Anspruch auf Sozialhilfe; Anerkennung einer Teilnahme an einer Freizeitgruppe für behinderte Menschen als Leistung der Eingliederungshilfe;
Zumutbarkeit eines eigenen Kostenbeitrags
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) um die Übernahme von Kosten, die der Klägerin durch den Besuch einer vom Lebenshilfe Freiburg e.V., deren Rechtsnachfolgerin
die Beigeladene ist, angebotenen Freizeitgruppe in den Jahren 2006 und 2007 entstanden sind.
Die am 1975 in Kirgisistan geborene Klägerin leidet aufgrund eines Down-Syndroms an einer wesentlichen geistigen Behinderung
und ist seit April 2001 in Pflegestufe I eingestuft. Sie ist als schwerbehindert anerkannt mit einem Grad der Behinderung
von 100 und den Merkzeichen "G", "B" und "H". Seit 1. April 1999 ist sie im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte
Menschen tätig und erzielte in den Jahren 2006 und 2007 nach eigenen Angaben daraus monatliche Verdienste in Höhe von 95,-
€ bzw. 69,17 €. Über Vermögen verfügt sie nicht. Sie bezieht von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Bei der Bemessung dieser Leistung wurde das Einkommen aus der Beschäftigung in der Werkstatt für behinderte Menschen nach
Abzug von Freibeträgen in geringem Umfang (§ 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII) angerechnet.
Seit Anfang 2005 nahm die Klägerin an einer wöchentlichen vom Lebenshilfe e.V. angebotenen Freizeitgruppe von behinderten
und nichtbehinderten Erwachsenen in Freiburg teil. Es werden Aktivitäten im Innenbereich (z.B. Backen, Kochen, Kegeln) und
im Außenbereich (Minigolf, Eis essen in der Stadt, Ausflüge, Einkaufen) angeboten. Einen Antrag auf Übernahme der Kosten für
die Teilnahme an der Gruppe für das Jahr 2005 lehnte die Beklagte bindend ab (Bescheid vom 11. März 2005, Widerspruchsbescheid
vom 28. Juni 2005). In den Jahren 2006 und 2007 betrugen die der Klägerin entstandenen Kosten jeweils 276,- € jährlich. Zahlungen
leistete die Klägerin nicht. Die Beigeladene stundete die Forderungen. Anträge vom 24. Januar 2006 bzw. 30. Januar 2007, die
Kosten für 2006 bzw. 2007 zu übernehmen, lehnte die Beklagte mit zwei Bescheiden vom 16. Februar 2007 ab. Die Klägerin verfüge
über ausreichende finanzielle Mittel aus der Regelleistung, dem Mehrbedarf, der wegen Behinderung gewährt werde, und den Einkünften
aus der Tätigkeit in der Werkstatt für behinderte Menschen, so dass sie die Kosten selbst tragen könne. Die Ablehnung sei
auch angemessen. Das Interesse der Öffentlichkeit, dass öffentliche Mittel sparsam verwendet würden, überwiege das Interesse
der Klägerin, durch die Kosten an der Freizeitgruppe nicht belastet zu werden. Eine übermäßige Belastung der Klägerin liege
nicht vor.
Nach erfolglosen Widersprüchen (Widerspruchsbescheid vom 2. April 2007, zugestellt am 10. April 2007) hat die Klägerin am
10. Mai 2007 zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Die Freizeitgruppe sei erforderlich, um Begegnung und Umgang mit nichtbehinderten Menschen zu ermöglichen.
Sie könne dadurch Aktivitäten nachgehen, die ihr sonst ohne Begleitung nicht möglich seien. Aufgrund ihres Alters sei sie
auch berechtigt, Aktivitäten ohne Begleitung ihrer Mutter nachzugehen. Sie sei nicht in der Lage, die Kosten zu tragen. In
der Freizeitgruppe würden verschiedene Aktivitäten durchgeführt. So würden zusammen Filme angeschaut und dann darüber Gesprächsgruppen
gebildet, es würde auch viel gespielt werden. Die Teilnehmer seien überwiegend Erwachsene mit Trisomie 21 sowie psychisch
behinderte Erwachsene. Manchmal würden auch Nichtbehinderte teilnehmen, dies seien meist Angehörige. Es würden vorwiegend
Aktivitäten im Außenbereich verfolgt und es komme regelmäßig zu Kontakt mit nichtbehinderten Personen, auch Nicht-Angehörigen.
