Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII; Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers; Betreuung eines erwachsenen behinderten Menschen in einer Pflegefamilie;
Bemessung des Betreuungsgeldes
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der bewilligten Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes
Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) in Form eines pauschalierten Betreuungsgeldes für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 streitig.
Die Klägerin wurde 1986 in S. in der ehemaligen DDR geboren. Mit "vorläufiger Verfügung" des Rates des Kreises S. (Referat
Jugendhilfe) vom 28. Mai 1986 wurde ihre sofortige Heimerziehung und der vorerst weitere Verbleib in der Klinik S. angeordnet.
Sie wurde am 9. September 1986 im Heim S. und am 2. Oktober 1989 in das Heim S. aufgenommen. Im Rahmen einer bundesweiten
Suche nach einer Pflegefamilie für die Klägerin wurde diese am 8. August 1996 in den Haushalt der Pflegefamilie R. und G.S.
in O. aufgenommen. Der Landkreis S. - Jugendamt - schloss mit R. und G. S. einen Pflege- und Erziehungsvertrag über die Dauerpflege
der Klägerin. Das Jugendamt verpflichtete sich, an die Pflegefamilie ein Pflegegeld sowie einen Erziehungsbeitrag zu zahlen,
die durch gesonderten Bescheid festgesetzt werden sollten. In dem Vertrag war geregelt, dass das Pflegeverhältnis ohne Kündigung
ende, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung öffentlicher Jugendhilfe nicht mehr vorliegen. Der Landkreis S. bzw. der
Landkreis S. gegen Kostenerstattung seitens des Landkreises S. (§§ 86 Abs. 6, 89a Abs. 1 Sozialgesetzbuch <SGB> Achtes Buch
<VIII> - Kinder- und Jugendhilfe - <SGB VIII>) erbrachten Jugendhilfeleistungen gem. §§ 35 a, 41 SGB VIII, insbesondere auch Leistungen zum Unterhalt der Klägerin nach § 39 SGB VIII bis zum 21. Mai 2007 (vgl. Bescheid des Beigeladenen vom 8. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober
2007), zuletzt einen Grundbedarfssatz in Höhe von 582,00 Euro, einen Betrag zur Alterssicherung in Höhe von 39,00 Euro und
für die Kosten der Erziehung 230,00 Euro zuzüglich eines erhöhten Erziehungszuschlages von 690,00 Euro.
Bei der Klägerin sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G" und "H" festgestellt. Nach einem Abschluss
der Sonderschule für geistig Behinderte besuchte die Klägerin von August 2004 bis August 2007 die hauswirtschaftliche Sonderberufsfachschule
S. Seit dem 5. September 2007 besuchte sie zunächst den Eingangs- und ab 5. Dezember 2007 den Berufsbildungsbereich einer
Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), ab 5. Dezember 2009 ist sie im Arbeitsbereich einer WfbM beschäftigt.
Bei der Klägerin liegt eine geistige Behinderung mit Einschränkung selbstständiger und selbstbestimmter Lebensführung und
eine seelische Behinderung aufgrund eines ausgeprägten Mangels an Selbstbewusstsein vor (Gutachten von Dr. C. vom 31. Mai
2007 und Dr. L. vom 31. Oktober 2008). Wegen ihrer geistigen Behinderung ist sie auf Dauer nur in der Lage, täglich weniger
als 3 Stunden (wöchentlich unter 15 Stunden) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein (Gutachten des Ärztlichen Dienstes
der Agentur für Arbeit S. vom 7. Mai 2009 Dr. G.). G.S. wurde u.a. in vermögensrechtlichen Angelegenheiten für die Klägerin
zum Betreuer bestellt (Bestellungsurkunde des Notariats II, Aktenzeichen VG II 32/2008).
Am 16. Mai 2007 wandte sich der Betreuer der Klägerin wegen der Weitergewährung von Leistungen für den Aufenthalt in der Pflegefamilie
an den Landkreis S., der entsprechende Antragsunterlagen übersandte. Am 24. Mai 2007 reichte der Betreuer beim Landkreis S.
einen Formularantrag u.a. betreffend Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII ein, den der Landkreis mit Schreiben vom 4. Juni 2007 an den Beigeladenen weiterleitete. Dieser gab den Antrag an den Landkreis
S. mit Schreiben vom 11. Juni 2007 zurück, da die Leistungsberechtigte ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor Aufnahme der Jugendhilfemaßnahme
im dortigen Zuständigkeitsbereich gehabt habe. Nachdem der Beigeladene die Höhe des Betreuungsgeldes im Landkreis S. (monatlich
358,75 Euro, mit Tagesstruktur 287,00 Euro) mitgeteilt und seine Richtlinien für "Begleitetes Wohnen für erwachsene behinderte
Menschen in Familien" für die Zeit ab 1. Januar 2006 übersandt hatte (Schreiben vom 26. Juni 2007 und 13. Juli 2007), bewilligte
der S. (Rechtsnachfolger des Landkreises S.) im Namen des Beklagten als überörtlicher Sozialhilfeträger (zukünftig Beklagter)
mit Bescheiden vom 26. Juli 2007, 26. November 2007 und 3. Dezember 2007 für die Zeit vom 22. Mai 2007 bis zum 31. Dezember
2007 Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in Höhe von monatlich 287,00 Euro. Der Beklagte prüfte nochmals
seine örtliche und sachliche Zuständigkeit und gelangte nun zu der Auffassung, dass der Beigeladene zuständig sei. Mit Schreiben
vom 22. Oktober 2007 teilte er dies dem Beigeladenen mit, kündigte eine weitere Leistungsgewährung gem. §
43 Abs.
1 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (
SGB I) an und meldete einen Kostenerstattungsanspruch an. Der Beigeladene ging weiterhin von einer Zuständigkeit des Beklagten
aus (Schreiben vom 15. November 2007).
