Anerkennung einer Berufskrankheit nach BKV Anl. 1 Nr. 1303 für einen selbständigen Bodenleger in der gesetzlichen Unfallversicherung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als Witwe des W. E. (im Folgenden E.) Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen
hat.
Der 1932 geborene E., der 1947 den Beruf des Malers erlernte und bei wechselnden Arbeitgebern bis zum 06.08.1958 ausübte,
arbeitete danach 37 Jahre bis zum 30.04.1995 als selbstständiger Bodenleger. Während der Tätigkeit hat er kontinuierlich Umgang
mit lösemittelhaltigen Produkten (Toluol und Trichlorethylen) gehabt und ist bei deren Verarbeitung lösemittelhaltigen Dämpfen
ausgesetzt gewesen. Dabei bestanden in Bodennähe erhöhte Lösemittelkonzentrationen, jahreszeitlich bedingt war eine Lüftung
nicht möglich. Am 25.03.1999 verstarb E. an den Folgen eines Leberkarzinoms bei Leberzirrhose.
Am 26.01.1999 zeigte E. der Beklagten eine Berufskrankheit an. Er gab an, unter starken Schmerzen im Bauchraum zu leiden,
die er auf langjähriges Arbeiten mit K.n und Lösemitteln zurückführte. In der ärztlichen Anzeige vom 25.01.1999 führte der
Arzt für Allgemeinmedizin Dr. P. aus, E. leide unter einem ausgedehnten hepatozellulären Karzinom mit diffuser Pfortaderinfiltration
bei Leberzirrhose mit Ascites. Der Anzeige beigefügt waren die Arztbriefe des Klinikums M. vom 22.12.1998 und 12.01.1999.
E. legte auf Aufforderung der Beklagten eine Aufstellung über seine Arbeits- und Krankheitsanamnese vor. Dr. P. fügte unter
dem 08.02.1999 ärztliche Unterlagen über die im Dezember 1998 diagnostizierte Krebserkrankung, insbesondere den Arztbrief
des Klinikums M. vom 19.01.1999 (hochgradiger Verdacht auf ein ausgedehntes hepatozelluläres Karzinom im rechten und linken
Leberlappen mit diffuser Pfortaderinfiltration bei am ehesten äthyltoxisch-induzierter Leberzirrhose, ausgeprägtem Ascites
und unmöglicher Operabilität oder Chemoembolisation, essentielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ IIb) bei. Am 23.02.1999
führte Dr. P. gegenüber dem Beratungsarzt der Beklagten Dr. F. telefonisch aus, E. weise nach seiner Kenntnis keinen besonderen
Alkoholkonsum auf und sei stets sehr arbeitsam und zuverlässig gewesen. Anhaltspunkte für eine Alkoholsucht hätten sich zu
keiner Zeit ergeben. Es sei ihm daher unverständlich, dass im Arztbrief der Medizinischen Klinik des Klinikums M. vom 19.01.1999
von einer am ehesten äthyltoxisch-induzierten Leberzirrhose gesprochen worden sei. Diesbezüglich bestünden absolut keine Hinweise.
Die Beklagte zog weiter die Unterlagen des Arbeitsmedizinischen Dienstes über die im Betrieb des E. durchgeführten arbeitsmedizinischen
Untersuchungen bei. Unter dem 24.02.1981 wurde dem E. von der Ärztin für Chirurgie Dr. L. unter anderem mitgeteilt, ein Leberschaden
sowie ein Bluthochdruck bei Übergewicht bedürften der Behandlung durch den Hausarzt. Der Kläger müsse bestrebt sein, sein
Gewicht auf ein Normalmaß zu reduzieren, da er durch seine Asbestarbeit ohnehin einer gewissen Gefährdung unterliege. Im Schreiben
vom 21.09.1983 wurde unter anderem auf schwere Veränderungen der vergrößerten Leber sowie darauf, dass sich über eine chronische
Hepatitis und Fettleber hinaus eine bindegewebige Umwandlung der Leber anbahne, die zu einer recht schweren und unheilbaren
Lebererkrankung führen könne, hingewiesen. Im Schreiben vom 21.06.1985 wurde eine Leberschädigung in Gestalt einer Fettleber
mitgeteilt. Im Schreiben vom 26.05.1987 wurde im Zusammenhang mit dem ärztlichen Rat zu einer deutlichen Gewichtsabnahme bei
leicht erhöhten Leberwerte hingewiesen. Der Betriebsarzt Dr. R. teilte dem E. mit Schreiben vom 13.08.1992 unter anderem mit,
bei den Laborwerten sei eine geringgradige Erhöhung sämtlicher Leberwerte sowie der Harnsäure aufgefallen. Unter dem 16.07.1997
teilte der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. S. dem E. mit, die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung aufgrund der früheren
Asbestfeinstaubbelastung habe keine Hinweise auf das Vorliegen einer Berufskrankheit im Sinne einer Asbestose ergeben. Bekannt
seien dagegen das Übergewicht sowie der Bluthochdruck. Die von der Beklagten beigezogenen Unterlagen enthielten des Weiteren
unter anderem den Arztbrief des Theresienkrankenhauses M. vom 13.02.1995 (Sinusbradycardie, arterielle Hypertonie und Halswirbelsäulen-Syndrom),
der Chirurgischen Klinik des Klinikums M. vom 15.12.1998 (Verdacht auf Gastroenteritis und differentialdiagnostisch Salmonellose),
den Arztbrief der Breisgau-Klinik Bad K. vom 19.09.1994 (lumbales Wurzelreizsyndrom, Retropatellararthrose, Zervikalsyndrom,
Adipositas) sowie zahlreiche Laborbefunde.
Dipl.-Ing. S., Technischer Aufsichtsdienst der Beklagten, führte nach Rücksprache mit E. und der Klägerin zur Belastung des
E. mit lösemittelhaltigen Arbeitsstoffen aus (Stellungnahme vom 11.03.1999): E. habe in der Zeit vom 01.01.1947 bis zum 10.11.1952
etwa zu einem Viertel seiner Arbeitszeit einen Anstrichstoff aus "Streichteer" verwendet, der mit einer Benzollösung verdünnt
und von der US-Armee bezogen worden sei. Damit seien insbesondere Holzbauteile gestrichen worden. Für die Innenanstriche seien
mit Terpentin oder Benzin verdünnte Leim- und Ölfarben verwendet worden. Vom 01.03.1953 bis zum 28.05.1955 habe E. in einem
anderen Betrieb in etwa 60% seiner Arbeitszeit Ölfarben und Kombilacke im Bereich des Innenanstrichs verwendet. Kombilacke
seien als Decklack verwendet worden und hätten aus Kunstharz- und Öllack bestanden. Zur Verdünnung wie auch zur Reinigung
sei Testbenzin verwendet worden. In der Zeit vom 31.05.1955 bis zum 01.02.1956 habe E. nach eigenen Angaben in etwa 40% seiner
Arbeitszeit Kontakt zu lösemittelhaltigen Produkten gehabt. Als Verdünnung seien Nitro und Testbenzin zur Anwendung gelangt.
Im Stahlwerk M. sei E. vom 16.02.1956 bis zum 28.02.1957 als Betriebsmaler eingesetzt gewesen. Als Verdünnung seien Testbenzin
und als Anstrichstoff für Holzarbeiten in etwa 20% seiner Arbeitszeit Karbonileum eingesetzt worden. Vom 01.03.1957 bis zum
06.08.1958 habe E. im Lager und Verkauf eines Farbenhandels gearbeitet und dabei etwa zwei Stunden täglich Farben für die
eingesetzten Malerkolonnen hergestellt. Daneben seien Zuschnitte und Verlegearbeiten von Fußbodenbelägen ohne Verklebung erfolgt.
Ab 01.08.1958 habe E. im eigenen Betrieb als selbstständiger Bodenleger gearbeitet. Die von Anfang an durchgeführten vollflächigen
Verklebungen des Belags seien anfangs mit selbst hergestelltem Sulfid-Laugen-Kleber erfolgt. Die Belagränder seien nach dem
Schwinden mit einem lösemittelhaltigen Kunstharzkleber der Firma U. verklebt worden. Ab 1960 habe E. handelsübliche Fertigprodukte
eingesetzt. Die Grundierung sei mit lösemittelhaltigen Neoprenen erfolgt. Die Spachtelmasse sei zementgebunden und aus Kunstharz
gewesen. Als Kleber sei ebenfalls ein lösemittelhaltiges Kunstharzprodukt verwendet worden. Ab Mitte der 60er Jahre seien
verstärkt Flexplatten, überwiegend mit asbesthaltigen Trägerschichten, verlegt worden. Die Platten seien mit einem Bitumenkleber
verklebt worden. Ab Ende der 60er Jahre habe E. mit dem Verlegen textiler Beläge unter Verwendung lösemittelhaltiger Kunstharzkleber
begonnen. Ab Mitte der 70er Jahre seien mit Markteinführung von PVC-Platten oder PVC-Belägen ebenfalls lösemittelhaltige Neoprene
zum Grundieren, Spachteln und Kleben verwendet worden. Ab etwa 1990 habe E. im Umfang von acht Wochen pro Jahr Oberflächenbeschichtungen
von Zementestrichen mit einem lösemittelhaltigen Zwei-Komponenten-Kunstharzsystem im Zusammenhang mit Bodenbelagsarbeiten
im Klinikum M. durchgeführt. Ab etwa 1985 seien zunehmend lösemittelfreie Produkte und bis zur Geschäftsaufgabe 1995 noch
etwa zu 40% lösemittelhaltige Produkte eingesetzt worden. Zusammenfassend führte Dipl.-Ing. S. aus, es sei davon auszugehen,
dass E. während seiner gesamten Tätigkeit als Maler und Bodenleger kontinuierlich Umgang mit lösemittelhaltigen Produkten
gehabt habe und bei deren Verarbeitung lösemittelhaltigen Dämpfen ausgesetzt gewesen sei. Die Lösemittelbeeinflussung in der
Luft am Arbeitsplatz sei während der Tätigkeit als Bodenleger besonders relevant, da die Arbeit in geschlossenen Räumen stattgefunden
habe und Lüftungsmaßnahmen verarbeitungstechnisch nur begrenzt möglich gewesen seien. Von einer Lösemittelbeeinflussung sei
auch bei Arbeiten ohne direktem Umgang mit lösemittelhaltigen Produkten auszugehen, da erfahrungsgemäß die Wirkung der bereits
verarbeiteten Produkte, beispielsweise Emissionen aus Grundierungen, über einige Zeit anhalte.
