Anerkennung eines Meniskusschadens als Folge eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung; Abgrenzung zwischen
degenerativem und traumatischen Meniskusschaden; Bedeutung arthroskopischer Befunde
Tatbestand
Der Kläger begehrt Verletztenrente aufgrund eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls.
Der 1955 geborene und seit 10.03.1980 als Baggerfahrer bei einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten beschäftigte Kläger stellte
sich am 20.10.2011 bei dem Durchgangsarzt (D-Arzt) M. vor und gab dort an, am 19.10.2011 gegen 16.00 Uhr beim Herabsteigen
vom Bagger bei einer Drehbewegung einen heftigen Schmerz im rechten Knie verspürt und sodann bis zum Ende der Arbeitszeit
um 17.00 Uhr weitergearbeitet zu haben (D-Arztbericht vom 20.10.2011, Bl. 2 Behördenakten - BA). D-Arzt M. befundete einen
ausgeprägten Druck- und Bewegungsschmerz am medialen Gelenkspalt des rechten Knies, einen schlaffen Erguss sowie klinisch
feste Bänder und diagnostizierte einen Verdacht auf eine Innenmeniskusläsion des rechten Knies. Im Übrigen stellte er fest,
dass Hergang und Befund gegen einen Arbeitsunfall sprächen, weil es sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt habe.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.10.2011 an den D-Arzt M. wandte sich der Kläger gegen die Ablehnung eines
Arbeitsunfalles und trug zum Geschehensablauf vor, er sei im Begriff gewesen, aus dem Radmobilbagger auszusteigen, sei dabei
ausgerutscht und mit Wucht auf den Boden aufgekommen, wobei eine Verdrehung seines Beines erfolgt sei. Er habe sofort stechende
Schmerzen gehabt, die sich aber in der Folgezeit zurückgebildet hätten. In der Nacht habe er dann schlimme Schmerzen bekommen
und deshalb die ganze Nacht nicht schlafen können. Mit Anwaltsschreiben vom 31.10.2011 ließ der Kläger unter Vorlage verschiedener
Lichtbilder ergänzend vortragen, er habe mit dem rechten Bein nicht die volle Breite, sondern nur die äußere Kante der unteren
Auftrittsschiene erreicht, von der er aufgrund seiner feuchten Schuhsohle abgerutscht sei, sodass er ohne Zwischenhalt mit
dem rechten Bein direkt auf dem Erdboden angekommen sei. Hierbei sei er zwar nicht zu Fall gekommen, das rechte Bein habe
sich aber etwas verdreht.
Die radiologische Praxis Dres. K./H. erkannte anlässlich der am 25.10.2011 durchgeführten kernspintomographischen Untersuchung
(MRT) einen Schrägriss im Innenmeniskushinterhorn (Grad III), leichte degenerative Veränderungen des Außenmeniskus (Grad I),
eine intraartikuläre Chondropathie (Stadium II) sowie vermehrte Gelenkflüssigkeit mit suprapatellarer Betonung (Bl. 44 BA).
In seinem Nachschaubericht vom 26.10.2011 führte D-Arzt M. aus, die mittlerweile durchgeführte MRT ergebe eine Ruptur des
Innenmeniskushinterhorns. Die Untersuchung vom 26.10.2011 habe nach wie vor einen erheblichen Druckschmerz im Bereich des
medialen Gelenkspaltes sowie eine deutliche Ergussbildung ergeben. Aufgrund der jetzigen Schilderung des Unfallgeschehens,
wonach der Kläger beim Aussteigen aus dem Bagger abgerutscht sei und sich beim Abfangen das linke (gemeint: rechte) Knie verdreht
habe, erfolge die weitere Therapie bis zur Arthroskopie zu Lasten der Beklagten (Bl. 4 BA).
Im Nachschaubericht vom 14.11.2011 erläuterte D-Arzt M. nochmals, dass der Kläger am Unfalltag trotz mehrfachem Befragen angegeben
habe, beim Aussteigen bzw. Herabsteigen von seinem Bagger bei einer Drehbewegung einen heftigen Schmerz im linken (gemeint:
rechten) Knie verspürt zu haben. Trotz mehrfacher Befragung habe kein Anhalt für ein Unfallereignis wie Abrutschen bzw. Herabstürzen
bestanden. Am 26.10.2011 habe der Kläger nach Konsultation mit seinem Anwalt angegeben, doch vom Bagger abgerutscht zu sein
und sich hierbei das Knie verdreht zu haben.
Anlässlich der Vorstellung des Klägers in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) T. am 16.11.2011 wurde das MRT
vom 25.10.2011 nochmals radiologisch ausgewertet und ein Innenmeniskushinterhornriss bestätigt, wobei nicht eindeutig zu bestimmen
sei, inwieweit eine frische Komponente der Innenmeniskusläsion bestehe, degenerative Vorschäden seien bereits erkennbar.
