Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 40 vom
Hundert (v. H.) vom 8. Oktober 2012 bis 4. Dezember 2014.
Der 1939 geborene Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger. Er bezieht eine Rente wegen Alters und übte als Ausbilder
eine geringfügige Beschäftigung für die Malteser Hilfsdienst gGmbH aus. Er war auch im Schulfahrdienst eingesetzt. Am 11.
April 2011 gegen 12:30 Uhr beförderte er als Mitfahrer mit einem Kollegen mittels eines Personenkraftwagens ein Kind mit körperlicher
und geistiger Behinderung von der T.-Schule in F. zu dessen Wohnort. Auf der Fahrt kam es zu einem Frontalzusammenstoß mit
einem anderen Kraftfahrzeug, wodurch sich der Kläger erheblich verletzte.
Nach dem Durchgangsarztbericht des Chefarztes der Chirurgischen Klinik II, Unfallchirurgie, Orthopädie und Endoprothetik des
Klinikums F., Prof. Dr. W., wo der Kläger gegen 13 Uhr stationär aufgenommen wurde, wurden Frakturen des linken Schenkels,
des Olecranons rechts und des Radiusköpfchens rechts und des zehnten Brustwirbelkörpers sowie ein abgeK.elter Hämatothorax
diagnostiziert. Nach dem Entlassungsbericht von Prof. Dr. W. über den bis 9. Mai 2011 dauernden stationären Aufenthalt wurden
Frakturen des medialen Schenkelhalses links mit Abriss des Trochanter majors, des Radiusköpfchens rechts und des Olecranon
rechts diagnostiziert, hingegen nicht mehr eine Fraktur des zehnten Brustwirbelkörpers. Die Frakturen seien osteosynthetisch
versorgt worden. Wegen der petrochantären Femurfraktur sei eine zementfreie Hüftgelenkstotalendoprothese implantiert worden.
Der Trochanter major sei durch Drahtzerklage refixiert worden.
Während eines stationären Aufenthaltes vom 15. bis 22. November 2011 im Klinikum F. zeigte sich nach dem Entlassungsbericht
von Prof. Dr. W. linksseitig eine zunehmende Schmerzhaftigkeit des Hüftgelenkes. Radiologisch sei eine Pseudarthrose des Trochanter
majors links mit kranialer Dislokation und gerissener Drahtzerklage festgestellt worden. Zusätzlich seien eine knöcherne vollständige
Konsolidierung des Ellenbogengelenkes rechts und osteosynthetisch versorgte Frakturen erkannt worden. Am 15. November 2011
sei ein operativer Eingriff vorgenommen worden. Bei den anschließenden regelmäßigen Verbandswechseln hätten sich stets reizlose
und trockene Wundverhältnisse gezeigt.
Mit Schreiben vom 28. September 2012, welches mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, teilte die Beklagte dem Kläger
mit, dass sie die Zahlung des Verletztengeldes mit Ablauf des 7. Oktobers 2012 einstellen wird. Nach Aktenlage sei mit dem
Eintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien derzeit nicht zu erbringen.
Die Zahlung des Verletztengeldes ende daher mit Ablauf der 78. Woche nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Im November 2012 stellte sich der Kläger wegen anhaltender Beschwerden im Bereich des linken Hüftgelenkes in der Endoprothesensprechstunde
der Berufsgenossenschaftlichen (BG-) Unfallklinik in T. vor. Bei der Röntgenkontrolluntersuchung zeigte sich ein Offset. Wegen
der Indikation zur Revision wurde der Kläger dort stationär vom 6. bis 26. November 2012 aufgenommen. Nach dem Entlassungsbericht
des Ärztlichen Direktors der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Prof. Dr. St., wurden ein Impingementsyndrom im Bereich
des linken Hüftgelenkes bei straffer Pseudarthrose des Trochanter majors nach petrochantärer Femurfraktur links, welche mittels
einer zementfreien Hüftgelenkstotalendoprothese versorgt beziehungsweise refixiert worden seien (ICD-10 T84.0), sowie eine
akute Blutungsanämie (ICD-10 D62.0) diagnostiziert. Der Kläger sei auf Stationsebene selbständig mobilisiert gewesen. Die
Durchblutung, die Motorik und die Sensibilität seien peripher intakt gewesen. Die Streckung und Beugung seien bis 0-0-90°
möglich gewesen. Eine wesentliche Beinlängendifferenz habe nicht bestanden. Der Kläger sei bei reizlosen Wundverhältnissen
und subjektivem Wohlbefinden nach Hause entlassen worden.
Nach dem Entlassungsbericht des Chefarztes der Abteilung für Berufsgenossenschaftliche Rehabilitation und Prävention der BG-Unfallklinik
in T., Prof. Dr. K., über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 3. bis 30. Januar 2013 wurden ein Impingementsyndrom
im Bereich des linken Hüftgelenkes bei straffer Pseudarthrose des Trochanter majors nach petrochantärer Femurfraktur links,
mittels zementfreier Hüftgelenkstotalendoprothese versorgt beziehungsweise refixiert, ein Zustand nach Metallentfernung der
einliegenden Hakenplatte und Zerklagen, Resektion von Knochenwulsten, Wechsel des Aufsteckkopfes mit Halsverlängerung zur
Verbesserung des Offsets sowie Arthrolyse am 7. November 2012 bei stattgehabter medialer Schenkelhalsfraktur links mit Abriss
des Trochanter majors und nachfolgender Implantation einer Hüftgelenkstotalendoprothese links und Refixation des Trochanter
majors mittels Zerklage am 11. April 2011, ein Zustand nach Frakturen des Radiusköpfchens rechts und des Olecranons rechts
mit durchgeführter Zuggurtungsosteosynthese des Olecranons und Stabilisierung des Radiusköfpchens mittels winkelstabiler Platte
im Jahre 2011, eine aktuell anhaltende Gangbildstörung mit Abhängigkeit von einer Unterarmgehstütze sowie eine Bewegungseinschränkung
im rechten Ellenbogen diagnostiziert. Im Rahmen der insgesamt dreieinhalbwöchigen stationären Rehabilitationsmaßnahme seien
deutliche Fortschritte bezüglich der Kraft, der Beweglichkeit der linken unteren Extremität und, damit verbunden, des Gangbildes
erzielt worden.