Der Industrieverband K. e. V. teilte ergänzend hierzu am 28.09.1998 mit, nach Auskunft verschiedener Fachleute sei in den
50er und 60er Jahren in Neoprenklebestoffen oder -vorstrichen kein reines Benzol als Lösemittel eingesetzt worden. Als Verunreinigung
sei Benzol in Spuren in eingesetztem Spezialbenzin und in Toluol vorgekommen. Die U. Utz AG führte am 12.04.1999 über die
von ihr hergestellten und vertriebenen Neoprenklebestoffen beziehungsweise die früher verwendeten Bitumenkleber aus, in den
fraglichen Produkten seien zu keiner Zeit krebserzeugende Lösemittel verarbeitet worden. Richtig sei aber, dass es sich bei
den fraglichen Produkten beziehungsweise Produktgruppen um stark lösemittelhaltige Erzeugnisse handle. Die H. KGaA ergänzte
am 12.04.1999, Bitumenverdünner nie hergestellt oder vertrieben zu haben. Beigefügt waren Merkblätter über die Inhaltsstoffe
sowie Sicherheitsdatenblätter für den "Thomsit K 182 Neoprenkleber" (von 1972 bis 1984, von 1985 bis November 1991 sowie ab
Dezember 1991) sowie Inhaltsstofflisten für den "Thomsit Neoprenvorstrich R 780" (bis 1984), den "Thomsit DX-Bodenausgleich"
(vor und ab 1988) und den "Thomsit F 586 Flexfliesenkleber" (Rezeptur von November 1971).
Im Auftrag der Beklagten obduzierte Prof. Dr. B., Chefarzt der Pathologischen Abteilung am Klinikum der Stadt M., den am 25.03.1999
verstorbenen E. Er diagnostizierte in seinem fachpathologischen Gutachten vom 19.09.1999 als Grundkrankheiten eine arterielle
Hypertonie, eine chronische Linksherzinsuffizienz, eine Leberzirrhose im hypertrophen Stadium sowie ein primäres hepatozelluläres
Karzinom mit Pfortaderinfiltration und als Todesursache ein Herzkreislaufversagen. Er führte weiter aus, bei der Erkrankung
des E. handle es sich um ein primäres, mäßig differenziertes, zum Teil solide, zum Teil pseudoglandulär wachsendes hepatozelluläres
Karzinom auf der Grundlage einer mittel- bis grobknotigen Leberzirrhose. Unter Einbeziehung der immunhistochemischen Untersuchungen
liege dieser Leberzirrhose eine chronische Hepatitis-C-Infektion zu Grunde. Für die Ausbildung der Leberzirrhose komme nach
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein zusätzlicher alkohol-toxischer Leberparenchymschaden hinzu. Hierfür spreche
bereits der makroskopische und mikroskopische Pankreasbefund. Zudem seien bei E. bereits 1981 erhöhte Transaminasenwerte und
eine Erhöhung des mittleren korpuskulären Erythrozytenvolumens von normalerweise 76,0 bis 96,0 auf 100,0 femto-Liter dokumentiert.
Dies sei ebenfalls ein Parameter, der für einen chronischen Alkoholabusus spreche. Die erhöhten Transaminasenwerte seien bis
1992 immer wieder dokumentiert. Der Einfluss der Lösemittelexposition für die Entstehung der Krankheit könne schon deshalb
nicht eindeutig beurteilt werden, weil keine genauen Angaben über die Expositionsdauer, die inkorporierte Menge und die Art
der Lösemittel zur Verfügung stünden. Zudem seien die Literaturdaten bezüglich des Zusammenhangs zwischen Lösemittelexposition
und Karzinomentstehung teilweise widersprüchlich. Korrelationen zwischen Lösemittelexpositionen und dem Auftreten bösartiger
Erkrankungen seien in der neueren Literatur zwar beschrieben, jedoch sei es bislang nicht gelungen, ein eindeutig auslösendes
Agens zu identifizieren beziehungsweise eine Dosis-Wirkungsbeziehung aufzustellen. Der Einfluss der Lösemittel auf die Krebserkrankung
könne angesichts der außerberuflichen Ursachen lediglich im Sinne eines Summationseffekts verstanden werden, so dass die Krebserkrankung
nicht allein auf die Einwirkung von Lösemitteln zurückgeführt werden könne. Bei der gesicherten pathogenetischen Bedeutung
der Hepatitis C und des nutritiv-toxischen Parenchymschadens für die Leberzirrhose und das nachfolgende primäre Leberzellkarzinom
komme der Lösemittelexposition nur eine nachgeordnete, nicht wesentliche Bedeutung zu.
Der Staatliche Gewerbearzt Prof. T. schloss sich in seiner Stellungnahme vom 10.08.1999 der Beurteilung durch Prof. Dr. B.
an.
Nach Übersendung des Obduktionsgutachtens wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, E. sei sein Leben lang
Blutspender gewesen. Hätte sich dabei eine Hepatitis-C-Infektion herausgestellt, wäre er nicht weiter zum Blutspenden zugelassen
worden. Die Klägerin legte die Bescheinigung des Deutschen Roten Kreuzes Blutspendedienst Baden-Württemberg vom 17.09.1999
vor. Darin wurde dem E. nach seiner Blutspende am 09.10.1998 das Ergebnis der Laboruntersuchungen mitgeteilt. Der Leberwert
GPT war mit 35 U/l über dem Grenzwert von 22 U/l für Männer. Der Test auf Hepatitis-C-Antikörper war negativ.
Dr. F. führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 27.10.1999 aus, eine chronische Hepatitis-C-Infektion könne auch
ohne Anti-HCV-Expression ablaufen, die sich konventionellen und relativ unsensitiven Testmethoden entzogen habe. Am Ergebnis
des immunhistologischen Befundes im Rahmen der Obduktion direkt aus den befallenen Leberzellen sei nicht zu zweifeln.
Mit Bescheid vom 02.11.1999 führte die Beklagte aus, der Tod des E. sei nicht Folge einer Berufskrankheit. Auch seien die
Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit im Rahmen des §
9 Abs.
2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) nicht gegeben, so dass Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen nicht bestünden. E. sei an den Folgen eines Leberzellkarzinoms
verstorben, das nicht im Zusammenhang mit beruflichen Einflüssen gestanden habe.
Dagegen erhob die Klägerin am 23.11.1999 Widerspruch und legte neben der Stellungnahme des Dr. P. vom 19.11.1999 das Schreiben
des Deutschen Roten Kreuzes vom 05.11.1999 vor. Danach habe E. zwischen Februar 1986 und dem 09.10.1999 insgesamt 22 Blutspenden
geleistet. Seit dem 06.12.1990 seien diese Spenden insgesamt 16mal auch auf Hepatitis-C und seit Oktober 1997 insgesamt viermal
auch auf das Vorhandensein von HCV-Nukleinsäure als direktem Virusnachweis (HCV[RNA]-PCR) getestet worden. Zu keinem Zeitpunkt
seien bei E. Befunde erhoben worden, die für eine Infektion mit HCV gesprochen hätten, und seien keine erhöhten Serumwerte
des Leberenzyms GPT (ALT) festgestellt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es
sich bei der Leberkrebserkrankung um kein von der
BKV erfasstes Krankheitsbild handle. Die Voraussetzungen zur Anerkennung der Erkrankung wie eine Berufskrankheit nach §
9 Abs.
2 SGB VII seien aber auch nicht erfüllt, da ein ursächlicher Zusammenhang der Erkrankung mit der gefährdenden Tätigkeit nicht hinreichend
wahrscheinlich und auch wissenschaftlich nicht nachgewiesen sei, dass die Einwirkung lösemittelhaltiger Dämpfe Krankheiten
dieser Art verursache.
Dagegen erhob die Klägerin am 03.03.2000 Klage beim Sozialgericht M. und führte zur Begründung unter anderem aus, zuletzt
sei während des stationären Aufenthalts des E. im Klinikum M. im Dezember 1998 nach eingehender Untersuchung eine Hepatitis-Infektion
ausgeschlossen worden. Im Übrigen reiche die Immunhistologie nicht aus, um eine entsprechende Infektion nachzuweisen. E. habe
darüber hinaus ein normales Trinkverhalten an den Tag gelegt, so dass die Leberzirrhose nicht auf einen erhöhten Alkoholkonsum
zurückgeführt werden könne.
