Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger wegen sexueller Missbrauchs- und sonstiger Gewalthandlungen an ihm von 1967
bis 1986 Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsrecht beanspruchen kann.
Er ist deutscher Staatsangehöriger und wurde 1964 als J. F. im N. B. geboren. Er wuchs mit seiner drei Jahre älteren Schwester
S. W. und seinem neun Jahre jüngeren Bruder T. F. auf. Der Stiefvater seiner Mutter H. F., der in A., einem Ortsteil der N.
Gemeinde A. lebte, starb 1976 an Leberkrebs. Als er 22 Jahre alt war, erhängte sich sein Vater. Die erste 1990 vom Kläger
eingegangene Ehe, aus der zwei 1993 und 1996 geborene Kinder hervorgingen, wurde zehn Jahre später geschieden. Im September
2008 heiratete er J. S., welche er 2002 kennenlernte und zwei erwachsene Kinder mit in die Ehe brachte. Als Ehename wurde
derjenige seiner Ehefrau bestimmt.
Nach dem Hauptschulabschluss hatte der Kläger Ausbildungsverhältnisse als Fleischer und Kraftfahrzeugmechaniker begonnen,
sie jedoch abgebrochen. Weitere Arbeitsversuche erfolgten in einer Baumschule und als Zeitschriftenwerber. Schließlich erlernte
er den Beruf als Maler und Lackierer der Fachrichtung Bauten- und Korrosionsschutz und arbeitete in einer Werft. Nach einem
Arbeitsunfall 1995 wurde er zum Restaurantfachmann umgeschult. Nachdem er zunehmend Probleme mit der Nähe der Gäste bekam,
war er, unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, unter anderem bis Anfang 2005 als Lagerleiter in einem Unternehmen der
Kosmetikbranche und ab Mitte 2006 als Hausmeister tätig. Seit 2009 bezieht er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das
Landratsamt L. stellte bei ihm mittlerweile den Grad der Behinderung mit 100 und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des
Merkzeichens "G" fest.
Am 1. März 2011 beantragte der Kläger bei diesem Verwaltungsträger die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG), welcher das Begehren an das N. Landesamt für Soziales, Jugend und Familie weiterleitete. Als ihn seit März 2008 behandelnden
Arzt benannte er Dr. S., damals Ärztlicher Leiter der Psychiatrischen Tagesklinik L ... Daneben führte er Dr. phil. N., Psychologischer
Psychotherapeut, an. Wegen seiner schweren psychischen Erkrankungen in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung und
einer dissoziativen Identitätsstörung falle es ihm sehr schwer, die Vorgänge zu schildern. Er erlebe dann wieder alles, was
seinen Bewusstseinszustand teilweise verändere. Daher gelinge es ihm nicht immer, sämtliche Vorgänge zeitlich richtig darzustellen.
Er könne aber dafür garantieren, dass er dennoch die Vorgänge wahrheitsgemäß wiedergebe. Seine Kindheit habe mit vier Jahren
geendet, vielleicht auch noch früher, als sein Opa gemeint habe, er gehöre ihm. Er habe jahrelang unter wiederholten langen,
teilweise über sechs Stunden andauernden Vergewaltigungen und schwersten Misshandlungen, bis zu Mordversuchen, gelitten. Ihm
sei eine Plastiktüte über den Kopf gezogen und sein Kopf unter Wasser gedrückt worden, bis er ohnmächtig geworden sei. Er
sei wie ein Hund an Ketten festgebunden worden. Dann seien auch andere hinzugekommen, ein kleines Mädchen und ein Junge. Sie
hätten aber nie ihre Namen sagen dürfen. Wenn sie miteinander reden wollten, habe es sofort Stromschläge mit abisolierten
Kabeln gegeben, welche aus einer Steckdose mit 220 Volt gekommen seien. Dann seien fünf andere Männer und eine Frau hinzugekommen,
die er mit allem, was dazugehöre, habe bedienen müssen. Er habe nicht nur an ihnen herumspielen, sondern auch ihr "Ding" oral
befriedigen müssen. Diese hätten ihm alles in seinen noch so kleinen Mund gesteckt und in sein Gesicht gespritzt und hierbei
laut gelacht. Sie hätten einen Schuppen gehabt, wo er mit einer Schlinge um den Hals festgebunden worden sei. Wenn er es gewagt
habe zu sprechen, seien ihm Schläge versetzt worden. Von diesen Personen habe er nie das Gesicht gesehen. Sie hätten schwarze
Masken mit sehr kleinen Schlitzen getragen. Ihre Augen verursachten bei ihm noch heute Albträume. Sein Opa sei auch dabei
gewesen. Er habe meistens erst später die Maske aufgesetzt. Die anderen hätten dann zu ihm "Herrscher" gesagt. Einer von ihnen
habe alles gefilmt, das Rattern der Kamera habe sich in seinen Ohren eingebrannt. Alle Personen hätten Riesenspaß gehabt,
ihn zu vergewaltigen, eine nach der anderen, stundenlang. Ihm sei es wie Tage vorgekommen. Oft habe er nicht gewusst, wo er
sei. Seine Augen seien zugebunden gewesen. Sie hätten auf ihn uriniert, seine Hände und Füße über seinem Körper zusammengebunden
sowie ihn nackt liegengelassen. Eines Tages sei ein kleiner Junge mitgekommen. Dieser sei in einen Raum geworfen worden und
habe geweint. Er selbst habe geschrien: "Lasst ihn in Ruhe, ihr habt doch mich." Sie hätten sich beide ausziehen müssen und
seien vergewaltigt worden. Die Hand hätten sie sich nicht geben dürfen. Diese Personen hätten sie mit ihren schwarzen Stiefeln
auf die kleinen Hände getreten. Das habe sehr wehgetan. Es sei nicht ganz so schlimm gewesen, wenn er schon halb weggetreten
gewesen sei. Heute wisse er, dass es sich um Dissoziationen gehandelt habe. Wenn er mit seinem Opa allein gewesen sei, habe
sich dieser immer etwas ausgedacht. Dann habe es angefangen, dass er auch an einer Frau habe herumstreicheln müssen; ihre
Brüste und ihre "Muschi", wie sie immer gesagt habe. Das hätten alle drei Kinder auch mit dem Mund machen müssen.
Irgendwann habe er angefangen, sich in eine multiple Persönlichkeit aufzuspalten. Er habe etwa "18" Persönlichkeiten in seinem
Körper, die es ihm ermöglicht hätten, bis heute zu überleben, wenn hiervon überhaupt gesprochen werden könne. Die Täter hätten
ihm Worte ins Gehirn eingeprägt. Wann immer sie diese ausgesprochen hätten, sei er oder eine seiner Innenpersonen bereit gewesen,
alles zu machen, was sie gewollt hätten. Er meine wirklich alles, mit drei Männern gleichzeitig spielen und diese zu zweit
an ihm. Einer habe das "Ding" in seinen Mund, der andere in seinen Po gesteckt. Er habe mit zwei Männern in der Wanne gebadet.
Erst hätten sie ihn angepinkelt, dann den Kopf unter Wasser gedrückt, bis er nichts mehr gewusst habe. Er sei wach geworden,
weil sie ihn wieder vergewaltigt hätten. Oft sei er in einen Schuppen gesperrt und mit einer Schlinge um den Hals angebunden
worden. Er habe am Boden gelegen und sei splitternackt gewesen. Das habe ihnen besonders Spaß gemacht. Dann seien sie zu zweit
oder dritt um ihn herumgestanden, hätten ihn angepinkelt oder es sich selbst gemacht. Alles sei über sein Gesicht und seinen
ganzen Körper gelaufen. Er habe auch oft aus einem Napf essen müssen. Er habe angefangen zu kotzen, ihm sei ganz schlecht
geworden. Die Täter seien untereinander gut vernetzt gewesen. Sie hätten ihn über Jahre hinweg für ihre Zwecke programmiert.
Wann immer sie ihn gebraucht hätten, habe ein Anruf oder ein Wort gereicht und er sei ihnen willig gewesen. Es habe eine rituelle
Gewalt gegeben. Sie hätten Zeichen und Tiere dabeigehabt. Letzteren sei auf einem Opferstein oder direkt über ihm einfach
der Hals durchgeschnitten worden. Mit dem Blut sei auf seinem Leib und den Körpern der beiden anderen kleinen Kinder gemalt
worden. Er habe es trinken müssen. Sein Erzeuger sei kein Stück besser gewesen, nur, dass er die Dinge alleine mit ihm gemacht
habe, also ihn zu vergewaltigen, brutal zu schlagen, einzusperren, weder mit Trinken oder Essen zu versorgen sowie ihn festzubinden.
Mit Rosen habe er ihn geschlagen und seinen Kopf im Heizkeller fast in den Ofen geschoben. Er habe nur sterben wollen. Keiner
habe ihm geholfen, alle hätten weggesehen, bis heute. Seine Mutter glaube ihm nicht. Die Täter lebten nicht mehr, jedenfalls
sein Opa und sein Vater. Von den anderen wisse er es nicht, weil er sie nicht gekannt habe. Er sei mittlerweile sehr schreckhaft
und müsse sich immer umschauen, ob die Geister der Täter nicht in seiner Nähe seien. Er habe eine multiple Persönlichkeitsstörung
und Angst im Dunkeln. Tagelang könne er nicht reden. Weiter leide er an einer stark ausgeprägten Essstörung, Selbstverletzungen,
einem Tinnitus, Albträumen und schweren depressiven Episoden. Er habe Angst vor Männern, könne kaum ihre Nähe zulassen. Es
träten wiederkehrende Selbstmordgedanken auf. Er habe schließlich bei einer Größe von 1,83 m noch 65 kg gewogen. Er halte
die Bilder und Gerüche nicht mehr aus. Er müsse sich wieder selbst verletzen, den Kopf an die Wand schlagen sowie sich die
Arme verbrennen und in diese oder den Oberkörper schneiden.
Nachdem ihn das N. Landesamt für Soziales, Jugend und Familie aufgefordert hatte, die Vorgänge örtlich und zeitlich präziser
zu beschreiben, gab er im April 2011 an, er sei häufig bei seinen Großeltern mütterlicherseits gewesen. Seine Eltern hätten
ihn dort hingegeben, weil sie in ihrer Baumschule viel zu tun gehabt hätten. Seine Großeltern hätten etwa 8 km entfernt gewohnt.