Am 4. Juli 2013 stellte sich der Kläger bei dem Chefarzt der Abteilung Neurologie des ZFP Südwürttemberg in Ravensburg-Weissenau,
Dr. M., vor. Nach dessen Befundbericht wurde ein chronisches Schmerzsyndrom im Bereich der linken Hüfte und der Lendenwirbelsäule
bei einem Zustand nach Schenkelhalsfraktur links und Abriss des Trochanter majors diagnostiziert. Klinisch habe er vor allem
einen deutlich linksbetonten paravertebralen lumbalen Hartspann festgestellt.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. W. am 20. August 2013 ein sogenanntes "Erstes Rentengutachten" und die
Chefärztin des Instituts für Radiologie und Nuklearmedizin des Klinikums F., Prof. Dr. T., ein röntgenologisches Zusatzgutachten,
jeweils nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 16. Mai 2013. Prof. Dr. W. führte aus, auf chirurgisch-unfallchirurgischem
Gebiet seien am Tag der Untersuchung als pathologische Veränderungen, die auf das Ereignis vom 11. April 2011 zurückzuführen
seien, eine um 20° reduzierte Flexionsbeweglichkeit des linken Hüftgelenkes im Vergleich zur Gegenseite, eine radiologisch
regelrecht einliegende zementfreie Hüftgelenkstotalendoprothese links ohne radiologischen Anhalt für eine Lockerung bei resorptiven
Veränderungen im proximalen, einen Prothesenschaft tragenden Femur, ein Beckenschiefstand bei radiologisch festgestellter
Beinlängenverkürzung rechts von 2,5 cm, inspektorisch eine verschmächtigte Glutealmuskulatur der linken Seite mit positivem
Trendelenburg-Zeichen sowie eine 18 cm lange, längs verlaufende, reizlose und auf dem Untergrund gut verschiebliche Narbe
mit vom Kläger angegebener Druckschmerzhaftigkeit im mittleren Drittel der Narbe im Bereich der rechten Hüfte festgestellt
worden. Im Bereich des rechten Ellenbogens hätten eine reduzierte Flexionsbeweglichkeit von 20° (Extension/Flexion 0-10-130°,
links: 0-10-150°) bei erhaltener seitengleicher Extensions-, Pro- und Supinationsbeweglichkeit, radiologisch diskrete Zeichen
einer Inaktivitätsathrophie der rechten Seite im distalen Humerus, im proximalen Radius bei weitestgehend regelrechter Frakturkonsolidierung
und seitengleicher, regelrechter Artikulation sowie eine 10 cm langen Narbe radial und eine 12 cm lange Narbe dorsal des rechten
Ellenbogengelenkes vorgelegen. Beide Narben seien reizlos, auf dem Untergrund gut verschieblich und nicht druckschmerzhaft
gewesen. Ansonsten habe er eine rechtskonvexe Skoliose der Lendenwirbelsäule als Folge des Beckenschiefstandes erkannt, die
durch einen entsprechenden Beinlängenausgleich kompensierbar sei. Als vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen lägen
unter anderem ein Impingementsyndrom im rechten Schultergelenk mit degenerativem Einriss der Supraspinatussehne rechts und
eine alte Vorderkantenkompression des zehnten Brustwirbelkörpers mit Bandscheibenprolaps in die Grundplatte vor. Die unfallbedingte
MdE schätze er vom 25. März 2013 bis 15. Mai 2013 und auch anschließend bis 10. April 2014 auf 40 v. H.
Nach der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. von September 2013 seien die Unfallfolgen demgegenüber mit einer MdE
von 30 v. H. ausreichend bewertet. Die Bewegungseinschränkung sei geringfügig, sie betreffe nur die Beugung mit einem Defizit
von 20°, so dass insgesamt von einer guten Funktion auszugehen sei. Nach der Gutachtenliteratur erlaube eine gute und schmerzfreie
Funktion eine volle Streckung, eine Beugung von 100° und ein Abspreizen von etwa 20°. Vorliegend handele es sich um vergleichbare
Verhältnisse, so dass der Hüftgelenksbefund mit 20 v. H. zu bewerten sei. Die Beinlängendifferenz sei ausgeglichen worden,
so dass sich daraus nur eine geringe MdE ableiten lasse, zumal eine Verkürzung von 4 cm mit 10 v. H. zu bewerten sei. In Bezug
auf das rechte Ellenbogengelenk sei bei erhaltener Streckfähigkeit nur ein geringes funktionell unbedeutendes Beugedefizit
verblieben, was eine MdE von 10 v. H. begründe. Nach der Gutachtenliteratur werde eine Bewegungseinschränkung eines Ellenbogengelenkes
mit den Bewegungsmaßen 0-30-120°, also deutlich ungünstigeren Verhältnissen als beim Kläger, mit 10 v. H. eingestuft. Die
MdE von 30 v. H. sei auch für die Zeit vom 8. Oktober 2012 bis zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. W. anzusetzen.
Nach einer Untersuchung des Klägers am 7. Oktober 2013 berichtete Prof. Dr. W., insgesamt liege nun ein Dauerzustand vor.
Daraufhin beauftragte die Beklagte den Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der BG-Unfallklinik in T., Prof.
Dr. M., mit der Erstattung eines Gutachtens. Nach einer ambulanten klinischen Untersuchung am 12. Februar 2014 führte dieser
aus, der Kläger sei mit einer Hüftgelenksendoprothese auf der linken Seite versorgt worden, weshalb allein deswegen eine MdE
von 20 v. H. anzusetzen sei. Nach einem komplikativen Verlauf mit mehrfachen Operationen nach Abriss des Trochanter majors
und einer Pseudarthrose sei es zu einer bleibenden Muskelkraftminderung gekommen, die sich durch ein positives Trendelenburghinken
äußere. Hierdurch sei die Funktion der einliegenden Hüfttontalendoprothese deutlich eingeschränkt. Die Funktionseinschränkung
des rechten Ellenbogens sei mit maximal 10 v. H. zu veranschlagen, so dass insgesamt eine MdE von 30 v. H. wegen der Funktionsstörung
der linken Hüfte angemessen sei. Nach einer Untersuchung des Klägers am 24. Februar 2014 diagnostizierte Prof. Dr. W. eine
Muskelinsuffizienz der Beckenbeinmuskulatur links. Es bestehe weiterhin, bei einem Instabilitätsgefühl, eine muskuläre Insuffizienz
des Glutealmuskels links.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2013 stellte die Beklagte ein Recht auf Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von
30 v. H. fest. Als Folgen des Arbeitsunfalls vom 11. April 2011 lägen nach operativ versorgtem Bruch des linken Schenkelhalses
mit Abriss des großen Rollhügels eine Versorgung mit einem künstlichen Hüftgelenk, eine Gangbehinderung, eine Bewegungseinschränkung
des Hüftgelenkes, eine Muskelminderung des Oberschenkels, eine "Beinlängenverlängerung" um 2,5 cm, röntgenologische Veränderungen
und eine Operationsnarbe vor. Nach operativ versorgtem, knöchern fest verheiltem Speichenköpfchenbruch und Ellenbogengelenksbruch
rechts bestünden eine Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk, röntgenologische Veränderungen und Operationsnarben. Unabhängig
des Arbeitsunfalls lägen eine schmerzhafte Funktionsstörung in Form eines Impingementsyndroms im Bereich der rechten Schulter
mit Riss der Supraspinatussehne, degenerative Veränderungen im Bereich des zehnten Brustwirbelkörpers und ein Zustand nach
Leistenbruch rechts im Jahre 2008 vor.
Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch seine Bevollmächtigten, am 19. November 2013 Widerspruch, der nicht begründet
wurde.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2014 übersandte die Beklagte den Bevollmächtigten des Klägers das Gutachten von Prof. Dr. M.,
verbunden mit der Bitte mittzuteilen, ob der Widerspruch zurückgenommen werde, nachdem sich hierdurch bestätigt habe, dass
die MdE mit 30 v. H. korrekt eingeschätzt worden sei. Diese teilten daraufhin ohne Begründung mit, dass der Rechtsbehelf nicht
zurückgenommen wird.
Nach einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. M. von Ende Februar 2014 betrage die MdE 30 v. H. bereits rückwirkend ab
8. Oktober 2012.
Mit Bescheid vom 24. März 2014 stellte die Beklagte ein Recht auf Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v. H. fest.
Der Bescheid sei gemäß §
86 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des bereits anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden.