Das Sozialgericht holte daraufhin von Prof. Dr. B. eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme ein. In seiner Stellungnahme
vom 13.09.2000 führte er aus, man habe in Kenntnis der Einwände die immunhistologischen Untersuchungen am Lebergewebe des
E. wiederholt. Bei Verwendung von monoklonalen Antikörpern gegen das Hepatitis-C-Virus habe sich dabei keine spezifische Immunreaktion
der Hepatozyten finden lassen. Das immunologische Ergebnis im Rahmen des Vorgutachtens müsse mithin als unspezifische Reaktion
betrachtet und insofern korrigiert werden. Demzufolge könne aus dieser immunhistologischen Voruntersuchung nicht mit hinreichender
Sicherheit gefolgert werden, dass bei E. eine Hepatitis-C-Infektion vorgelegen habe. Zusätzlich habe man aus dem Lebergewebe
die RNA und die DNA isoliert. Diese seien im Labor auf das Vorhandensein von Hepatitis-C-RNA und Hepatitis-B-DNA untersucht
worden, wobei beide Untersuchungen negativ verlaufen seien. Daher habe bei E. weder eine Hepatitis-C- noch eine Hepatitis-B-Infektion
vorgelegen, so dass die Laborbefunde des DRK bestätigt worden seien. Da der Hausarzt des E. aus langjähriger Beobachtung zudem
bekunden könne, dass bei E. keine Anzeichen eines Alkoholabusus vorgelegen hätten und auch die Histologie der Leber keine
beweisenden Kriterien für einen Alkoholabusus zeigen würde, komme auch dies nicht als ätiologischer Faktor für die Leberzirrhose
in Frage. Es kämen aber noch weitere seltene Ursachen eines hepatozellulären Karzinoms in Betracht, beispielsweise Industrietoxine
wie Toluen und Dimethylnitrosamin, so dass bei Ausschluss anderer Ursachen die Lösemittelexposition als Ursache für die Lebererkrankung
durchaus in Betracht komme. Gleichermaßen könne das hepatozelluläre Karzinom aber auch auf dem Boden einer idiopathischen
Zirrhose oder einer autoimmunen Hepatitis entstanden sein, was sich allerdings aus rein morphologischer Sicht nicht eindeutig
klären lasse. Die idiopathische, kryptogene Zirrhose (Zirrhose unklarer Ätiologie) werde in Mitteleuropa mit einer Häufigkeit
von 10% aller Leberzirrhosen angegeben. Wie viel davon möglicherweise auf eine klinisch unbekannte hepatotoxische Schadstoffexposition
zurückzuführen sei, sei unklar. Zusammenfassend müsse angesichts des definitiven Ausschlusses virogener und metabolischer
Noxen für die Manifestation der Leberzirrhose mit hepatozellulärem Karzinom die langjährige Schadstoffexposition trotz der
Existenz idiopathischer Leberzirrhosen als hinreichend wahrscheinliche Ursache der Leberzirrhose mit konsekutivem hepatozellulärem
Karzinom gewertet werden.
Das Sozialgericht befragte daraufhin den Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften nach neueren wissenschaftlichen
Erkenntnissen über die Verursachung von hepatozellulären Leberkarzinomen auf Grund einer Leberzirrhose durch diverse lösemittelhaltige
Produkte des Maler- und Bodenlegerhandwerks. In seinem Antwortschreiben vom 27.06.2001 führte der Hauptverband aus, entsprechende
Erkenntnisse lägen nicht vor. Allerdings sollte auch an das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nrn. 1302 oder 1303 der Anlage
zur
BKV (
Berufskrankheitenverordnung) gedacht werden. Die Lebertoxizität von Halogenkohlenwasserstoffen sei im Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 1302 der
Anlage zur
BKV erwähnt und auch die in der Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur
BKV genannten Lösemittel seien im Merkblatt als potentiell hepatotoxisch beschrieben. Letztlich könne, worauf Prof. Dr. B. zu
Recht hingewiesen habe, die Frage des Kausalzusammenhangs zwischen der Schadstoffeinwirkung und der Leberzirrhose aus pathologischer
Sicht nicht eindeutig beantwortet und nur durch das Gutachten eines kompetenten arbeitsmedizinischen Wissenschaftlers geklärt
werden. Dem Schreiben beigefügt war unter anderem der "Forschungsbericht Leber und Beruf - Hinweise für die arbeitstechnische
und medizinische Sachverhaltsaufklärung" aus der Schriftenreihe des Hauptverbandes vom Juni 1991.
Im Auftrag des Sozialgerichts erstellte unter dem 19.11.2001 Prof. Dr. S., Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und
Umweltmedizin am Universitätsklinikum U., ein wissenschaftliches arbeitsmedizinisches Gutachten mit ergänzender Stellungnahme
vom 02.05.2002. Dieser führte aus, in der wissenschaftlichen Diskussion ließen sich nur ganz wenige Hinweise auf eine isolierte
lebertoxische Einwirkung von Lösemitteln finden. In allen anderen Arbeiten würden die Fälle von Leberzellkarzinomen zu ganz
überwiegenden Prozentsätzen auf einen chronischen Alkoholabusus oder eine Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Infektion zurückgeführt.
Ganz überwiegend entstünden Leberzellkarzinome auf der Basis einer Leberzirrhose. Den Akten könnten entgegen den Stellungnahmen
der Klägerin ganz eindeutige Hinweise auf einen Alkoholmissbrauch zumindest in den 80er und 90er Jahren entnommen werden.
Die Stellungnahmen des Hausarztes Dr. P. seien dagegen nicht stichhaltig, da ihnen entgegen stehe, dass vorherige ärztliche
Stellungnahmen, mit oder ohne Bezug auf so genannte Leberwerte, eine äthyltoxische Genese der Leberzirrhose für wahrscheinlich
gehalten hätten. Insbesondere müsse der immer wieder erhöhte MCV-Wert als pathognomonisch betrachtet werden, der alkoholspezifisch
sei. Diese Veränderung der Erythrozyten trete nur nach langfristigem Alkoholabusus ein. Die Feststellung, dass die Lösemittelexposition
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Ursache des Leberzellkarzinoms sei, könne angesichts der auf Alkoholmissbrauch hinweisenden
anamnestischen Daten nicht getroffen werden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne des §
9 Abs.
2 SGB VII lägen nicht vor.
Auf Anregung des Prof. Dr. S. befragte das Sozialgericht Dr. P. schriftlich als sachverständigen Zeugen nach den bei E. behandelten
Erkrankungen. Dieser führte unter dem 04.06.2002 aus, bei E. 1992 eine Hypertonie diagnostiziert zu haben, die medikamentös
behandelt worden sei. Seit 1986 hätten orthopädische Beschwerden und ab 1995 auch ein Diabetes bestanden. Ab 1994 habe sich
E. über eine allgemeine Schwäche und Minderung der Leistungsfähigkeit beklagt, der Allgemeinzustand habe sich stetig verschlechtert.
Eine Blutuntersuchung 1998 habe keine wesentlichen Auffälligkeiten gezeigt, insbesondere seien die Leberwerte unauffällig
gewesen. Die ihm seit 1994 bekannten Beschwerden seien zwar, möglicherweise fälschlich, als Begleiterscheinungen der genannten
Erkrankungen gedeutet worden, könnten aber auch als Zeichen einer lösemittelinduzierten toxischen Enzephalopathie oder Nervenschädigung
gedeutet werden. Über Übelkeit, Schwindelzustände und Gleichgewichtsstörungen habe E. immer wieder berichtet, ausgeprägte
Störungen des Gedächtnisses sowie Störungen der Artikulation seien nicht sicher nachgewiesen worden.
Prof. Dr. S. wurde daraufhin vom Sozialgericht nochmals um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. Unter dem 25.07.2002 führte
er aus, nach den Aussagen von Dr. P. könnten Übelkeit, Schwindelzustände und Gleichgewichtsstörungen als Folge einer extrem
hohen Lösemittelexposition für möglich gehalten werden. Ferner sehe er sich nicht in der Lage, aus medizinischer Sicht den
Vollbeweis für den von ihm angenommenen Alkoholmissbrauch von E. zu erbringen.
Mit Urteil vom 14.10.2002 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege kein Nachweis dafür
vor, dass eine ausreichende Exposition gegenüber Lösemitteln bestanden habe. Daher könnten die Berufskrankheiten nach Nrn.
1302 oder 1303 der Anlage zur
BKV nicht zur Anerkennung kommen. Auf die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen einer Lösemittelexposition und der bei E. vorgelegenen
Leberzirrhose bestehe, komme es deshalb nicht mehr an.
Gegen das ihr am 29.10.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.11.2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt,
die angefochtenen Bescheide hätten schon deshalb aufgehoben werden müssen, weil sie auf einer unrichtigen Beurteilung des
Kausalzusammenhangs beruhten, wie die Beweiserhebung im sozialgerichtlichen Verfahren gezeigt habe. Es genüge zur Erfüllung
des Ursachenzusammenhangs, wenn die Lösemittelexposition jedenfalls zusammen mit anderen Ursachen wesentlich für die Entstehung
der Erkrankung sei. Auch die Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei nur ungenügend erfolgt, so dass die Entscheidung
nicht auf den fehlenden Nachweis einer ausreichenden Lösemittelexposition hätte gestützt werden dürfen.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat Prof. Dr. Dipl.-Ing. L., Leiter des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
der Johannes Gutenberg-Universität M., mit der Erstellung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten
vom 24.02.2005 hat er ausgeführt, der Tod des E. sei durch Herz-Kreislaufversagen bei ausgedehntem hepatozellulärem Karzinom
im rechten und linken Leberlappen mit diffuser Pfortaderinfiltration, bei Leberzirrhose mit Hepatomegalie und begleitendem
Ascites, Ösophagusvarizen zweiten Grades und Cardiomyopathie verursacht worden. Daneben habe ein metabolisches Syndrom mit
essentieller arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II, Adipositas permagna, Dyslipoproteinämie und Fettleberhepatitis
bestanden. Bei Betrachtung der arbeitstechnischen Voraussetzungen habe Dipl.-Ing. S. zwar eine langjährige Exposition gegenüber
Lösemitteln bejaht, ohne dass aber eine Quantifizierung im Nachhinein noch möglich wäre. Auch sei eine kanzerogene Potenz
für Menschen insbesondere von Teer, Bitumen, Trichlorethylen, Asbest und Benzol wissenschaftlich eindeutig belegt. Keiner
dieser Stoffe habe jedoch die Leber als Zielorgan, so dass ein ursächlicher Zusammenhang insoweit nicht wahrscheinlich gemacht
werden könne. Zudem habe E. Kontakt mit organischen Lösemitteln gehabt, die in Abhängigkeit von Expositionshöhe und -dauer
neben Veränderungen des peripheren und/oder zentralen Nervensystems auch zu einer toxischen Schädigung der Leber führen könnten.