Gegen die Bescheide vom 26. Juli 2007 und 3. Dezember 2007 legte die Klägerin Widerspruch ein (Schreiben ihres Betreuers vom
2. August 2007 und 11. Dezember 2007), mit dem sie ein höheres Betreuungsgeld geltend machte und sich gegen die Forderung
nach Einschaltung eines betreuenden Fachdienstes für die Familienpflege wandte.
Ausweislich eines Schreibens der Beschützenden Werkstätten H. vom 21. Januar 2008 war seitens der Pflegefamilie eine Bereitschaft
zum Abschluss eines Vertrages bzw. zur Erstellung einer Hilfeplanung im Rahmen der Eingliederungshilfe nicht zu erkennen.
Auch die Sozialtherapeutischen Gemeinschaften W. e.V. teilten betreffend die Betreuung und Unterstützung durch einen Fachdienst
mit Schreiben vom 4. März 2008 mit, dass eine Bereitschaft für eine kooperative Zusammenarbeit von Seiten der Pflegefamilie
nicht gegeben sei. Daraufhin lehnte der Beklagte eine Weitergewährung von Eingliederungshilfe ab 1. Januar 2008 ab (Bescheid
vom 11. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2008). Nachdem das Sozialgericht (SG) Heilbronn mit Beschluss vom 24. Juli 2008 den Beklagten verpflichtet hatte, der Klägerin vorläufig Eingliederungshilfe für
behinderte Menschen in Höhe von monatlich 287,00 Euro zu gewähren (S 10 SO 2143/08), bewilligte der Beklagte nach §
43 Abs.
1 SGB I Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für die Zeit vom 8. Juli 2008 bis zu einer abschließenden Hauptsacheentscheidung in Form eines Betreuungsgeldes (Bescheide
vom 15. August 2008 und 3. März 2009).
Auf Veranlassung des Beklagten führte der Beigeladene am 16. Oktober 2009 ein Hilfeplangespräch durch und erstellte einen
Hilfeplan. Die Dipl.-Sozialarbeiterin S. gelangte aufgrund eines Hausbesuchs am 22. Juni 2009 zu der Einschätzung, dass bei
der Klägerin ein großer Hilfebedarf bestehe, der vor allem durch soziale Ängste begründet sei. Die Klägerin werde in der Pflegefamilie
akzeptiert und gefördert und sei dort am richtigen Platz. Perspektivisch komme als nächster Schritt ein ambulant betreutes
Wohnen in Betracht.
Im Klageverfahren vor dem SG Heilbronn S 10 SO 2140/08 betreffend die Bescheide vom 26. Juli 2007, 3. Dezember 2007 und 11.
März 2008 schlossen die Beteiligten am 13. Januar 2010 einen Vergleich. Darin hob der Beklagte seinen Bescheid vom 11. März
2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2008 auf und verpflichtete sich, über die Weitergewährung der Leistungen
der Eingliederungshilfe über den 31. Dezember 2007 hinaus neu zu entscheiden und dabei zu beachten, dass weder § 53 und § 54 SGB XII noch die Richtlinie des Landkreises S- H- zum begleitenden Wohnen für erwachsene behinderte Menschen in Familien eine fachliche
Beratung und Begleitung durch den Fachdienst forderten.
Der Beklagte und der Beigeladene führen einen Streit über die Erstattung der Aufwendungen des Beklagten betreffend Leistungen
der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für die Zeit ab 22. Mai 2007 (SG Halle, Urteil vom 31. Januar 2014 - S 28 SO 133/10 -; Berufungsverfahren anhängig beim Landessozialgericht
(LSG) Sachsen-Anhalt unter dem Aktenzeichen L 8 SO 27/14).
Zunächst hob der Beklagte den Bescheid vom 11. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juni 2008 auf. Mit Bescheid
vom 26. Oktober 2010 hob er zudem alle seit 15. August 2008 erlassenen Leistungsbescheide bezüglich der vorläufigen Entscheidung
über die Gewährung eines Betreuungsgeldes auf und bewilligte mit Bescheid vom gleichen Tag - im Hinblick auf den Zuständigkeitsstreit
mit dem Beigeladenen vorläufig - für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2011 Eingliederungshilfe für behinderte
Menschen in Höhe von monatlich 287,00 Euro. Bei der Leistungserbringung in einem anderen Bundesland würden die dortigen Regelungen
und Vergütungsvereinbarungen gelten. Die Leistungsermittlung erfolge in Anlehnung an die geltenden Rahmenbedingungen für begleitendes
Wohnen erwachsener behinderter Menschen in Gastfamilien im Landkreis S.. Mit Bescheid vom 10. Mai 2011 befristete der Beklagte
die Leistungsgewährung bis zum 31. Dezember 2011.
Mit Widersprüchen vom 29. November 2010 und 3. Juni 2011 wandte sich die Klägerin gegen die Höhe des ihr gewährten Betreuungsgeldes.
Bei der Pflegefamilie handle es sich um eine sozialpädagogische Vollzeitpflegefamilie, die sich von der Arbeit anderer Familien
deutlich abgrenze. Im Übrigen bestehe bei der Klägerin auf Grund der geistigen und seelischen Behinderung ein dauerhafter
Bedarf an intensiver Anleitung, Förderung und Hilfestellung. Daher sei ein Betreuungsgeld in Höhe von 720,00 Euro monatlich
angemessen, das in Anlehnung an die Jugendhilferichtlinien bestimmt werden könne.