Die Klägerin hat im Klageverfahren die Programme der Freizeitgruppe für März bis Juni 2008 und September bis Dezember 2008
vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2009 hat das SG der Klage nur bezüglich eines im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlichen Lesekurses (jährliche Kosten 215,-
€) stattgegeben, die Klage bezüglich der Kostenübernahme für die Freizeitgruppe jedoch abgewiesen. Eine Entscheidung über
die Zulassung der Berufung hat das SG nicht getroffen. Es handele sich bei der vom Lebenshilfe e.V. im Rahmen der "Offenen Hilfe" angebotenen Freizeitgestaltung
nicht um eine Hilfe zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen. Nach den vorgelegten Programmen
und auch nach dem Vortrag der Klägerin finde keine bewusst ausgestaltete Begegnung mit nichtbehinderten Menschen statt. Soweit
nichtbehinderte Menschen teilnähmen, handele es sich regelmäßig um Angehörige der behinderten Teilnehmer. Die Freizeitgruppe
stelle auch keine Hilfe zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit dienten, dar. Vielmehr - und
dies sei auch das Selbstverständnis der Lebenshilfe e.V. - handele es sich bei den gemeinsamen Aktivitäten um eine Selbsthilfeorganisation
behinderter Menschen und ihrer Familien.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Der Senat hat die
Berufung mit Beschluss vom 31. März 2010 zugelassen.
Die Klägerin trägt vor, sie habe Anspruch auf Kostenübernahme gemäß § 42 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 28 SGB XII. Behinderten Personen sollten danach Hilfen zur Teilnahme am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, vor allem Hilfen zur
Förderung und zur Begegnung des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen, gewährt werden. Diese Hilfen umfassten ausdrücklich
auch den Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder dem Zusammentreffen dienten.
§
58 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IX) sehe ausdrücklich auch die Hilfe zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben vor. Dabei könne auch ein bloßer
geselliger Charakter ausreichend sein.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Mai 2009 abzuändern, die Bescheide der Beklagten vom 16. Februar 2007
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2007 aufzuheben, soweit darin eine Übernahme der Kosten für den Besuch
der Freizeitgruppe beim Lebenshilfe e.V. in den Jahren 2006 und 2007 abgelehnt wurde, und die Beklagte zu verurteilen, die
der Klägerin entstandenen Kosten für den Besuch der Freizeitgruppe beim Lebenshilfe e.V. in den Jahren 2006 und 2007 zu übernehmen
und insoweit 552,00 € an die Beigeladene zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte
der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. August 2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Zulässigkeit der Berufung steht aufgrund ihrer Zulassung fest (§
145 Abs.
5 Satz 1
SGG; vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
145 Rdnr. 11).
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein das zulässig mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage
(§
54 Abs.
1 und 4
SGG) verfolgte Begehren der Klägerin, die Beklagte zur Übernahme der Kosten für die Teilnahme an der Freizeitgruppe des Lebenshilfe
e.V. Freiburg für die Jahre 2006 und 2007 zu verurteilen. Nur für die Jahre 2006 und 2007 ist mit den angefochtenen Bescheiden
vom 16. Februar 2007 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2007) eine Verwaltungsentscheidung getroffen
worden. Entsprechend hat das SG nur in diesem Umfang mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid eine Entscheidung getroffen. Nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits
ist zudem die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Kostenübernahme für einen Lesekurs hat. Die dahingehende der Klage stattgebende
Entscheidung des SG ist von der Beklagten nicht angefochten worden und daher rechtskräftig (§
141 Abs.
1 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme der Kosten (Schuldbeitritt mit Drittwirkung - vgl.
nur Bundessozialgericht <BSG>, Urteile vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R -, SozR 4-1500 § 75 Nr. 9 und vom 22. März 2012
- B 8 SO 1/11 R - <[...]>) für die Teilnahme an der Freizeitgruppe des Lebenshilfe e.V. Freiburg für die Jahre 2006 und 2007.