Voraussetzung sei aber eine sehr hohe, über den jeweiligen Grenzwerten liegende und langfristige Exposition. Bei nicht mehr
ermittelbaren Expositionen seien sogenannte Brückensymptome wesentlich, insbesondere akute neurotoxische Effekte, die in einem
sehr engen zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Belastung auftreten müssten und in expositionsfreien Zeiten wieder
abklingen würden. Eindeutige Hinweise auf solche Symptome könnten der Akte allerdings nicht entnommen werden und seien auch
von E. gegenüber Dipl.-Ing. S. im Rahmen der Befragung nicht geäußert worden. In der Gesamtbetrachtung könne eine chronisch
aktive Virushepatitis bei E. ausgeschlossen werden. Ein erhöhter Alkoholkonsum werde zwar mehrfach diskutiert. Allerdings
könne retrospektiv der Alkoholkonsum des E. in den 80er Jahren auch nicht mehr objektiviert und quantifiziert werden. Ebenfalls
könne nicht mehr festgestellt werden, ob er hepatotoxische Medikamente eingenommen habe. Ein beruflicher Umgang mit Karzinogenen,
die als Zielorgan die Leber hätten, sei ebenfalls nicht gesichert. Es lägen auch keine gesicherten Erkenntnisse aus der Wissenschaft
vor, dass bei der geschilderten Tätigkeit des E. gehäuft Leberzirrhosen und/oder hepatozelluläre Karzinome aufträten. Anhand
der vorliegenden Angaben über die spezielle Expositionssituation könne aus arbeitsmedizinischer Sicht kein ursächlicher Zusammenhang
zwischen der bestandenen Lösemittelexposition und der Lebererkrankung wahrscheinlich gemacht werden. Daher werde eine Anerkennung
der zum Tode führenden Erkrankung als Berufskrankheit nach Nrn. 1302 oder 1303 der Anlage zur
BKV nicht vorgeschlagen.
Auf Antrag der Klägerin nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat unter dem 28.11.2005 Prof. Dr. S., Chefarzt der Abteilung Innere Medizin am Krankenhaus S. in H., ein Gutachten erstellt.
Dieser hat ausgeführt, die bei E. vorliegende Befundkonstellation mit metabolischem Syndrom und Transaminasenerhöhung mit
GPT>GOT und einer leichten Gamma-GT-Erhöhung spreche mit hoher Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer nicht-alkoholischen
Fettlebererkrankung, für die es eine histologische Sicherung aber nicht gebe. Zusammenfassend hat Prof. Dr. S. ausgeführt,
die Leberzirrhose und das Leberzellkarzinom könnten aufgrund der Datenlage in der wissenschaftlichen Literatur und aufgrund
der bestehenden Komorbität nicht eindeutig auf die Lösemittelexposition zurückgeführt werden. Eine Berufskrankheit nach Nrn.
1302 oder 1303 der Anlage zur
BKV werde daher nicht zur Anerkennung vorgeschlagen.
Prof. Dr. S. wurde hierzu auf Antrag der Klägerin ergänzend gehört. Er hat am 13.03.2006 unter anderem ausgeführt, die Entstehung
eines Leberkarzinoms allein durch Lösemittel sei recht unwahrscheinlich. Eine Interaktion zwischen Lösemitteln und Alkohol
und/oder Alkohol und nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung sei jedoch durchaus denkbar. Es sei vollkommen unmöglich, die
Faktoren nicht-alkoholische Fettlebererkrankung, alkoholische Lebererkrankung und Lösemittelexposition bezüglich der Lebererkrankung
prozentual zu werten. Die Frage, welcher Faktor letztendlich entscheidend sei, sei schwer zu beantworten. Selbst wenn der
Faktor Alkohol wegfallen würde, würde eine nicht-alkoholische Fettlebererkrankung, wie sie ja offensichtlich bei E. vorgelegen
habe, die Leber gegenüber anderen Einflüssen, beispielsweise Lösemitteln, sehr viel sensibler machen.
Mit Urteil vom 06.04.2006 hat das Landessozialgericht gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. L. die Berufung zurückgewiesen
(L 6 U 4712/02).
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 10.10.2006 das Urteil des Landessozialgerichts
vom 06.04.2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen
(B 2 U 144/06 B). Das Landessozialgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es entgegen des von der Klägerin gestellten Antrags
auf Einholung eines arbeitstechnischen Gutachtens ohne hinreichende Begründung keine weitere Sachverhaltsaufklärung durchgeführt
habe. Denn es komme entscheidend darauf an, in welchem Ausmaß E. gegenüber Lösemitteln während seiner versicherten Tätigkeit
exponiert gewesen sei, zumal Lösemittel eine Lebererkrankung verursachen könnten.
Daraufhin hat der Senat in dem Berufungsverfahren, das unter dem Aktenzeichen L 6 U 5889/06 geführt wird, Dipl.-Ing. M., von der Handwerkskammer M. Rhein-Neckar-Odenwald öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger
für das Maler- und Lackiererhandwerk, mit der Erstellung eines arbeitstechnischen Gutachtens beauftragt.
Dieser hat zunächst am 22.06.2007 mitgeteilt, er werde gegebenenfalls den Kontakt zu Dritten, möglicherweise zu einem Sachverständigen
für das Bodenlegerhandwerk benötigen. Auf Hinweis des Senats, dass es den Gutachter weiterhin für geeignet halte, sich sachverständig
zu äußern, und die damit verbundene Bitte, falls noch Einwände bestünden, diese zu konkretisieren und gegebenenfalls zu belegen,
hat sich die Klägerin zunächst nicht geäußert.
Dipl.-Ing. M. hat in seinem am 17.04.2008 erstatteten Gutachten einleitend ausgeführt, er habe zahlreiche Literaturrecherchen
durchgeführt sowie Gespräche mit pensionierten und aktiven Facharbeitern und Altgesellen, ehemaligen selbstständigen Meistern
aus dem Bereich des Maler-, Lackierer- und Bodenlegerhandwerks sowie mit technischen Beratern der Industrie und des Maler-
und Lackiererhandwerks geführt. Bei den wechselnden Tätigkeiten des E., die die typischen Maler- und Lackiererarbeiten und
Bodenlegearbeiten umfassten, könne von einem täglichen regelmäßigen Lösemittelkontakt nicht ausgegangen werden. Bei normalen
und typischen Maler-, Lackier- sowie Bodenbelagsarbeiten werde ein Ausführender nicht mehrere Stunden hintereinander und ohne
Frischluftzufuhr einer permanenten überhöhten Lösemittelkonzentration ausgesetzt. In der damaligen Zeit sei Arbeitsschutz
bekannt bekannt gewesen und auf einen entsprechenden Umgang mit den Arbeitsstoffen hingewiesen worden. Eine explizite Nachberechnung
oder Nachstellung, wie lange und in welcher Höhe E. einer erhöhten Lösemittelbelastung ausgesetzt gewesen sei, könne aus seiner
Sicht nicht zweifelsfrei erfolgen. Zwar könne es, je nachdem wie lange und in welchen Räumen mit oder ohne Fenster gearbeitet
worden sei, immer zu erhöhten Lösemittelkonzentrationen kommen und auch bei E. gekommen sein, wenn nicht entsprechend für
Frischluftzufuhr gesorgt worden sei. Eine Erhöhung irgendwelcher Grenzwerte sei damit weder explizit zu bestätigen noch auszuschließen.