Anfangs sei er häufig unter der Woche dort gewesen, später auch über Wochen hinweg in den Ferien. Als ihn sein Opa im Alter
von vier Jahren vergewaltigt habe, habe er geschrien vor Schmerzen. Er habe gedacht, es zerreiße ihm den Po. Dieser habe gelacht
und gesagt: "So, kleiner Satan, nun gehörst du zu uns." Er habe ihn geschlagen und ihm gedroht, wenn er ein Wort zu der Oma
oder jemand anderem sage, sei er tot. Ihm sei bedeutet worden, sonst ins Heim zu kommen. Er glaube, es sei im Sommer 1968,
im August, gewesen. Er habe Schläge mit einem Stock bekommen. In der Nähe des Hauses seines Großvaters habe es einen kleinen
Wald gegeben, aus dem das Holz entnommen worden sei. Im Alter von etwa fünf Jahren habe ihn sein Opa in dem Ort, in dem er
gewohnt habe, zu einem Lokschuppen mitgenommen. Es sei kalt und dunkel gewesen. Es hätten Matratzen auf dem Boden gelegen.
An der Mitte und den Seiten eines großen Steines sei Blut gewesen. Es habe kaum Licht von draußen gegeben, dafür hätten Kerzen
gebrannt. Er habe so große Angst gehabt, dass er sich in die Hose gemacht habe. Dafür habe er sofort mit einem Lederband Schläge
bekommen. Er sei mit einem Seil an den Füßen festgebunden und kopfüber hochgezogen worden. Ganz dicht über einem Feuer sei
er heruntergelassen worden. Als er auf sein Flehen hin nach unten gelassen worden sei, habe ein zweiter Mann mit heruntergelassener
Hose dagestanden. Er habe sofort sein "Scheißding" in den Mund nehmen müssen und sein Opa habe ihn gleichzeitig vergewaltigt.
Mit fünf Jahren habe er aufgehört zu leben, lachen und fühlen. Nur durch eine multiple Persönlichkeit sei es ihm möglich gewesen,
bis heute zu überleben. Seine Mutter habe nichts gewusst. Es habe viele Tage im Jahr gegeben, an denen die Gruppe um seinen
Opa, also die Satanisten, sie quälten, vergewaltigten, misshandelten oder versuchten, sie zu töten, also ihnen Angst einzuflößen
und ihnen Drogen zu geben, damit sie aufhörten zu schreien. Sie hätten immer wieder Blut von Hühnern oder Hasen trinken müssen,
die sie ihnen weggenommen hätten. Anschließend hätten sie den Tieren einfach den Hals durchgeschnitten. Kein Lehrer habe sich
für ihn interessiert. In der Schule sei er schlecht gewesen, weil er nicht habe lernen können. Er sei bei keinem Arzt gewesen.
Die Satanisten hätten ihn umgebracht, wenn er sich offenbart hätte, was er noch heute glaube. Er denke, dass ihn die Geister
der Täter verfolgten und alles, was er liebe, krank werde, wenn er darüber rede. Sein Schwager sei 2010 gestorben, seine Schwägerin
werde noch dieses Jahr sterben. Seine Frau leide an Multipler Sklerose und er sei ebenfalls am Ende. Mit seinem Arzt habe
er darüber geredet. Er habe gemeint, es sei keine Psychose, sondern eine Traumakrankheit. Dieser versuche ihm zu sagen, dass
die Geister keine Macht über ihn hätten. Ihm sei früher alles so eingeimpft worden, dass er es kaum glauben könne. Seine Schwester
habe nichts Vergleichbares erleben müssen, weder einen Missbrauch noch eine Misshandlung. Sein Bruder sei neun Jahre jünger
und habe keinen Kontakt mehr zu ihm. Seine erste Ehe sei zerbrochen, weil er keine Nähe habe ertragen können und nicht gesagt
habe, was ihm passiert sei. Später sei er nach L. gezogen. Das erste Mal habe er 2003 über den Missbrauch gesprochen. Er habe
sich eine Abfuhr nach der anderen eingeholt weil alle Therapeuten gesagt hätten sie könnten ihn ambulant nicht behandeln.
Dr. G., Nervenarzt und Psychotherapeut, berichtete, der Kläger habe sich von der Partnerin begleitet Mitte Januar 2005 vorgestellt.
Er sei als Kind missbraucht worden und habe sich lange mit der Problematik beschäftigt, ohne darüber hinweggekommen zu sein.
Er habe psychologische Hilfe gesucht. Hinzugekommen sei eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als Lagerleiter mit Wirkung
Ende Januar 2005, welche ihm einen Tag vor Weihnachten mitgeteilt worden sei und ihn beeinträchtigt habe. Im April 2005 führte
er aus, der Kläger sei von einer Freundin begleitet worden. Er sei tief depressiv gewesen. Trotz der Einnahme von Sulpirid,
100 mg (2-1-0) und Stangyl, 100 mg (0-0-0-1) habe er keine Besserung erfahren. Die bei Dr. N. begonnene ambulante Psychotherapie
sei nach vier Stunden abgebrochen und eine stationäre Behandlung empfohlen worden. Dr. G. erwähnte nach der Vorstellung des
Klägers Ende März 2006, ihm habe sich trotz Dauertherapie mit Stangyl, 100 mg (0-0-0-1 1/2), Druxal, 50 mg (1-1-1) und Zoloft,
50 mg (1 1/2-0-0) ein unverändert schizoaffektiv-depressives Bild gezeigt. Parallel zu seiner Behandlung sei eine Psychotherapie
durch Dr. T. erfolgt. Eine klinische Behandlung im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in M. sei geplant, um die sexuelle
Missbrauchsproblematik aufzuarbeiten, was in F. nicht möglich gewesen sei.
Dr. N. hatte im Mai 2005 kundgetan, eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine generalisierte Angststörung
(ICD-10 F41.1), eine soziale Phobie (ICD-10 F40.1) und eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1) diagnostiziert
zu haben. Es liege eine erhebliche Missbrauchssymptomatik vor, die seit Jahren persistierend zu gravierenden psychischen Beeinträchtigungen
geführt habe. Diese seien von außen relativ leicht beobachtbar. Beim Schütteln seiner Hände zeigten sich deutliche Verkrampfungen.
Er könne sie für einen normalen Händedruck praktisch nicht aufbiegen. Depressive rezidivierende Gedankenketten in einem erheblichen
krankheitswertigen Umfang sowie eine Angst und Panik im Sinne einer eher generalisierten Angststörung bestimmten das klinische
Bild des offensichtlich seit vielen Jahren nicht behandelten Klägers.
Die Dipl.-Psychologin P., Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin des Zentralinstituts M., diagnostizierte
nach seinem stationären Aufenthalt vom 8. September bis 6. Dezember 2005 eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung
(ICD-10 F43.1), eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1) und eine dissoziative
Störung in Form einer nicht näher bezeichneten Konversionsstörung (ICD-10 F44.9). An somatischen Erkrankungen seien eine Neurofibromatose
(Morbus Recklinghausen, ICD-10 Q85.0), eine gemischte Hyperlipidämie (ICD-10 E78.2) und eine Dislokation der Befestigungsanker
bei dem Zustand nach einer traumatischen Schulterluxation 2003 (ICD-10 M34.31) diagnostiziert worden. Er habe erwähnt, seit
drei Jahren vermehrt, jedoch insgesamt schon seit dem Kindesalter, unter einer posttraumatischen Symptomatik zu leiden. Im
Alter von zehn bis vierzehn Jahren habe er sexuelle Gewalt durch seinen Vater und Großvater erfahren. Er habe unter Intrusionen
und Wiedererleben gelitten. Er habe sich oft als kleiner Junge in einem fremden Körper gefühlt. Darüber zu sprechen und nachzudenken
habe er fast dreißig Jahre vermieden. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr habe er phasenweise Alkohol, später auch Tabletten
konsumiert. Er habe unter Scham- und Schuldgefühlen gelitten. Bei Körperkontakt habe er Ekel, Übelkeit und Kopfschmerzen empfunden.
Darüber hinaus habe eine ausgeprägte dissoziative Symptomatik in Form von Stimmenhören bestanden. Es habe insgesamt acht Stimmen
gegeben, die mit ihm sprechen würden; fünf gute und drei bedrohliche, welche jedoch nicht zu tatsächlich existierenden Menschen
gehörten. Er habe gewusst, dass diese nicht echt seien und sie deutlich von realen unterscheiden können. Er habe sie nicht
wie tatsächliche Stimmen wahrgenommen. Jedoch habe jede zu einer Person in ihm gehört. Diese hätten ein Alter und einen Namen
gehabt. Der Kläger habe seine Persönlichkeit als "ich und die anderen" bezeichnet. Die Personen hätten ihm Dinge gesagt, wobei
er jedoch in der Regel die Kontrolle gehabt habe. Manchmal hätten diese gehandelt, dann habe er sich als Beobachter gefühlt.
Völlige Gedächtnislücken seien bis auf wenige Ausnahmen nicht zu explorieren gewesen. Seit dem dreizehnten Lebensjahr habe
er unter verschieden stark ausgeprägten depressiven Episoden gelitten, seit etwa drei Jahren wieder vermehrt. Seit Januar
2005 habe er sich in psychiatrischer Behandlung bei Dr. G. befunden. Bisher sei keine ambulante Psychotherapie in Anspruch
genommen worden. In der Tagesklinik in L. hätten drei Gespräche stattgefunden, dann sei er an die Klinik für Psychosomatik
und Psychotherapeutische Medizin des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in M. verwiesen worden. Dr. N. habe ihm ebenfalls
eine stationäre Behandlung empfohlen. In der Klinik und Tagesklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des
Klinikums E. habe er sich 1986 für sechs Monate wegen schwerer Depressionen aufgehalten. Nach den Angaben des Klägers hätten
sich insgesamt fünf seiner Angehörigen, darunter mit seinem Vater sowie seinem Vetter und dessen Tochter drei direkte Verwandte,
erhängt. Er habe über einen starken Alkoholkonsum zur Spannungsreduktion seit dem vierzehnten Lebensjahr berichtet. Ab dem
achtzehnten Lebensjahr habe ein Entzugssyndrom bei Alkoholkarenz bestanden. 1986 seien eine Entzugsbehandlung und eine Therapie
der depressiven Erkrankung erfolgt. Danach sei der Alkoholkonsum kontrolliert gewesen. Ab 1992 habe er kaum noch welchen getrunken.
Im zwanzigsten Lebensjahr habe für etwa ein halbes Jahr ein Abusus von Benzodiazepin bestanden. Mit 25 Jahren habe er vorübergehend
intensiv Cannabis konsumiert, jedoch wegen zunehmender Pseudohalluzinationen damit aufgehört. Er habe sowohl körperliche als
auch sexuelle Gewalt erlitten. Zu seiner Schwester und seiner Mutter habe er Kontakt, zu seinem Bruder nur sehr selten. Bis
zu dem stationären Aufenthalt habe er immer vermutet, dass dieser ebenfalls einer sexuellen Gewalt ausgesetzt gewesen sei.