Am 05.12.2011 erfolgte in der BGU T. die Arthroskopie des rechten Kniegelenkes mit partieller Synovektomie, Plicaresektion
und Meniskus-Sanierung. Intraoperativ zeigte sich eine degenerative Innenmeniskushinterhornläsion ohne Hinweis einer Traumafolge
sowie eine ein- bis zweigradige Knorpelläsion retropatellar und im Bereich des medialen Kompartimentes (vgl. Befund- und Entlassbericht
vom 05.12.2011, Bl. 16 BA; OP-Bericht vom 06.12.2011, Bl. 33 BA). Im histologischen Gutachten vom 08.12.2011 wurde der Befund
der entfernten Innenmeniskusanteile für vereinbar mit einer chronisch degenerativen Veränderung gehalten (Bl. 34 BA).
Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen gab der Kläger im Fragebogen "Knie" am 10.01.2012 an, sein Fuß bzw. der Unterschenkel
sei während der Tätigkeit, die zum Unfall geführt habe, in seiner Beweglichkeit nicht eingeschränkt oder fixiert gewesen,
er habe eine aufrecht gestreckte Körperhaltung eingenommen gehabt und sei nicht gesprungen.
Die Krankenversicherung des Klägers teilte mit Schreiben vom 30.07.2012 mit, es lägen keine Angaben zu Vorerkrankungen der
Knie vor (Bl. 49 BA).
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 16.08.2012 hielt Dr. B. zwar einen Arbeitsunfall für gegeben, durch den es
aber - wenn überhaupt - nur zu einer geringen Zerrung des rechten Kniegelenkes gekommen sei ohne hierdurch bedingte Arbeitsunfähigkeit
und Behandlungsbedürftigkeit. Da Unfallfolgen niemals eindeutig hätten nachgewiesen werden können, bestehe auch keine Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE). Das Ereignis vom 19.10.2011 sei nicht geeignet, multiple diffuse Knorpelschäden sowie insbesondere
einen isolierten Horizontalriss des Innenmeniskushinterhorns zu verursachen. Es habe keine wesentliche Gewalteinwirkung auf
das Kniegelenk gegeben, insbesondere keine gewaltsame Drehverwindung bei fixiertem Unterschenkel/Fuß und keinen Sprung aus
größerer Höhe. Außerdem stelle eine Krafteinwirkung auf das Kniegelenk in Streckstellung einen ungeeigneten Ereignisablauf
dar, da in Kniestreckung in Folge der Form der Gelenkkörper und der ligamentären Sicherung Drehbewegungen nicht ausführbar
seien. Derartige Krafteinwirkungen auf das Kniegelenk in Streckstellung bzw. in axialer Richtung führten allerdings zu Frakturen
oder Kniebandverletzungen, die jedoch im Falle des Klägers nicht hätten nachgewiesen werden können. Weder klinisch noch kernspintomographisch
und arthroskopisch hätten Begleitverletzungen nachgewiesen werden können. Den isolierten Meniskusriss ohne verletzungsspezifische
Veränderungen an anderen Strukturen, insbesondere am Kreuzband- und Seitenapparat gebe es nicht. Schließlich sei ein Innenmeniskushinterhornschaden
eher degenerativ bedingt und ein Horizontalschaden ausschließlich degenerativer Ursache. Aus dem MRT ergebe sich kein sicherer
Hinweis auf eine Unfallbedingtheit der Innenmeniskushinterhornläsion, insbesondere keine Einblutung/Ödembildung im Bereich
des Risses bzw. im Bereich der Aufhängung des hinteren Innenmeniskus am innenseitigen Kapselbandapparat. Dagegen zeige das
MRT degenerative Veränderungen des Außenmeniskus. Ein bone bruise als Hinweis auf eine Unfallbedingtheit der arthroskopisch
beschriebenen Knorpelschäden im innenseitigen Kompartiment sowie der Kniescheibenrückfläche bestehe nicht. Auch der Histologiebefund
spreche eindeutig gegen einen Unfallzusammenhang mit Nachweis von chronisch degenerativen Veränderungen ohne eindeutigen Nachweis
von Unfallfolgen bzw. traumatischen Veränderungen, es liege kein Blutungsnachweis vor und es bestünden auch keine Hämosiderinablagerungen.
Der Operateur beschreibe vom makroskopischen Aspekt her degenerativ bedingte Knorpelschäden sowie ein degenerativ in der Horizontalebene
eingerissenes Innenmeniskushinterhorn. Da sich aus dem Schreiben der Krankenversicherung nicht ergebe, seit wann Versicherungsschutz
dort bestehe, seien diese Angaben nicht zu verwerten. Insgesamt spreche daher wesentlich mehr gegen als für einen Unfallzusammenhang
der Innenmeniskushinterhornläsion sowie der beschriebenen Knorpelschäden des rechten Kniegelenkes (Bl. 51 BA).
Mit Bescheid vom 18.10.2012 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger wegen der Folgen seines Arbeitsunfalles vom 19.10.2011
keinen Anspruch auf eine Rente habe. Einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung lehnte sie ab.