Dagegen hat die Klägerin eingewandt, E. habe ab Ende der 50er Jahre keine typischen Maler-, sondern Bodenbelagsarbeiten ausgeführt
und diese im Einzelnen weiter beschrieben. Sie hat einen Versicherungsausweis und einen Mitgliedsschein der Südwestlichen
Bau-Berufsgenossenschaft (Tätigkeit des E. in einem Linoleumlegerschäft ab 01.08.1958) sowie einen Gewerbeausweis der Handwerkskammer
M. (Eintrag des E. mit dem Bodenlegergewerbe ab 27.02.1967) vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2009 hat der Senat den Sohn des Verstorbenen P. E. als Zeugen vernommen. Dieser hat
angegeben, er habe seinem Vater etwa ab 1967 nach der Schule und auch später noch, als er selbst als Bodenleger gearbeitet
habe, nach seinem Feierabend auf Baustellen geholfen. E. habe nicht nur ein Ladengeschäft mit Bodenbelägen betrieben, sondern
selbst Böden verlegt. In der Regel hätten sie am Abend die Bahnen der Bodenbeläge zurecht geschnitten, die E. dann am nächsten
Tag verlegt habe. Dabei habe es sich überwiegend um Mipolamrollen gehandelt. Zunächst sei hauptsächlich mit Kunstharzkleber
verklebtes Linoleum, anschließend bis 1980 mit Bitumenkleber befestigte Venylasbestfliesen verarbeitet worden. Danach seien
PVC-Beläge aufgekommen, die eine Grundierung mit Neoprenen erfordert hätten, da es damals noch keine Dispersionsfarben zur
Grundierung gegeben habe. Nach dem Grundieren habe man nach zehn Minuten mit dem Spachteln beginnen können. Die dabei entstehenden
Dämpfe seien feuergefährlich gewesen. Deswegen habe man insbesondere im Sommer versucht zu lüften. Im Winter habe man kaum
lüften können, weil die Rollen sonst nicht mehr hätten verlegt werden können. Denn für die Verlegung sei eine bei Lüftung
nicht mehr erreichbare Bodentemperatur von mindestens 16 °C erforderlich gewesen. In Kellern und Fluren sei bei fehlenden
Außenfenstern kaum eine Lüftung möglich gewesen. Im Bereich der Treppen würden nach wie vor Treppenkanten und Auftrittsflächen
mit Neoprenen behandelt, weil nur mit diesem Klebstoff eine haltbare Lösung erreicht werde. Die Vergütung sei ausschließlich
nach Quadratmeterzahl beziehungsweise bei Treppen nach Stufenzahl und nicht nach Stunden erfolgt, so dass es sich um eine
Akkordarbeit gehandelt habe. Im Sommer habe E. wegen der dann noch nicht so starken Ausgasung schon gegen 6:00 Uhr und im
Winter gegen 8:00 Uhr mit der Arbeit begonnen. E. habe ab 1990 nur in untergeordnetem Umfang Dispersionskleber verwendet,
weil diese Kleber nicht so schnell hätten verarbeitet werden können wie Neoprene. Oft habe unter Zeitdruck gearbeitet und
deshalb Neoprene oder Kunstharz eingesetzt werden müssen. Gelegentlich seien bei ihm und E. Brechreizanfälle im Sommer nach
dem Neoprenvoranstrich, etwa in zweimonatlichem Abstand, aufgetreten, wenn es sehr heiß gewesen sei. Atemschutzmasken mit
einem Kohleaktivfilter hätten sie fast nie verwendet, weil man dann nur ganz schwer Luft bekomme und der Einsatz mit einer
Einschränkung des Gesichtsfeldes verbunden sei.
Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 05.10.2009 vorgelegt. Dipl.-Ing. St. hat
ausgeführt, Messdaten zu Expositionen bei Bodenlegern lägen erst seit 1990 vor. Für Toluol seien Grenzwertüberschreitungen
in verschiedenen Arbeitsbereichen festgestellt worden. Toluol sei eine Gefahrenquelle entsprechend der Nr. 1303 der Anlage
zur
BKV. Ferner habe das Produkt "Thomsit K 182 Neoprenkleber" 5% Trichlorethylen, einen Gefahrenstoff im Sinne der Nr. 1302 der
Anlage zur
BKV enthalten. Der biologische Grenzwert liege bei 5 mg/l. Zusammenfassend sei E. während seiner Tätigkeit als Bodenleger mit
hoher Wahrscheinlichkeit einer Grenzwertüberschreitung von Toluol ausgesetzt gewesen. Belastungen im Sinne der Nr. 1302 der
Anlage zur
BKV seien durch Neoprenkleber aufgetreten. Dipl.-Ing. St. hat Berufskrankheiten-Dokumentationen, eine Stellungnahme zur Gefahrstoffexposition
bei Bodenlegern, eine Tabelle über Gefahrstoffexpositionen bei Fußbodenoberbelagsarbeiten (insbesondere Toluol, von 1990 bis
2003: Grenzwert 190 mg/m³, 90%-Wert 391,20 mg/m³, 72,4% der Messungen unterhalb des Grenzwerts) sowie Informationsmaterial
über den "Thomsit K 182 Neoprenkleber" und Trichlorethylen beigefügt.
Auf Nachfrage des Senats hat Dipl.-Ing. St. unter dem 16.12.2009 die Technischen Regeln für Gefahrstoffe 903 vorgelegt, wonach
es sich bei dem biologischen Grenzwert um den Grenzwert für die toxikologisch-arbeitsmedizinische Konzentration eines Stoffes
handelt, bei dem im Allgemeinen die Gesundheit eines Beschäftigten nicht beeinträchtigt werde. Er hat ergänzend dargelegt,
der biologische Grenzwert betrage für Trichlorethylen 5 mg/l = 5.000 mg/m³ und für Toluol nach dem BGIA-Report 1/2006 - Gefahrstoffe
am Arbeitsplatz 190 mg/m³ gelegen hätten. Für den Gefahrstoff Toluol liege von allen gemessenen Raumluftwerten am Arbeitsplatz
10% oberhalb und 90% unterhalb von 391,20 mg/m³. Bei der Berechnung von Faserjahren im Zusammenhang mit Asbestbelastungen
und bei der BaP-Jahresberechnung bei der Berufskrankheit "Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe"
würden die 90%-Konzentrationswerte herangezogen.
Daraufhin hat der Senat erneut Prof. Dr. Dipl.-Ing. L. zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat in seinem arbeitsmedizinischen
Gutachten vom 15.06.2010 ausgeführt, die wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung einer Leberzirrhose seien chronische
Infektionen mit dem Hepatitis B- und C-Virus, chronischer Alkoholabusus, nichtalkoholische Fettlebererkrankung sowie diverse
Gefahrstoffe. Chronische Infektionen mit dem Hepatitis B- und C-Virus könnten bei E. ausgeschlossen werden. Ein erhöhter Alkoholkonsum
sei letztlich nicht gesichert. Nach neueren Erkenntnissen seien die nichtalkoholischen Fettlebererkrankungen die häufigsten
Lebererkrankungen in den westlichen Ländern, deren wesentliche Ursache das metabolische Syndrom sei. Bei E. sei die Diagnose
eines metabolischen Syndroms mit Adipositas per magna, Diabetes mellitus Typ II, Dyslipoproteinämie, Fettleberhepatitis und
essentieller Hypertonie zweifelsfrei gesichert. Es könne somit zusammenfassend festgestellt werden, dass bei E. ein wesentlicher
Risikofaktor für die Entstehung einer nichtalkoholischen Fettleber, damit für eine Leberzirrhose und letztlich auch für das
hepatozelluläre Karzinom bestanden habe. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass E. während seiner Tätigkeit als Bodenleger
über einen Zeitraum von 37 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Grenzwertüberschreitung von Toluol ausgesetzt gewesen
sei und zudem eine Belastung durch Neoprenkleber bestanden habe. Die arbeitshygienischen Verhältnisse am Arbeitsplatz des
E. seien teilweise generell als relativ ungünstig einzuschätzen. Das werde auch durch die Angaben seines Sohnes über Beschwerden
wie Brechreiz untermauert. Toluol werde für den gesunden Erwachsenen als lebertoxisch eingestuft, wobei der Grad der Lebertoxizität
relativ gering gelte. Bei einer beruflichen Exposition gegen Toluol seien aber synergistische Effekte mit anderen Noxen zu
berücksichtigen. Das unter anderem in Neoprenklebern enthaltene Trichlorethylen werde als relativ toxisch für das Zielorgan
Leber eingestuft. Zudem sei bei E. davon auszugehen, dass er während seiner beruflichen Tätigkeit gegenüber weiteren organischen
Lösemitteln, beispielsweise enthalten in Kunstharzklebern und Bitumenklebern, exponiert gewesen sei. Ferner sei bekannt, dass
eine vorgeschädigte Leber auf die Einwirkung weiterer Noxen sehr viel empfindlicher reagiere als dies eine gesunde Leber tue.
Die Kombination mehrerer Risikofaktoren führe zu einer Vervielfachung des Risikos für eine Leberzirrhose und damit auch für
ein hepatozelluläres Karzinom. Bei der vorliegenden Konstellation - sich entwickelnde nichtalkoholische Fettlebererkrankung
und gleichzeitige langjährige berufliche Exposition gegenüber hepatotoxischen organischen Lösemitteln, zum Teil oberhalb der
arbeitsmedizinischen Grenzwerte - sei es wahrscheinlich, dass die berufliche Schadstoffexposition eine wesentliche Teilursache
für die Entwicklung der Leberzirrhose und des hepatozellulären Karzinoms darstelle beziehungsweise die Entstehung dieser Erkrankung
wesentlich beschleunigt habe. Die Anerkennung der Lebererkrankung als Berufskrankheit werde daher empfohlen. Eine klare Zuordnung
der Erkrankung zu der einen oder anderen Berufskrankheit sei indessen bei einer Exposition sowohl von Arbeitsstoffen gemäß
Nr. 1302 der Anlage zur
BKV als auch gemäß Nr. 1303 der Anlage zur
BKV nicht möglich.
In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 05.04.2011 hat Prof. Dr. Dipl.-Ing. L. ausgeführt, bei gesunden Erwachsenen
im erwerbsfähigen Alter werde Trichlorethylen für das Zielorgan Leber als toxischer eingestuft als Toluol. Letztlich sei die
Toxizität aber von der Höhe und Dauer der Einwirkung im speziellen Einzelfall abhängig. Dabei müsse auch im Einzelfall unter
pathophysiologischen Gesichtspunkten der Gesundheitszustand der exponierten Person, insbesondere der Funktionszustand des
Zielorgans, im speziellen Erkrankungsfall der Leber, berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der speziellen Wirkung
der zur Diskussion stehenden Lösemittel Toluol und Trichlorethylen, jeweils mit dem Zielorgan Leber, sei eine Differenzierung,
welches der Lösemittel nun zu welchem Anteil an der Entstehung beteiligt gewesen sei, nur schwer möglich. In Bezug auf Toluol
hat der Sachverständige ausgeführt, dass für sich gesehen dieser Stoff eine wesentliche Teilursache für die bei E. entstandene
Leberzirrhose darstelle. Hinsichtlich Trichlorethylen gelte, dass eine ursächliche Bewertung dieses Stoffes nicht ohne Weiteres
möglich sei, da eine Quantifizierung von Höhe und Dauer der Exposition den vorliegenden Ermittlungen nicht entnommen werden
könne. Wenn aber unterstellt werden könne, dass E. mehrjährig, regelmäßig mehrmals monatlich gegenüber Trichlorethylen in
einer Konzentration exponiert gewesen sei, die die früheren toxikologisch begründeten Grenzwerte überschritten hätten, könne
für sich gesehen auch dieser Stoff als wesentliche Teilursache für die bei E. entstandene Leberzirrhose gewertet werden.
Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme von PD Dr. Dipl.-B. K. vom 09.06.2011 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, die Aussage
des Sohnes des E. und die Ausführungen des Dipl.-Ing. St. machten deutlich, dass E. keinesfalls fast täglich mit den Lösemitteln
Toluol und Trichlorethylen über dem Grenzwert exponiert gewesen sei. Dies werde auch dadurch belegt, dass für Toluol die Hälfte
der Messwerte bei einem Drittel des Arbeitsplatzgrenzwerts gelegen hätten und bei drei Vierteln der Messungen der Arbeitsgrenzwert
eingehalten worden sei. Aufgrund des geringen Gehalts von Trichlorethylen in Neoprenklebern im Vergleich zu Toluol könne für
Trichlorethylen noch häufiger von der Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes auszugehen. Nur bei einer regelmäßigen Überschreitung
des Arbeitsplatzgrenzwertes sei mit chronischen gesundheitlichen Auswirkungen zu rechnen. Außerdem verursache Trichlorethylen
nach Erkenntnissen aus der jüngeren Vergangenheit bei jahrelanger Exposition im Hochdosisbereich durch Überlastung der Metabolisierung
in der Leber nur Nieren- und keine Leberzellkarzinome. Für Toluol sei keine krebserzeugende Wirkung beim Menschen bekannt.
Er hat deswegen angeregt, die Lösemittelbelastung nochmals zu validieren und zwecks Bewertung der prinzipiellen Eignung der
Lösemittel Toluol und Trichlorethylen als Ursache für die Leberverfettung des E. beziehungsweise deren prinzipiellen Eignung
für eine leberkrebserzeugende Wirkung ein weiteres Gutachten einzuholen. Er hat hierzu die Stellungnahme der Deutschen Gesetzliche
Unfallversicherung vom 16.05.2011 zur Toxizität von Toluol und Trichlorethylen und das Rundschreiben des Hauptverbandes vom
18.05.2005 mit einem Positionspapier zu Trichlorethylen vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 14. Oktober 2002 sowie den Bescheid vom 2. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24. Februar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, auf Grundlage des Gutachtens des Prof. Dr. Dipl.-Ing. L. könne keine Anerkennung als Berufskrankheit
erfolgen, da dem Sachverständigen keine klare Zuordnung zu einer konkreten Nummer der Anlage zur
BKV möglich sei. Auch seien die Voraussetzungen zur Anerkennung wie eine Berufskrankheit nach §
9 Abs.
2 SGB VII nicht erfüllt, da Erkenntnisse der arbeitsmedizinischen Wissenschaft darüber, dass Bodenleger nach vergleichbaren Einwirkungen
in erhöhtem Maße gegenüber der Normalbevölkerung an einem hepatozellulären Karzinom erkrankten, nicht bekannt seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten
sowie der Gerichtsakten aller Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§
143 und
144 SGG statthafte und nach §
151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Klägerin ist im jetzigen Verfahrensstadium nicht daran gehindert, einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen geltend
zu machen. Ihre hierauf gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist daher zulässig. Obwohl die Beklagte mit
den streitgegenständlichen Bescheiden schon deshalb Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat, weil sie die Erkrankung des E.
nicht als Berufskrankheit anerkannt hat, fehlt es nicht an einer vom Senat überprüfungsfähigen verwaltungsbehördlichen Entscheidung
über die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen. Im Gegensatz zur Prüfung von Leistungen für einen Versicherten wegen eines
Arbeitsunfalls, im Rahmen derer der Versicherte erst nach Feststellung des Ereignisses als Arbeitsunfall beziehungsweise bestimmter
Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalls darauf aufbauend später Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder
Verletztenrente beanspruchen kann (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15.02.2005
- B 2 U 1/04 R; BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert nach juris), ist ein Hinterbliebener nicht verpflichtet, die Grundlagen der in Frage kommenden Hinterbliebenenleistungen
vorab im Wege einer Feststellungsklage klären zu lassen. Denn die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher
es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden
dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch
einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Unfallversicherungsträgers, ein Versicherungsfall,
beispielsweise eine bestimmte Berufskrankheit, habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts.
Hieraus folgt, dass der Unfallversicherungsträger nicht befugt ist, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen,
ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hat und es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine
isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12.01.2010
- B 2 U 5/08 R - zitiert nach juris, Rz. 26).
Die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, da der Tod des E. Folge der Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage
zur
BKV gewesen ist.
Rechtsgrundlage hierfür sind die §§
2,
3,
7,
9 und
63 SGB VII. Danach haben Hinterbliebene Anspruch auf einzelne näher erläuterte Leistungen, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls
eingetreten ist (§
63 Abs.
1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§
7 Abs.
1 SGB VII). Unter Berufskrankheiten sind Krankheiten zu verstehen, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des
Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§
9 Abs.
1 Satz 1
SGB VII). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die
nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen
durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen,
dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht
worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder
das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Die Unfallversicherungsträger haben darüber hinaus eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder
bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen,
sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine
Bezeichnung nach §
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII erfüllt sind (§
9 Abs.
2 SGB VII).
Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - zitiert nach juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:
Für die Feststellung des Todes als Folge einer Erkrankung als Berufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtungen des
Versicherten einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtungen
zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und dass
diese Einwirkungen eine Krankheit des Versicherten (haftungsbegründende Kausalität) sowie dessen Tod (haftungsausfüllende
Kausalität) verursacht haben.
Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen, die Krankheit und der Tod müssen als rechtserhebliche Tatsachen
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich
ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung
geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Für die Einwirkungskausalität, die haftungsbegründende Kausalität und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der
auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit,
nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die
berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt
werden kann und ernste Zweifel ausscheiden.
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen
ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche
nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise
Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein
relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig".
Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den
Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache
oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n
"wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich
ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne
des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden.
Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage
zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war,
dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte,
sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte
(BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R; jeweils zitiert nach juris).
Bei der Anwendung der Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der
Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art
und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität,
der volle Nachweis zu erbringen ist.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass für den Fall, dass auf einen Versicherten die Arbeitsstoffe mehrerer Listen-Berufskrankheiten
einwirken, die im Zusammenwirken eine Krebserkrankung verursachen können (Synkanzerogenese), aus diesen Listen-Berufskrankheiten
nicht eine neue Gesamt-Berufskrankheit gebildet werden darf, sondern vielmehr zu prüfen ist, ob die Einwirkungen einer Listen-Berufskrankheit
für das Entstehen der Erkrankung eine wesentliche Teilursache waren (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - zitiert nach juris, Rz. 17 bis 21).
Eine dieser Listen-Berufskrankheiten liegt aber nicht nur dann vor, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch
einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon monokausal die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Denn selbst wenn
diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit
oder -weise erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als Berufskrankheit anerkannten Krankheit nach der
Theorie der wesentlichen Bedingung sein (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - zitiert nach juris, Rz. 35).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen für die Gewährung
von Hinterbliebenenleistungen gegeben.
Der Sachverhalt ist aufgeklärt. Dem Senat liegen für seine Entscheidungsfindung ausreichende arbeitstechnische wie auch medizinische
Stellungnahmen und Gutachten vor. Weitere Ermittlungen, insbesondere zur Validierung der Lösemittelbelastung und Bewertung
der prinzipiellen Eignung der Lösemittel Toluol und Trichlorethylen als Ursache für die Leberverfettung des E. beziehungsweise
deren prinzipiellen Eignung für eine leberkrebserzeugende Wirkung, sind nicht erforderlich (Anregung des PD Dr. Dipl.-B. K.
in seiner Stellungnahme vom 09.06.2011). Insbesondere das in Auswertung der Zeugenaussage des P. E. wie der arbeitstechnischen
Stellungnahme von Dipl.-Ing. St. erstattete Gutachten von Prof. Dr. Dipl.-Ing. L. hat dem Senat in überzeugender Weise vermittelt,
dass das Lösemittel Toluol wesentlich ursächlich für die Leberzirrhose des E. war, in deren Folge er an einem Karzinom erkrankte,
an dem er letztlich verstarb.
Die Verrichtungen des E., bei denen er Lösemitteln ausgesetzt gewesen ist, sind zunächst seiner bei der Beklagten versicherten
Tätigkeit als selbstständiger Bodenleger vom 01.08.1958 bis zum 30.04.1995 zuzurechnen. Ein innerer beziehungsweise sachlicher
Zusammenhang zwischen Lösemittelkontakt und versicherter Tätigkeit ist mithin gegeben. Der Senat entnimmt dies - wie oben
ausgeführt - den Angaben des Zeugen P. E. wie den Ausführungen der Dipl.-Ing. St. und Dipl.-Ing. S..
Bei den beruflichen Verrichtungen als Bodenleger ist E. Einwirkungen von Schadstoffen im Sinne der Nr. 1303 der Anlage zur
BKV in einem Maß ausgesetzt gewesen, das dazu geeignet gewesen ist, schädlich auf seinen Körper einzuwirken. Damit ist auch die
sogenannte Einwirkungskausalität gegeben. Nr. 1303 der Anlage zur
BKV erfasst Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol. Nach dem hierzu erlassenen Merkblatt handelt es sich bei Toluol
um ein technisch besonders bedeutsames Homolog von Benzol, das unter anderem als Lösemittel und zum Kleben verwendet wird
(Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung, M 1303, I.). Die Aufnahme erfolgt überwiegend durch Einatmung der Dämpfe (Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung, M 1303, II.).
