgeblichen Zeitpunkts der "Änderung der Verhältnisse" ist nicht auf die Aufhebung des Befreiungs- und Feststellungsbescheids
(als "Grundbescheid"), sondern auf den Zeitpunkt, auf den diese Aufhebung zurückwirkt, abzustellen (vgl. dazu etwa KassKomm/Steinwedel,
SGB X § 48 Rdnr. 8b).
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass
vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also rückwirkend,
aufgehoben werden, soweit der Betroffene (u.a.) einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher
für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2). Die Voraussetzungen
dieser Vorschrift sind hier nicht erfüllt. Der Kläger ist im Jahr 2007 (unverändert) versicherungspflichtig zur Kranken- und
Pflegeversicherung nach dem KSVG gewesen und hat daher (unverändert) auch Anspruch auf Beitragszuschuss nach §§ 10, 10a KSVG gehabt.
Die Bescheide vom 17.11.2000 und vom 13.06.2008 regeln die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht und die (endgültige)
Gewährung (laufender) Beitragszuschüsse; sie stellen daher Verwaltungsakte mit Dauerwirkung nach § 48 Abs. 1 SGB X dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Kläger im Jahr 2007 aber nicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 1 KSVG versicherungsfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG. Der Befreiungs- und Feststellungsbescheid vom 17.11.2000 ist für dieses Jahr demzufolge nicht rechtswidrig geworden und
die Verhältnisse bei seinem Erlass haben sich i. S. d. § 48 Abs. 1 SGB X nicht geändert. Das gilt gleichermaßen für den Festsetzungsbescheid vom 13.06.2008. Die Voraussetzungen für die Gewährung
des Beitragszuschusses sind nicht nachträglich weggefallen, weil der Befreiungs- und Feststellungsbescheid vom 17.11.2000
nach Aufhebung des angefochtenen Bescheids auch für das Jahr 2007 Bestand behält.
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG ist in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. in der Pflegeversicherung nach dem KSVG versicherungsfrei, wer eine nicht unter § 2 KSVG fallende, also eine nicht künstlerische oder publizistische selbstständige Tätigkeit erwerbsmäßig ausübt, es sei denn, diese
ist geringfügig i. S. d. §
8 SGB IV. Dem Versicherungsfreiheitstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG liegt die Erwägung zugrunde, dass Personen, die eine anderweitige selbstständige Erwerbstätigkeit in nicht nur geringfügigem
Umfang ausüben, wegen dieser Tätigkeit bzw. wegen der Einkünfte aus dieser Tätigkeit typischerweise für den Krankheitsfall
gesichert sind (vgl. dazu Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 3. Aufl. 2004, § 5 Rdnr. 19). § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG knüpft mit der Bezugnahme auf die in solchen Fällen in erster Linie maßgebliche Grenze der Entgeltgeringfügigkeit (§
8 Abs.
1 Nr.
1, Abs.
3 Satz 1
SGB IV; zur Zeitgeringfügigkeit §
8 Abs.
1 Nr.
2 SGB IV) an das aus der anderweitigen selbstständigen Erwerbstätigkeit erzielte Arbeitseinkommen i. S. d. §
15 Abs.
1 SGB IV an (dazu etwa jurisPK-SGB IV/Schlegel, § 8 Rdnr. 70). Auf diese Vorschrift nimmt das KSVG auch im Versicherungsfreiheitstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG Bezug (Versicherungsfreiheit nach dem KSVG in der seit 01.01.2007 geltenden Fassung des § 3 KSVG bei den Betrag von 3.900 €/Jahr nicht übersteigendem Arbeitseinkommen).
Die Regelung des §
15 Abs.
1 SGB IV, wonach Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn
aus einer selbstständigen Tätigkeit ist, stellt die Parallelität zwischen Steuer- und Sozialversicherungsrecht in materiell-rechtlicher
Hinsicht her (vgl. etwa BSG, Urt. v. 07.10.2004, - B 13 RJ 13/04 R -; Urt. v. 17.02.2005, - B 13 RJ 43/03 R -; Urt. v. 03.05.2005, - B 13 RJ 8/04 R -; Urt. v. 30.03.2006, - B 10 KR 2/04 R -, alle in [...]). In verfahrensrechtlicher Hinsicht sind für die Feststellung des Arbeitseinkommens durch die Sozialverwaltung
diejenigen Feststellungen maßgeblich, die die Finanzverwaltung im jeweiligen Einkommensteuerbescheid getroffen hat (vgl. zum
Beitragsrecht BSG, Urt. v. 02.09.2009, - B 12 KR 21/08 R -; BSG, Urt. v. 18.12.2013, - B 12 KR 24/12 R -, beide in [...]; zum Krankengeld und Mutterschaftsgeld auch etwa Senatsurteil vom 22.04.2015, - L 5 KR 114/14 -, n.v.). Diesem ist die rechtliche Einstufung der Einkünfte und ihre Zuordnung zu den Einkunftsarten zu entnehmen (§§
8 ff.