Die am 19.10.2011 erlittene leichte Zerrung des rechten Kniegelenkes bei vorbestehenden anlagebedingten Verschleißerscheinungen
sei ohne hierdurch bedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit folgenlos ausgeheilt. Die ab 20.10.2011 bestandene
Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei auf die unfallunabhängigen Veränderungen im rechten Kniegelenk, nämlich
Knorpelschäden sowie ein isolierter Horizontalriss des Innenmeniskushinterhorns, zurückzuführen.
Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger einerseits darauf hin, vor seinem Arbeitsunfall vom 19.10.2011 keine Beschwerden
oder Schmerzen an seinem rechten Knie verspürt zu haben. Andererseits führte er aus, er sei bei dem Beschäftigungsunternehmen
in früherer Zeit überwiegend als Baggerfahrer eingesetzt gewesen, was jetzt aber nur noch ca. 1/3 seiner täglichen Arbeitszeit
ausmache. In der übrigen Zeit arbeite er als normaler Bauarbeiter manuell und körperlich und verrichte alle anfallenden Arbeiten
wie Schippen, Schaufeln, Pickeln, Verdichten mit Verdichtungsgeräten u. a. Bei allen diesen Arbeiten werde das rechte Knie
schwer und stark beansprucht, er müsse u. a. in die Gräben hineinspringen und wieder hinausklettern. Beim Schippen und Schaufeln
müsse er besonders seine Knie einsetzen, weil er sich gegen die Erde stemmen müsse, beim Pickeln müsse er mit den Knien gegenhalten.
Wenn er als Baggerführer im Einsatz sei, bekomme er bei längerem Sitzen im Führerhaus einen Spannungsschmerz im rechten Knie,
der oft mehrere Tage hinterher anhalte. Je nach Belastungsumfang schwelle das rechte Knie an und fühle sich heiß an.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2013 den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass die ab
dem 20.10.2011 fortbestehenden Beschwerden sowie Funktionsstörungen im Bereich des rechten Kniegelenks mit Behandlungsbedürftigkeit
und Arbeitsunfähigkeit nicht ursächlich auf den gegenständlichen Unfall zurückzuführen, sondern Folge eines massiven verschleißbedingten
Degenerationsprozesses seien. Für solche degenerativen Schadensentwicklungen, die oft jahrelang unerkannt und "klinisch stumm"
vorhanden seien, sei es geradezu typisch, dass sie plötzlich und in jeder Situation des täglichen Lebens auftreten könnten.
Geschehe dies - wie im Falle des Klägers - zufällig bei der beruflichen Tätigkeit, so sei diese nur sog. "Gelegenheitsursache"
für das erstmalige Auftreten des schon latent vorhanden gewesenen Gesundheitsschadens.
Hiergegen hat der Kläger am 22.04.2013 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und nochmals auf die bereits im Widerspruchsverfahren genannten Beschwerden hingewiesen, weshalb er von wenigen
Tagen im Jahr abgesehen ständig mit Schmerzen im rechten Knie arbeiten müsse.
Auf Antrag des Klägers hat das SG Dr. D. mit der Erstattung des unfallchirurgischen Gutachtens vom 25.02.2014 nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beauftragt. Er hat anlässlich seiner ambulanten Untersuchung des mit 120 kg Körpergewicht bei einer Körpergröße von 177
cm massiv übergewichtigen Klägers am 30.12.2013 ein flüssiges und sicheres Gangbild auf ebenem Boden festgestellt. Das rechte
Kniegelenk hat eine endgradige Bewegungseinschränkung in Beugung und Streckung gegenüber links von 5 Grad aufgewiesen. Der
Kläger hat am rechten Kniegelenk einen lokalen Druckschmerz im Bereich der Kniekehle angegeben, ein Patellaanpressschmerz
bestand nicht, die Meniskus- sowie die Zohlenzeichen waren negativ, Ergußzeichen bestanden nicht, es bestand keine Überwärmung
und keine Reizsymptomatik, die Kreuz- und Seitenbänder waren stabil. Dr. D. hat eine beginnende mediale Gonarthrose rechts
sowie einen Zustand nach Innenmeniskus-Hinterhorn-Teilresektion diagnostiziert. Das Unfallereignis vom 19.10.2011 habe zu
einer Distorsion (Stauchung, Zerrung) des rechten Kniegelenkes geführt. Die im weiteren festgestellte Ruptur (Einriss) des
Innenmeniskushinterhorns rechts könne nicht Folge des Unfallereignisses sein. Das Schadensereignis, nämlich Stauchung des
rechten Beines und Verdrehen des rechten Kniegelenkes bei freistehendem rechten Bein, könne keine isolierte Verletzung der
Innenmeniskus hervorrufen. Bei fehlenden Begleitverletzungen und nachgewiesenen degenerativ bedingten Schädigungen des Kniegelenkes
sei die wesentliche Ursache der Ruptur des rechten Innenmeniskus der unfallunabhängige vorbestehende degenerative Schaden
des Innenmeniskus. Die Distorsion des rechten Kniegelenkes habe eine schmerzbedingte Arbeitsunfähigkeit von einer Woche begründet.