Im März 2014 wurden beim Kläger ausgeprägte Fehlstellungen der Trochanterspitze und der daran anhaftenden Glutealmuskulatur
festgestellt. Das Fragment des großen Rollhügels wurde daraufhin zu Beginn des stationären Aufenthaltes in der BG-Unfallklinik
in T. vom 27. Mai bis 6. Juni 2014 am 28. Mai 2014 reponiert und die Glutealmuskulatur operativ stabilisiert.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2014 zurückgewiesen. Der Rechtsbehelf sei nicht begründet worden,
weshalb unterstellt worden sei, dass er sich gegen die Höhe der MdE richte. Prof. Dr. W. habe die Unfallfolgen zwar mit einer
MdE von 40 v. H. bewertet. Dieser Beurteilung könne unter Heranziehung der einschlägigen unfallmedizinischen Literatur nicht
gefolgt werden. Das beim Kläger vorhandene Schadensbild mit den noch bestehenden Funktionseinschränkungen führe zu keiner
höheren MdE als 30 v. H.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte Prof. Dr. W. im Juli 2014 mit, nach Aktenlage sei eine sichere Rekonstruktion der Zeiträume
des dauerhaften Gebrauches von zwei Unterarmgehstützen durch den Kläger nicht möglich. Nach dem von ihm erstatteten Ersten
Rentengutachten vom 20. August 2013 sei der Kläger von Mai 2011 bis Februar 2012 an zwei Unterarmgehstützen mobil gewesen.
Zu der ambulanten Vorstellung am 6. Februar 2012 sei er ohne diese erschienen. Bei der ambulanten Untersuchung in der BG-Unfallklinik
in T. am 25. Mai 2012 habe er eine Unterarmgehstütze dabei gehabt. Nach erneuter Revision des linken Hüftgelenkes dort im
November 2012 sei der Kläger anschließend ohne Unterarmgehstützen mobil gewesen. Zu der von ihm durchgeführten Begutachtung
am 16. Mai 2013 sei er mit zwei Unterarmgehstützen erschienen, ebenfalls bei der ambulanten Vorstellung am 4. März 2014. Bei
der ambulanten Untersuchung in der BG-Unfallklinik in T. am 14. März 2014 sei der Kläger wiederum nur mit einer Unterarmgehstütze
vorstellig geworden.
Nachdem am 6. Juli 2014 eine weitere Luxation der linken Hüfte auftrat, erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthaltes
vom 7. bis 23. Juli 2014 in der BG-Unfallklinik in T. am 9. Juli 2014 erneut der Austausch des Aufsteckkopfes der Femurprothese
sowie wiederum die Refixation des Trochanter majors und der Glutealmuskulatur.
Nach einem Bericht der Berufshelferin der Beklagten O. über eine Beratung des Klägers im September 2014, bei der auch der
Leitende Arzt der Sektion Endoprothetik der BG-Unfallklinik in T., Dr. de Z., teilnahm, stellte dieser dem Kläger ein Rezept
für eine Schuherhöhung aus. An Hilfsmitteln habe der Kläger einen höhenverstellbaren Lattenrost mit Matratze, eine Toilettensitzerhöhung
und einen Duschhocker bewilligt bekommen. Nach einer Untersuchung des Klägers am 29. August 2014 berichtete Prof. Dr. St.,
bei der klinischen Untersuchung sei ein regelrechtes Gangbild an Unterarmgehstützen demonstriert worden. Die postoperativen
Narben- und Weichteilverhältnisse seien reizlos gewesen. Die Hüftgelenksbeweglichkeit habe sich reduziert gezeigt.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2014 hat der Kläger bereits am 2. Juli 2014 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben, welcher der Widerspruchsbescheid beigefügt worden ist. Er hat unter Bezugnahme auf einen Arbeitsunfall vom
11. April 2011 beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 25. Oktober 2013 und 24. März 2014, in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 18. Juni 2014, aufzuheben und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Das SG hat die Bevollmächtigen des Klägers mit mittels Empfangsbekenntnis zugestelltem Schreiben vom 13. Oktober 2014 unter Fristsetzung
von vier Wochen nach Zugang aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens zu benennen. Der angekündigte Klageantrag sei
nicht sachgerecht, weshalb er zu konkretisieren sei. Denkbar sei insbesondere ein Antrag auf Verurteilung der Beklagten, eine
höhere Verletztenrente zu gewähren.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten und ohne dass der Klageantrag geändert worden ist, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. November 2014 abgewiesen. Sie sei unzulässig, da es an der Bezeichnung des Klagebegehrens
fehle. Der Klageantrag sei zunächst auf Aufhebung der Bescheide gerichtet gewesen. Da mit diesen dem Kläger eine Verletztenrente
gewährt worden sei, also eine ihm günstige Leistung, stelle die bloße Aufhebung der Bescheide noch kein zulässiges Klagebegehren
dar. Die weiterhin begehrte Neubescheidung lasse ebenfalls kein zulässiges Klagebegehren erkennen. Eine solche Verpflichtung,
wie sie §
131 Abs.
2 Satz 3 und Abs.
3 SGG vorsähen, verlange entweder eine Untätigkeit der Behörde oder aber eine Ermessensentscheidung. Beides liege nicht vor. Der
Antrag sei daher nicht sachgerecht, worauf hingewiesen worden sei. Ein sachgerechtes Klagebegehren lasse sich auch nicht ohne
Weiteres aus dem bisherigen Verhalten des Klägers im Verwaltungs- oder Klageverfahren ableiten. Denn bereits der Widerspruch
sei nicht begründet worden. Denkbar sei, dass die Klage auf Gewährung einer höheren Verletztenrente ausgerichtet sei, was
auch nicht fernliege. Aber auch ein Klagebegehren auf die Gewährung einer Rente zu einem früheren Zeitpunkt oder eine ganz
andere Leistung der Beklagten sei möglich. Ein zulässiges Klagebegehren könne auch in der Verpflichtung der Beklagten zur
Feststellung weiterer Unfallfolgen oder einer solchen Feststellung durch das Gericht liegen. All das vermöge die Kammer nicht
hinreichend klar zu erkennen. Die Benennung des Klagebegehrens sei innerhalb der ausdrücklich mit Ausschließungswirkung gesetzten
Frist nicht erfolgt. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Klage, würde ihre Zulässigkeit sowie ein Klagebegehren auf
Gewährung einer höheren Verletztenrente angenommen, nicht begründet wäre. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze
den Kläger nicht in seinen Rechten. Nach dem aktuellsten Gutachten, also demjenigen von Prof. Dr. M., bedingten die Unfallfolgen
eine MdE von 30 v. H. Dies gelte rückwirkend ab 8. Oktober 2012, also dem Tag nach dem Ende des Anspruches auf Verletztengeld
und folglich dem Rentenbeginn. Das Gutachten könne für das Gericht im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Es sei regelrecht
erstattet worden und setze sich mit den Vorgaben der Versicherungsliteratur auseinander. Es sei schlüssig. Damit nicht in
Einklang stünde demgegenüber das Gutachten von Prof. Dr. W., wonach sich eine MdE von 40 v. H. ergeben solle. Soweit Dr. M.
ein chronisches Schmerzsyndrom im Bereich der linken Hüfte und der Lendenwirbelsäule festgestellt habe, sei darauf zu verweisen,
dass die Beurteilung von Schmerzzuständen nicht vorrangig einer besonderen fachärztlichen Ausrichtung zugewiesen werden könne.