Zwar ist eine genaue Quantifizierung über die Höhe und Dauer der Exposition nicht möglich. Denn es liegen bei E. keine konkreten,
seine Lösemittelbelastung beweisenden Messungen am Arbeitsplatz vor. Bei E. sind die Arbeitsbedingungen aus lang zurückliegender
Zeit heute nicht mehr rekonstruierbar, da der Betrieb nicht mehr existiert und die früheren Produktionsprozesse nicht mehr
reproduzierbar sind. In einem solchen Falle ist aber eine lebensnahe Beweiswürdigung zu praktizieren. Bei den aufgetretenen
Beweisschwierigkeiten sind im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach §
128 SGG, in die auch Billigkeitserwägungen einfließen dürfen, an den Vollbeweis keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Für den
Umfang der Exposition genügt eine Schätzung, wenn ausreichende Grundlagen für eine solche beispielsweise in Form von Gefährdungskatastern
vorhanden sind (so Hessisches LSG, Urteil vom 31.08.2010 - L 3 U 162/05 - zitiert nach juris, Rz. 63 - und Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung, Anm. 26.2 zu §
9 SGB VI).
Der Senat entnimmt den Ausführungen des Dipl.-Ing. St. vom 05.10.2009 und 16.12.2009, dass nach den vorliegenden Messdaten
zu Expositionen bei Bodenlegern seit 1990 für Toluol Grenzwertüberschreitungen in verschiedenen Arbeitsbereichen festgestellt
worden sind. Dem steht nicht entgegen, dass der E. nach den Angaben des Zeugen P. E., wie der Beratungsarzt PD. Dr. K. meint,
nur einmal pro Monat einen Brechreiz verspürte. Denn die Zeugenaussage gibt zunächst nur Hinweis darauf, dass es überhaupt
und das auch zeitlich gehäuft zu einer deutlichen gesundheitlichen Reaktion auf den Gefahrstoff gekommen ist. Der Umkehrschluss,
dass nur bei Brechreiz eine Grenzwertüberschreitung vorlag, ist aber rein spekulativ. Dies gilt umso mehr, als der Brechreiz
jeweils nur im Sommer auftrat, also in Monaten, in denen aufgrund der Lüftungsmöglichkeit die Arbeitsbedingungen sogar besser
waren.
Dipl.-Ing. St. hat darauf hingewiesen, dass nach der Tabelle über Gefahrstoffexpositionen bei Fußbodenoberbelagsarbeiten für
Toluol noch von 1990 bis 2003 ein Grenzwert von 190 mg/m³ sowie ein 90%-Wert von 391,20 mg/m³ galt. Die Messungen lagen in
72,4% der Fälle unterhalb und mithin in 27,6% der Fälle oberhalb des Grenzwertes. Ferner ergibt sich aus dem BGIA-Report 1/2006
- Gefahrstoffe am Arbeitsplatz für Toluol ebenfalls der Grenzwert von 190 mg/m³ und lagen für Toluol von allen gemessenen
Raumluftwerten am Arbeitsplatz 10% oberhalb des 90%-Wertes von 391,20 mg/m³. Dipl.-Ing. St. hat daher für den Senat nachvollziehbar
den Schluss gezogen, dass E., auch wenn Messergebenisse erst seit 1990 vorliegen, während seiner Tätigkeit als Bodenleger
mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Grenzwertüberschreitung von Toluol ausgesetzt gewesen ist. Denn nach den Technischen Regeln
für Gefahrstoffe 903 handelt es sich bei einer Überschreitung des Grenzwertes um die toxikologisch-arbeitsmedizinische Konzentration
eines Stoffes, bei dem im Allgemeinen von einer Gesundheitsbeeinträchtigung auszugehen ist.
Basierend darauf sind nach den schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. Dipl.-Ing. L. in seinem Gutachten vom 15.06.2010 bei
E. die arbeitshygienischen Verhältnisse am Arbeitsplatz - im Gegensatz noch zu der Bewertung von Dipl.-Ing. M. in seinem Gutachten
vom 17.04.2008 - in Auswertung der durch seinen Sohn beschriebenen und auch von der Beklagten nicht bestrittenen Beschwerden
wie Brechreiz als ungünstig zu bewerten. Denn E. hatte nicht die erforderlichen Möglichkeiten der Lüftung und musste große
Bodenflächen ausschließlich im Innenbereich größtenteils im Akkord verlegen, was Dipl.-Ing. M. aber fälschlicherweise anders
unterstellte und deswegen im Ergebnis Grenzwertüberschreitungen nicht feststellen konnte. Bei diesen ungünstigen Arbeitsplatzverhältnissen
ist E. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesundheitsschädlichen Einwirkungen eines Listenstoffes der Nr. 1303
der Anlage zur
BKV ausgesetzt gewesen. Selbst Dipl.-Ing. M. hat insoweit schlüssig dargelegt, dass Lösemittel schwerer als Luft sind und sich
somit nach unten, das heißt in Richtung Boden absetzen. Aufgrund dieser Tatsache ist festzuhalten, dass erhöhte Lösemittelkonzentrationen
in Bodennähe zu erwarten sind und damit die in der Hauptsache in knieendem Zustand ausgeführte Tätigkeit bei den Bodenbelagsarbeiten
in Form des Auftragens des Klebers lösemittelbelastend gewesen ist. Ferner hat bereits Dipl.-Ing. S. in seiner Stellungnahme
vom 11.03.1999 festgehalten, dass E. während seiner beruflichen Tätigkeit immerhin 37 Jahre kontinuierlich Umgang mit lösemittelhaltigen
Produkten gehabt hat und bei deren Verarbeitung lösemittelhaltigen Dämpfen ausgesetzt gewesen ist. Dabei ist weiter zu berücksichtigen,
dass insbesondere die Lösemittelbeeinflussung in der Luft während der Tätigkeit als Bodenleger besonders relevant gewesen
ist, da die Arbeit in geschlossenen Räumen stattgefunden hat und Lüftungsmaßnahmen verarbeitungstechnisch nur begrenzt möglich
gewesen sind. Dipl.-Ing. S. ist auch von einer Lösemittelbeeinflussung bei Arbeiten ohne direktem Umgang mit lösemittelhaltigen
Produkten ausgegangen, da erfahrungsgemäß die Wirkung der bereits verarbeiteten Produkte, beispielsweise Emissionen aus Grundierungen,
über einige Zeit anhält. Dem stehen auch die Ausführungen des Dipl.-Ing. M. in seinem arbeitstechnischen Gutachten vom 17.04.2008
nicht entgegen. Denn dieser hat lediglich unter der Annahme normaler und typischer Bodenbelagsarbeiten bei ausreichender Frischluftzufuhr
eine überhöhte Lösemittelkonzentration verneint, aber dabei die tatsächlichen Verhältnisse am Arbeitsplatz des E. nicht berücksichtigt.
Da E. diesen Einwirkungen im Rahmen seiner beruflichen Verrichtungen als Bodenleger ausgesetzt gewesen ist, ist die sogenannte
Einwirkungskausalität zwischen versicherter Verrichtung und Schadstoffeinwirkung somit zur Überzeugung des Senats hinreichend
wahrscheinlich.
Ferner steht es fest, dass E. an einer Leberzirrhose erkrankt war. Dies ergibt sich aus sämtlichen aktenkundigen medizinischen
Unterlagen. Diese Leberzirrhose ist wesentlich ursächlich auf die berufliche Einwirkung durch Toluol zurückzuführen.
Dabei stützt sich der Senat auf das Gutachten des Prof. Dr. Dipl.-Ing. L. vom 15.06.2010 mit ergänzender Stellungnahme vom
05.04.2011. Demgegenüber vermochten die abweichenden Gutachten von Prof. Dr. S. bei Unterstellung des nur behaupteten Alkoholabusus
ebenso wenig wie von Prof. Dr. S. bei fehlender arbeitsmedizinischer Grundlage (so auch Beschluss des BSG) nicht überzeugen.
Nach den in sich schlüssigen Darlegungen des Sachverständigen, die sich der Senat zu eigen macht, sind die wichtigsten Risikofaktoren
für die Entstehung einer Leberzirrhose neben den im Fall des E. nicht feststellbaren chronischen Infektionen mit dem Hepatitis
B- und C-Virus und chronischen Alkoholmissbräuchen die nichtalkoholische Fettlebererkrankung und diverse Gefahrstoffe. Zwar
lag bei E. eine nichtalkoholische Fettlebererkrankung vor, was sich daraus ergibt, dass das metabolische Syndrom in nahezu
90% der Fälle bei der nichtalkoholischen Fettleber angetroffen wird und bei E. nach sämtlichen aktenkundigen medizinischen
Unterlagen das Vorliegen eines metabolischen Syndroms mit Adipositas per magna, Diabetes mellitus Typ II, Dyslipoproteinämie,
Fettleberhepatitis und essentieller Hypertonie zweifelsfrei gesichert ist. Der Sachverständige hat aber auch und für den Senat
überzeugend dargelegt, dass Toluol für den gesunden Erwachsenen als lebertoxisch eingestuft wird, wenn auch der Grad der Lebertoxizität
als relativ gering gilt. Dem steht auch nicht entgegen, dass in der unfallmedizinischen Fachliteratur angegeben wird, Toluol
erzeuge keinen Krebs (Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung, M 1303, Anmerkung 2 zum Merkblatt), was auch PD Dr. Dipl.-B. K. in seiner Stellungnahme vom 09.06.2011 reklamiert hat. Denn
vorliegend geht es nicht um die monokausale Erzeugung der Krebserkrankung, sondern um deren Mitverursachung durch Toluol.