Über dieses Thema sei jedoch nie gesprochen worden, wobei er denke, dass seine Mutter etwas wissen müsse. Der Kläger sei mit
dem Bild einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung und einer mittelgradigen depressiven Episode zur stationären
Behandlung aufgenommen worden. Da eine deutliche Stabilisierung der affektiven Lage zu beobachten gewesen sei, habe der Fokus
der zweiten Therapiehälfte auf der Behandlung des Traumas gelegen. Dabei hätten vorerst vor allem auch umgrenzte Symptombereiche
wie Dissoziationen und Ekelgefühle im Zentrum gestanden. Es habe sich gezeigt, dass die Psychoedukation zur posttraumatischen
Belastungsstörung im Allgemeinen sowie zur Dissoziation zu großer Entlastung geführt habe. Infolge der Vermittlung antidissoziativer
Skills, etwa Steinchen im Schuh oder Schmerzpunkte, sei der Kläger zunehmend besser in der Lage gewesen, dissoziative Zustände
zu unterbrechen. Ein Diskriminationstraining sei wegen des Ekels durchgeführt worden. Mittels dieser Technik habe er es geschafft,
das tägliche Duschen von früher vier bis fünfmal auf zweimal zu reduzieren. Kernteile der Traumatherapie umfassten weiterhin
die kognitive Bearbeitung der dysfunktionalen Verarbeitungsprozesse sowie die Bewertungen der eigenen Person und des Traumas.
Ein weiterer Themenpunkt der Behandlung sei der geringe Selbstwert des Klägers gewesen. Dabei hätten die drei bösen Personen,
welche zunehmend als Persönlichkeitsanteile anerkannt worden seien, eine zentrale Rolle gespielt. Er habe berichtet, dass
gerade diese Anteile den eigenen Wert negierten, Schuldzuweisungen machten und zu Selbstbestrafungen führten.
Prof. Dr. B., Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin des Zentralinstituts für Seelische
Gesundheit in M., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt des Klägers vom 18. September bis 2. November 2006 unter
anderem eine schwere und chronische posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine dissoziative Störung, nicht näher
bezeichnet (ICD-10 F44.9) sowie eine teilremittierte rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode (ICD-10 F33.1).
Nach der stationären traumaspezifischen Therapie im Hause im Spätherbst 2005 sei es ihm wesentlich besser ergangen. Frustriert
habe ihn nunmehr, dass er keine berufliche Tätigkeit gefunden habe. Es hätten ihm eine feste Tagesstruktur und eine Aufgabe
gefehlt. Gemeinsam mit seiner Partnerin habe er durch Internetchats eine Reihe von Opfern von sexuellem Missbrauch und deren
Angehörige kennengelernt. Er sei zu Treffen in andere Städte gefahren. Vieles im Leben habe sich um das Missbrauchsthema gedreht.
Häufig sei er nach solchen Treffen sehr belastet gewesen. Über einen Perianalabszess, welcher während einer stationären Behandlung
in der Abteilung für Chirurgie des St. J.-Krankenhauses in F. im April 2006 unter Anwendung einer Larynxmaskennarkose operativ
gespalten wurde, berichtete der Kläger, er habe wegen der Schmerzen, welche ihn an das Misshandlungstrauma in der Kindheit
erinnerten, auf einer stationären, operativen Behandlung unter Vollnarkose bestanden. Intrusionen und Albträume seien seither
wieder vermehrt aufgetreten. Während der letzten Monate sei es wieder zu einem selbstverletzendem Verhalten gekommen. Er habe
sich mit der Rasierklinge in den Unterarm geschnitten.
Prof. Dr. O., Chefarzt der Klinik für Innere Medizin des Kreiskrankenhauses L., berichtete über den stationären Aufenthalt
des Klägers vom 20. bis 24. Januar 2008, der veranlasst gewesen sei, da er sich selbst wegen der wohl in suizidaler Absicht
erfolgten Einnahme von insgesamt elf Tabletten Tavor, 1 mg vorgestellt habe. Dr. F., Chefarzt der Abteilung Psychiatrie und
Psychotherapeutische Medizin des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) E., diagnostizierte nach der anschließenden stationären Behandlung
bis 5. März 2008 eine dissoziative Identitätsstörung (ICD-10 F44.81) und eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1)
nach sexuellem Missbrauch in der Kindheit und Jugend. Er habe sich in Begleitung seiner Ehefrau in der Internistischen Klinik
des Kreiskrankenhauses L. vorgestellt, nachdem er elf Tabletten Tavor, 1 mg eingenommen habe. Nach internistischer Überwachung
und komplikationslosem Verlauf sei die Verlegung ins ZfP E. erfolgt. Im Aufnahmegespräch habe der Kläger angeführt, mehrere
Persönlichkeiten in sich zu haben. Eine dieser Personen habe, als er mit seiner Ehefrau in einem Café gewesen sei, diese Tabletten
wohl in suizidaler Absicht eingenommen. Nachdem er dort von der Toilette zurückgekehrt sei, habe er seine Brille nicht mehr
aufgehabt. Seine Lebenspartnerin habe hierin einen Wechsel seiner Persönlichkeit gesehen. Als sie nach der Sehhilfe gesucht
hätten, hätten sie auf der Toilette neben ihr die leere Tablettenschachtel gefunden. Er sei im Alter zwischen acht und fünfzehn
Jahren von mindestens zwei Tätern sexuell missbraucht worden. Vor etwa zweieinhalb Jahren habe er seiner Mutter hiervon berichtet.
Bis zum letzten Weihnachtsfest, als seine Söhne die Großmutter hätten besuchen wollen, habe er keinen Kontakt mehr zu ihr
gehabt. Das Aufsuchen des Elternhauses habe seine Erinnerungen geweckt, sodass die traumatischen Erlebnisse reaktiviert worden
seien. Seither habe sich sein Zustand zunehmend verschlechtert. Wenige Tage vor der Einnahme der Medikamente sei es erstmals
seit zwei Jahren wieder zu einer ernsthaften Selbstverletzung gekommen. Er habe erwähnt, viele verschiedene Persönlichkeiten
in sich zu haben, denen er Namen gegeben und bestimmte Merkmale zugeordnet habe. Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau
habe er 2002 eine neue Lebenspartnerin kennengelernt und sei nach Südbaden gezogen, wo sie in einer Mietwohnung lebten.
Dr. S., Ärztlicher Leiter der Psychiatrischen Tagesklinik L., der sich 2009 mit eigener Praxis niederließ, gab im Juli 2008
wieder, der Kläger befinde sich seit Mitte März 2008 in tagesklinischer Behandlung. Anlass der Aufnahme sei eine teilstationäre
Weiterbehandlung nach einer vollstationären Krisenbehandlung im ZfP E. von Ende Januar bis Anfang März 2008 gewesen. Er sei
dort ob einer Suizidalität behandelt worden. Der Kläger habe seit frühester Kindheit im Elternhaus wiederholt massive Gewalt
sowie ab etwa dem achten Lebensjahr zusätzlich im erweiterten familiären Umfeld immer wieder massivste sexualisierte und ritualisierte
Gewalt erfahren, welche einerseits die natürliche Persönlichkeitsentwicklung behindert und andererseits schwerste psychisch-körperliche
Traumatisierungen mit Herausbildung einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Persönlichkeitsaufspaltung im Sinne
einer dissoziativen Identitätsstörung zur Folge gehabt habe. Im Rahmen diverser psychosozialer Belastungsfaktoren und so genannter
"Triggerdaten" sei es im Januar 2008 erneut zu vermehrten Flashbacks beziehungsweise einem intrusiven Wiedererleben mit häufigem
Bewusstseinsverlust, einer dissoziativen Fugue und dem Druck, sich zur Spannungsreduktion sowie bei negativem Eigenbild selbst
zu verletzen, gekommen. In suizidaler Absicht habe der Kläger eine größere Menge des Wirkstoffes Lorazepam eingenommen und
sei zunächst im Kreiskrankenhaus L. intensivmedizinisch überwacht worden. Er habe eine dissoziative Identitätsstörung (ICD-10
F44.81) bei komplexer traumatischer Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und eine schwere depressive Episode (ICD-10 F33.2) diagnostiziert.
In den Einzelgesprächen habe der Kläger geschildert, wie vielfältige Erinnerungen an die früheren massiven Traumatisierungen
die überwiegende Zeit des Wachbewusstseins oder den Schlaf in Form von Albträumen beherrschten. Er habe bisher noch niemandem,
auch keinem Traumatherapeuten, Details der Missbrauchserfahrungen geschildert. Wegen seiner schweren und häufigen Dissoziationen
sei ihm hiervon unter Hinweis auf eine erforderliche Stabilität abgeraten worden. Weil er trotz der Verbote so genannter "Innenpersonen"
einen starken Drang verspürt habe, von damals Erlebtem zu berichten, habe er sich in vorsichtiger und dosierter Weise im Rahmen
einer narrativen Expositionstherapie entschieden, den Kläger in einem Einzelgespräch von den Vorgängen erzählen zu lassen.
Die ersten Versuche hätten gezeigt, dass er hierdurch kontrolliert in ein Wiedererleben der damaligen Situationen gekommen
sei. Nach diesen Sitzungen, die zwischen einer halben und einer dreiviertel Stunde gedauert hätten, sei es selbst Stunden
danach häufig noch sehr intensiv gewesen. Es sei zunächst auch zu verstärkten dissoziativen Phänomenen gekommen, meist aber
im Körperbereich im Sinne von nicht spürbaren oder wiedererlebten körperlichen Schmerzen. Die Schilderung diverser Details
von anhaltenden gräulichsten Vorgängen erkläre die Schwere und Chronizität der Erkrankung. Im Rahmen verschiedener sexualisierter
und ritualisierter Gewalthandlungen habe der Kläger mehrfach dem Tod ins Auge gesehen. Die damalige Aufspaltung von Persönlichkeitsanteilen
in subjektiv erlebte Einzelpersonen hätten eine wichtige Schutzfunktion gebildet, bereiteten im aktuellen Lebensvollzug durch
die entsprechenden Bewusstseinsstörungen hingegen viele Probleme. Nach etwa sechs bis acht Expositionssitzungen habe der Kläger
erwähnt, die Geschehnisse, welche er im Einzelgespräch angeführt habe, fügten sich langsam zu einer Geschichte zusammen. Er
habe gegenwärtig etwa ein knappes Drittel der Gesamtereignisse berichtet. Sie gebärdeten sich weiterhin durch diverse Triggersituationen
wie eine gegenwärtige Retraumatisierung.
Dr. G., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie, der Leitende Psychologe D. sowie die
Psychologische Psychotherapeutin Dr. B., Zentrum für Psychotraumatherapie der Fachklinik für Psychosomatische Medizin der
Klinik am W. in D., gaben im Februar 2012 die Auskunft, sie unterstützten aus therapeutischer Sicht das Begehren des Klägers
nach Opferentschädigung. Aus dieser und einer medizinischen Betrachtung sei er angesichts seines psychosomatisch labilen Zustandes
nicht in der Lage, weitere und detailliertere Auskünfte zu seinen erlittenen Schädigungen zu geben. Wahrscheinliche Folge
dessen wäre eine erhebliche Zuspitzung der Symptomatik und eine psychosomatische Dekompensation.