Für die Qualifikation eines Gutachters komme es nicht darauf an, ob er als Internist, Rheumatologe, Orthopäde, Neurologe oder
Psychiater tätig sei. Die Beurteilung von Schmerz falle nicht zwingend in ein bestimmtes Fachgebiet. Notwendig seien vielmehr
fachübergreifende Erfahrungen hinsichtlich der Diagnostik und Beurteilung von Schmerzstörungen. Diese Erfahrungen bestünden
bei Prof. Dr. M., welcher ein erfahrener Gutachter auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung und bereits für das
Gericht tätig gewesen sei.
Bei der Kontrolluntersuchung vom 5. Dezember 2014 in der BG-Unfallklinik in T. ist von Prof. Dr. St. zuletzt Pflegebedürftigkeit
bei konzentrisch eingeschränkter Hüftgelenksbeweglichkeit (Extension/Flexion 0-0-90°, Außen-/Innenrotation 30-0-10°, Abduktion/Adduktion
30-0-20°) festgestellt worden, wodurch die Gehfähigkeit massiv beeinträchtigt sei.
Gegen die den Bevollmächtigten des Klägers am 3. Dezember 2014 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am Montag, 5. Januar
2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und während des Rechtsmittelverfahrens ein Attest
des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L. von September 2015 vorgelegt, woraus sich ergebe, dass bei ihm nach
fünf Operationen der linken Hüfte und wegen eines chronifizierten persistierenden Schmerzzustandes eine "schwerstwiegende"
Einschränkung der Gehfähigkeit als Überlastungsfolge im rechten Bein bestehe.
In der mündlichen Verhandlung des Senats am 26. November 2015 hat der Kläger durch den mit Untervollmacht aufgetretenen Rechtsanwalt
und nach Anregung der Senatsvorsitzenden einen Verschlimmerungsantrag, bezogen auf die Zeit ab 5. Dezember 2014, gestellt,
woraufhin die Beteiligten sich darüber geeinigt haben, dass sich die Beklagte verpflichtet, eine Verschlimmerung des unfallbedingten
Gesundheitszustandes nach dem 4. Dezember 2014 zu prüfen, gegebenenfalls durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens,
und hierüber einen Bescheid zu erteilen.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, die bei ihm vorliegende schmerzhafte Funktionsstörung in Form eines Impingementsyndroms
der rechten Schulter mit Riss der Supraspinatussehne sowie die Veränderungen im Bereich des zehnten Brustwirbelkörpers mit
ihren Auswirkungen seien rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückzuführen. Jedenfalls aufgrund dieser weiteren Unfallfolgen
betrage die MdE mindestens 40 v. H.
Er beantragt zuletzt noch,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Konstanz vom 27. November 2014 und teilweiser Aufhebung des Bescheides
vom 25. Oktober 2013 in der Fassung des Bescheides vom 24. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni
2014 die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 11. April 2011 eine Rente nach einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit von mindestens 40 vom Hundert ab 8. Oktober 2012 bis 4. Dezember 2014 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, soweit sich überhaupt Gesundheitsstörungen auf das Ereignis vom 11. April 2011 zurückführen
ließen, seien diese mit einer MdE von 30 v. H. ausreichend bewertet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (5 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist form- und am Montag, 5. Januar 2015 wegen der Zustellung des Gerichtsbescheides des SG am 3. Dezember 2014 noch fristgerecht (§
151 Abs.
1, §
64 Abs.
3 SGG) beim LSG eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§
143, §
144 Abs.
1 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 27. November 2014, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1
SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger trotz Hinweises des SG bis zuletzt unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 2013 in der Fassung des Bescheides vom 24. März 2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014 die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung verfolgt hat, abgewiesen worden
ist. Die erst im Berufungsverfahren erhobene Klage, mit der die Feststellung einer schmerzhaften Funktionsstörung (Impingementsyndrom)
der rechten Schulter mit Riss der Supraspinatussehne und von Veränderungen im Bereich des zehnten Brustwirbelkörpers als Folgen
des Arbeitsunfalls vom 11. April 2011 begehrt worden ist, ist in der mündlichen Verhandlung des Senats am 26. November 2015
zurückgenommen worden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. September 2009 - L 8 U 5884/08 -, [...], Rz. 32 ff. zu einer Teilrücknahme der Klage durch spätere Antragsbeschränkung).
Das im Berufungsverfahren erstmals ausdrücklich so formulierte Begehren des Klägers, unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen
die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen des Ereignisses vom 11. April 2011 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 40
v. H. zu gewähren, hat Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens werden können. Nach dem zuletzt vom Kläger gestellten Klageantrag
ist die verfolgte Leistungsgewährung zudem auf den Zeitraum vom 8. Oktober 2012, dem Tag nach dem Ende des gewährten Verletztengeldes,
bis 4. Dezember 2014 begrenzt worden.
Rechtsmittelführende sind beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung hinter ihrem Begehren zurückbleibt. Das ist der Fall,
wenn die Entscheidung etwas versagt, was sie ausdrücklich beantragt haben, aber auch, wenn das Ausgangsgericht unter Verstoß
gegen §
123 SGG teilweise nicht entschieden hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. Januar 1959 - 11/8 RV 181/57 -, BSGE 9, 80 <82>; Urteil des Senats vom 30. Juli 2015 - L 6 U 3058/14 -, [...], Rz. 49; Wagner, in Hennig, Kommentar zum
SGG, Stand: Oktober 2005, §
123 Rz. 47 f.; Eckertz, in Lüdtke, Kommentar zum
SGG, 4. Aufl. 2012, §
143 Rz. 12). Nach dieser Norm entscheidet das Gericht über die erhobenen prozessualen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge
gebunden zu sein. Ein Klageantrag ist unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsprinzips" (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, BSGE 97, 217 <219 m. w. N.>) unabhängig vom Wortlaut unter Berücksichtigung des wirklichen Willens so auszulegen, dass das Klagebegehren
möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Die Gerichte haben sich nicht daran zu orientieren, was als Klageantrag zulässig ist,
sondern was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit vernünftige Antragstellende mutmaßlich ihren Antrag bei
entsprechender Beratung anpassen würden und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (vgl. BSG, a. a. O.). Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel des §
133 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) entsprechend anzuwenden (BSG, Urteile vom 22. März 1988 - 8/5a RKn 11/87 -, BSGE 63, 93 <94> und 13. März 1991 - 6 RKa 20/89 -, BSGE 68, 190 <191>). Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen,
soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist. Dabei muss der für diese erkennbare gesamte Klagevortrag einschließlich
der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (BSG, Urteil vom 22. März 1988 - 8/5a RKn 11/87 -, BSGE 63, 93 <94 f.>; Leitherer, in M.-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 11. Aufl. 2014, §
92 Rz. 12).
Der Kläger hat unter Vorlage des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014 Klage erhoben. Bei dieser Verwaltungsentscheidung
ist, wie ihrer Begründung zu entnehmen ist, unterstellt worden, dass sich der Widerspruch - nur - gegen die Höhe der MdE richtet,
da der Kläger den Widerspruch nicht begründet habe. Weiter ist ausgeführt worden, dass der Rechtsbehelf in der Sache keine
Aussicht auf Erfolg habe, da die Unfallfolgen ab 8. Oktober 2012 mit einer MdE von 30 v. H. korrekt bewertet seien. In der
Klageschrift ist im Betreff auf einen Arbeitsunfall vom 11. April 2011 Bezug genommen und beantragt worden, die Bescheide
vom 25. Oktober 2013 und 24. März 2014, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014, aufzuheben und unter
Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Damit hat sich der Kläger erkennbar dagegen wehren wollen,
dass die Beklagte mit den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen in seine Rechtssphäre eingegriffen hat, soweit wegen des
Ereignisses vom 11. April 2011 kein höheres Recht auf Rente als 30 v. H. ab 8. Oktober 2012 festgestellt worden ist. Der als
Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag auf Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen und Verpflichtung der Beklagten
zur Neubescheidung sinngemäß formulierte Klageantrag des Klägers musste vor diesem Hintergrund, damit das Begehren möglichst
weitgehend zum Tragen kommt, so ausgelegt werden, dass damit die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente nach
einer höheren MdE als 30 v. H. beansprucht worden ist. Denn die von ihm gewählte Klageart ist für dieses Klageziel nicht statthaft.