Das SG hat die dahingehende Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 16. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 2. April 2007 sind (soweit sie nach der Teilaufhebung durch das SG noch Bestand hatten) rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Kostenübernahme der von der Klägerin noch nicht gezahlten und durch die Beigeladene gestundeten Aufwendungen
durch die zuständige (§ 97 Abs. 1, § 98 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 Ausführungsgesetz Baden-Württemberg zum SGB XII vom 1. Juli 2004 - GBl. S. 469) Beklagte ist § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Danach erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach
Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
§ 53 Abs. 1 SGB XII setzt dabei keine förmliche Feststellung der Behinderteneigenschaft voraus, wobei aber einen Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen
nur diejenigen behinderten Menschen haben, bei denen die Fähigkeit zur Teilhabe wesentlich beeinträchtigt ist. Bei Personen
mit anderen Behinderungen liegt die Leistungsgewährung gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII im Ermessen des Sozialhilfeträgers (BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 - B 11b AS 19/07 R- SozR 4-3500 § 54 Nr. 1; ferner Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R - <[...]>). Die Klägerin gehört aufgrund ihrer
geistigen Behinderung zu den nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII leistungsberechtigten Personen mit Anspruch auf eine Pflichtleistung, was zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten
ist.
Welche Leistungen im Wege der Eingliederungshilfe zu erbringen sind, ist in § 54 SGB XII geregelt. Rechtsgrundlagen für das konkrete Begehren der Klägerin sind dabei § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. §
55 Abs.
2 Nr.
7 SGB IX und §
58 SGB IX. Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören zu den Leistungen der Eingliederungshilfe u. a. die Leistungen nach §
55 SGB IX. Danach werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen
die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen
und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden (§
55 Abs.
1 SGB IX). Nach §
55 Abs.
2 Nr.
7 SGB IX sind Leistungen nach Absatz
1 insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Diese Hilfen werden wiederum in §
58 SGB IX konkretisiert. Danach umfassen diese Hilfen vor allem
1.
Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen,
2.
Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken
dienen,
3.
die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die der Unterrichtung über das Zeitgeschehen oder über kulturelle Ereignisse dienen,
wenn wegen Art oder Schwere der Behinderung anders eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht oder unzureichend möglich
ist.
Der Begriff "Förderung" der Begegnung in §
58 Nr. 1
SGB IX ist weit gefasst. In Betracht kommen sächliche und persönliche Hilfen, vor allem technische Hilfsmittel zur Senkung der Kommunikationsbarrieren
wie Telefon und Internet, ferner die Vermittlung gesellschaftlicher Kontakte, Unterstützungsleistungen beim Besuch von Veranstaltungen,
zur Teilnahme am Vereinsleben und Volkshochschulkursen, auch die gemeinsame Betreuung von behinderten und nichtbehinderten
Kindern (Luthe in jurisPK-
SGB IX, §
58 Rdnr. 16 m.w.N.). §
58 Nr. 2
SGB IX ist eher auf Assistenzleistungen ausgerichtet, die die Erreichbarkeit und den Besuch von Veranstaltungen ermöglichen, wie
etwa Transport und Begleitung. Die Vorschrift umfasst aber auch die Übernahme von Eintritts- und Fahrtkosten zum Besuch von
Veranstaltungen, in Einzelfällen auch die Hilfe für ein Kraftfahrzeug (bspw. Rollstuhllift oder Bremshilfen), wenn die Benutzung
öffentlicher Verkehrsmittel nicht in Betracht kommt (Luthe, a.a.O., m.w.N., Rdnr. 17).
Die Teilnahme der Klägerin an der Freizeitgruppe erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des §
58 SGB IX und ist im Wesentlichen unter Nr. 2, teilweise auch unter Nr. 1 zu subsumieren. Es werden Aktivitäten im Innenbereich (z.B.
Backen, Kochen, Kegeln, Film- und Spielenachmittage) und im Außenbereich (z.B. Minigolf, Eis essen in der Stadt, Ausflüge,
Einkaufen von Zutaten für das Kochen) angeboten, wobei der Schwerpunkt der Außenaktivitäten in der warmen Jahreszeit liegt.