Im Auftrag des Beklagten schrieb der Beigeladene die Hilfeplanung fort. In ihrem Bericht vom 8. Februar 2011 hielt die Dipl.-Sozialarbeiterin
S. fest, dass die Klägerin eines Trainings im Bereich der Haushaltsführung, einer Begleitung des Erlebten in der Arbeit, einer
Unterstützung bei Kontakten nach außen und einer Begleitung bei Unsicherheiten bedürfe. Sie werde durch die Pflegefamilie
mit großem Einsatz gut versorgt und gefördert. Jedoch sei es bedenklich, dass der Betreuer andere Unterstützungen und Entfaltungsmöglichkeiten
außerhalb des familiären Rahmens kategorisch ablehne und die durch die Klägerin in den Gesprächen deutlich geäußerten Autonomiewünsche
nicht ernst nehme. Es sei dringend notwendig, dass die Klägerin eine Vertrauensperson außerhalb der Familie erhalte.
Der Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 4. November 2011 (bzgl. des Bescheids vom 26. Oktober 2010)
und 7. November 2011 (betreffend den Bescheid vom 10. Mai 2011) als unbegründet zurück. Die Höhe des gewährten Betreuungsgeldes
entspreche den Richtlinien des Landkreises S. Die für die Betreuung der Klägerin vor Erreichen ihrer Volljährigkeit geleistete
Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege einschließlich eines Pflegegeldes durch den Jugendhilfeträger nach den Vorgaben der
SGB VIII hätte eine andere Zweckbestimmung als Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Der Sozialhilfeträger sei für Hilfe zur Eingliederung in die Gesellschaft zuständig. Diese Hilfen sähen Leistungen für begleitetes
Wohnen in Familien insoweit vor, als für den Betreuungsaufwand der Gastfamilie als sogenannte Aufwandsentschädigung ein Betreuungsentgelt
in Höhe von 358,75 Euro monatlich geleistet werde, das wegen regelmäßiger Beschäftigung außerhalb der Pflege- bzw. Gastfamilie
sachgereicht gekürzt werde. Zudem erhalte die Klägerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach
dem SGB XII.
Dagegen hat die Klägerin am 1. Dezember 2011 Klage zum SG Heilbronn erhoben und höhere Eingliederungshilfeleistungen für die
Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 verlangt. Das SG hat mit Beschluss vom 1. März 2012 den Landkreis S. zu dem Rechtsstreit gem. §
75 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beigeladen.
Der Beklagte hat in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 das Betreuungsgeld weiter erbracht (Bescheid vom
6. Dezember 2011). Über den dagegen eingelegten Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2014
entschieden, der Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG (S 14 SO 775/14) ist.
Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren betreffend die vorläufige Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Gestalt
eines Betreuungsgeldes ab 1. Februar 2013 ist im Ergebnis erfolglos geblieben (vgl. SG Heilbronn, Beschluss vom 1. August
2013 - S 9 SO 1256/13 ER -; Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2013 in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 11. November
und 18. November 2013 - L 7 SO 3291/13 ER-B -).
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 12. Dezember 2013 beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 26. Oktober 2010 in Gestalt der Widerspruchsbescheids vom 4. November 2011
sowie des Bescheids vom 10. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2011 zu verurteilen, der Klägerin
Eingliederungshilfe in Gestalt eines monatlichen Betreuungsgeldes in Höhe von 720,00 Euro ab 1. Januar 2008 bis auf Weiteres
zu gewähren. Der Beklagte hat diesen Antrag als Klageänderung aufgefasst und einer solchen widersprochen.
Das SG hat mit Urteil vom 12. Dezember 2013 den Bescheid vom 26. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November
2011 und den Bescheid vom 10. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2011 abgeändert und den Beklagten
verurteilt, der Klägerin ab 1. Januar 2008 bis auf weiteres ein monatliches Betreuungsgeld in Höhe von 570,00 Euro zu gewähren
und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, dass der Beklagte als erstangegangener Träger zur Leistungsgewährung gegenüber der Klägerin
gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) verpflichtet sei. Es könne daher dahinstehen, ob der Beklagte oder der Beigeladene nach § 98 Abs. 1 SGB XII oder nach § 98 Abs. 5 SGB XII örtlich zuständig seien. Dies sei endgültig in dem zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen anhängigen Erstattungsstreit
vor dem SG H. zu klären. Die Klägerin habe Anspruch auf ein Betreuungsgeld in Höhe von monatlich 575,00 Euro. Eingliederungshilfeleistungen
seien nach den Besonderheiten des Einzelfalls in dem Umfang zu gewähren, in dem die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt
werden könne. Einen abgeschlossenen Katalog der Eingliederungshilfeleistungen gebe es nicht. Daher handle es sich bei der
Betreuung in einer Pflegefamilie um eine Eingliederungshilfeleistung. Da das SGB XII und die dazu ergangenen Rechtsverordnungen und Richtlinien zur Höhe der Eingliederungshilfe bei betreutem Wohnen in Familien
nichts regelten, sei es Aufgabe des Gerichts, deren Höhe zu schätzen. Das SG orientiere sich an dem von der Klägerin vorgelegten Rundschreiben I Nr. 2/2009 der Stadt Berlin, das als monatliche Betreuungsleistung
einen Betrag von 959,00 Euro vorsehe. Eine Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII mit der Pflegefamilie sei nicht erforderlich, da diese Vorschrift nur auf stationäre und teilstationäre Einrichtungen sowie
auf Dienste anzuwenden sei. Die Betreuung in einer Pflegefamilie stelle keinen Dienst im Sinne dieser Vorschrift dar. Das
Urteil ist dem Klägerbevollmächtigten am 19. Dezember 2013 und dem Beklagten am 23. Dezember 2013 zugestellt worden.
Gegen das Urteil des SG haben der Beklagte Berufung am 22. Januar 2014 beim LSG Baden-Württemberg und die Klägerin am 20. Januar 2014 (Montag) beim
SG eingelegt.