Bei einer beruflichen Exposition gegen Toluol sind nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen synergistische
Effekte mit anderen Noxen zu berücksichtigen. So reagiert eine - wie vorliegend aufgrund der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung
- vorgeschädigte Leber auf die Einwirkung weiterer Noxen sehr viel empfindlicher als dies der Fall bei einer gesunden Leber
wäre. Die Kombination mehrerer Risikofaktoren führt zu einer Vervielfachung des Risikos für eine Leberzirrhose. Auch Prof.
Dr. S. hat in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 13.03.2006 bereits ausgeführt, dass eine nicht-alkoholische
Fettlebererkrankung die Leber gegenüber anderen Einflüssen, beispielsweise Lösemitteln, sehr viel sensibler macht. Ferner
hat Prof. Dr. Dipl.-Ing. L. bereits in seinem Gutachten vom 24.02.2005 dargelegt, dass organische Lösemittel unter der Bedingung,
dass eine sehr hohe, über den jeweiligen Grenzwerten liegende und langfristige Exposition vorliegt, die in einem sehr engen
zeitlichen Zusammenhang mit der beruflichen Belastung auftretenden akuten neurotoxischen Effekte anzunehmen sind, auch zu
einer toxischen Schädigung der Leber führen können. Dass bei E. solche neurotoxische Effekte aufgetreten sind, ergibt sich
für den Senat aus den glaubhaften Angaben seines Sohnes im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2009, wonach bei E.
bei den Bodenverlegearbeiten gelegentlich Brechreizanfälle aufgetreten sind. Die Einschätzung des Prof. Dr. Dipl.-Ing. L.
steht auch im Einklang mit den Ausführungen des Prof. Dr. B. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 13.09.2000,
der für die Manifestation der Leberzirrhose die langjährige Schadstoffexposition als hinreichend wahrscheinliche Ursache gewertet
hat. Ferner hat Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom 19.09.1999 beschrieben, dass Korrelationen zwischen Lösemittelexpositionen
und dem Auftreten bösartiger Erkrankungen in der neueren Literatur beschrieben sind und der Einfluss der Lösemittel auf die
Krebserkrankung im Sinne eines Summationseffekts verstanden werden kann. Eine wesentliche Bedeutung der Lösemittel für die
Leberzirrhose hat Prof. Dr. B. in seinem Gutachten nur deshalb verneint, da er zum damaligen Zeitpunkt noch von einer - später
aber ausgeschlossenen - Hepatitis-C-Erkrankung des E. ausgegangen ist. Vorliegend spricht daher mehr dafür als dagegen, dass
sich die gleichzeitige neben der sich entwickelten nichtalkoholischen Fettlebererkrankung langjährige berufliche grenzwertüberschreitende
Exposition unter anderem gegenüber Toluol eine Teilursache für die Entwicklung der Leberzirrhose dargestellt beziehungsweise
die Entstehung der Leberzirrhose beschleunigt hat. Eine naturwissenschaftlich-philosophische Kausalität zwischen Schadstoffeinwirkung
und der Erkrankung ist mithin hinreichend wahrscheinlich.
Dass diese Schadstoffeinwirkung auch wesentlich ursächlich im Rechtssinne gewesen ist, ergibt sich ebenfalls aus den schlüssigen
und gut nachvollziehbaren Ausführungen des Prof. Dr. Dipl.-Ing. L.. Er hat überzeugend dargelegt, dass bei der Prüfung der
Toxizität einer Einwirkung neben den generellen Stoffeigenschaften sowie der Höhe und Dauer der Einwirkung im Einzelfall pathophysiologische
Gesichtspunkte und damit der Gesundheitszustand der exponierten Person, insbesondere der Funktionszustand des Zielorgans -
im Fall des E. der Leber - berücksichtigt werden muss. Unter Berücksichtigung dessen hat der Sachverständige in Bezug auf
Toluol schlüssig dargelegt, dass für sich gesehen dieser Stoff eine wesentliche Teilursache für die bei E. entstandene Leberzirrhose
dargestellt hat. Für diese Einschätzung spricht auch, dass nach dem Merkblatt zu Nr. 1303 der Anlage zur
BKV durch zusätzliche Belastungen des Organismus sowohl die Gefahr des Manifestwerdens der Erkrankung als auch deren Verschlimmerung
gegeben ist (Mehrtens/Brandenburg, Die
Berufskrankheitenverordnung, M 1303, III.). In den Fällen, in denen eine berufliche Exposition das schon durch eine Vorerkrankung bestehende Risiko multiplikativ
erhöht, führt eine Anerkennung eines wesentlichen Kausalzusammenhangs auch nicht dazu, dass eine berufliche Ursache im naturwissenschaftlich-philosophischen
Sinne in diesen Fällen stets auch eine wesentliche Teilursache wäre. Denn stets ist in diesen Fällen eine Gewichtung der einzelnen
Risiken vorzunehmen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.11.2010 - L 6 U 41/08 - zitiert nach juris, Rz. 30), die in einem Fall zu einer Bejahung und in einem anderen Fall zu einer Verneinung des wesentlichen
Kausalzusammenhangs führen kann. Vorliegend sieht der Senat gerade in der rund 37jährigen Exposition gegenüber Toluol eine
wesentliche Mitverursachung der Leberzirrhose, zumal nach den oben dargelegten Kriterien auch eine nicht annähernd gleichwertige,
sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache für den Erfolg rechtlich wesentlich sein kann, solange
die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Ferner ist für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung
mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage
so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art
unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede andere alltäglich vorkommende Einwirkung zu derselben Zeit
die Erscheinung ausgelöst hätte. Vorliegend ist es gerade so, dass es sich bei der rund 37jährigen Exposition gegenüber Toluol
gerade nicht um eine durch jede andere alltäglich vorkommende Einwirkung ersetzbare Einwirkung handelt und daher als wesentliche
Ursache einzustufen ist. Dem steht die Einschätzung des Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 19.11.2001 mit ergänzender Stellungnahme
vom 02.05.2002 nicht entgegen. Denn zum einen hat er zum damaligen Zeitpunkt eine äthyltoxische Genese der Leberzirrhose für
wahrscheinlich gehalten, obwohl ein übermäßiger Alkoholkonsum des E. nicht hat gesichert werden können. Zum anderen hat er
lediglich die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Lösemittelexposition als Ursache des Leberzellkarzinoms verneint. Die Bejahung
eines wesentlichen Kausalzusammenhangs verlangt aber keine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Vielmehr ist nach den oben dargestellten
Kriterien nicht einmal eine annähernd gleichwertige Wahrscheinlichkeit erforderlich.
Daneben ist es nicht von maßgeblicher Bedeutung, dass Prof. Dr. Dipl.-Ing. L. auch die Einwirkungen des von der Nr. 1302 der
Anlage zur
BKV erfassten Trichlorethylens als mitursächlich für die Entstehung der Leberzirrhose angesehen hat. Zum einen lässt es die Theorie
der wesentlichen Bedingung zu, die Wesentlichkeit für eine festgestellte Erkrankung auch bei einem naturwissenschaftlich-philosophisch
notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur
BKV bezeichneten schädigenden Einwirkungen zu bejahen. Dabei kann dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe,
die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des
Einwirkungsgemisches wesentliche Bedeutung für den Erfolg im Sinne eines der in Betracht kommenden Listen-Berufskrankheiten
zukommt (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - zitiert nach juris, Rz. 38). Zum anderen, und dies ist in diesem Zusammenhang für den Senat entscheidend, lässt sich vorliegend
eine berufliche gesundheitsschädliche Einwirkung von Trichlorethylen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich feststellen.
So ergeben sich aus den Stellungnahmen des Dipl.-Ing. St. vom 05.10.2009 und 16.12.2009 keine Messdaten zu Expositionen bei
Bodenlegern gegenüber Trichlorethylen.
Mithin liegt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine wesentliche und damit haftungsbegründende Kausalität zwischen den beruflichen
Einwirkungen von Toluol und der Leberzirrhose-Erkrankung des E. vor.
Ferner steht es fest, dass E. an einem hepatozellulären Syndrom erkrankt war und infolge dessen gestorben ist. Dies ergibt
sich aus sämtlichen aktenkundigen medizinischen Unterlagen.
Dieses hepatozelluläre Syndrom und damit der Tod des E. ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf
die Leberzirrhose zurückzuführen. Auch hierin sind sich die im Verfahren gehörten Ärzte einig. Mithin liegt mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit eine haftungsausfüllende Kausalität zwischen der beruflich mitbedingten Leberzirrhose-Erkrankung und dem
Tod des E. vor.
Da nach alledem ein Zusammenhang der zum Tode führenden Erkrankung mit beruflich bedingten Schadstoffexpositionen mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, hat die Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen. Dementsprechend
war in konsequenter Fortführung dessen, dass es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine isolierte Vorabentscheidung
des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - zitiert nach juris, Rz. 26), nicht eine Berufskrankheit nach Nr. 1303 der Anlage zur
BKV und/oder der Tod des E. als Folge dieser Erkrankung festzustellen, sondern die Beklagte in Form eines Grundurteils nach §
130 SGG zur Gewährung von Hinterbliebenenleistungen zu verurteilen. Art, Beginn und Höhe der Leistungen hat die Beklagte in einem
gesonderten Verwaltungsverfahren festzustellen. Hierüber hatte der Senat, da insoweit keine überprüfbare Verwaltungsentscheidung
und auch kein konkreter Leistungsantrag der Klägerin vorliegt, nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht erfüllt sind.