Der Senat entnimmt dies dem von der Klägerin vorgelegten Programm für den Zeitraum von März bis Dezember 2008 und den Angaben
der Mutter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung. Daraus ergibt sich zunächst, dass die Außenaktivitäten der Gruppe regelhaft
zu Kontakten mit nichtbehinderten Menschen führen und dabei auch zur sozialen Integration der Klägerin beitragen, entweder,
weil ohnehin auch nichtbehinderte Menschen die Angebote nutzen (z. B. Herbstmesse, Weihnachtsmarkt) oder weil die Mitglieder
der Freizeitgruppe mit Verkaufs-, Verwaltungs- oder Aufsichtspersonal in Kontakt kommen (Eis essen, Minigolf). Die Außenaktivitäten
dienen damit - wie von §
58 Nr. 1
SGB IX vorausgesetzt - der Begegnung und dem Umgang mit nichtbehinderten Menschen. Nach den Feststellungen des Senates in der mündlichen
Verhandlung steht zudem fest, dass an der Freizeitgruppe neben den behinderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern - anders als
das SG dies noch zu Grunde gelegt hat - in erheblichem Umfang nichtbehinderte Menschen, nämlich ehrenamtliche Mitglieder teilnehmen,
die von der Beigeladenen angeworben werden und für ihr Mitwirken eine Aufwandsentschädigung erhalten. Diese für den Senat
überzeugenden Informationen beruhen auf der eingehenden Darstellung der Vertreterin der Beigeladenen, der Sozialpädagogin
Himmelspach, denen auch von Seiten der Beklagten nicht widersprochen wurde. Die Innenaktivitäten der Freizeitgruppe erfüllen
damit die Voraussetzungen des §
58 Nr. 2
SGB IX. Die Freizeitgruppe ist insoweit eine Einrichtung, die der Klägerin zur Teilhabe an Geselligkeit und Unterhaltung (Feiern,
Spielen) bzw. Kultur (Filme ansehen) verhilft. Dies reicht zur Überzeugung des Senates zur Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
aus. Denn der Zweck der gesetzlichen Regelung, nämlich die Verwirklichung der Teilhabe des behinderten Menschen an der Gemeinschaft
(vgl. §
55 Abs.
1 und Abs.
2 Nr.
7 SGB IX), wird nicht nur dann erreicht, wenn eine Assistenzleistung zum Erreichen einer Veranstaltung, die der Geselligkeit, Unterhaltung
oder Kultur dient, erbracht wird, sondern bereits dann, wenn die soziale Teilhabe durch die Teilnahme an einer "Teilhabegruppe"
selbst bewirkt wird. Dies reicht im Rahmen des §
55 Abs.
1 und Abs.
2 Nr.
7 SGB IX i.V.m. §
58 SGB IX aufgrund des Gesetzeszwecks aus, zumal das Gesetz die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben nicht
abschließend aufzählt (vgl. §
58, 1. Halbsatz
SGB IX, "vor allem").
Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XII besteht ein Anspruch nur auf solche Leistungen, die geeignet sind, die Aufgabe der Eingliederungshilfe im Einzelfall zu erreichen
(vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R - a.a.O., Rdnrn. 20 ff; Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 9. Auflage, § 53 Rdnr. 20; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage, § 53 Rdnr. 31). Der Senat sieht die Teilnahme an der Freizeitgruppe auch als geeignet und erforderlich für die Teilhabe der Klägerin
am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben an. Denn die Klägerin hat nach den dargestellten rechtlichen Regelungen grundsätzlich
einen Anspruch auf Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Aufgrund der Schwere ihrer Behinderung (vgl. auch
den Entwicklungsbericht der Caritas-Werkstätten St. Georg, Freiburg im Breisgau, vom 7. Februar 2007 - Bl. 365 - 369 der Verwaltungsakte
-) benötigt sie für die Inanspruchnahme der Teilhabe Unterstützungsleistungen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund,
dass die Klägerin, die in Kirgisistan geboren und erst im Alter von 21 Jahren nach Deutschland gekommen ist, noch immer über
erhebliche Sprach- und Verständigungsprobleme verfügt (vgl. Entwicklungsbericht der Caritas-Werkstätten St. Georg vom 7. Februar
2007, a.a.O.). Der Senat hat angesichts des von der Klägerin vorgelegten Programms der Freizeitgruppe und des Konzepts der
vom Lebenshilfe e.V. Freiburg angebotenen so genannten Offenen Hilfen (vgl. Internet: www.lebenshilfe-breisgau.de) sowie nach
den Angaben der Mutter der Klägerin und der Sozialpädagogin Himmelspach in der mündlichen Verhandlung keinen Zweifel, dass
im Rahmen der Freizeitgruppe die von der Klägerin benötigten Hilfen für die Erlangung der Teilhabeleistungen geeignet sind.
Die Teilnahme an der Freizeitgruppe ist für die soziale Teilhabe der Klägerin auch erforderlich. Denn die Klägerin kann sich
den sozialen Teilhabeanspruch ohne Unterstützungsleistungen nicht beschaffen; der Einsatz ihrer Mutter allein deckt nicht
ihren Bedarf, weil die Klägerin als erwachsene Frau und zur Förderung ihrer Selbstständigkeit (auch) auf Kontakte angewiesen
ist, die außerhalb der mütterlichen Betreuung erfolgen.