Alle darüber hinaus gehenden Behandlungen und Arbeitsunfähigkeitszeiten seien als Folge des unfallunabhängigen Verschleißschadens
anzusehen. Er weiche lediglich hinsichtlich der Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit von den Beurteilungen und Feststellungen
des Beratungsarztes Dr. B. ab.
Der Kläger ist dem unter Vorlage weiterer Lichtbilder, auf denen u. a. der fragliche Bagger mit einer oberen und unteren Auftrittsschiene
zu sehen ist, entgegen getreten und hat nochmals betont, dass er während des Absteigens sein gesamtes schweres Gewicht auf
dem Standbein gehabt habe, was zu einer faktischen und tatsächlichen Unbeweglichkeit des Beines geführt habe. Selbst wenn
er eine stumme unfallunabhängige degenerative Veränderung an seinem rechten Knie gehabt hätte, hätte eine solche ohne die
Gewalteinwirkung vom 19.10.2011 während des Abrutschens beim Absteigen von dem Bagger nie zu einem Schrägriss im Innenmeniskushinterhorn
dritten Grades geführt. Dass zusätzliche Begleitverletzungen eintreten müssten, sei keineswegs zwingend. Solche Hinterhornrisse
könnten ohne weitere Begleitverletzungen eintreten, wenn Stoß- oder Zugeinwirkungen jeweils seitlich auf das Hinterhorn einwirkten
(Bl. 91 ff. SG-Akte).
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.04.2015 abgewiesen, da der Horizontalriss des Innenmeniskushinterhorns des rechten Kniegelenkes
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das als Unfallereignis anerkannte Geschehen vom 19.10.2011 verursacht worden
sei. Der Meniskus sei ein elastischer Faserknorpel, der teilweise fest mit der Kapsel des Kniegelenks verwachsen sei. Ursache
für einen Meniskusriss könne sowohl eine Degeneration des Menikusgewebes oder auch ein Unfallereignis sein. Bei einer Degeneration
zeige der Meniskus oftmals Risse mit groben Auffaserungen. Der Meniskus reiße in diesen Fällen spontan ohne eine größere Einwirkung
von außen oder es sei nur eine leichte Verletzung notwendig, z. B. ein leichtes Verdrehen im Kniegelenk, die zu einem Meniskusriss
führe. Akute unfallbedingte Schädigungen des Meniskus träten bei abrupten kombinierten Bewegungen mit starker Verdrehung und
Beugung im Kniegelenk auf. Dabei sei der Innenmeniskus häufiger von einem Riss betroffen als der Außenmeniskus. Der Horizontalriss
habe meist eine degenerative Ursache. Vorliegend sei mit Prof. Dr. St. (BGU T.), Dr. B. und Dr. D. von einem degenerativ bedingten
Meniskusriss auszugehen, für den das vom Kläger wechselnd geschilderte Geschehen vom 19.10.2011 allenfalls als Gelegenheitsursache
anzusehen sei. Hierfür spreche der Operationsbericht vom 06.12.2011 sowie die pathologische Begutachtung des untersuchten
Innenmeniskusmaterials. Weiteres Argument gegen eine traumatische Menikusverletzung sei das Fehlen von Begleitverletzungen,
worauf Dr. B. und Dr. D. hingewiesen hätten. Auch wenn es bei einem Drehsturz biomechanisch begründbar sei, dass mikroskopisch
objektivierbare Verletzungszeichen am Kapsel-Bandapparat nicht aufträten, müssten Hinweise auf eine Mitbeteiligung des Kapsel-Bandapparates
- Einblutung - vorliegen, auch wenn diese im Einzelfall gering ausgeprägt seien. Den isolierten Meniskusriss ohne verletzungsspezifische
Veränderungen an anderen Strukturen gebe es nicht. Auch beim Drehsturz ließen sich in einem unfallnahen Kernspintomogramm
Zeichen einer Distorsion des Kniegelenkes nachweisen. Derartige Kapselbandverletzungen hätten beim Kläger jedoch nicht vorgelegen.
Der erstbehandelnde D-Arzt M. habe lediglich einen schlaffen Erguss bei klinisch festen Bändern beschrieben und auch bei der
Röntgenuntersuchung keinen krankhaften Befund feststellen können. Außerdem sei unter Berücksichtigung der verschiedenen Unfallhergangsschilderungen
des Klägers aufgrund der als ungeeignet anzusehenden Ereignisabläufe die Einschätzung von Dr. B., die von Dr. D. bestätigt
worden sei, zutrefF., wonach hier kein geeigneter Hergang für die Zerreißung des Meniskus gegeben sei. Die von der Beklagten
richtiger Weise anerkannten Unfallfolgen in Form einer leichten Zerrung des rechten Kniegelenkes bei vorbestehenden anlagebedingten
Verschleißerscheinungen seien folgenlos ausgeheilt. Eine rentenberechtigende MdE sei nicht anzunehmen.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 04.05.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.06.2015 beim Landessozialgericht
Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung erneut darauf hingewiesen, dass er vor dem Unfall keinerlei
Schmerzen oder Beschwerden an seinem rechten Knie gehabt habe. Niemand habe vor der eingetretenen Risssituation das Hinterhorn
auf seine Dichte und Stabilität untersucht und die bei dem Unfallgeschehen gegebenen Stoßrichtungen und Aufprallwuchten festgestellt
oder gemessen. Sei die Konsistenz und Stabilität des Hinterhorns vor dem Unfall schon geschwächt oder gemindert gewesen, so
hätten bereits geringe Stoß-, Zug- und Aufprallkräfte genügt, um den später festgestellten Riss am Hinterhorn herbeizuführen,
ohne dass dabei Veränderungen an Nebenstrukturen zwingend hätten eintreten müssen. Woher das SG die Sach- und Fachkenntnis habe festzustellen, dass es einen isolierten Meniskusriss ohne Veränderung benachbarter Strukturen
nicht geben könne, werde im Urteil nicht dargelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. April 2015 sowie teilweise den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2012
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des
Arbeitsunfalles vom 19. Oktober 2011 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert der Vollrente
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf das angefochtene Urteil des SG Bezug genommen.