Die Klägerin hält ein Betreuungsgeld in Höhe von monatlich 720,00 Euro für angemessen. Ergänzend hat sie auf eine Richtlinie
des Landkreises L. verwiesen.
Die Klägerin beantragt zuletzt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Dezember 2013 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids
vom 26. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2011 und des Bescheids vom 10. Mai 2011 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2011 zu verurteilen, ihr Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Gestalt eines Betreuungsgeldes in Höhe von monatlich 720,00 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember
2011 zu gewähren sowie die Berufung des Beklagten zurückweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Dezember 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin
zurückzuweisen.
Der Beklagte führt zur Begründung seiner Berufung aus, dass der Beigeladene auch nach §
14 SGB IX zuständig sei, da er den Antrag vom 16. Mai 2007 rechtzeitig an den Beigeladenen weitergeleitet habe. Im Übrigen sei der
Beigeladene auch örtlich nach § 98 SGB XII zuständig. Voraussetzung für die Zahlung des Betreuungsgeldes sei der Abschluss einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII bzw. eine Kostenübernahmeerklärung nach § 75 Abs. 4 SGB XII. Darüber hinaus handle es sich bei dem Betreuungsgeld um eine freiwillige Leistung, die im Bundesland Sachsen-Anhalt nicht
geleistet werde. Hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Leistung sei die vom SG vorgenommene Schätzung nicht nachvollziehbar, zumal vorliegend fraglich sei, ob die gewährte Familienpflege überhaupt eine
ambulant betreute Wohnform darstelle.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf
die Niederschrift vom 17. Oktober 2014 (Bl. 72/77 der Senatsakten) Bezug genommen. Der Beigeladene hat einen Beschluss des
Kreisrats des Landkreises S. vom 26. Januar 1969, in dem die vom Landkreistag Baden-Württemberg und vom Städteverband Baden-Württemberg
herausgegebenen Sozialhilferichtlinien für verbindlich erklärt werden, sowie einen gleichlautenden Beschluss des Kreisrats
C. vom 16. Mai 1969 vorgelegt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen,
die Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Akten des SG Heilbronn S 10 SO 2140/08, S 10 SO 2143/08, S 9 SO 1256/13 ER, S 14 SO 775/14 und
die Senatsakten L 7 SO 3291/13 ER-B Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen des Beklagten und der Klägerin sind zulässig. Während die Berufung des Beklagten überwiegend begründet ist,
hat die Berufung der Klägerin in der Sache keinen Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 und Abs.
2 SGG) eingelegten Berufungen sind statthaft und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € übersteigt (§
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG) und laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
2. Gegenstand des Verfahrens bilden der Bescheid vom 26. Oktober in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2011
(§
95 SGG) und der Bescheid vom 10. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2011, mit denen der Beklagte als
überörtlicher Sozialhilfeträger (vgl. § 97 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 Ausführungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt zum SGB XII; vgl. dazu Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - [...] Rdnr. 25) für die Zeit vom 1.
Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Gestalt eines Betreuungsgeldes in Höhe von monatlich 287,00 Euro bewilligt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin statthaft
mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§
54 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
4,
56 SGG). Sie hat ausdrücklich klargestellt, dass sie lediglich Leistungen für den von den angefochtenen Bescheiden geregelten Zeitraum
begehrt (Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Senats vom 17. Oktober 2014) und der Bescheid vom 6. Dezember
2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2014 betreffend Eingliederungshilfeleistungen für die Zeit ab 1.
Januar 2012 nicht im hiesigen Rechtsstreit, sondern in dem vor dem SG Heilbronn anhängigen Klageverfahren S 14 SO 775/14 angegriffen
wird (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25. Februar 2014). Weiterhin sind Leistungen der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, über die der örtliche Sozialhilfeträger S. gesondert entschieden hat (Bescheide vom 2. Oktober 2010, 24. Februar 2011, 17.
März 2011, 19. März 2012), nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens.
3. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Gestalt eines Betreuungsgeldes lediglich für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009 in Höhe von monatlich
insgesamt 301,00 Euro und für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2011 von 315,00 Euro zu.
a. Der Beklagte ist im Verhältnis zur Klägerin der zuständige Rehabilitationsträger (§§
5 Nr.
4,
6 Abs.
1 Nr.
7 SGB IX). Seine Zuständigkeit ergibt sich aus §
14 SGB IX, der gegenüber §
43 SGB I als Spezialregelung vorrangig Anwendung findet (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 - BSGE 109, 56 - [...] Rdnr. 11; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 2015, L 9 SO 427/14 B - [...] Rdnr. 11; LSG Niedersachsen-Bremen,
Beschluss vom 30. April 2009 - L 8 SO 99/09 B ER - [...] Rdnr. 8; Luik in jurisPK-
SGB IX, §
14 Rdnr. 20; Knittel,
SGB IX, 8. Aufl. 2015, §
14 Rdnr. 33 ff.). Zweck der Bestimmung des §
14 SGB IX ist es, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken;
Streitigkeiten über die Zuständigkeitsfrage einschließlich der vorläufigen Leistungserbringung bei ungeklärter Zuständigkeit
oder bei Eilbedürftigkeit sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mehr zu Lasten der behinderten Menschen bzw. der Schnelligkeit
und Qualität der Leistungserbringung gehen (BT-Drs. 14/5074, S. 95; ferner BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 16/04 R - BSGE 93, 283 - [...] Rdnr. 14).