Das SG durfte die Beklagte nicht zur Neubescheidung verpflichten (§
131 Abs.
2 Satz 2, Abs.
3 SGG i. d. F. von Art. 8 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008, BGBl I S. 2933), worauf dieses im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend hingewiesen hat. Klagen Versicherte gegen eine Trägerin der
gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Feststellung zu einem Recht auf Verletztenrente, ist die kombinierte Anfechtungs-
und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 und 4
SGG) die statthafte Klageart (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, [...], Rz. 17). Vernünftige Antragstellende hätten ihren Antrag bei entsprechender Beratung angepasst. Dass der anwaltlich
vertretene Kläger auf das Schreiben des SG vom 13. Oktober 2014, worin auf einen denkbaren Antrag auf Verurteilung der Beklagten, eine höhere Verletztenrente zu gewähren,
hingewiesen worden ist, nicht entsprechend reagiert hat, liefert keine Gründe für ein anderes Verhalten. Ansonsten würde dem
Schweigen ein Erklärungsinhalt beigemessen, was nach der Rechtsordnung nur bei einem solchen zuvor vereinbarten Erklärungswert
oder in gesetzlich geregelten Fällen (z. B. §
416 Abs.
1 Satz 2, §
455 Satz 2
BGB, § 362 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Handelsgesetzbuch - HGB) möglich ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Da das Klagebegehren des Klägers erkennbar gewesen ist, ist sein "verunglückter"
Klageantrag unschädlich; denn das Gericht entscheidet gemäß §
123 SGG über die in Wahrheit erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 1986 - 7 RAr 91/84 -, [...], Rz. 17).
Das SG hat demgegenüber die Klage mangels Zulässigkeit abgewiesen und nur ergänzend darauf hingewiesen, dass die Klage, werde sie
als zulässig angesehen und ein Klagebegehren auf Gewährung einer höheren als der festgesetzten Verletztenrente angenommen,
auch nicht begründet wäre. Trotz näherer Darlegung des SG, warum es davon ausgegangen ist, dass kein Anspruch hierauf bestünde, handelt es sich hierbei, da eine Begründetheitsprüfung
der Klage das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen verlangt, welche das SG gerade verneint hat, um Hilfserwägungen und nicht um die - auch - tragenden Gründe der Entscheidung. Das SG hat folglich nicht darüber entschieden, ob der Kläger wegen des Ereignisses vom 11. April 2011 ein Recht auf Rente nach einer
höheren MdE als 30 v. H. hat und folglich keine dahingehende Auslegung des Klageantrages vorgenommen. Damit hat es unter Verstoß
gegen §
123 SGG nicht über diesen Anspruch entschieden. Eine Ergänzung des Gerichtsbescheides des SG vom 27. November 2014 im Sinne von §
105 Abs.
1 Satz 3, §
140 SGG ist demgegenüber nicht in Frage gekommen. Der Anwendungsbereich von §
140 SGG ist nur eröffnet, wenn mit einer gerichtlichen Entscheidung ein erhobener Anspruch versehentlich ganz oder teilweise übergangen
worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Januar 1959 - 11/8 RV 181/57 -, [...], Rz. 15 m. w. N.; BSG, Terminbericht Nr. 10/15 vom 19. März 2015, Ziff. 1 zu B 2 U 3/14 R, im Internet unter "www.bundessozialgericht.de"). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Die Neufassung des Antrages des Klägers im Berufungsverfahren hat damit insoweit keine Klageänderung im Sinne der §
153 Abs.
1, §
99 SGG dargestellt. Die erfolgte Konkretisierung ist eine Klarstellung des schon ursprünglich Gewollten gewesen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 13. März 1991 - 6 RKa 20/89 -, BSGE 68, 190 <191>; BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 119/10 R -, BSGE 108, 86 <93, Rz. 30>).
Die zulässige Berufung ist indes unbegründet, da die auf Gewährung einer höheren Rente als der nach einer MdE von 30 v. H.
ab 8. Oktober 2012 bis 4. Dezember 2014 bereits festgestellten gerichtete Klage zwar zulässig ist; insbesondere ist der Kläger
klagebefugt im Sinne des §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG, da hinsichtlich seines Begehrens mit dem Bescheid vom 25. Oktober 2013 in der Fassung des Bescheides vom 24. März 2014 gerichtlich
überprüfbare Verwaltungsentscheidungen hierzu vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 21. September 2010 - B 2 U 25/09 R -, Rz. 12). Weiter ist das erforderliche Widerspruchsverfahren durchgeführt worden. Der Bescheid vom 24. März 2014, mit dem
innerhalb des Dreijahreszeitraumes gemäß §
62 Abs.
2 Satz 1
SGB VII über ein Recht des Klägers auf Rente auf unbestimmte Zeit entschieden worden ist (vgl. BSG, Urteile vom 16. März 2010 - B 2 U 2/09 R -, BSGE 106, 43 und 19. Dezember 2013 - B 2 U 1/13 R -, SozR 4-2700 §
62 Nr. 2), ist gemäß §
86 SGG Gegenstand dieses Vorverfahrens geworden (vgl. Urteil des Senats vom 26. März 2015 - L 6 U 3485/13 -, [...], Rz. 25 zur vergleichbaren Konstellation nach §
153 Abs.
1, §
96 SGG).
Die Klage ist ferner nicht deshalb unzulässig gewesen, weil das SG dem Kläger ab Zugang des Schreibens vom 13. Oktober 2014 eine vierwöchige Frist zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens
gesetzt hat, ohne dass dieser darauf reagiert hat. Denn die Ausschlussfrist nach §
92 Abs.
2 Satz 2
SGG, die im Ermessen des Kammervorsitzenden des SG steht (Leitherer, in M.-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum
SGG, 11. Aufl. 2014, §
92 Rz. 17 m. w. N.), setzt voraus, dass eine Ergänzung der in §
92 Abs.
1 Satz 1
SGG genannten Erfordernisse unterblieben ist. Dazu zählt zwar auch der Gegenstand des Klagebegehrens. Die vorliegende Klage hat
diesen hingegen hinreichend bezeichnet, ohne dass es einer Ergänzung bedurft hat. Dieser erfordert, dass Rechtsschutzsuchende,
neben dem was sie mit der Klage verfolgen, den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt nennen. Hiermit ist noch nicht der Streitgegenstand
im prozessrechtlichen Sinne gemeint. Die Anforderungen sind schon dann erfüllt, wenn der Sachverhalt, über den das Gericht
entscheiden soll, angegeben oder wenigstens umrissen ist, da die Regelung zum "bestimmten Antrag" in §
92 Abs.
1 Satz 3
SGG nur als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 19. Juli 2011 - L 8 SO 75/11 -, [...], Rz. 26;
Leitherer, a. a. O., Rz. 8; Kühl, in Breitkreuz/Fichte, Kommentar zum
SGG, 2. Aufl. 2014, §
92 Rz. 3). Dem ist der Kläger nachgekommen. Er hat unter Vorlage des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014 Klage erhoben.