Der Senat hat Auszüge aus einem Gutachten der SLK-Kliniken H. vom 13.07.2014 nebst Anlagen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht
und darauf hingewiesen, dass die Berufung des Klägers keine Erfolgsaussichten haben dürfte und daher beabsichtigt sei, über
die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach §
153 Abs.
4 SGG zu entscheiden. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen.
Der Kläger hat hierauf vorgetragen, es sei unbestritten, dass die Knieverletzung am rechten Knie unmittelbar im Anschluss
an das Abrutschen vom Bagger entstanden sei. Weiterer objektiver "Einsatzpunkt" sei, dass bei der Untersuchung nach dem Abrutschen
ein Riss am Hinterhorn festgestellt worden sei und er vor dem Arbeitsunfall nie irgendwelche Schmerzen oder Beschwerden an
seinem rechten Knie gehabt habe. Es könne durchaus eine Situation vorgelegen haben, dass bereits vor dem Unfallereignis ein
Anriss im Hinterhorn bestanden habe, der jedoch zu keinerlei Beschwerden geführt habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden,
dass ein Anriss eines bereits vorbelasteten Hinterhorns mit weniger und geringerer Kraftanstrengung oder Zugbelastung zu einem
Vollriss werde. Dies sei eine durchaus naheliegende Möglichkeit.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze
sowie die Behördenakten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über die Berufung nach §
153 Abs.
4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats
die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist
mit gerichtlicher Verfügung vom 02.07.2015 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist
der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG SozR 3-1500 § 153 Nr. 9).
Die Berufung ist form- und nach §
151 Abs.
1 SGG auch fristgerecht eingelegt worden. Die einmonatige Berufungsfrist endete gem. §
64 Abs.
3 SGG erst mit Ablauf des 05.06.2015, da der 04.06.2015, also das nach §
64 Abs.
2 SGG berechnete Fristende, ein gesetzlicher Feiertag in Baden-Württemberg gewesen ist (Fronleichnam) und es für die Frage, ob
ein gesetzlicher Feiertag i. S. des §
64 Abs.
3 SGG besteht, auf den Ort ankommt, an dem die Frist zu wahren ist, und somit regelmäßig auf den Sitz des Gerichtes (vgl. Keller
in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer,
SGG-Komm., 11. Auflage 2014, §
64 Rdnr. 5a m. w. N.). Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§
143,
144 Abs.
1 Satz 2
SGG), sie ist aber unbegründet.
Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente in Folge des am 19.10.2011 erlittenen Arbeitsunfalles.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2013 ist daher rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die hiergegen als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
1 und
3 SGG statthafte Klage zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Verletztenrente ist §
56 SGB VII. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert
ist, haben danach Anspruch auf eine Rente (§
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Die Rente dient dem Ausgleich des durch den Versicherungsfall bedingten abstrakten Schadens im Erwerbseinkommen. Die Schadensberechtigung
ist deshalb abstrakt, weil nicht auf einen tatsächlichen Entgeltschaden und seine Höhe abgestellt wird, sondern allein auf
den abstrakt bemessenen Verlust von Erwerbsmöglichkeiten auf Grund eines verbliebenen Gesundheitsschadens (vgl. Kasseler Kommentar,
SGB VII §
56 Rdnr 2). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens
ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VII), das heißt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß
§
128 Abs.
1 Satz 1
SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in Rechtsprechung
und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft. Diese sind zwar nicht für die Entscheidung
im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen
der täglichen Praxis (vgl. BSG - Urteil vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R - Breithaupt 2003, 565; Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes
(§
56 Abs.
3 Satz 1
SGB VII). Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente
festgesetzt, der dem Grad der MdE entspricht (§
56 Abs.
3 Satz 2
SGB VII).
Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.10.2012 zwar das Unfallereignis vom 19.10.2011 als Versicherungsfall
i. S. des §
7 Abs.
1 SGB VII, nämlich als Arbeitsunfall nach §
8 SGB VII, anerkannt. Die durch diesen Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsschäden bedingen jedoch keine MdE um wenigstens 20 v.
H. Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht nach §
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII jedoch nur, wenn "infolge eines Versicherungsfalls" die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. gemindert ist. Hiervon ist
eine anderweitig begründete, z. B. anlagebedingte oder aufgrund nicht versicherter Unfälle bestehende, MdE abzugrenzen.
Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre
von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings
die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR-4-2700 § 8 Nr. 17 und 24.07.2012 - B 2 V 9/11 R - SozR-2700 § 8 Nr. 44). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad
der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung
hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen
bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis
nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen.
Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten
Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung
des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage,
der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf
objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen
Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstandes.
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen
ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche
nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise
Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein
relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht
gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch
verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n
keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen
von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts.
Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als
Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen
als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen
einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage
so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art
unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit
die Erscheinung ausgelöst hätte.
Bei dieser Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch
die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt
jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen ein gegenüber einer Krankheitsanlage
rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen
Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem,
einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres
Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -,
ferner das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, die Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte
Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein.
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung gegebenenfalls in einem oder mehreren Schritten zu prüF.e
Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt
werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare
konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender
Alternativursache das angeschuldigte Ereignis eine Ursache ist oder die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellte
versicherte Ursache im naturwissenschaftlichen Sinn automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem
Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde.
Unter Zugrundelegung dieser in st. Rspr. gefestigten Grundsätze hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass
das Unfallereignis vom 19.10.2011 Ursache für den Horizontalriss des Innenmeniskushinterhorns und für die Knorpelschäden am
rechten Kniegelenk gewesen ist. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Ursachenzusammenhang
mit letzter Sicherheit auch nicht auszuschließen ist. Die bloße Möglichkeit der Verursachung begründet jedoch noch keine Wahrscheinlichkeit,
die erst dann angenommen werden kann, wenn mehr für als gegen eine unfallbedingte Schädigung spricht. Wie bereits das SG in seinem Urteil vom 22.04.2015 im Einzelnen dargelegt hat, sprechen vorliegend jedoch verschiedene Umstände dagegen, dass
die Schäden am rechten Kniegelenk des Klägers auf das traumatische Geschehen vom 19.10.2011 zurückzuführen sind. In der Summe
haben diese "Contra-Argumente" auch für den Senat höheres Gewicht bei der Kausalitätsbeurteilung als der für eine Unfallursächlichkeit
sprechende Umstand, dass vor dem Unfallereignis keine behandlungsbedürftigen Gesundheitsstörungen am rechten Kniegelenk des
Klägers dokumentiert sind. Damit ist das Ereignis vom 19.10.2011 bereits nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich i. S. der
Bedingungstheorie ("conditio sine qua non"), ohne dass es auf die Frage der Wesentlichkeit ankäme.
Dem Einwand des Klägers, das SG habe keine eigene Sachkunde, um entsprechende Feststellungen zu treffen, insbesondere zur medizinischen Möglichkeit eines
isolierten Meniskusrisses, ist entgegen zu halten, dass diese Sachkunde dem SG ebenso wie dem erkennenden Senat durch die vorliegenden medizinischen Urkunden sowie das im sozialgerichtlichen Verfahren
auf Antrag des Klägers eingeholte Sachverständigengutachten vermittelt wird.
Ganz wesentliche Bedeutung misst der Senat dem arthroskopischen Befund sowie der pathologischen Begutachtung bei, da es sich
bei der Arthroskopie um den "Goldstandard" aller bildgebenden Verfahren in der Gelenkdiagnostik handelt (vgl. Wirth, Mutschler,
Kohn, Pohlemann, Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie, 3. Auflage 2013, S. 58, 61). Der Operateur Dr. G. hat in seinem
Bericht vom 06.12.2011 ausschließlich degenerativ bedingte Gesundheitsschäden im rechten Kniegelenk beschrieben und keinen
Hinweis für eine frische Knorpelläsion gefunden. Dies wird durch den Pathologen Prof. Dr. F. bestätigt, der das entnommene
Meniskusgewebe ebenfalls degenerativ geschädigt gesehen hat. An zweiter Stelle der Wertigkeit bildgebender Verfahren in der
Gelenkbeurteilung steht das MRT, das nicht nur Verletzungen und Schäden an Bändern, Labrum, Menisken und der Gelenkkapsel,
sondern auch am Knorpel und Knochen erkennbar macht (Wirth u. a., a. a. O., S. 59). Zur Abgrenzung degenerativer von traumatischer
Schädigung ist das MRT vor allem dann geeignet, wenn es - wie hier - zeitnah zum Unfallereignis erfolgt. Der Radiologe Dr.