Auf die streitgegenständlichen Leistungen für die Jahre 2006 und 2007 hatte die Klägerin einen Rechtsanspruch. Hinsichtlich
der Auswahl der Leistung, die grundsätzlich einem Ermessensspielraum unterliegt (vgl. z.B. Bieritz-Harder, a.a.O., § 54 Rdnr.
69), geht der Senat von einer Ermessensreduzierung auf Null aus. Eine Alternative zu der begehrten Maßnahme hat die Beklagte
nicht benannt und eine solche ist auch nicht ersichtlich. In Bezug auf den Anspruch auf Kostenübernahme für die Teilnahme
an der Freizeitgruppe in den Jahren 2006 und 2007 verbleibt der Beklagten ohnehin kein Ermessenspielraum, weil die Klägerin
nach der rechtswidrigen Ablehnung berechtigt war, sich die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 10/09 R - SozR 4-4200 § 23 Nr. 10; Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 17 Rdnr. 9). Die Klägerin musste die Entscheidung über
Art und Maß der Hilfe selbst vornehmen. Dies schränkt das Ermessen der Beklagten ein (vgl. z. B. Bundesverwaltungsgericht
<BVerwG>, BVerwGE 111, 328; Grube, a.a.O., Rdnr. 30).
Die durch die Teilnahme an der Freizeitgruppe entstehenden Kosten rechtfertigen auch den Einsatz öffentlicher Mittel der Sozialhilfe.
Im Sozialhilferecht ist aufgrund des Nachrangprinzips (§ 2 SGB XII) seit Langem anerkannt, dass Maßnahmen der Eingliederungshilfe, die die Folgen einer Behinderung nicht beseitigen, sondern
nur mildern, als sozialhilferechtlicher Bedarf nur anerkannt werden können, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zu dem
erreichbaren Erfolg stehen (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1992, BVerwGE 91, 114; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 24. März 2009 - 12 B 06.2837 - <[...]>; BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr. 3 für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende; anderer Ansicht: Bieritz-Harder, a.a.O.,
§ 54 Rdnr. 70). Angesichts der relativ geringen Kosten (276,- € jährlich) und der Erforderlichkeit der Hilfen für die Teilhabe
der Klägerin sieht der Senat den sozialhilferechtlichen Aufwand als verhältnismäßig und angemessen an.
Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstand, dass
die Beklagte die Sachkosten der familienentlastenden Dienste der Beigeladenen in den streitgegenständlichen Jahren zuschussweise
in Höhe von jeweils 3.040,00 € gefördert hat (vgl. die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bescheide vom 8. August 2006
und 3. Juli 2007). Denn diese institutionelle Förderung berührt weder das zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehende
zivilrechtliche Rechtsverhältnis, das die Klägerin verpflichtet, den Kostenbeitrag für die Teilnahme an der Freizeitgruppe
zu tragen (so genanntes Erfüllungsverhältnis) noch das öffentlich-rechtliche Leistungsverhältnis zwischen der Klägerin und
der Beklagten noch den daraus resultierenden Anspruch auf Schuldmitübernahme (Schuldbeitritt) mit Drittwirkung (zum sozialhilferechtlichen
Dreiecksverhältnis vgl. nur BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008, a.a.O.; Jaritz/Eicher in jurisPK, § 75 Rdnr. 24 ff). Für den hier strittigen Anspruch kommt
es allein auf diese Rechtsbeziehungen an. Dass eine wirksame zivilrechtliche Zahlungsverpflichtung der Klägerin gegenüber
der Beigeladenen vorliegt, haben die von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben bestätigt. Danach
musste die Klägerin im Hinblick auf den laufenden Prozess und die damit verbundene Stundung inzwischen den Verzicht auf die
Einrede der Verjährung erklären. Die Vertreterin der Beigeladenen hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass die weiteren Teilnehmer
an der Gruppe regelmäßig den Kostenbeitrag entrichten. Falls die Beklagte wegen der von ihr bewilligten institutionellen Förderung
der Auffassung sein sollte, die Beigeladene sei im Rahmen der so genannten Offenen Hilfen (familienentlastenden Dienste) nicht
berechtigt, einen Kostenbeitrag von den Teilnehmern zu erheben, ist dies ein Umstand, der allein auf der Ebene der Förderungsfähigkeit
bzw. Förderungshöhe eine Rolle spielen kann. Den völlig unabhängig davon zu sehenden Individualanspruch der Klägerin auf Leistungen
der Eingliederungshilfe nach den §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kann dies nicht berühren.