Mit Bescheid vom 26. September 2012 lehnte das N. Landesamt für Soziales, Jugend und Familie den Antrag des Klägers auf Gewährung
von Beschädigtenversorgung ab. Er habe eine Vielzahl von Misshandlungen und Missbrauchsvorfällen bis hin zur Vergewaltigungen
geltend gemacht, die sein Großvater und mehrere andere unbekannte Personen über Jahre hinweg an ihm verübten. Er habe jedoch
keine Strafanzeige erstattet, weshalb zur Prüfung und Beurteilung des Sachverhaltes nur auf seine Angaben als Geschädigter
habe zurückgegriffen werden können. Seine Tatvorwürfe seien nicht belegt, eine Klärung nicht weiter möglich. Die letzten angegebenen
Vorfälle hätten sich bereits vor über 25 Jahren ereignet. Beweiskräftige Unterlagen seien nicht vorhanden. Direkte Zeuginnen
und Zeugen der Geschehnisse gebe es nicht. In seinem unmittelbaren Umfeld habe nach seinen Angaben niemand etwas bemerkt oder
gesehen beziehungsweise nichts sehen wollen. Die psychischen und physischen Veränderungen wie stundenlanges Wegbleiben, Verletzungen,
blaue Flecken, Verschmutzungen und Verstörtheit seien offenbar auch sonst niemandem aufgefallen. Mit dritten Personen habe
er nicht gesprochen. Seine bisherigen Angaben gegenüber den Ärzten und Therapeuten zu den Tatzeiträumen und -geschehen sowie
den Tätern seien unvollständig und teilweise in sich widersprüchlich. Weitere detaillierte Auskünfte könne er nach der Bescheinigung
von Dr. G. und anderen nicht geben. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff auf ihn sei danach nicht belegt.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den er im Wesentlichen damit begründete, gerade die Art seiner psychischen Erkrankungen
seien im Gegensatz zu anderen eindeutig auf tatsächliche Gewalterfahrungen zurückzuführen. Der Widerspruch wurde vom N. Landesamt
für Soziales, Jugend und Familie mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2013 zurückgewiesen.
Gegen diese das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung hat der Kläger am 22. Mai 2013 Klage beim Sozialgericht F.
(SG) erhoben und verschiedene medizinische Dokumente vorgelegt. Nach dem Entlassungsbericht von Dr. G. über den stationären Aufenthalt
des Klägers vom 30. Dezember 2011 bis 15. März 2012 seien eine dissoziative Identitätsstörung (ICD-10 F44.81), eine komplexe
posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine Essstörung, nicht näher bezeichnet (ICD-10 F50.9), eine nicht-organische
Enuresis nocturna (ICD-10 F98.0), eine Abhängigkeit von Benzodiazepin (ICD-10 F13.3) und eine Neurofibromatose Recklinghausen
(ICD-10 Q85) diagnostiziert worden. Die letzte Medikation habe aus Omeprazol, 20 mg (1-0-0-0), Seroquel, 100 mg (0-0-0-1),
Seroquel prolong, 200 mg (1-0-0-0), Seroquel prolong, 300 mg (0-0-0-1), Tavor, 2,5 mg (1-0-0-1), Faustan, 5 mg (0-1-0-0),
Metoclopramid, bis zu dreimal 20 Tropfen, Amitriptylin, 50 mg (0-0-0-1) sowie bedarfsweise bis zu dreimal täglich Ibuprofen,
400 mg bestanden. Nach der Traumaanamnese sei der Kläger einem chronischen schweren sexuellen Missbrauch in der Kindheit und
Jugend durch Mitglieder der Herkunftsfamilie und organisierte Täterkreise mit sadistisch-pädophilem Hintergrund ausgesetzt
gewesen. Sein Großvater sei 1976 an Leberkrebs gestorben, sein Vater habe zehn Jahre später Suizid begangen. Von beiden sei
der Kläger seine gesamte Kindheit und Jugend hindurch regelmäßig schwer misshandelt und sexuell missbraucht worden. Der Großvater
sei vermutlich Angehöriger einer pädophilsadistischen Vereinigung gewesen. Sein Bruder sei möglicherweise ebenfalls derartiger
Gewalt ausgesetzt gewesen. Mit ihm habe er sich jedoch darüber noch nie ausgetauscht. Seine Schwester sei mit hoher Wahrscheinlichkeit
kein Opfer gewesen. Bereits im Grundschulalter habe er ein aus verschiedenen Identitäten beziehungsweise Anteilen bestehendes
Persönlichkeitssystem entwickelt, welches ihm als Überlebensstrategie gedient habe. Obwohl die Folgen der Gewalteinwirkungen
ziemlich offensichtlich gewesen seien, hätten weder seine Mutter noch ein anderes Familienmitglied je nachgefragt. Seine Mutter
habe bis heute jedes Wissen über das Geschehene geleugnet. Mit dreizehn Jahren habe er seinen bisher einzigen Suizidversuch
unternommen. Das Vorhaben, sich zu strangulieren, sei daran gescheitert, dass der Strick gerissen sei. Nachdem sich sein Vater
1986 erhängt habe, sei auch der Kontakt zu den außerfamiliären Täterkreisen abgebrochen. 2002 habe der Kläger aufgrund von
anhaltenden Bedrohungserlebnissen den Wohnort gewechselt und sei von O. nach Baden-Württemberg gezogen. Er habe inzwischen
jeglichen Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie abgebrochen. Seit Frühjahr 2011 bestehe auch keine Verbindung mehr zu seiner
Mutter. Nach wie vor achte er übermäßig wachsam auf schwarze Personenkraftwagen mit der Zahlenkombination 666 auf den Autokennzeichen,
insbesondere, wenn sie aus Norddeutschland kämen. Mit seinen Söhnen tausche er sich aktuell aus. Über seine Missbrauchserlebnisse
habe er erstmalig mit seiner heutigen Ehefrau gesprochen und sich kurz darauf in Therapie begeben. Die Beziehung zu ihr stelle
eine große Ressource im Rahmen der Krankheitsbewältigung dar. Für die kindlichen Innenanteile übernehme sie eine sehr fürsorgliche,
mütterliche Rolle, was hingegen die Partnerschaft auf Erwachsenenebene schwäche.
Dr. S. hat im Juni 2013 über Das Boot E. e. V., einen Verein zur Förderung der seelischen Gesundheit, neben einem psychiatrischen
Gutachten von 1986 Entlassungsberichte über stationäre Aufenthalte des Klägers in der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses
A. vom 2. bis 13. Februar 1986 sowie in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des H.-Krankenhauses
des Klinikums E. vom 13. Februar bis 12. August, am 19. und 20. August sowie vom 10. bis 17. November 1986 besorgt, welche
dieser dem SG zugeleitet hat.
Prof. Dr. F., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses A., hat berichtet, der Kläger habe sich in einer
Diskothek bei der Auseinandersetzung um eine Frau in demonstrativer beziehungsweise suizidaler Absicht Schnittwunden an der
rechten Hand beigebracht. Dr. V., Stationsarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des H.-Krankenhauses
des Klinikums E., hat Ende August 1986 eine Überdosis von Tabletten (ICD 305.9) diagnostiziert. Im Dezember dieses Jahres
sind dort eine Angstneurose (ICD 300.0) bei neurotischer Persönlichkeitsentwicklung und der Zustand nach einem Suizidversuch
(ICD E956) diagnostiziert worden. Da er von seiner Freundin verlassen worden sei, habe er sich an der rechten Hand in suizidaler
Absicht Schnittwunden beigebracht. Dr. W., Ärztin des Wohnheims für psychisch Kranke des H.-Krankenhauses des Klinikums E.,
hat in ihrem Gutachten von Dezember 1986 ausgeführt, der Kläger sei erstmalig im Frühjahr 1986 an einer akuten Angstsymptomatik
erkrankt, welche schließlich in einem Suizidversuch geendete habe. Diagnostisch habe es sich um eine Angstneurose bei neurotischer
Persönlichkeitsentwicklung mit wechselnder depressiv und angstbesetzter Stimmungslage sowie zwischenzeitlichem Alkoholmissbrauch
bei sich zuspitzenden Konfliktlagen gehandelt. Nach dem Hauptschulabschluss habe er zwei Lehren abgebrochen, weil er sich
den Anforderungen nicht gewachsen gefühlt habe, was sich hauptsächlich auf ein ausgeprägtes Minderwertigkeitsgefühl und ein
mangelndes Durchsetzungsvermögen habe zurückführen lassen. Weitere Arbeitsversuche habe er als sehr unbefriedigend empfunden.
Anamnestisch habe sich erheben lassen, dass der Kläger seit frühester Kindheit eine angstbesetzte Beziehung zu seinem Vater
erlebt habe. Dieser habe ihn stets als Versager beschimpft und ihn im alkoholisierten Zustand verprügelt. In der Familie habe
stets eine Streitatmosphäre mit häufigen Prügelstrafen geherrscht. Seine Mutter habe in dieser Beziehung sehr gelitten und
aus diesem Grund den Kläger als ältesten Sohn nahezu symbiotisch an sich gebunden. Der Vater des Klägers habe sich Anfang
März 1986 während dessen stationären Aufenthaltes stranguliert. Sein Tod habe bei ihm stärkste Schuldgefühle mit eigenen Suizidtendenzen
ausgelöst, weil er ihm gegenüber in der Vergangenheit Hassgefühle geäußert habe. Die angstbesetzte und schuldbeladene Beziehung
zu ihm und die symbiotische Verbindung zu seiner Mutter hätten ihn als ängstliches, introvertiertes Kind während der Schulzeit
zum Außenseiter werden lassen. Er sei gehänselt worden. Die Anforderungen im Schulalltag habe er wegen seines mangelnden Selbstwertgefühles
nicht befriedigend bewältigen können. In der Adoleszenzzeit habe er seine Minderwertigkeitsgefühle im Bekanntenkreis durch
einen Alkoholkonsum kompensiert. Von den Freunden habe er sich ausnehmen lassen. Er habe Angst vor Frauen gehabt und zur Suizidalität
geneigt. Während des stationären Aufenthaltes habe er in einer Mitpatientin eine Freundin kennengelernt. Diese Beziehung habe
sich für beide bald zu einer instabilen Abhängigkeitspartnerschaft entwickelt. In beruflicher Hinsicht habe er im Sommer 1986
versucht, sich in der Jugendwerkstatt E. wieder an einen Arbeitsprozess zu gewöhnen. Diese Tätigkeit habe er jedoch nach knapp
drei Wochen abgebrochen, weil er sich gegenüber den anderen Jugendlichen als nicht durchsetzungsfähig erlebt habe. Er habe
deren Hänseleien nicht verkraftet. Die Position als Außenseiter während der Schulzeit sei erneut aktualisiert worden.