EStG; BSG, Urt. v. 30.10.2013, - B 12 KR 21/11 R - <Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung>; einschränkend zu Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 EStG BSG, Urt. v. 07.05.2014, - B 12 KR 2/12 R -, beide in [...]; vgl. auch Senatsurteile v. 28.09.2011, - L 5 KR 3120/10 - und v. 23.04.2015, - L 5 KR 3040/14 -, beide n.v.).
Die Feststellungen des Einkommensteuerbescheids sind nach Auffassung des Senats auch für die Frage maßgeblich, ob der selbstständig
tätige Künstler oder Publizist i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG eine anderweitige selbstständige Tätigkeit erwerbsmäßig ausübt. Stellt der Einkommensteuerbescheid für die anderweitige Tätigkeit
des Künstlers oder Publizisten eine typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundene Einkunftsart fest, ist von der Beklagten
und im Streitfall von den Gerichten ohne eigenständige Prüfung vom Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit i. S. d. §
15 SGB IV auszugehen (zum Begriff der selbstständigen Tätigkeit in §
15 SGB IV BSG, Urt. v. 16.05.2001, - B 5 RJ 46/00 -; Urt. v. 25.02.2004, - 5 RJ 56/02 R -, beide in [...]) und damit auch vom Vorliegen einer erwerbsmäßigen selbstständigen Tätigkeit i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG. Nach dem Katalog des §
2 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 bis 3
EStG sind typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundene Einkunftsarten die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§
13 EStG), die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§
15 EStG), die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§
18 EStG) sowie die diesen gleichgestellte Einkünfte (BSG, Urt. v. 30.03.2006, - B 10 KR 2/04 R -, in [...]). Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind daher etwa auch Gewinnanteile,
die ein Kommanditist, der keine dem Regelstatut des Handelsgesetzbuchs abweichende gesellschaftsrechtliche Stellung inne hat, als Mitunternehmer i. S. d. §
15 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 EStG erzielt, auch wenn er nicht aktiv in der Gesellschaft mitarbeitet (BSG, Urt. v. 25.02.2004, - B 5 RJ 56/02 R -; auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.02.2005, - L 4 KR 2530/04 - zu Veräußerungsgewinnen nach §
17 EStG; zu Einkünften von Ratsmitgliedern nach der GemO NW LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.11.2014, - L 5 KR 56/13 -, alle in [...]). Es kommt daher für die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG auch nicht darauf an, ob der Künstler oder Publizist neben der künstlerischen bzw. publizistischen Tätigkeit einen "Zweitberuf"
im eigentlichen Sinne aktiv ausübt.
Im Einkommensteuerbescheid des Finanzamts F.-St. vom 01.07.2008 sind für das Jahr 2007 hinsichtlich der Erzeugung elektrischen
Stroms in der vom Kläger auf dem Dach seines Wohnhauses betriebenen Solaranlage und die Einspeisung von so erzeugtem Strom
in das öffentliche Stromnetz Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 9.134 € ausgewiesen. Diese Feststellung haben die Beklagte und
der Senat für die Anwendung des Versicherungsfreiheitstatbestands in § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG zugrunde zu legen. Eine eigenständige Prüfung oder (Nach-)Berechnung oder eine eigenständige Bewertung durch die Sozialverwaltung
oder die Sozialgerichte findet insoweit nicht statt. Woraus sich die von der Finanzverwaltung ermittelten Einkünfte aus Gewerbebetrieb
im Einzelnen ergeben, hier aus der Erstattung gezahlter Umsatzsteuer, ist daher unerheblich. Damit steht fest, dass der Kläger
im Jahr 2007 eine (unstreitig nicht künstlerische oder publizistische) selbstständige Tätigkeit erwerbsmäßig ausgeübt hat.
Der Versicherungsfreiheitstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KSVG setzt neben dem Vorliegen einer erwerbsmäßig ausgeübten, nicht künstlerischen bzw. nicht publizistischen selbstständigen
Tätigkeit aber zusätzlich voraus, dass diese Tätigkeit nicht geringfügig i. S. d. §
8 SGB IV ist. Das ist hier nicht der Fall gewesen.
Gem. §
8 Abs.
1 SGB IV (in der für das Jahr 2007 maßgeblichen Fassung vom 23.01.2006) liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn 1. das Arbeitsentgelt
aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 € nicht übersteigt (Entgeltgeringfügigkeit), 2. die Beschäftigung innerhalb
eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus
vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 € im Monat übersteigt
(Zeitgeringfügigkeit). Das gilt gem. §
8 Abs.
3 Satz 1
SGB IV bei Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit entsprechend, wobei an die Stelle des Arbeitsentgelts (§
14 SGB IV) das Arbeitseinkommen i. S. d. §
15 SGB IV tritt.
Die Anwendung des §
8 SGB IV durch die Sozialverwaltung hängt von Entscheidungen der Finanzverwaltung, insbesondere im Einkommensteuerbescheid, nicht
ab. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Sozialverwaltung und die Sozialgerichte haben das Vorliegen der Geringfügigkeitsvoraussetzungen
in §
8 SGB IV eigenständig festzustellen und sind dazu im Unterschied zur Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns bei der Feststellung
des Arbeitseinkommens (§
15 SGB IV) auch ohne Weiteres in der Lage. Es geht insbesondere nicht an, der Prüfung der Entgeltgeringfügigkeit i. S. d. §
8 Abs.
1 Nr.
1 SGB IV (i. V. m. §
8 Abs.
3 Satz 1
SGB IV) ohne Berücksichtigung der Einzelfallumstände im Übrigen einen Monatsbetrag des Arbeitseinkommens zugrunde zu legen, der
aus den im Einkommensteuerbescheid als Jahresbetrag ausgewiesenen Einkünften aus Gewerbebetrieb als Durchschnittswert errechnet
ist.
Für die Beurteilung der Geringfügigkeit der vom Kläger ausgeübten (nicht künstlerischen) Tätigkeit ist die Regelung der Entgeltgeringfügigkeit
in §
8 Abs.
1 Nr.
1 SGB IV (i. V. m. §
8 Abs.
3 Satz 1
SGB IV) maßgeblich. Die Abgrenzung der Entgeltgeringfügigkeit von der Zeitgeringfügigkeit richtet sich danach, ob die Beschäftigung
- hier die selbstständige Tätigkeit - regelmäßig ausgeübt wird oder nicht. Regelmäßigkeit der Beschäftigung bzw. selbstständigen
Tätigkeit liegt vor, wenn sie von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet ist und über mehrere Jahre hinweg ausgeübt
werden soll (BSG, Urt. vom 07.05.2014 - B 12 R 5/12 R -, in [...]; jurisPK-SGB IV/Schlegel/Voelzke § 8 Rdnr. 29, 33). Insoweit kommt es nicht auf den Zufluss des Arbeitsentgelts
oder Arbeitseinkommens, sondern auf die zu dessen Erzielung entfaltete Tätigkeit an. Diese besteht hier im dauerhaften und
auf regelmäßige Wiederholung angelegten Betrieb der Solaranlage bzw. in der Einspeisung von Solarstrom in das öffentliche
Stromnetz und nicht etwa im (einmaligen) Erwerb der Anlage.
Aus dem Betrieb der Solaranlage hat der Kläger auch im Jahr 2007 (wie in den Jahren davor und danach) Arbeitseinkommen unterhalb
der Grenze zur Entgeltgeringfügigkeit erzielt. §
8 Abs.
1 Nr.
1 SGB IV i. V. m. §
8 Abs.
3 Satz 1
SGB IV SGB IV in der im Jahr 2007 geltenden Fassung setzt voraus, dass das in Rede stehende Arbeitseinkommen regelmäßig im Monat 400 €
nicht übersteigt. Für die Frage der Regelmäßigkeit des Arbeitseinkommens ist (wie beim Arbeitsentgelt) eine vorausschauende
Beurteilung (regelmäßig bei Aufnahme der Beschäftigung oder Tätigkeit) und nicht etwa eine rückschauende Beurteilung maßgeblich.
Die regelmäßige Einhaltung der Grenze zur Entgeltgeringfügigkeit ist zu prognostizieren und nicht im Rückblick und unter Zugrundelegung
ermittelter Durchschnittswerte zu beurteilen. Daher kommt es, darauf an, welche Zahlungen bei Ausübung einer Beschäftigung
unter vorausschauender, den Zeitraum eines Jahres umfassender Betrachtung insgesamt zu erwarten sind; bei Ausübung einer selbstständigen
Tätigkeit gilt dies entsprechend. Ausschlaggebend ist, eine ungefähre Einschätzung, welches Entgelt nach der bisherigen Übung
mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Prognosegrundlage können insbesondere auch Erfahrungswerte der Vergangenheit
sein. Erweist sich eine danach zutreffende Prognose im Nachhinein infolge nicht vorhersehbarer Umstände als unzutreffend,
bleibt sie für die Vergangenheit gleichwohl maßgeblich (BSG, Urt. vom 27.07.2011 - B 12 R 15/09 R -, in [...]; jurisPK-SGB IV/Schlegel/Voelzke § 8 Rdnr. 38 ff. m. w. N.).