Nach §
14 Abs.
1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn
geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (Satz 1 Halbs. 1 a.a.O.). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er
nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger zu (Satz
2 a.a.O.). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest;
bei Weiterleitung des Antrages gilt dies entsprechend für den Träger, an den weitergeleitet worden war (§
14 Abs.
2 Sätze 1 und 3
SGB IX). Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte den maßgeblichen Erstantrag (vgl. dazu den zwischen den Beteiligten ergangenen
Senatsbeschluss vom 21. Oktober 2013 - L 7 SO 3291/13 ER-B) vom 16. Mai 2007 rechtzeitig an den von ihm für zuständig erachteten
Beigeladenen weitergeleitet hat und die Zurücksendung seitens des Beigeladenen zurecht erfolgt ist, hat der Beklagte im weiteren
Verlauf jedenfalls seine Zuständigkeit im Verhältnis zur Klägerin i.S. des §
14 SGB IX (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267 - [...] Rdnr. 14) anerkannt. Denn er hat - nach erneuter Prüfung - mit Bescheid vom 26. Juli 2007 das begehrte Betreuungsgeld
ab 22. Mai 2007 bewilligt. Erst im Oktober 2007 hat er erneut seine Zuständigkeit geprüft, den Beigeladenen für zuständig
erachtet und eine vorläufige Leistungsgewährung an die Klägerin angekündigt (Schreiben vom 22. Oktober 2007). Hintergrund
für die Leistungsablehnung mit Bescheid vom 11. März 2008 ist nicht die von ihm angenommene Unzuständigkeit gewesen, sondern
der Umstand, dass aus seiner Sicht eine fachliche Begleitung der Pflegefamilie Anspruchsvoraussetzung sei, die diese aber
abgelehnt habe. Dementsprechend hat der Beklagte in dem am 13. Januar 2010 vor dem SG Heilbronn im Verfahren S 10 SO 2140/08
geschlossenen gerichtlichen Vergleich sinngemäß seine vorläufige Zuständigkeit als erstangegangener Rehabilitationsträger
anerkannt, indem er sich verpflichtet hat, über die Weitergewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe ab 1. Januar 2008
inhaltlich zu entscheiden. Demgemäß hat er in den angefochtenen Bescheiden vom 26. Oktober 2010 und vom 10. Mai 2011 betreffend
den Bewilligungsabschnitt vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 den geltend gemachten Anspruch inhaltlich geprüft und
ein Betreuungsgeld als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII bewilligt. Die endgültige Klärung der örtlichen Zuständigkeit zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen bleibt dem derzeit
beim LSG Sachsen-Anhalt anhängigen Erstattungsstreit vorbehalten.
b. Die Klägerin hat gem. § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe im streitgegenständlichen Zeitraum. Insbesondere hat
die Klägerin die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung erfüllt. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen der Eingliederungshilfe nur an Personen erbracht,
die durch eine Behinderung im Sinne des §
2 Abs.
1 Satz 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt und von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung,
Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen des §
2 Abs.
1 SGB IX sind erfüllt, wenn - soweit einschlägig - die geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger
als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt ist. Bei der Klägerin hat eine Behinderung im bezeichneten Sinne vorgelegen, nämlich eine geistige Behinderung
mit Einschränkung selbstständiger und selbstbestimmter Lebensführung und eine seelische Behinderung aufgrund eines ausgeprägten
Mangels an Selbstbewusstsein (Gutachten des Gesundheitsamtes S. von Dr. C. vom 31. Mai 2007 und Dr. L. vom 31. Oktober 2008
sowie Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit S. vom 7. Mai 2009 Dr. G.). Diese geistige und seelische Behinderung
ist auch wesentlich.
Die Unterbringung der Klägerin in der Pflegefamilie R. und G.S. ist geeignet und erforderlich gewesen, um diese in die Gesellschaft
einzugliedern. Die Dipl.-Sozialarbeiterin S. ist auf Grundlage eines Hausbesuchs im Juni 2009 zu der Einschätzung gelangt,
dass bei der Klägerin ein großer Hilfebedarf bestehe, der vor allem durch soziale Ängste begründet sei, und diese in der Pflegefamilie
akzeptiert und gefördert werde und dort am richtigen Platz sei. Im Februar 2011 hat sie weiterhin einen Förderbedarf beschrieben
und eine gute Versorgung und Förderung durch die Pflegefamilie festgehalten. Der Beklagte hat den durch den Beigeladenen ausgestellten
Hilfeplan überprüft und ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass ein begleitetes Wohnen der Klägerin in der Pflegefamilie
R. und G.S. geeignet und erforderlich ist, ihren Eingliederungsbedarf zu decken. Der Hinweis der Dipl.-Sozialarbeiterin S.,
dass der Betreuer andere Unterstützungen und Entfaltungsmöglichkeiten außerhalb des familiären Rahmens kategorisch ablehne
und die durch die Klägerin in den Gesprächen deutlich geäußerten Autonomiewünsche nicht ernst nehme, sowie die Ablehnung einer
fachlichen Begleitung durch den Betreuer mögen auf einen gewissen Mangel an professioneller Distanz hindeuten, dem der Beklagte
ggf. bei einer Weitergewährung der Leistungen Rechnung zu tragen haben wird.
c. Die Klägerin hat lediglich einen Anspruch auf ein um 14,00 Euro (Juli 2008 bis Dezember 2009) bzw. 28,00 Euro (Januar 2010
bis Dezember 2011) höheres als das bewilligte Betreuungsgeld von monatlich 287,00 Euro. Zwar stellt die Vollzeitpflege in
einer Pflegefamilie eine ambulante Maßnahme der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe dar, wobei es im Übrigen keiner
Vergütungsvereinbarung i.S. des § 75 Abs. 5 SGB XII zwischen der Pflegefamilie und dem Sozialhilfeträger bedarf, jedoch ist die Höhe des Betreuungsgeldes entsprechend den Richtlinien
"Begleitendes Wohnen für erwachsene behinderte Menschen in Familien" mit monatlich 287,00 Euro (Januar bis Juni 2008), 301,00
Euro (Juli 2008 bis Dezember 2009) und 315,00 Euro (Januar 2010 bis Dezember 2011) zu bemessen.