Die Klägerin muss zur Deckung des strittigen Bedarfs an Eingliederungshilfe nicht auf eigene Einkünfte oder Vermögen zurückgreifen.
Über einzusetzendes Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII verfügt die Klägerin nicht. Die für die Eingliederungshilfe maßgebende Einkommensgrenze (§ 85 Abs. 1 SGB XII) ist nicht überschritten, was angesichts des Bezugs von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie
der geringfügigen Einkünfte aus der Tätigkeit in der Werkstatt für behinderte Menschen keiner näheren Darlegung bedarf.
Der Klägerin ist die Aufbringung der Mittel auch nicht aus ihren eigenen geringen Einkünften zuzumuten. Die Beklagte beruft
sich in den angefochtenen Bescheiden vom 16. Februar 2007 und im Widerspruchsbescheid vom 2. April 2007 darauf, dass die Klägerin
die notwendigen Mittel für den Besuch der Freizeitgruppe aus der Regelleistung, dem gewährten Mehrbedarf und dem Arbeitsverdienst
aus der Tätigkeit in der Werkstatt für behinderte Menschen bestreiten könne. Dabei sind die Ausführungen der Beklagten offenkundig
nicht so zu verstehen, dass sie sich auf die Anwendung der Regelung des § 88 SGB XII beruft. Nach dieser Norm kann der Sozialhilfeträger verlangen, dass das Einkommen eingesetzt wird, auch soweit es unter der
Einkommensgrenze liegt, wenn (u.a.) zur Deckung des Bedarfs nur geringfügige Mittel erforderlich sind (§ 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII). Die Beklagte hat § 88 SGB XII in den Begründungen ihrer Bescheide nicht erwähnt und auch keine Ausführungen dazu gemacht, weshalb ein Ausnahmefall des
Einsatzes von Einkommen unter der Einkommensgrenze vorliegen solle bzw. welche Ermessenserwägungen hierfür angestellt worden
sind. Vielmehr hat sie die Auffassung vertreten, der Einsatz öffentlicher Mittel sei angesichts der geringen Belastung der
Klägerin nicht gerechtfertigt. Der Senat kann diese Auffassung nicht teilen.
Ein Bagatellfall, bei dem von unangemessenem Einsatz öffentlicher Mittel ausgegangen werden oder der die Anwendung von § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Die monatlichen Kosten für die Teilnahme an der Freizeitgruppe belaufen sich auf 23,-
€. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides vom 6. Mai 2009 überzeugende und zutreffende Ausführungen dazu gemacht,
weshalb es der Klägerin nicht zumutbar ist, die Kosten für den Lesekurs, welche sich auf monatlich 17,92 € belaufen, aus ihren
Einkünften zu bestreiten (Seite 6 bis 8 des Gerichtsbescheides). Diese Ausführungen sind auf die Kosten für die Freizeitgruppe
übertragbar. Daher verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen darauf (§
153 Abs.
2 SGG). Ferner ist relevant, dass ein monatlicher Betrag von 23,- € für die Klägerin rund ein Drittel ihres aus der Tätigkeit in
der Werkstatt für behinderte Menschen (nach Einkommensanrechnung auf die Grundsicherungsleistungen) verbleibenden Einkommens
beträgt. Dieser Betrag ist schon in der Relation keine geringe Größe. Aber auch absolut gesehen, ist ein monatlich anfallender
Betrag von 23,- € für eine Sozialhilfeempfängerin kein geringfügiger Betrag. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat aus eigener Überzeugung anschließt, ist bei regelmäßig anfallenden monatlichen Kosten in Höhe von rund
20,- € unter dem Gesichtspunkt des Mitteleinsatzes die Bagatellgrenze jedenfalls überschritten (Urteile vom 19. August 2010,
a.a.O., Rdnr. 20 und vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 44/09 R - <[...]>).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt den Prozessausgang. Ein Kostenerstattungsrecht bzw. eine Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen ist
vor dem Hintergrund, dass diese einen eigenen Antrag nicht gestellt hat, nicht angemessen.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG), liegen nicht vor.