Die Beklagte hat für die Prüfung der Entgeltgeringfügigkeit den im Einkommensteuerbescheid für 2007 ausgewiesenen Jahresbetrag
der Einkünfte des Klägers aus Gewerbetrieb auf monatliche Durchschnittswerte verteilt und so ein den Monatsbetrag von 400
€ übersteigendes Arbeitseinkommen angenommen. Damit hat sie hinsichtlich der Regelmäßigkeit des Arbeitseinkommens aber eine
so nicht zulässige rückschauende Betrachtung angestellt; eine auf das Kalenderjahr verteilbare Sonderzahlung, wie Weihnachtsgeld
oder Urlaubsgeld, steht nicht in Rede (dazu: jurisPK-SGB IV/Schlegel/Voelzke § 8 Rdnr. 39). Bei vorausschauender Betrachtung
kann demgegenüber ein die Grenze der Entgeltgeringfügigkeit im Monat regelmäßig überschreitendes Arbeitseinkommen für das
Jahr 2007 nicht angenommen werden, zumal als Prognosebasis die Verhältnisse der Vorjahre (2005 und 2006) heranzuziehen sind.
In diesen Jahren ist Arbeitseinkommen aber nicht erzielt worden. Wann die Umsatzsteuererstattung erfolgt, stand nicht fest
und war deshalb in die Prognose nicht mit einzubeziehen.
Damit bleibt es bei der Versicherungspflicht des Klägers zur Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG und bei der Befreiung von der Versicherungspflicht sowie beim Anspruch des Klägers auf Beitragszuschuss auch für das Jahr
2007. Er muss den erhaltenen Zuschuss nicht zurückzahlen. Der Senat weist aber darauf hin, dass der Kläger die Aufnahme des
Betriebs der Solaranlage mit Einspeisung von Strom in das öffentliche Stromnetz hätte der Beklagten mitteilen müssen. Bei
der Aufnahme der in Rede stehenden Tätigkeit handelt es sich (wie dargelegt) um eine für die Gewährung von Beitragszuschüssen
möglicherweise erhebliche Sachverhaltsänderung i. S. d. §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB I. Der Kläger ist auf die Pflicht, (u.a.) die Aufnahme einer solchen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen auch mehrfach in den
(jedenfalls ab 03.06.2005) ergangenen Zuschussbescheiden hingewiesen worden. Der Einwand, der Betrieb einer Solaranlage werde
in der Laiensphäre nicht als Aufnahme einer (anderweitigen) selbstständigen Tätigkeit angesehen, wird jedenfalls dann unerheblich
sein müssen, wenn die aus dem Betrieb der Solaranlage erzielten Einkünfte und - vor allem - die damit verbundenen Kosten und
im Ergebnis die aus dem Solaranlagenbetrieb resultierenden Verluste jeweils steuerlich (steuermindernd) geltend gemacht werden
und sich der Betreiber der Solaranlage daher der Einkommensrelevanz des Solaranlagenbetriebs durchaus bewusst ist, zumal dann,
wenn in den Einkommensteuerbescheiden des Finanzamts (und sei es auch negative) Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausgewiesen sind.
Angesichts der Belehrung über die Mitteilungspflichten in ergangenen Zuschussbescheiden muss sich in solchen Fällen aufdrängen,
dass der Sachverhalt (Betrieb einer Solaranlage mit Einspeisung von Strom in das öffentliche Stromnetz) nicht nur beim Finanzamt
steuerlich (steuermindernd) geltend gemacht werden kann, sondern wegen des Bezugs von Beitragszuschüssen auch der Beklagten
mitzuteilen ist. Die rechtliche Bewertung des Sachverhalts - hier im Hinblick auf die Gewährung von Beitragszuschüssen nach
§§ 10, 10a KSVG - ist Aufgabe der Verwaltung. Eine eigenständige und ggf. unrichtige rechtliche Bewertung entbindet nicht von der Verpflichtung
zur Mitteilung der maßgeblichen Tatsachen.
Der Senat kann im Übrigen offen lassen, ob die angefochtenen Bescheide auf die (ersichtlich an Änderungen des § 10 KSVG nicht hinreichend angepasste) Vorschrift des § 10b KSVG (Rücknahme von Bescheiden über die Festsetzung des endgültigen Beitragszuschusses wegen unrichtiger Jahresmeldungen) gestützt
werden könnten. Der Kläger hat Anspruch auf den Beitragszuschuss auch für das Jahr 2007 und der Zuschuss ist auch richtig
berechnet worden. Der Kläger hat seine Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung auf dem ihm von der Beklagten
übersandten Meldeformular unter dem 19.05.2008 zutreffend angegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§
160 Abs.
2 SGG).