Das SG hat H. F., die Mutter des Klägers, S. W. und T. F., seine Geschwister, G. B., einen Freund aus Jugendtagen, sowie E. S.,
den damaligen Pfarrer der Kirchengemeinde in R., einen Ortsteil von B., schriftlich als Zeuginnen und Zeugen befragt welche
im Oktober 2013 und im Folgemonat geantwortet haben.
H. F. hat mitgeteilt, der Kläger habe ihr von ein paar Jahren in einem Brief mitgeteilt, als Kind missbraucht worden zu sein.
Sie sei schockiert gewesen, denn sie habe all die Jahre hiervon nichts bemerkt. Er habe hauptsächlich über ihren Ehemann geschrieben.
Dieser habe ihm immer gedroht, wenn er jemand etwas sage, würde er ihr oder der Tochter S. wehtun. Der Missbrauch habe immer
dann stattgefunden, wenn er mit seinem Vater allein gewesen sei. An eine merkwürdige Situation zwischen beiden könne sie sich
nicht erinnern. Sie hätten ein sehr schlechtes Verhältnis gehabt. Ihr Ehemann habe viel getrunken, es habe oft Streit gegeben.
Mit etwa dreizehn Jahren habe der Kläger Magenprobleme bekommen. In der Kinderklinik in O. seien Magenschwüre festgestellt
worden. Die Ursache hierfür sei nicht gefunden worden. Von ihrem Stiefvater, dem Großvater des Klägers, habe er nur wenig
berichtet. Er habe erwähnt, er und andere Kinder seien von mehreren Männern missbraucht worden. Sie könne das nicht verstehen,
ihr sei nichts aufgefallen. Ihr Stiefvater sei Alkoholiker gewesen.
S. W. hat geäußert, als der Kläger ihr vor einigen Jahren am Telefon mitgeteilt habe, ihr Vater und Großvater hätten ihn missbraucht,
sei sie sehr schockiert gewesen. Sie sei ganz tief in sich gegangen, es seien aber keine Erinnerungen hochgekommen. Der Kläger
habe ihr erzählt, der Missbrauch habe immer dann stattgefunden, wenn ihr Vater mit ihm alleine gewesen sei. Aus heutiger Sicht
denke sie, er habe sich das Leben aus Angst davor genommen, dass alles Schreckliche, was er getan habe, herauskomme. Über
den Großvater könne sie nicht viel sagen, nur, dass sie ihn nicht gemocht habe, weil er fast immer nach Alkohol gerochen habe.
T. F. hat unter Bezugnahme auf sein Geburtsjahr 1973 kundgetan, sich an den Großvater nicht erinnern zu können. An Geschehnisse
zwischen dem Kläger und dem Vater habe er ebenfalls keine Erinnerungen. G. B. hat angeführt, keine aussagefähige Mitteilung
machen zu können. E. S. hat Bezug genommen auf einen Konfirmanden mit dem Namen J. F., an den er sich erinnere. In jenem Jahrgang
habe er damals um die 100 Konfirmanden gehabt. Er wisse nichts von irgendwelchen Vorkommnissen im Zusammenhang mit einem sexuellen
Missbrauch. Nach der Konfirmation sei dieser J. F. kirchlich nicht in Erscheinung getreten und sei ihm nicht aufgefallen.
Er denke, es handele sich um die Familie, deren Vater er beerdigt habe. Er habe auch zwei seiner jüngeren Geschwister konfirmiert
und die Schwester getraut.
Nach dem weiteren stationären Aufenthalt des Klägers in der Fachklinik für Psychosomatische Medizin der Klinik am W. vom 17.
Dezember 2013 bis 11. März 2014 hat die Stationsärztin M. eine dissoziative Identitätsstörung (ICD-10 F44.81), eine komplexe
posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine Essstörung, nicht näher bezeichnet (ICD-10 F50.9), eine Abhängigkeit
von Benzodiazepin (ICD-10 F13.20), wobei der Kläger seit Sommer 2012 abstinent sei, eine Neurofibromatose Recklinghausen Typ
I (ICD-10 Q85.0) und eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits (ICD-10 H90) diagnostiziert. Es werde dringend eine qualifizierte
ambulante psychotherapeutische Behandlung wegen der dissoziativen Identitätsstörung empfohlen.
Das SG hat Prof. Dr. E., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums F., mit der Erstattung eines Gutachtens
beauftragt. Nach den ambulanten Untersuchungen des Klägers am 8. und 15. Mai 2012 hat er ausgeführt, dieser leide unter den
Symptomen einer Schizophrenie oder organischen schizophreniformen Störung, einer depressiven Episode sowie einer posttraumatischen
Belastungsstörung. Er habe über Albträume und wiedererlebe frühere Erlebnisse berichtet. Wenn diese tatsächlich nicht stattgefunden
hätten, handele es sich um Symptome einer Schizophrenie. Diese seien nach den Arztberichten zum Teil behandelt, aber nie gewürdigt
worden. Sie seien teilweise übersehen oder nicht wahrgenommen worden. Bei dieser Symptomatik sei die Diagnose einer multiplen
Persönlichkeits- oder Identitätsstörung mit Sicherheit eine Fehldiagnose. Eine posttraumatische Belastungsstörung festzustellen
sei nur sinnvoll, wenn der sexuelle Missbrauch nachzuweisen sei und keine Wahnerinnerung vorliege. Nur dann sei sie Folge
der sexuellen Übergriffe von 1967 bis 1986. Die anderen Symptome seien allerdings auch in diesem Fall nicht ursächlich darauf
zurückzuführen, zumindest unter dem Aspekt einer Verursachung im naturwissenschaftlichen Sinne.
Den Antrag des Klägers auf Anhörung von Prof. Dr. N. im Rahmen von §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das SG mit Beschluss vom 20. August 2014 abgelehnt. Das Beweisthema sei einer rein medizinischen Beurteilung nicht zugänglich. Die
Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Klägers sei eine ureigene Aufgabe des Gerichts. Die richterliche Überzeugungsbildung sei
nicht von einer aussagepsychologischen Ausbildung abhängig. Nicht entscheidungserheblich sei daher, dass sie als Psychologin
keine Ärztin im Sinne des §
109 Abs.
1 Satz 1
SGG sei oder ihren Wohnsitz im schweizerischen L. habe, weshalb der Kammer die Mittel der Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung
des Antragsrechts des Klägers nicht zur Verfügung stünden.
Im Rahmen der am 4. März 2015 anberaumten dreistündigen mündlichen Verhandlung hat das SG den Kläger gehört. Er habe 2002 angefangen, seiner jetzigen Ehefrau etwas zu erzählen. Dann sei es ins Rollen gekommen und
er habe sich geöffnet. Später habe er über das Internet eine Ärztin kennengelernt und 2005 sei ihm H. empfohlen worden. Mit
Dr. S. habe er ebenfalls gesprochen. Wie die anderen Kinder von damals geheißen hätten, wisse er nicht. Möglicherweise seien
sie wegen der Nähe von A. zur niederländischen Grenze von dort gekommen. Er wisse nur, dass eines der Mädchen U. geheißen
habe. Mittels der Printmedien und der sozialen Netzwerke habe er versucht, sie ausfindig zu machen, was nicht gelungen sei.
Die Personen mit den Masken habe er nicht an ihren Stimmen erkannt. Er würde allerdings deren Stöhnen und ihren Körpergeruch
wiedererkennen. Muttermale oder Narben könne er nicht zuordnen, einzig an die Geschlechtsteile könne er sich noch entsinnen.
Er fühle sich bedroht, weil er eine Schweigeverpflichtung mit Blut unterschrieben habe. Die Anzahl der verschiedenen Menschen
im Gerichtssaal sei für ihn grenzwertig, insbesondere die schwarzen Roben riefen eine negative Erinnerung in ihm hervor. Mit
seinem Bevollmächtigten habe er keine Probleme, er sei über den W. e. V. an ihn gelangt und vertraue ihm. Dr. S. kenne er
mittlerweile schon sieben Jahre. Im Übrigen habe er keine Männer als Freunde. Bei den ritualisierten Gewalthandlungen sei
es zu Massenvergewaltigungen gekommen. Die Opfer seien mit Blut vollgeschmiert worden. Wenn sie sich übergeben hätten, habe
das Erbrochene aufgegessen werden müssen. Sein Vater habe mehrfach versucht sich umzubringen. Einmal habe ihn seine Mutter
davon abgehalten, ein anderes Mal sei der Strick gerissen. Bei einer neuen Situation sei er in den Keller gegangen und habe
Pflanzenschutzmittel getrunken. Wenn er selbst nicht den Krankenwagen gerufen hätte, wäre er gestorben. Er habe dies getan
und ihn nicht sterben lassen, um sich nicht auf eine Stufe mit ihm zu stellen. Am Tag seiner Beerdigung sei er noch in stationärer
Behandlung gewesen. Gleichwohl habe er sich mit einer Sitzwache zum Friedhof fahren lassen, um sicherzugehen, dass er tot
sei, in dem Erdloch bleibe und nicht wieder herauskomme. Im Jahr sei es bestimmt zu einhundert Übergriffen und mehr gekommen.
Die Tatorte seien das Schlafzimmer, der Keller, die Hundehütte im Schuppen und ein Fabrikgelände gewesen. Bei den Gruppenvergewaltigungen
seien immer mehrere Kinder dabei gewesen, mindestens zwei und manchmal fünf. Die im Gerichtssaal beim SG anwesende J. S. ist als Zeugin vernommen worden. Nachdem sich der Kläger seiner Mutter offenbart habe, habe diese häufig
angerufen. Sie habe gebetsmühlenartig wiederholt, es gut sein zu lassen. Es seien alle tot. Diese Schweine, jetzt wisse sie,
warum er sich umgebracht habe. Als sie den Kläger kennengelernt habe, habe sie in L. gewohnt. Sie sei sich sicher, der Grund
dafür gewesen zu sein, dass er dorthin gezogen sei.
Die Klage ist durch Urteil abgewiesen worden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach
dem
OEG. Es stehe nicht entgegen, dass die geltend gemachten schädigenden Handlungen von 1967 bis 1986 im näheren sozialen Umfeld
geschehen sein sollen. Die behaupteten sexuellen Übergriffe seien jedoch nicht bewiesen. Weder habe der Kläger bei der Polizei
Anzeige erstattet noch habe er zeitnah anderen Personen von den Vorfällen erzählt. Eine ärztliche Untersuchung während der
Kinder- oder Jugendzeit sei deswegen nicht erfolgt. Aus keinem der vorliegenden medizinischen Unterlagen ergebe sich der Nachweis
für eine stattgehabte körperliche Misshandlung, etwa eine Verletzung im Genitalbereich. Den schriftlichen Zeugenaussagen seien
keine konkreten Anhaltspunkte für einen sexuellen Missbrauch zu entnehmen. Selbst bei Berücksichtigung des abgesenkten Beweismaßstabes
des Glaubhafterscheinens sei es nur möglich, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffes
geworden sei.