Die Vollzeitpflege eines Erwachsenen in einer Pflegefamilie wird nicht ausdrücklich im Leistungskatalog des § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §
55 SGB IX erwähnt (vgl. § 54 Abs. 3 SGB XII für Kinder und Jugendliche). Indessen ist der Leistungskatalog des § 54 Abs. 1 SGB XII nicht abschließend, sondern offen ("insbesondere") und umfasst auch die Betreuung eines behinderten Erwachsenen in einer
Pflegefamilie (vgl. BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 R - [...] Rdnr. 28 f.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Juni 2014 -
L 8 SO 2147/10 - [...] Rdnr. 28; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 9. März 2011 - L 9 SO 21/09 - [...] Rdnr. 30; Schmeller
in Mergler/Zink, SGB XII, § 54 Rdnr. 62; Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, § 54 Rdnr. 50, 74; BT-Drs. 16/13417, S. 6; vgl. ferner Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg, Ziff. 54.11; a.A. z.B. Verwaltungsgericht
<VG> Oldenburg, Urteil vom 27. Mai 2014 - 13 A 476/13 - [...] Rdnr. 30). Eine behinderungsbedingt erforderliche Eingliederungshilfeleistung im Sinne der Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft kommt in Betracht, wenn eine über die Erziehung und bloße Pflege hinausgehende qualitative Betreuung erfolgt,
die dem "Pflegekind" das Leben in der Gemeinschaft außerhalb seiner Familie ermöglichen soll (vgl. BSG, a.a.O. Rdnr. 29; LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O. Rdnr. 30). Der Einordnung der Betreuung in einer Pflegefamilie als ambulante
Maßnahme der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Betreuung in einer
Familie nicht um Hilfen in einer Einrichtung oder durch Dienste i.S. des § 75 Abs. 1 SGB XII handelt (BSG, a.a.O. Rdnr. 30, 32; Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 Rdnr. 27.1; a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 4. Dezember 2012 - L 8 SO 20/09 R - [...] Rdnr. 36; LSG Niedersachen-Bremen,
a.a.O. Rdnr. 36). Dass es sich vorliegend um eine behinderungsbedingte Eingliederungshilfeleistung handelt, steht zwischen
den Beteiligten zurecht nicht im Streit. Eine pädagogische Erziehung ist bei der im streitgegenständlichen Zeitraum mindestens
21-jährigen Klägerin nicht mehr erfolgt. Ein pflegerischer Bedarf i.S. des § 61 Abs. 1 SGB XII hat nicht bestanden. Vielmehr hat sie aufgrund ihrer geistigen und seelischen Behinderung Unterstützungs- und Betreuungsbedarf
in den Bereichen der Kommunikation und sozialen Beziehungen, Persönlichkeitsentwicklung, Mobilität und Orientierung gehabt.
Das SGB XII enthält keine nähere Regelung über die Art und Höhe der begehrten Leistung, sodass diese gem. § 17 Abs. 2 SGB XII ins Ermessen des Sozialhilfeträgers gestellt sind (BSG, a.a.O. Rdnr. 34). Danach ist über Art und Maß der Leistungserbringung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Der Beklagte
hat entsprechend dem Wunsch der Klägerin (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) und dem Vorrang von Geldleistungen (§ 10 Abs. 3 Satz 1 SGB XII) sich zutreffend für die Erbringung der Geldleistung Betreuungsgeld entschieden. Hinsichtlich des Maßes der Leistung, d.h.
der Höhe des Betreuungsgeldes, hat der Beklagte zunächst berücksichtigt, dass keine vertragliche Vereinbarung mit der Pflegefamilie
besteht. Auch ist die Klägerin gegenüber ihren Pflegeeltern nicht verpflichtet, die erbrachten Betreuungsleistungen zu vergüten,
da es an einer entsprechenden (schuldrechtlichen) Zahlungsverpflichtung fehlt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26.
Juni 2014 - L 8 SO 147/10 - [...] Rdnr. 36; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 9. März 2011 - L 9 SO 21/09 - [...] Rdnr.
31). Der zwischen R. und G.S. und dem Jugendhilfeträger des Landkreises S. geschlossenen Vereinbarung kommt über den 21. Mai
2007 hinaus keine Wirkung mehr zu, da sich diese Vereinbarung ausschließlich auf jugendhilferechtliche Leistungen bezogen
hat und diese - entsprechend dem bestandskräftigen Bescheid vom 8. Mai 2007 - mit Vollendung des 21. Lebensjahres der Klägerin
am 21. Mai 2007 geendet haben. Weiterhin hat der Beklagte beachtet, dass er - wie er im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter
am 17. Oktober 2014 im Einzelnen dargelegt hat - bei der Unterbringung behinderter Erwachsener in einer Pflegefamilie in seinem
örtlichen Zuständigkeitsbereich kein Betreuungsgeld gewährt. Demnach konnte er sich auch nicht an der Höhe eines in vergleichbaren
Sachverhalten gewährten Betreuungsgeldes orientieren.