Bei dieser Verwaltungsentscheidung ist, wie ihrer Begründung zu entnehmen ist, unterstellt worden, dass sich der Widerspruch
gegen die Höhe der MdE richtet, da der Kläger den Widerspruch nicht begründet habe. Weiter ist ausgeführt worden, dass der
Rechtsbehelf in der Sache keine Aussicht auf Erfolg habe, da die Unfallfolgen ab 8. Oktober 2012 mit einer MdE von 30 v. H.
korrekt bewertet seien. In der Klageschrift ist im Betreff auf einen Arbeitsunfall vom 11. April 2011 Bezug genommen und beantragt
worden, die Bescheide vom 25. Oktober 2013 und 24. März 2014, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2014,
aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten. Damit ist ein Klageziel formuliert und mit der Nennung eines
konkreten Versicherungsfalles der zugrunde liegende Sachverhalt umrissen worden, der Gegenstand des Klageverfahrens also hinreichend
bezeichnet worden.
Die Klage ist hingegen unbegründet, da der Kläger wegen der Folgen des Ereignisses vom 11. April 2011 ab 8. Oktober 2012 bis
4. Dezember 2014 kein Recht auf Rente nach einer höheren MdE als 30 v. H. hat.
Anspruchsgrundlage für die begehrte höhere Rentengewährung als nach einer MdE von 30 v. H. ab dem 8. Oktober 2012 ist §
56 Abs.
1 Satz 1
SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - über die
26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit
infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für
jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§
56 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern
(§
56 Abs.
1 Satz 3
SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§
56 Abs.
1 Satz 4
SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden
verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen
beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der
versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt
als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß §
128 Abs.
1 Satz 1
SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, [...], Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze
sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine
gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel
(BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, BSGE 93, 63).
Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der Arbeitsunfall beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen
hat, entweder durch einen unfallbedingten Gesundheitserst- oder einen damit im Ursachenzusammenhang stehenden Gesundheitsfolgeschaden.
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die solche
Gesundheitsschäden erfüllen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht
feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten
Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad
der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl.
BSG, Urteile vom 2. April 2009 - B 2 U 29/07 R -, [...], Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 - B 2 U 2/11 R -, [...], Rz. 17).
Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen
beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte
und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196) die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem
Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, [...], Rz. 17 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben führen die Folgen des Arbeitsunfalls vom 11. April 2011 ab 8. Oktober 2012, dem Rentenbeginn gemäß §
72 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII, wie er wegen der bindenden Feststellung mit Bescheid vom 28. September 2012, dass die Bewilligung des Verletztengeldes mit
Ablauf des 7. Oktober 2012 endet, feststeht, bis 4. Dezember 2014 nicht zu einer höheren MdE als 30 v. H., wie die Beklagte
mit den angefochtenen Bescheiden zutreffend festgestellt hat.
Durch das Unfallereignis kam es beim Kläger zu Frakturen des medialen Schenkelhalses links mit Abriss des Trochanter majors,
des Radiusköpfchens rechts und des Olecranon rechts. Dies entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht von Prof. Dr. W. über
den nach dem Ereignis bis 9. Mai 2011 andauernden stationären Aufenthalt. Die Fraktur des zehnten Brustwirbelkörpers, welche
noch in dessen auf eine Untersuchung am Unfalltag erstellten Durchgangsarztbericht Erwähnung fand, ist darin nicht mehr aufgenommen
worden. Diese hat Prof. Dr. W. schließlich auch in seinem im Wegen des Urkundenbeweises (§
118 Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §§
415 ff.
Zivilprozessordnung -
ZPO) verwerteten Gutachten vom 20. August 2013 als vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderung aufgeführt; genauso wie das
Impingementsyndrom im rechten Schultergelenk mit degenerativem Einriss der Supraspinatussehne rechts, welche der Kläger ebenfalls
auf das streitgegenständliche Ereignis zurückführt. Die unfallbedingten Frakturen wurden, wie der Senat ebenfalls dem auf
den ersten stationären Aufenthalt nach dem Unfallereignis von Prof. Dr. W. erstellten Entlassungsbericht entnimmt, osteosynthetisch
versorgt. Wegen der petrochantären Femurfraktur wurde eine zementfreie Hüftgelenkstotalendoprothese implantiert. Der Trochanter
major wurde mittels einer Drahtzerklage refixiert.
An pathologischen Veränderungen, die auf das Unfallereignis vom 11. April 2011 zurückzuführen sind, verblieben bei der klinischen
Untersuchung durch Prof. Dr. W. am 16. Mai 2013 und der radiologischen Untersuchung durch Prof. Dr. T. am selben Tag, deren
Zusatzgutachten auch im Wege des Urkundenbeweises verwertet worden ist, jeweils Mitte Mai 2013, eine um 20° reduzierte Flexionsbeweglichkeit
des linken Hüftgelenkes im Vergleich zur Gegenseite (10-0-90° links und 10-0-110° rechts), eine radiologisch regelrecht einliegende
zementfreie Hüftgelenkstotalendoprothese links ohne radiologischen Anhalt für eine Lockerung bei resorptiven Veränderungen
im proximalen, einen Prothesenschaft tragenden Femur, ein Beckenschiefstand bei radiologisch festgestellter Beinlängenverkürzung
rechts von 2,5 cm, inspektorisch eine verschmächtigte Glutealmuskulatur der linken Seite mit positivem Trendelenburg-Zeichen
sowie eine 18 cm lange, längs verlaufende, reizlose und auf dem Untergrund gut verschiebliche Narbe mit vom Kläger angegebener
Druckschmerzhaftigkeit im mittleren Drittel der Narbe im Bereich der rechten Hüfte. Im Bereich des rechten Ellenbogens wurden
eine reduzierte Flexionsbeweglichkeit von 20° (Extension/Flexion 0-10-130° gegenüber 0-10-150° links) bei erhaltener seitengleicher
Extensions-, Pro- und Supinationsbeweglichkeit, radiologisch diskrete Zeichen einer Inaktivitätsathrophie der rechten Seite
im distalen Oberarmknochen, in der Speiche und angedeutet auch in der Elle bei weitestgehend regelrechter Frakturkonsolidierung
und seitengleicher, regelrechter Artikulation sowie eine 10 cm lange Narbe radial und eine 12 cm lange Narbe dorsal des rechten
Ellenbogengelenkes festgestellt. Beide Narben waren reizlos, auf dem Untergrund gut verschieblich und nicht druckschmerzhaft.
Zu erkennen war für Prof. Dr. W. eine rechtskonvexe Skoliose der Lendenwirbelsäule als Folge des Beckenschiefstandes, die
durch einen entsprechenden Beinlängenausgleich kompensierbar gewesen ist. Eine entsprechende ärztliche Verordnung erfolgte
im Spätsommer 2014 durch Dr. de Z., wie sich aus dem Bericht der Berufshelferin der Beklagten O. über eine Beratung des Klägers
im September 2014 ergibt.