Gegen die seinem Bevollmächtigten am 10. April 2015 zugestellte Entscheidung hat dieser am 4. Mai 2015 Berufung beim Landessozialgericht
Baden-Württemberg eingelegt und hierzu den Bericht von Dr. S. von August 2016 für den Antrag auf Fortsetzung des dritten Teils
der geplanten stationären Psycho- und Intervalltherapie in der Fachklinik für Psychosomatische Medizin der Klinik am W. vorgelegt.
Der Kläger trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, eine aussagepsychologische Sachverständige hinzuzuziehen sei geboten,
da seine Einlassung das offenkundig einzige, das fragliche Geschehen belegende Beweismittel sei. Seine psychischen Erkrankungen
und deren Behandlungen seien als Einflussfaktoren insoweit zu berücksichtigen. Die aussagepsychologische Begutachtung könne
bestätigen, dass er sich auf Erlebtes beziehe. Die gegen die methodische Vorgehensweise nach der Nullhypothese vorgebrachten
Bedenken habe das Bundessozialgericht (BSG) nicht geteilt. Nach dem abgesenkten Beweismaßstab des Glaubhafterscheinens seien vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe
belegt. Seiner Erinnerung nach habe er seiner Mutter und seinem Bruder etwa 2005 einige Dinge des Erlittenen offenbart. Seine
Schwester könne bestätigten, dass sein Vater gewalttätig und dauernd betrunken gewesen sei. Zu den fürchterlichen Taten dürfte
sie aus eigenem Wissen zwar nichts schildern können, gleichwohl solle sie hierzu befragt werden. Nicht selten füge sich aus
einzelnen Mosaiken ein Bild zusammen. Gegenüber seiner jetzigen Ehefrau, welche sehr früh gemerkt habe, dass ihn etwas Fürchterliches
belaste, habe er sich offenbart. Seinem Jugendfreund G. B. hätten weder seine Charaktereigenschaften, insbesondere vom 15.
bis 22. Lebensjahr, noch die Gewalttätigkeiten in seiner Familie verborgen bleiben können. 2006 habe er ihm von den sexuellen
Übergriffen erzählt. Dem Pfarrer S. habe er ebenfalls von den Missbrauchshandlungen berichtet. Dieser habe ihn vor das Kreuz
Christi gezerrt und sich darüber empört, wie er so etwas von einer derart ehrbaren Familie behaupten könne. Die ihn unterrichtenden
Lehrkräfte, die er nicht konkret benennen könne, könnten mit Gewissheit bestätigen, dass er verhaltensauffällig gewesen sei.
Seine Großmutter mütterlicherseits sei mittlerweile verstorben.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts F. vom 4. März 2015 und des Bescheides vom 26. September 2012 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2013 den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenversorgung nach dem
Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz ab 1. März 2011 zu gewähren, hilfsweise H. F., B.; T. F., B.; J. S., L.; G. B., O. und E. S., Anschrift unbekannt, als Zeuginnen
und Zeugen dazu zu hören, dass er von 1967 bis 1986 von fünf Männern und einer Frau sexuell missbraucht und von seinem Großvater
und Vater vergewaltigt und misshandelt wurde sowie eine Gruppe von Satanisten um seinen Großvater ihn und andere Kinder quälten,
vergewaltigten, misshandelten und versuchten zu töten, ihnen Drogen verabreichten und Blut von Tieren, denen der Hals durchgeschnitten
wurde, zum Trinken gaben, weiter hilfsweise Prof. Dr. S. N., Fachpsychologin für Rechtspsychologie, Hochschule L., L. (Schweiz)
im Rahmen von §
109 Sozialgerichtsgesetz hierzu gutachtlich zu hören.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, das Begehren des Klägers führe nicht zum Erfolg.
Mit Beschluss vom 6. Februar 2017 ist das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers für das Berufungsverfahren durch den Senat
abgelehnt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen
und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung nach §
153 Abs.
4 Satz 1
SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter durch Beschluss, da die Berufsrichterin
und -richter des Senats dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist der Kläger mit
Schreiben vom 20. Februar 2017 darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 25/99 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 9, S. 27). Zuletzt ist ihm mit dem Schriftstück vom 16. März 2017 bedeutet worden, dass sich an
dieser Auffassung nichts geändert hat.
Die Berufung ist form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§
143, §
144 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist das Urteil des SG vom 4. März 2015, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1 und 4
SGG; vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 72 f.) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 26. September
2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2013 die Verurteilung des beklagten Sozialleistungsträgers zur
Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem
OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) verfolgt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für Leistungsklagen
grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/S., Kommentar zum
SGG, 12. Aufl. 2017, §
54 Rz. 34), ohne eine solche, derjenige der Entscheidung.
Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage unbegründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG), da er keine Leistung beanspruchen kann.
Rechtsgrundlage für den von ihm geltend gemachten Anspruch ist §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der
Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des
OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine
oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung
umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen,
welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind,
in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer
GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung
(vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).
Für einen Anspruch des Klägers auf Beschädigtenversorgung nach dem
OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, BSGE 113, 205 (208 ff.)):
Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person ("wer"), die im Geltungsbereich des
OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen
und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander
verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des
Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des
OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß §
10 Satz 2
OEG in Verbindung mit §
10a Abs.
1 Satz 1
OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung,
solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des
OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach §&8201;31 Abs.&8201;2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von
subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst
(vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und
verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des
OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden.
Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger
oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist,
wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das
Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des §
240 Strafgesetzbuch (
StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen
ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person
zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung
reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, SozR 4-3800, § 1 Nr. 21, Rz. 23 ff.).
In Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von §
176, §
176a StGB hat das BSG den Begriff des tätlichen Angriffes noch weiter verstanden. Danach kommt es nicht darauf an, welche innere Einstellung der
Täter zu dem Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden hat. Es ist allein entscheidend, dass die Begehensweise, also
eine sexuelle Handlung, eine Straftat war (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 28 m. w. N.). Auch der "gewaltlose" sexuelle Missbrauch eines Kindes kann demnach ein tätlicher
Angriff im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG sein (BSG, Urteile vom 18. Oktober 1995 - 9 RVg 4/93 -, BSGE 77, 7, (8 f.) und - 9 RVg 7/93 -, BSGE 77, 11 (13)). Diese erweiternde Auslegung des Begriffes des tätlichen Angriffs ist speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs
von Kindern aus Gründen des sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des
OEG geboten.
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das
OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen)
des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß §
6 Abs.
3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere
auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen
des Falles glaubhaft erscheinen.
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen.
Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit
ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128
Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen
Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles
nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die
volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang
spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang
(vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich
unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer
anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich.
Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen
hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht,
wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache
sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten
das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände
besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer
den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben
reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings
mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§
128 Abs.
1 Satz 1
SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche
Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten
für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2
SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R - SozR 4-7945 § 3 Nr. 1 Rz. 17).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem
OEG in Verbindung mit dem BVG wegen der behaupteten sexuellen Missbrauchs- und sonstigen Gewalthandlungen von 1967 bis 1986 durch den Stiefvater seiner
Mutter, seinen eigenen Vater und weitere Personen. Nicht erwiesen ist, dass es einen solchen tätlichen Angriff gegeben hat.
Vorliegend bedarf es des Vollbeweises eines schädigenden Vorganges und nicht lediglich seines Glaubhafterscheinens.
Nach § 15 Satz 1 KOVVfG sind die Angaben der Antragstellenden, welche sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen,
der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden der Antragstellenden
oder ihrer Hinterbliebenen verlorengegangen sind, soweit die Angaben nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Die
Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG ist auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9 RVg 3/89 -, BSGE 65, 123 (125)). Nach dem Sinn und Zweck des § 15 Satz 1 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können. Personen
etwa, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht (§
118 Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §§
383 ff.
Zivilprozessordnung -
ZPO) Gebrauch gemacht haben, sind dabei nicht als solche Zeugen anzusehen. Denn die Beweisnot des Opfers, auf die sich § 15 Satz 1 KOVVfG bezieht, ist in diesem Fall nicht geringer, als wenn Angreifende unerkannt geblieben oder flüchtig sind (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, juris, Rz. 41 m. w. N.). Ob Entsprechendes bezogen auf eine für die Tatbegehung in Betracht kommende Person gilt, die
eine schädigende Handlung bestreitet, und die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG damit auch zur Anwendung gelangt, wenn sich die Aussagen des Opfers und des den behaupteten schädigenden Vorgang bestreitenden
vermeintlichen Täters gegenüberstehen sowie Tatzeugen nicht vorhanden sind (BSG, a. a. O.), ist zweifelhaft (Bayerisches LSG, Urteil vom 30. April 2015 - L 15 VG 24/09 -, juris, Rz. 61; Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/16 -, juris, Rz. 72 f.). Es kann jedoch offenbleiben, ob § 15 Satz 1 KOVVfG in dieser Konstellation heranzuziehen ist, da der beschuldigte Großvater und der Vater des Klägers sich zum Tatvorwurf nie
äußerten sowie 1976 und 1986 verstarben. Weitere Tatpersonen konnte der Kläger nicht spezifisch benennen und ließen sich genauso
wenig ermitteln wie Tatzeugen. Die vom Kläger angebotenen Zeuginnen und Zeugen sind demgegenüber solche vom Hörensagen. Sie
sollen Angaben bekunden, die ihnen eine Person, vorliegend der Kläger, zu einem bestimmten Geschehen gemacht hat, ohne dass
sie dieses wie Tatzeugen selbst wahrgenommen haben.
Der Anwendungsbereich des § 15 Satz 1 KOVVfG ist in seinem Falle indes nicht eröffnet, da er zu den behaupteten schädigenden Vorgängen, also mit solchen im Zusammenhang
stehenden Tatsachen, aus eigener Erinnerung keine näheren Angaben machen kann (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 2006 - B 9a VS 1/05 R -, juris, Rz. 24; Bayerisches LSG, Urteil vom 12. April 2016 - L 15 VU 2/13 -, juris, Rz. 40; Urteile des Senats vom 21. April 2015 - L 6 VG 2096/13 -, juris, Rz. 42, vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 85 und vom 3. August 2017 - L 6 VU 4630/16 -, juris, Rz. 48). Auf nicht bewusst Erlebtes deutet die ernsthafte Möglichkeit suggestiver Einflüsse hin, insbesondere bei
intensiven Gesprächen, Befragungen und Nachforschungen durch andere Autoritätspersonen mit entsprechenden Voreinstellungen
und Erwartungen (vgl. Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. 2014, Rz. 324). Dabei besteht mitunter
das Bedürfnis, die massiven psychischen und körperlichen Beschwerden, welche über die Jahre hinweg aufgetreten sind, erklären
zu können (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. August 2015 - L 4 VG 5/13 -, juris, Rz. 28). Erstmals äußerte er sich mit der Zeugin S. einer anderen Person, nachdem er sie 2002 kennengelernt hatte.