K. selbst weist in seiner Auswertung des MRT vom 25.10.2011 auf degenerative Schäden im rechten Kniegelenk, nämlich auf leichte,
erstgradige degenerative Veränderungen des Außenmeniskus sowie eine zweitgradige intraartikuläre Chondropathie (Pschyrembel,
Klinisches Wörterbuch, 262. Auflage 2011, S. 372: Degenerative Veränderungen an der Kniescheibe), hin. Zur Ursache des von
ihm diagnostizierten Schrägrisses im Innenmeniskushinterhorn (Grad III) hat er zwar keine Angaben gemacht und auch in der
BGU T. konnte bei nochmaliger Auswertung des MRT vom 25.10.2011 am 16.11.2011, also vor der Arthroskopie, nicht eindeutig
bestimmt werden, ob es sich um eine frische Komponente der Innenmeniskusläsion handelt. Auch wenn sich aus dem MRT somit nicht
unmittelbar Kausalitäten ableiten lassen, spricht doch mittelbar auch dieser radiologische Befund gegen eine traumatische
Ursache der Schäden. Hierbei folgt der Senat der Einschätzung des Beratungsarztes Dr. B. und des Sachverständigen Dr. D.,
die übereinstimmend den Umstand, dass keine Einblutung/Ödembildung im Bereich des Risses bzw. im Bereich der Aufhängung des
hinteren Innenmeniskus am innenseitigen Kapselbandapparat, kein bone bruise sowie keine Kapselruptur, Fraktur oder Bandverletzung
als Begleitverletzung auf dem MRT zu erkennen sind, als Contra-Argument gegen einen traumatischen Kniegelenksschaden bewertet
haben. Der Senat hält dies auch deshalb für überzeugend, weil - wie im Gutachten von Dr. D., aber auch im zum Gegenstand des
Verfahrens gemachten Gutachten der SLK-Kliniken H. näher beschrieben - nach einhelliger Wissenschaftsmeinung eine indirekte
Gewalteinwirkung auf das Kniegelenk keine isolierte Meniskusverletzung hervorrufen kann. Aufgrund der biomechanischen Strukturen
im Kniegelenk muss es bei einer Meniskusschädigung zu einem Überschreiten des physiologischen Bandspieles und damit zwangsweise
zu einer Schädigung von Bandstrukturen kommen. Selbst bei dem als absolute Ausnahme hiervon diskutierten forcierten Drehsturz,
wie er beispielhaft und typisch häufig bei Fußballspielern auftreten kann, wenn es aus vollem Lauf bei festgestelltem Unterschenkel
zu einem forcierten Abdrehen des Oberkörpers über das Kniegelenk mit Sturz kommt, finden sich meist Einblutungen und Veränderungen
an Bandstrukturen, insbesondere am Aufhängeapparat des Meniskus. All dies wurde jedoch im Rahmen der arthroskopischen Diagnose
bei dem Kläger nicht festgestellt, was eine traumatische Schädigung des Innenmeniskus unwahrscheinlich macht. Ohnehin sind
- wie im Gutachten der SLK-Kliniken H. weiter ausgeführt - isolierte Meniskusschädigungen fast ausschließlich auf anlage-
und sturkturbedingte Veränderungen ursächlich zurückzuführen. Dr B. hat sogar die Auffassung vertreten, dass ein Horizontalriss
- wie vorliegend diagnostiziert - ausschließlich degenerativer Ursache ist. Darüber hinaus kann vorliegend das Unfallereignis
vom 19.10.2011 nicht mit einem forcierten Drehsturz gleichgestellt werden. Denn weder hat der Kläger von einem Abdrehen des
Oberkörpers über das Kniegelenk berichtet, noch ist er zu Fall gekommen.
Gegen eine traumatische Meniskusschädigung spricht auch die Unfallanalyse, wenngleich der Senat grundsätzlich dieses Argument
nicht als alleiniges Ausschlusskriterium anerkennt, da sich der zur Schädigung führende konkrete Geschehensablauf häufig in
Sekundenbruchteilen vollzieht und eine präzise Darstellung der für die Unfallanalyse entscheidenden Parameter zumeist aus
der Erinnerung heraus nicht möglich ist. Aufgrund der unstreitigen Angaben des Klägers ist vorliegend jedoch von folgenden
Tatsachen auszugehen: Der Kläger befand sich mit dem rechten Fuß auf der unteren Auftrittsschiene des Baggers, die nach den
im SG-Verfahren vorgelegten Lichtbildern kaum höher als 30 cm bis 40 cm, allenfalls 50 cm über dem Bodenniveau angebracht ist.