Prof. Dr. W. ging nach einer Untersuchung des Klägers Anfang Oktober 2013 von einem unfallbedingten Dauerzustand aus, weshalb
die Beklagte für die Feststellung des Rechts des Klägers auf Rente auf unbestimmte Zeit ein Gutachten bei Prof. Dr. M. eingeholt
hat, welches ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises verwertet worden ist. Dieser stellte wegen des komplikativen Verlaufes
nach mehreren Operationen nach Abriss des Trochanter majors und einer Pseudarthrose nachvollziehbar eine bleibende Muskelkraftminderung
fest, die sich bei seiner Untersuchung Mitte Februar 2014 durch ein positives Trendelenburghinken äußerte. Bei der klinischen
Untersuchung zeigte sich ein deutlich verschmächtigtes Muskelrelief am linksseitigen Ober- und Unterschenkel. Hierdurch ist
die Funktion der beim Kläger einliegenden Hüftgelenkstotalendoprothese deutlich eingeschränkt, wie Prof. Dr. M. schlüssig
dargelegt hat. Die Beweglichkeit des linken Hüftgelenkes war zum Zeitpunkt seiner Untersuchung bei der Beugung um 30° und
bei der Streckung um 10° reduziert (0-0-100° links und 10-0-130° rechts). Das rechte Bein war um 2 cm gegenüber dem linken
verkürzt, wie dies durch die Beinlängenmaße von 92 und 94 cm dokumentiert ist. Die Beweglichkeit des rechten Ellenbogens war
eingeschränkt, allerdings nicht schmerzhaft. Die Werte nach der Neutral-0-Methode für Streckung und Beugung ergaben 0-20-120°
rechts und 0-0-180° links.
Zwar kam es Anfang Juli 2014 zu einer weiteren Luxation der linken Hüfte, weswegen der Aufsteckkopf der Femurprothese ausgetauscht
und wiederum die Refixation des Trochter majors und der Glutealmuskulatur vorgenommen werden musste. Hierdurch ist es hingegen
nicht zu weiteren unfallbedingten Funktionseinschränkungen gekommen. Bei Prof. Dr. St. hat sich ausweislich dessen Berichtes
über eine Untersuchung Ende August 2014 ein regelrechtes Gangbild an Unterarmgehstützen gezeigt. Die postoperativen Narben-
und Weichteilverhältnisse waren reizlos. Die Hüftgelenksbeweglichkeit zeigte sich, wie bereits zuvor, weiter reduziert.
Die hiernach objektivierten unfallbedingten Funktionseinschränkungen stützen unter Berücksichtigung der Literatur nach Auffassung
des Senats eine MdE von 30 v. H. ab 8. Oktober 2012 bis 4. Dezember 2014. Eine höhere ist demgegenüber nicht begründbar, weshalb
der Einschätzung von Prof. Dr. W., wonach diese mit einer MdE von 40 v. H. zu bewerten sind, nicht gefolgt wird. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin,
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 586 erlauben Hüftendoprothesen in der Regel eine gute und schmerzfreie
Funktion: volle Streckung, Beugung von 100°, Abspreizung von etwa 20°. Nach einer Eingewöhnungsphase von einem Jahr ist schmerz-
und hinkfreies Gehen, Treppensteigen und Wandern möglich. Nach einem halben Jahr Protheseneinsatz ist daher bei freier Funktion
eine MdE von 20 v. H. vorgesehen, erst mit 30° Bewegungseinschränkung ist eine MdE von 30 v. H. erreicht. Für eine MdE von
40 v. H. wird eine Bewegungseinschränkung mit 80° verlangt. Bei einer gelockerten Hüftendoprothese ist ein MdE-Rahmen von
40 bis 60 v. H. eröffnet, bei einer infizierten Endoprothese ein solcher von 60 bis 80 v. H.
Die unfallbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers im Bereich der linken Hüfte rechtfertigen nach Auffassung des Senats
zwar ab dem Tag der Untersuchung durch Prof. Dr. M. eine MdE von 30 v. H. Wie er selbst zutreffend ausgeführt hat, stützt
allein die Versorgung mit einer Hüftgelenksendoprothese, also selbst bei freier Funktion, eine MdE von 20 v. H. Bei seiner
Untersuchung wurde zudem neben der Bewegungseinschränkung bei der Beugung um 30° eine bleibende Muskelkraftminderung festgestellt,
wodurch die Funktion der einliegenden Hüftgelenkstotalendoprothese deutlich eingeschränkt ist, wie sich auch am regelmäßigen
Einsatz von zumindest einer Unterarmgehstütze zeigt. Mangels einer noch größeren Bewegungseinschränkung, einem sich Prof.
Dr. W. bei seiner gutachterlichen Untersuchung bei resorptiven Veränderungen im proximalen, einen Prothesenschaft tragenden
Oberschenkelknochen nicht gezeigten Hinweis für eine Lockerung und einer nicht eingetretenen Infizierung der Endoprothese
ist hingegen eine höherer MdE als 30 v. H. hierfür nicht angemessen. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren ein Attest des
ihn behandelnden Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. L. vorgelegt hat, ist bereits mangels Befundmitteilung nicht nachvollziehbar,
wie dieser zu dem Schluss kommt, nach fünf Operationen und wegen eines chronifizierten Schmerzzustandes bestehe beim Kläger
eine "schwerstwiegende" Einschränkung der Gehfähigkeit als Überlastungsfolge im rechten Bein.
Die Funktionseinschränkungen des Klägers wegen der reduzierten Flexionsbeweglichkeit im Bereich des rechten Ellenbogens sind
nicht geeignet, die MdE von 30 v. H. zu erhöhen. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 530 ist eine MdE von 10
v. H. bei einer Bewegungseinschränkung von 0-30-120° für Streckung und Beugung vorgesehen, wenn die Unterarmdrehung frei ist.
Hintergrund ist, dass das normale Bewegungsausmaß des Ellenbogens für die Beugung 145°, für die Streckung 0° sowie für die
Einwärts- und Auswärtsdrehung 80-85° beträgt (vgl. hierzu und zum Folgenden: Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 529).
Für die meisten Tätigkeiten des täglichen Lebens werden lediglich die Scharnierbewegungen der Ellenbogen zwischen 30° und
130° sowie die Pro- und Supinationsbewegung von je 55° benützt. Streckdefizite behindern daher weniger als Beugedefizite.
Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. W. lag danach überhaupt keine relevante Funktionseinschränkung
vor. Denn im Bereich des rechten Ellenbogens fanden sich eine reduzierte Flexionsbeweglichkeit von lediglich 20° (Extension/Flexion
0-10-130°, links: 0-10-150°), bei erhaltener seitengleicher Extensions-, Pro- und Supinationsbeweglichkeit. Erst durch die
gutachterliche Untersuchung durch Prof. Dr. M. wurden, bei freier Unterarmdrehung (90-0-80° beidseits) Werte von 0-20-120°
gemessen, weshalb hierfür eine MdE von 10 v. H. erreicht ist.
Die Beinlängenverkürzung von 2 cm, die auch Prof. Dr. M. festgestellt hat, ist von ihm, unabhängig davon, ob sie überhaupt
Unfallfolge ist, bei der MdE-Bewertung nachvollziehbar unberücksichtigt gelassen worden. Diese Einschätzung teilt auch Dr.
K. in seiner für die Beklagte erstellten beratungsärztlichen Stellungnahme von September 2013, wonach erst eine Verkürzung
von 4 cm mit 10 v. H. zu bewerten sei. Beim Kläger kommt hinzu, dass ihm für den Ausgleich Schuherhöhungen ärztlich verordnet
worden sind und nicht ersichtlich ist, dass diese von ihm nicht verwendet werden.