Gemeinsam mit ihr tauschte er sich in Internetchats mit einer Reihe von Opfern von sexuellem Missbrauch und deren Angehörigen
aus, wie er sich Prof. Dr. B. mitteilte. Er fuhr zu Treffen in andere Städte. Vieles in seinem Leben drehte sich um das Missbrauchsthema,
wobei er danach oft sehr belastet war. Ausweislich des Berichtes von Dr. S. von Juli 2008, bei dem er sich ab März dieses
Jahres in einer traumatherapeutischen Behandlung befand, hatte der Kläger zuvor keinem Therapeuten umfassende Details der
Missbrauchshandlungen geschildert. Im Rahmen seiner narrativen Expositionstherapie kam es zum vermeintlichen Wiedererleben
der damaligen Situationen. Nach etwa sechs bis acht Expositionssitzungen, welche jeweils zwischen einer halben und einer dreiviertel
Stunde dauerten, erwähnte der Kläger, die Geschehnisse, welche er in den Einzelgesprächen angeführt habe, fügten sich langsam
zu einer Geschichte zusammen. Bei der narrativen Expositionstherapie, welche bei seelischen Erkrankungen infolge eines angenommenen
traumatischen Stresserlebens zur Anwendung kommt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Februar 2014 - 5 - 3 StE 4/10 - 4 - 3/10 -, juris, Rz. 465), erstellen die Betroffenen im dialogischen Kontakt mit dem Therapeuten, unterstützt durch eine
empathische Verbalisierung, eine detaillierte und konsistente Erzählung ihrer Lebensereignisse. Hierin liegt die aktive Komponente
der Suggestion (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rz. 27). Da die dabei vorgenommene Abwendung von der äußeren Realität
und das Horchen nach innen über ein nicht auf eine Kommunikation ausgerichtet erscheinendes Verhalten hinaus sogar zu einem
dissoziativen führen kann (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, a. a. O., Rz. 31), erbringen die Erhebungen zu einer Trennung normalerweise
zusammenhängender Wahrnehmungen durch die Dipl.-Psychologin P., Prof. Dr. B., Dr. F., Dr. S. sowie Dr. G. und die Stationsärztin
M. keinen weiteren Aufschluss zu bewusst Erlebtem. Aufgrund der von Dr. S. angewandten Therapie können jedenfalls tatsächliche
Erinnerungen nicht mehr zuverlässig von subjektiv als solche betrachtete unterschieden werden. Es besteht sowohl die Möglichkeit,
dass bis dahin abgespaltene Erinnerungen an traumatische Vorfälle in der Therapie auf- und damit wiederentdeckt worden sind,
als auch die Möglichkeit, dass es sich bei den aufgetretenen Sinneseindrücken um Folgen einer Gedächtnistäuschung oder Suggestion
(False-Memory) gehandelt hat (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 23. September 2014 - L 2 VG 25/12 -, juris, Rz. 47; Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 90), wobei Letzteres wahrscheinlicher ist (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2016 - L 15 VG 30/09 -, juris, Rz. 82 f.). Soweit es ihm nicht immer gelingt, sämtliche Vorgänge zeitlich richtig darzustellen, wie sich der Kläger
im Verwaltungsverfahren eingelassen hat, mag dies daran liegen, dass sich die Gedächtnisleistungen nicht auf bewusst Erlebtes
beziehen.
Zweifel an einer eigenen Erinnerung bestehen zudem aufgrund der Genese der Einlassungen. Generell gilt, dass eher von einer
- objektiv zutreffenden - Erinnerung auszugehen ist, wenn die Schilderungen über einen längeren Zeitraum konstant bleiben,
während Geschehensabläufe, die sich nicht zugetragen haben, an die aber subjektiv ein Gedächtnisinhalt besteht, im Laufe der
Zeit eher ausufernd beschrieben werden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O., Rz. 28; Urteil des
Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 90; Rademacker, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, Kommentar, 2012, §
1 OEG Rz. 49 m. w. N.; generell zur Konsistenz mit früheren Aussagen auch Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Aufl. 1994,
Rz. 1101). Äußerte der Kläger im Herbst 2005 bei der Dipl.-Psychologin P. noch, im Alter von zehn bis vierzehn Jahren sexuelle
Gewalt durch seinen Vater und Großvater erfahren zu haben, führte er gegenüber Dr. F. nach dessen Entlassungsbericht über
die stationäre Behandlung im ZfP E. bis Anfang März 2008 an, im Alter zwischen acht und fünfzehn Jahren von mindestens zwei
Tätern sexuell missbraucht worden zu sein. Bei der Antragstellung im März 2011 bekundete er dem Beklagten ausweitend, die
Missbrauchshandlungen hätten bereits im Alter von vier Jahren begonnen und bis 1986 angedauert. Im Frühjahr 2011 bezeichnete
der Kläger als Tatort nur einen Schuppen, welchen er im Folgemonat als Lokschuppen präzisierte. In der mündlichen Verhandlung
beim SG nahezu vier Jahre später dehnte er die Lokalitäten auf das Schlafzimmer, den Keller und die Hundehütte im Schuppen aus. Statt
eines Lokschuppens gab er nun ein Fabrikgelände an. Anfangs ging er von Vergewaltigungen von bis zu drei Personen an ihm und
maximal zwei weiteren Kindern aus. Im März 2015 sollen Massenvergewaltigungen immer an mehreren Kindern vorgenommen worden
sein, mindestens zwei und manchmal fünf. Zunächst konnte er sich an keinen Namen erinnern, später fiel ihm ein, dass ein Mädchen
U. geheißen haben soll. Im Frühjahr 2011 führte der Kläger an, er habe oft aus einem Napf essen müssen. Er habe angefangen
zu kotzen, ihm sei ganz schlecht geworden. In der mündlichen Verhandlung beim SG tat er steigernd kund, Erbrochenes habe aufgegessen werden müssen. Im Verwaltungsverfahren äußerte der Kläger, mit dem Tierblut
sei auf seinem Leib und den Körpern der beiden anderen kleinen Kinder gemalt worden. Im gerichtlichen Verfahren bedeutete
er, dass sie damit vollgeschmiert worden seien. Zudem habe er eine Schweigeverpflichtung mit Blut unterschrieben. Die Geschehnisse
im Zusammenhang mit den angeschuldigten sexuellen Missbrauchshandlungen sind folglich mit immer weiteren Details angereichert
und aufgebauscht worden.
Weitere Ermittlungen von Amts wegen (§
103 Satz 1
SGG), etwa ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten einzuholen, waren insoweit unabhängig davon, ob der in der mündlichen
Verhandlung beim SG gehörte Kläger überhaupt über die erforderliche Aussagetüchtigkeit verfügt, nicht durchzuführen. Die Beurteilung, ob auf
ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben zutreffen, also einem tatsächlichen Erleben der äußernden Person entsprechen, gehört
zu den ureigenen Aufgaben einer Tatrichterin und eines Tatrichters (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 9 V 3/15 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 23, Rz. 41). Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger vorgenommen Einlassungen durch eine psychische
Erkrankung oder deren Behandlung beeinflusst gewesen sein könnten, wie er gemutmaßt hat, stellten sich nach den medizinischen
Befundberichten nicht. Demgegenüber ist eine nicht pathologische Erinnerungsfälschung eingetreten (vgl. Urteil des Senats
vom 9. November 2017 - L 6 VG 2118/17 -, juris, Rz. 46). Weder weist er sonstige Besonderheiten auf noch ist der Sachverhalt besonders gelagert, sondern im Opferentschädigungsrecht
eine durchaus typische Fallgestaltung. Der Beitrag von aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsgutachten zur Aufklärung ist
gerade in Fällen zweifelhaft, in denen in der Vergangenheit mit therapeutischer Unterstützung explizit Bemühungen unternommen
worden sind, sich an nicht zugängliche Erlebnisse zu erinnern oder in denen die Gedächtnisleistungen erst im Laufe wiederholter
Erinnerungsbemühungen erfolgten. Zu berücksichtigen ist, dass auch Personen, die einer Gedächtnistäuschung unterliegen, von
der Richtigkeit ihrer Erinnerung überzeugt sein können (Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 - L 6 VG 5048/15 -, juris, Rz. 64 m. w. N.). Der Kläger hat diese Erhebungen im Berufungsverfahren weiter hilfsweise im Rahmen von §
109 SGG verfolgt, was möglich ist, da die Ablehnung des Begehrens durch das SG nur für das erstinstanzliche Verfahren gilt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Mai 1991 - 5 RJ 32/90 -, SozR 3-1500 § 109 Nr. 1, S. 2). Der Hilfsbeweisantrag wurde indes abgelehnt, denn die benannte und im schweizerischen
L. tätige Prof. Dr. N. ist als Fachpsychologin für Rechtspsychologie keine Ärztin im Sinne des §
109 Abs.
1 Satz 1
SGG und scheidet bereits deshalb als Sachverständige aus (vgl. BSG, Beschluss vom 17. März 2010 - B 3 P 33/09 B -, juris, Rz. 12; Keller, a. a. O., § 109 Rz. 5).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat in Bezug auf den zu fordernden Vollbeweis für den schädigenden Vorgang
nicht zu der vollen Überzeugung gelangt, dass der beschuldigte Großvater des Klägers, sein Vater oder andere Personen an ihm
von 1967 bis 1986 sexuelle Missbrauchs- oder andere Gewalthandlungen vornahmen. Es besteht überdies nicht einmal die gute
Möglichkeit einer derartigen Einwirkung, was ein Glaubhafterscheinen verlangte. Der Kläger kann sich an sexuelle Missbrauchshandlungen
nicht erwiesenermaßen erinnern. Sein 1976 verstorbener Großvater und sein 1986 durch Suizid aus dem Leben geschiedener Vater,
die er nicht angezeigt hat, weshalb keine staatlichen Ermittlungen durchgeführt worden sind, auf deren Erhebungen hätte zurückgegriffen
werden können, haben sich hierzu nie geäußert. Weitere Personen konnte der Kläger nicht spezifizieren. Tatzeuginnen oder -zeugen
sind nicht vorhanden. In diese Richtung zielen zwar die vom Kläger formulierten Hilfsbeweisanträge, H. F., S. W., T. F., J.