Zutreffend hat der Beklagte die örtlichen Verhältnisse am Aufenthaltsort der Klägerin im Landkreis S. in den Blick genommen
und auf die dort in Ausfüllung der Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg (SHR), die zur Sicherstellung einer gleichmäßigen
Ermessensausübung als ermessensbindende Richtlinien herangezogen werden können (vgl. Armborst in LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, Anhang Verfahren Rdnr. 29; Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 17 Rdnr. 43; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 17 Rdnr. 50; Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, § 17 Rdnr. 22 ff.) und die ausweislich der Beschlüsse der zwischenzeitlich fusionierten Landkreise C. und S.im Landkreis S. Anwendung
finden, erlassenen Richtlinien "Begleitetes Wohnen für erwachsene behinderte Menschen in Familien" zur Bestimmung der Höhe
des Betreuungsgeldes abgestellt. Nach Ziff. 54.11 SHR haben behinderte Menschen Anspruch zu einem selbstbestimmten Leben,
u.a. im Rahmen der Familienpflege. Das Leistungsangebot "Begleitendes Wohnen für erwachsene behinderte Menschen in Familien"
beinhaltet die nicht nur vorübergehende Wohnmöglichkeit in familiärer Betreuung bei Gastfamilien mit begleitender Beratung
durch einen Fachdienst (Ziff. 54.11/2 SHR). Ziel der Leistung ist es, dem behinderten Menschen eine gemeindenahe Teilhabe
am Leben in der Gemeinschaft durch Einbindung in die Familie zu ermöglichen und einen stationären Aufenthalt zu vermeiden.
Die Leistung wird an erwachsene, nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behinderte Menschen
gewährt, die zwar zu einer selbständigen Lebensführung nicht in der Lage sind, stationärer Hilfeleistung aber nicht, noch
nicht oder nicht mehr bedürfen. Nach Ziff. 54.11/2 SHR erhält die Familie vom Sozialhilfeträger ein "angemessenes Betreuungsgeld".
Als Voraussetzung wird die begleitende Beratung durch einen Fachdienst genannt. Daneben soll zwischen dem Sozialhilfeträger,
dem Leistungsempfänger (der Klägerin), der aufnehmenden Familie (R. und G.S.) und dem begleitenden Fachdienst eine schriftliche
Vereinbarung geschlossen werden, die u.a. die Leistungen der Familie, des Fachdienstes, Umfang, Form und Dauer der Hilfe,
Rechte und Pflichten des Leistungsempfängers, Auskunfts-, Zutritts- und Prüfrechte des Fachdienstes, finanzielle Leistungen
an die Familie und den betreuenden Fachdienst regelt. In Anknüpfung an diese Regelungen hat der Beigeladene mit seinen Richtlinien
"Begleitendes Wohnen für erwachsene behinderte Menschen in Familien" angeknüpft. Danach handelt es sich bei dieser Wohnform
um eine nicht vorübergehende Wohnmöglichkeit in familiärer Betreuung bei Gastfamilien mit begleitender Beratung durch einen
Fachdienst. Für die Zeit ab 1. Januar 2006 "erhält die Familie ein Betreuungsgeld in Höhe von 175 % des Pflegegeldes nach
§ 64 Abs. 1 SGB XII (z.Z. 358,75 Euro)", wobei bei regelmäßiger Beschäftigung oder Betreuung außerhalb der Gastfamilie - wie vorliegend in der
WfbM - das Betreuungsgeld um 20 % zu kürzen ist (so auch die von der Klägerseite eingereichten Richtlinien des Landkreises
Heidenheim). Die Richtlinien nehmen mithin auf das Pflegegeld für erheblich Pflegebedürftige i.S. des § 64 Abs. 1 SGB XII Bezug, der hinsichtlich der Höhe des Pflegegeldes wiederum auf die jeweils aktuelle Fassung des § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr.
1 Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung - (
SGB XI) verweist. §
37 Abs.
1 Satz 3 Nr.
1 SGB XI hat für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008 ein monatliches Pflegegeld von 205,00 Euro, für die Zeit vom 1.
Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2009 von 215,00 Euro und für die Zeit ab 1. Januar 2010 von 225,00 Euro vorgesehen, so dass
sich das um 20 % gekürzte Betreuungsgeld auf monatlich 287,00 Euro (Januar bis Juni 2008), 301,00 Euro (Juli 2008 bis Dezember
2009) und 315,00 Euro (Januar 2010 bis Dezember 2011) belaufen hat.
Bei der Unterbringung und Betreuung der geistig und seelisch wesentlich behinderten Klägerin durch die Pflegefamilie G. und
R.S. hat es sich um eine nicht nur vorübergehende Wohnmöglichkeit in familiärer Betreuung bei einer Gastfamilie i.S. der Ziff.
54.11 SHR gehandelt. Ziel ist es gewesen, ihre Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und eine anderweitige,
ggf. stationäre Unterbringung, zu vermeiden. Auf eine begleitende Beratung durch einen Fachdienst hat der Beklagte im Hinblick
auf den zwischen den Beteiligten vor dem SG am 13. Januar 2010 geschlossenen Vergleich ausdrücklich verzichtet. Der Abschluss eines Vertrages "soll" nach Ziff. 54.11/2
SHR erfolgen, ist mithin keine zwingende Anspruchsvoraussetzung, wenngleich im Interesse der Klägerin und zur Vermeidung von
Streitigkeiten über Rechte und Pflichten der Klägerin, der Pflegefamilie und des Sozialhilfeträgers der Abschluss eines entsprechenden
Vertrages für die Zukunft dringend angezeigt erscheint. Dementsprechend ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Höhe
des Betreuungsgeldes an Hand der Richtlinien "Begleitendes Wohnen für erwachsene behinderte Menschen in Familien" bemessen
hat. Dabei hat der Beklagte freilich außer Acht gelassen, dass die Richtlinien keine statische Verweisung auf das Betreuungsgeld
i.S. der §§ 64 Abs. 1 SGB XII, 37 Abs.
1 Satz 3 Nr.
1 SGB XI enthalten, sondern auf deren jeweils geltende Fassung Bezug nehmen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in diesen die Höhe
des Betreuungsgeldes mit "z.Z. 358,75 EUR" beziffert worden ist. Sie eröffnen somit eine automatische Erhöhung des Betreuungsgeldes
entsprechend einer gesetzlichen Anhebung des Pflegegeldes gem. §
37 Abs.
1 Satz 3 Nr.
1 SGB XI. Das Pflegegeld hat sich zum 1. Juli 2008 auf 215,00 Euro und zum 1. Januar 2010 auf 225,00 Euro erhöht, so dass sich auch
das Betreuungsgeld nach den im örtlichen Bereich des Beigeladenen angewandten Richtlinien erhöht hat.