Die vom Kläger im Berufungsverfahren angeführten Gesundheitsstörungen im Bereich der rechten Schulter und der Wirbelsäule
sind abgesehen davon, dass sie weder Prof. Dr. W. noch Prof. Dr. M. auf das Ereignis vom 11. April 2011 zurückgeführt haben,
Ersterer ordnet sie in seinem Gutachten ausdrücklich als vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen ein, bereits deshalb
nicht bei der MdE zu berücksichtigen, da mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. Oktober 2013 bindend und mit Wirkung über
den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus festgestellt worden ist (§
77 SGG), dass eine schmerzhafte Funktionsstörung in Form eines Impingementsyndroms im Bereich der rechten Schulter mit Riss der
Supraspinatussehne und Veränderungen im Bereich des zehnten Brustwirbelkörpers nicht Folgen des Ereignisses vom 11. April
2011 sind, folglich hieraus auch keine versicherten Funktionseinschränkungen bei der Festsetzung der MdE berücksichtigt werden
können. Der Kläger hat zwar gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2013 im Folgemonat ohne Begründung Widerspruch erhoben, weshalb
zu diesem Zeitpunkt noch unklar war, ob er sich allein gegen die Feststellung eines Rechts auf Rente nach einer MdE von 30
v. H. wendete oder auch gegen die Regelungen, dass bestimmte Gesundheitsstörungen nicht Folgen des Ereignisses vom 11. April
2011 sind. Dass sich der Widerspruch nur gegen Erstere gewendet hat, ergibt sich hingegen daraus, dass dem Kläger mit Schreiben
der Beklagten vom 28. Februar 2014 das Gutachten von Prof. Dr. M. übersandt worden ist, verbunden mit der Bitte mitzuteilen,
ob der Widerspruch zurückgenommen wird, nachdem sich hierdurch bestätigt habe, dass die MdE mit 30 v. H. korrekt eingeschätzt
worden sei. Die ohne nähere Begründung abgegebene Erklärung, dass der Rechtsbehelf nicht zurückgenommen wird, lässt bei dieser
Sachlage nur den Schluss zu, dass es dem Kläger damals einzig um die Feststellung der Höhe der Verletztenrente ging, nicht
auch um die Regelung von Gesundheitsstörungen als Folgen des Ereignisses vom 11. April 2011. Andernfalls wäre als Reaktion
des Klägers zu erwarten gewesen, dass er beanstandet, dass die Beklagte diesen Verfahrensgegenstand nicht thematisierte. Soweit
der nach §
86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewordene Bescheid vom 24. März 2014 nochmals auflistet, welche Gesundheitsstörungen
unabhängig von dem Arbeitsunfall vom 11. April 2011 vorliegen, handelt es sich um so genannte "wiederholende Verfügungen"
und keine weiteren anfechtbaren Verwaltungsakte. Denn es werden die Regelungen im Bescheid vom 25. Oktober 2013 nur wiederholt
(vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 17/13 R -, SozR 4-1500 § 192 Nr. 2 Rz. 16; Engelmann, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 Rz. 32).
Ein chronisches Schmerzsyndrom, welches nach der Zehnten Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten
und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989 (vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information
<DIMDI> ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt, aktuelle Fassung ICD-10 German Modification [GM] Version
2015, ICD-10-GM-2015) unter F45.41 als "Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren" erfasst wird (Urteil
des Senats vom 22. Januar 2015 - L 6 U 4997/13 -, [...], Rz. 33), liegt beim Kläger nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor. Angesichts der zahlreichen
in Betracht kommenden somatoformen Erkrankungen (vgl. ICD-10-GM-2015 F45.0 bis F45.9) und möglicher Schulenstreite sollte
diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10-GM-2015) und
unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist. Denn je genauer
und klarer die bei den Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, desto einfacher sind ihre Ursachen zu
erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (Urteil des Senats vom 22. Januar 2015 - L 6 U 4997/13 -, a. a. O.). Allerdings orientiert sich selbst die Gutachtenliteratur für die MdE-Bewertung nur grob an Diagnosesystemen,
indem etwa bezogen auf das vorliegende Krankheitsbild eine Zweiteilung in somatoforme Störung (ICD-10 F45) ohne somatoforme
Schmerzstörung und somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) vorgenommen wird (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S.
222). Die MdE-Stufungen erfolgen dann danach, ob ein Schmerzzustand mit leicht- bis mäßiggradiger körperlich-funktioneller
Einschränkung (bis 10 v. H.), ein chronifizierter Schmerzzustand mit stärkergradiger körperlich-funktioneller Einschränkung
und psychisch-emotionaler Beeinträchtigung (bis 30 v. H.) oder ein chronifizierter Schmerzzustand mit schwer wiegender körperlich-funktioneller
Einschränkung und erheblicher psychisch-emotionaler Beeinträchtigung (bis 40 v. H.) vorliegt. Dies ist vor dem Hintergrund
zu sehen, dass die MdE-Bewertung gemäß §
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VII auf der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens fußt. Die Einordnung solcher Erkrankungen nach
einem Diagnosesystem ist folglich äußerst hilfreich, den Vollbeweis zu führen, dass sie vorliegen. Es ist damit aber nicht
ausgeschlossen, aus anderen Gründen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ein Gesundheitsschaden
vorliegt. Solche anderen Gründe sind im Hinblick auf das von Dr. M. nach einer Untersuchung des Klägers Anfang Juli 2013 angeführte
chronische Schmerzsyndrom, welches er genauso wenig mit einem Diagnoseschlüssel versehen hat wie Dr. L. den von ihm angegebenen
chronifizierten persistierenden Schmerzzustand, indes nicht ersichtlich. Zum Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr. M. waren dem
Kläger noch keine stärkeren Schmerzmittel verordnet worden. Für die Folgezeit wurde lediglich ein Therapieversuch mit Tilidin
oder Tramadol, gegebenenfalls auch mit Oxygesic, für gerechtfertigt erachtet. Demgegenüber ist bei der Begutachtung durch
Prof. Dr. W. im Folgemonat ananmnestisch nicht festgestellt worden, dass solche bereits eingenommen werden. Auch den sonstigen
medizinischen Befundunterlagen ist nicht zu entnehmen, dass dem Kläger jemals stärkere Schmerzmittel verordnet worden sind.
Dass seine Erkrankung im linken Hüftbereich mit Schmerzen einhergeht, steht für den Senat außer Frage. Die in der unfallmedizinischen
Literatur vorgesehenen Richtwerte schließen jedoch bereits üblicherweise damit einhergehende Schmerzen ein (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin,
a. a. O., S. 221).
Bei der gebotenen integrierenden Gesamtschau der Gesamteinwirkungen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 103)
ist Prof. Dr. M. im Ergebnis überzeugend davon ausgegangen, dass sich die Gesamt-MdE von 30 v. H. ab 8. Oktober 2012 bis 4.
Dezember 2014 maßgeblich wegen der Funktionsstörung der linken Hüfte ergibt, da die Funktionseinschränkung des rechten Ellenbogens
mit maximal 10 v. H. zu bewerten ist. Dem folgt der Senat, da die einzelnen MdE-Ansätze ohnehin nicht schematisch zusammengerechnet
werden dürfen, weshalb auch unter Berücksichtigung Letzterer für den zuletzt noch streitgegenständlichen Zeitraum eine Gesamt-MdE
von 30 v. H. immer noch angemessen und ausreichend gewesen ist.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.