S., G. B., und E. S. als Zeuginnen und Zeugen dazu zu hören, dass er von 1967 bis 1986 von fünf Männern und einer Frau sexuell
missbraucht und von seinem Großvater und Vater vergewaltigt und misshandelt wurde sowie eine Gruppe von Satanisten um seinen
Großvater ihn und andere Kinder quälten, vergewaltigten, misshandelten und versuchten zu töten, ihnen Drogen verabreichten
und Blut von Tieren, denen der Hals durchgeschnitten wurde, zum Trinken gaben. Er selbst hat jedoch eingeräumt, dass sie zu
den Taten aus eigenem Wissen nichts schildern können. Sie sollen befragt werden, da sich nicht selten aus einzelnen Mosaiken
ein Bild ergebe. Damit handelt es sich um unzulässige Ausforschungs- oder Beweisermittlungsanträge, die vom Senat abgelehnt
wurden. Sie als Zeuginnen und Zeugen vom Hörensagen, J. S. nach der erstinstanzlichen Anhörung zumal erneut, zu vernehmen,
musste sich der Senat von Amts wegen nicht gedrängt sehen. Die zu beweisenden Tatsachen sind aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos,
da hierdurch weder die Tathandlungen nachgewiesen wären noch belegt wäre, dass ihnen der Kläger bewusst Erlebtes berichtete.
Sexuelle Missbrauchshandlungen in der Kinder- und Jugendzeit sowie als junger Erwachsener lassen sich ferner, entgegen seiner
Annahme, nicht aus insbesondere psychischen Erkrankungen wie einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10-GM-2018 F43.1),
einer generalisierten Angststörung (ICD-10-GM-2018 F41.1), einer sozialen Phobie (ICD-10-GM-2018 F40.1), einer rezidivierenden
depressiven Störung (ICD-10-GM-2018 F33.-), einer dissoziativen Störung in Form einer nicht näher bezeichneten Konversionsstörung
(ICD-10-GM-2018 F44.9), einer multiplen Persönlichkeitsstörung (ICD-10-GM-2018 F44.81) oder einer Schizophrenie (ICD-10-GM-2018
F20.-), welche Dr. N., die Dipl.-Psychologin P., Prof. Dr. B., Dr. F., Dr. S., Dr. G. und der Sachverständige Prof. Dr. E.
diagnostiziert haben, und deren Therapienotwendigkeit ableiten (vgl. Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 92 m. w. N.), schon gar nicht in Bezug auf eine spezifische Person als möglichen Täter (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen,
Urteil vom 16. September 2011 - L 10 VG 26/07 -, juris, Rz. 31).
Die Angaben des Klägers waren überdies nicht hinreichend widerspruchsarm. Er will nach eigener Darlegung im Verwaltungsverfahren
nie einen Arzt aufgesucht haben, obwohl er jahrelang wiederholten langen, teilweise über sechs Stunden andauernden Vergewaltigungen
und schwersten Misshandlungen ausgesetzt gewesen sein soll. In der mündlichen Verhandlung beim SG hat er die Häufigkeit mit einhundert Übergriffen und mehr im Jahr beschrieben. Dr. G. berichtete er ausweislich des Entlassungsberichtes
über den stationären Aufenthalt von Ende Dezember 2011 bis Mitte März 2012, aufgrund anhaltender Bedrohungserlebnisse den
Wohnsitz von O. nach Baden-Württemberg verlegt zu haben. Zuvor hatte er Dr. F. demgegenüber angegeben, wegen der Zeugin S.
umgezogen zu sein, was diese bei ihrer Vernehmung beim SG bestätigte. Seinen bisher einzigen Suizidversuch will er mit dreizehn Jahren, also 1977 oder im Folgejahr, begangen haben,
wie er gegenüber Dr. G. kundtat. Das Vorhaben, sich zu strangulieren, sei gescheitert, weil der Strick gerissen sei. Demgegenüber
weisen die Berichte von Prof. Dr. F. und Dr. V. für Frühjahr 1986 in suizidaler Absicht vorgenommene Schnittwunden an der
rechten Hand und eine Überdosis von Tabletten aus. In der mündlichen Verhandlung beim SG ließ sich der Kläger dahingehend ein, aus einem stationären Aufenthalt heraus mit einer Sitzwache zur Beerdigung seines Vaters
gefahren zu sein, um sicherzugehen, dass er tot ist, in dem Erdloch bleibt und nicht wieder herauskommt. Damit nicht in Einklang
stehend hatte er Dr. W. ausweislich ihres Gutachtens von Dezember 1986 berichtet, der Tod seines Vaters habe bei ihm stärkste
Schuldgefühle mit eigenen Suizidtendenzen ausgelöst. Obwohl er angeblich Angst vor Männern hat und kaum ihre Nähe zulassen
kann, wie er im Verwaltungsverfahren anführte, beschrieb er die Missbrauchshandlungen nach der Zeugin S. erstmals detailliert
Dr. S. bereits 2008, welchen er erstmals im März dieses Jahres aufgesucht hatte. Es mag sein, dass er ihn mittlerweile mehrere
Jahre kennt, wie er in der mündlichen Verhandlung beim SG vorbrachte, dies erklärt das rasch gewonnene Vertrauen zu ihm bei der Furcht vor einem männlichen Gegenüber indes nicht.
Nicht zuletzt kommen nach seinen biografischen Erlebnissen mehrere weitere Ursachen für seine psychischen Krankheiten in Betracht,
welche nicht mit sexuellen Missbrauchs- und sonstigen Gewalthandlungen im Zusammenhang stehen, was der Senat insbesondere
dem schlüssigen Gutachten von Dr. W. von Dezember 1986 entnimmt, welches nach den stationären Aufenthalten des Klägers in
der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses A. vom 2. bis 13. Februar 1986 sowie in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik des H.-Krankenhauses des Klinikums E. vom 13. Februar bis 12. August, am 19. und 20. August sowie vom 10.
bis 17. November 1986 erstattet wurde. Es wurde eine Angstneurose bei neurotischer Persönlichkeitsentwicklung mit wechselnder
depressiv und angstbesetzter Stimmungslage sowie zwischenzeitlichem Alkoholmissbrauch bei sich zuspitzenden Konfliktlagen
festgestellt. Nach dem Hauptschulabschluss brach der Kläger zwei Ausbildungsverhältnisse als Fleischer und Kraftfahrzeugmechaniker
ab, weil er sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlte, was sich hauptsächlich auf ein ausgeprägtes Minderwertigkeitsgefühl
und ein mangelndes Durchsetzungsvermögen zurückführen ließ. Weitere Arbeitsversuche in einer Baumschule, einer Tätigkeit,
welcher auch seine Eltern nachgingen, und als Zeitschriftenwerber empfand er als sehr unbefriedigend. Anamnestisch ließ sich
erheben, dass er seit frühester Kindheit eine angstbesetzte Beziehung zu seinem Vater erlebte. Dieser beschimpfte ihn stets
als Versager und verprügelte ihn im alkoholisierten Zustand. In der Familie des Klägers herrschte stets eine Streitatmosphäre
mit häufigen Prügelstrafen. Seine Mutter litt in dieser Beziehung sehr und band ihn aus diesem Grund als ältesten Sohn nahezu
symbiotisch an sich. Hierdurch sowie durch die angstbesetzte und schuldbeladene Beziehung zu seinem Vater wurde er als ängstliches,
introvertiertes Kind während der Schulzeit zum Außenseiter. Er wurde gehänselt. Die Anforderungen im Schulalltag konnte er
wegen seines mangelnden Selbstwertgefühles nicht befriedigend bewältigen. In der Adoleszenzzeit kompensierte er seine Minderwertigkeitsgefühle
im Bekanntenkreis mittels Alkohol. Von den Freunden ließ er sich ausnehmen. Er hatte Angst vor Frauen und neigte zur Suizidalität.
Während eines stationären Aufenthaltes 1986 sah er in einer Mitpatientin eine Freundin. Diese Beziehung entwickelte sich für
beide indes bald zu einer instabilen Abhängigkeitspartnerschaft. In beruflicher Hinsicht versuchte er, sich im Sommer 1986
in der Jugendwerkstatt E. wieder an einen Arbeitsprozess zu gewöhnen. Diese Tätigkeit brach er jedoch nach knapp drei Wochen
ab, da er sich gegenüber den anderen Jugendlichen als nicht durchsetzungsfähig erlebte. Er verkraftete deren Hänseleien nicht.
Die Position als Außenseiter während der Schulzeit wurde erneut aktualisiert. Wie Prof. Dr. B. berichtete, wurde der stationäre
Aufenthalt in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit
in M. im Herbst 2006 nicht zuletzt deshalb erforderlich, da er darüber frustriert war, keine berufliche Tätigkeit zu finden,
welche ihm eine feste Tagesstruktur und eine Aufgabe vermittelt. Beeinträchtigt hatte ihn in diesem Zusammenhang Ende 2004
der Erhalt der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses als Lagerleiter in einem Unternehmen der Kosmetikbranche, wie er gegenüber
Dr. G. kundtat.
Für eine Beschädigtengrundrente wie auch sonstige Versorgungsleistungen (§
1 Abs.
1 Satz 1
OEG i. V. m. § 9 Abs. 1 BVG) fehlt es daher bereits an einem tätlichen Angriff als jeweilige Anspruchsvoraussetzung, ohne dass es noch auf eine gesundheitliche
Schädigung und deren gesundheitliche oder wirtschaftliche Folgen ankommt. Es deutet aber alles darauf hin, dass der Kläger
an den Symptomen einer Schizophrenie leidet wie Prof. Dr. E. herausgearbeitet hat. Nur einer von vielen Aspekten, aber ein
bezeichnender ist, dass er nach wie vor übermäßig wachsam auf schwarze Personenkraftwagen mit der Zahlenkombination 666, welcher
im Rahmen des Okkultismus und der Zahlenmystik besondere Bedeutung beigemessen wird, auf den Autokennzeichen, insbesondere,
wenn sie aus Norddeutschland kämen, achtet, wie er gegenüber Dr. G. einräumte. Dahinstehen kann damit auch, ob die Voraussetzungen
des §
2 Abs.
2 OEG vorliegen, wonach Leistungen versagt werden können, wenn Geschädigte es unterlassen haben, das ihnen Mögliche zur Aufklärung
des Sachverhaltes und zur Verfolgung eines Täters beizutragen, insbesondere unverzüglich Anzeige bei einer für die Strafverfolgung
zuständigen Behörde zu erstatten. Ohnehin dürfte es sich hierbei um eine bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen auf
der Rechtsfolgenseite Ermessen eröffnende Norm (§
39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB I) handeln, welche den zuständigen Verwaltungsträger ermächtigt, "Leistungen" unabhängig davon zu versagen, ob ein Anspruch
nach dem sonstigen materiellen Recht hierauf besteht. Eine solche Regelung hat die Ausgangsbehörde mit dem Bescheid vom 26.
September 2012 indes nicht getroffen, weshalb keine von den Sozialgerichten insoweit überprüfbare Verwaltungsentscheidung
vorläge.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.