Von dieser Stufe setzte der Kläger den Fuß auf den Boden, wobei der D-Arzt M. in seinem Bericht vom 20.10.2010 kein Abrutschen,
sondern ein Herabsteigen beschrieben und im Nachschaubericht vom 14.11.2011 nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen hat,
dass trotz mehrfacher Befragung des Klägers kein Anhaltspunkt für ein Abrutschen oder Herabstürzen bestand. Einen Sturz hat
der Kläger selbst auch im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht behauptet. Zudem hat er im Fragebogen "Knie" eine Fixierung
des Fußes bzw. Unterschenkels bei der Abstiegs- bzw. Auftrittsbewegung verneint und eine aufrecht gestreckte Körperhaltung
im Moment des Auftretens angegeben. Ausgehend von diesem Sachverhalt kann, selbst wenn ein Abrutschen mit dem rechten Fuß
von der unteren Schiene angenommen würde, auch bei Berücksichtigung des Körpergewichts des Klägers und seiner Körpergröße
ein für einen isolierten Horizontalriss des Innenmeniskushinterhorns geeigneter Geschehensablauf nicht sicher festgestellt
werden. Hierauf hat in überzeugender Weise der Sachverständige Dr. D. unter Bezugnahme auf die einschlägige unfallversicherungsrechtliche
Literatur und in sachlicher Übereinstimmung mit den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. B. und im Gutachten der SLK-Kliniken
H. hingewiesen. Danach gilt als gesichert, dass allein durch übermäßige Rotation bei gebeugtem Knie Meniskusverletzungen entstehen
können. Weder befand sich der Kläger aber in gebeugter, sondern vielmehr in gestreckter Haltung, noch hat er von einer übermäßigen
Drehung des Oberkörpers berichtet. Die als geeignete Ereignisablaufe anerkannten und von Dr. D. zitierten Unfallmechanismen,
nämlich z. B. eine fluchtartige Ausweichbewegung unter Drehung des Oberkörpers bei fixiertem Fuß, ein Sturz bei fixiertem
Fuß des Standbeins oder eine Schwungverletzung, z. B. in Form einer Körperdrehung bei Hängenbleiben des Standbeins, sind allesamt
nicht mit dem hier nach den eigenen Angaben des Klägers gegebenen Geschehen vergleichbar. Dr. D. hat in Einklang mit den Schilderungen
des Klägers zum Unfallgeschehen zutreffend. ausgeführt, dass das rechte Bein äußerlich frei gewesen ist, so dass das rechte
Kniegelenk und das rechte Bein der leichten Drehbewegung ungehindert folgen konnten, was eine isolierte Verletzung des rechten
Innenmeniskus wenig wahrscheinlich macht.
Bei Gegenüberstellung der für und gegen eine traumatische Meniskusverletzung sprechenden Gesichtspunkte überwiegen daher die
dagegen sprechenden Umstände. Allein die Tatsache, dass medizinische Befunde über Beschwerden des Klägers am rechten Kniegelenk
vor dem Unfallereignis nicht aktenkundig sind, ist bei dieser Sachlage nicht ausreichend, um eine traumatische Verursachung
wahrscheinlich zu machen.
Würde der Auffassung des Klägers gefolgt und unterstellt, dass das bereits degenerativ vorgeschädigte Innenmeniskushinterhorn
durch das Ereignis am 19.10.2011 vollständig eingerissen ist, und würde daher die Kausalität i. S. der Bedingungstheorie bejaht,
wäre gleichwohl das Unfallereignis nicht die wesentliche Ursache für die Schädigung gewesen. Vielmehr wäre dann davon auszugehen,
dass die Vorschädigung derart vorangeschritten gewesen ist, dass schon eine geringe, bei jedem Alltagsgeschehen mögliche Zug-
und Krafteinwirkung geeignet war, den das Meniskusgewebe an dieser Stelle noch verbindenden "seidenen Faden" zu zerreißen.
Die degenerative Vorschädigung hätte deshalb überragende Bedeutung für den Gesundheitsschaden, während das Unfallereignis
nur unwesentliche Gelegenheitsursache gewesen wäre. Die Kontinuität des Innenmeniskushinterhorns wäre derart gefährdet gewesen,
dass z. B. schon ein Fehltritt vom Bürgersteig oder ein ungenaues Aufsetzen des Fußes auf einer Treppenstufe ausgereicht hätte,
um denselben Schaden, nämlich einen vollständigen Riss des Hinterhorns, herbeizuführen.
Mithin kann als einzige wahrscheinliche Unfallfolge eine Distorsion des rechten Kniegelenkes festgestellt werden, die jedoch
keine MdE i. S. des §
56 SGB VII begründet, wobei offenbleiben kann, ob - wie seitens des Beratungsarztes Dr. B. angenommen - unfallbedingt zu keinem Zeitpunkt
Arbeitsunfähigkeit bestanden hat oder mit dem Sachverständigen Dr. D. eine solche für die Dauer von sieben Tagen anzunehmen
ist. Denn nach §
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII bedarf es für einen Anspruch auf eine Verletztenrente einer MdE über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus.
Ohne dass es für die Entscheidung hierauf noch ankäme, begründen die von dem Sachverständigen Dr. D. beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen
des rechten Kniegelenkes mit Streckung/Beugung von 0/5/130 Grad auch unter Berücksichtigung der weiteren klinischen Untersuchungsergebnisse
im Bereich des rechten Kniegelenkes, nämlich lokalem Druckschmerz im Bereich der Kniekehle, negativen Meniskuszeichen, fehlendem
Patellaanspressschmerz, negativen Zohlen-Zeichen, fehlendem Ergußzeichen, keiner Überwärmung und keiner Reizsymptomatik sowie
stabilen Kreuz- und Seitenbändern wohl auch keine rentenberechtigende MdE um 20 v. H., was eine Bewegungseinschränkung in
Streckung/Beugung von 0/0/80 Grad oder 0/10/90 Grad voraussetzen würde (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 654).
Die nach alledem erfolglose Berufung war mit der Kostenfolge des §
193 SGG zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.