Aus der Leistungsgewährung des R. an die weitere Pflegetochter D. G. (geb. 1987), die bis zum Abschluss der Sonderberufsfachschule
im August 2009 in Anlehnung an die jugendhilferechtlichen Regelungen ein monatliches Betreuungsgeld in Höhe von 720,00 Euro
erhalten hat (Bescheide vom 23. September 2008 und 18. Dezember 2008), kann sich die Klägerin nicht berufen. Denn der Umstand,
dass verschiedene Sozialhilfeträger für ihren jeweiligen Verantwortungsbereich zu unterschiedlichen Pauschalierungen und Typisierungen
gelangen, ist die notwendige Folge eines dezentralen Gesetzesvollzugs im Bundesstaat und nicht zu beanstanden (Neumann, a.a.O.
Rdnr. 24 m.w.N.). Insoweit ist auch der Hinweis auf die Richtlinie des Landkreises L., die ein monatliches Betreuungsgeld
in Anlehnung an den Wert der Pflegesachleistungen nach Pflegestufe I (§
36 Abs.
3 Nr.
1 SGB XI) festsetzt, nicht weiterführend, da keinerlei Bezug der Klägerin zum Landkreis L. vorliegt. Ebenso wenig kann die Klägerin
einen Anspruch aus dem Rundschreiben I Nr. 2/2009 vom 17. Februar 2009 der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales
des Landes Berlin, wonach bei der Unterbringung des behinderten Menschen in Familienpflege die Abgeltung der Betreuungsleistung
für die Betreuungsperson/Pflegefamilie monatlich 959,00 EUR beträgt, ableiten, da weder der Beklagte noch der Beigeladene
in anderen Fällen dieses Rundschreiben angewandt haben (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 9. März 2011 - L 9 SO 21/09
- [...] Rdnr. 35).
Eine (analoge) Anwendung der jugendhilferechtlichen Bestimmung des § 39 SGB VIII kommt jedenfalls bei einer Unterbringung und Betreuung erwachsener behinderter Menschen nicht in Betracht. Eine entsprechende
Anwendung wird bei der Betreuung behinderter Kinder und Jugendlicher in Pflegefamilien befürwortet und mit einer hinreichenden
Vergleichbarkeit der jugend- und sozialhilferechtlichen Leistungen begründet (BSG, a.a.O. Rdnr. 34; SG Aachen, Urteil vom 26. Juni 2014 - S 20 SO 8/14 - [...]; Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom
13. Juni 2013 - 5 C 30/12 - [...] Rdnr. 42). Dies mag für Kinder und Jugendliche, die grundsätzlich dem Anwendungsbereich des SGB VIII unterfallen (vgl. § 6 SGB VIII), zutreffend sein, weil der Gesetzgeber mit Einführung des § 54 Abs. 3 SGB XII zum 5. August 2009 eine Gleichstellung der Hilfen für seelisch und geistig/körperlich behinderte Kinder und Jugendliche gewährleisten
wollte (BT-Drs. 16/13417, S. 6). Jedoch unterscheiden sich die Leistungssysteme des SGB VIII und des SGB XII sowohl nach Systematik, Voraussetzungen und Rechtsfolgen jedenfalls bei Erwachsenen so gravierend, dass eine analoge Anwendung
nicht gerechtfertigt ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 9. März 2011 - L 9 SO 21/09 - [...] Rdnr. 37; Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof <VGH>, Urteil vom 13. April 2005 - 12 B 01.2064 - [...] Rdnr. 24). Die im Rahmen der Vollzeitpflege
von Kinder und Jugendlichen (§ 33 SGB VIII) zu erbringenden Unterhaltsleistungen richten sich nach § 39 SGB VIII, der den Sachaufwand und die Kosten für Pflege und Erziehung umfasst (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) und die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege bemisst (§ 39 Abs. 2 Satz 4, Abs. 4 bis 6 SGB VIII). Inhaber dieses Anspruchs ist der Personensorgeberechtigte (BVerwG, Urteil vom 7. September 1997 - 5 C 11.96 - [...] Rdnr. 9). Der notwendige Unterhalt umfasst nicht nur den Lebensunterhalt (Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat,
Heizung etc.), sondern auch die Kosten der Erziehung (Tillmanns in MüKo-
BGB, 6. Aufl. 2012, § 39 SGB VIII Rdnr. 3). § 39 SGB VIII normiert einen eigenständigen Unterhaltsbegriff, ausgerichtet an den pädagogischen Zielsetzungen der Kinder- und Jugendhilfe,
und ermöglicht die Hilfegewährung aus einer Hand (vgl. Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, § 39 Rdnr. 1, 9; v. Koppenfels-Spies in jurisPK-SGB VIII, § 39 Rdnr. 4). Die Leistungen nach § 39 SGB VIII setzen keine materielle Bedürftigkeit voraus und werden unabhängig von Einkommen und Vermögen gewährt (Stähr, a.a.O. Rdnr.
6; v. Koppenfels-Spies, a.a.O. Rdnr. 11). Maßstab für den Umfang der Unterhaltsleistungen sind die Verhältnisse in der konkreten
Pflegefamilie, die eine Gleichstellung mit dem Lebensstandard in der Pflegefamilie ermöglichen (Stähr, a.a.O. Rdnr. 20). Damit
wird bezweckt, dass Pflegekinder und leibliche Kinder gleich behandelt werden (v. Koppenfels-Spies, a.a.O. Rdnr. 23 f.). Demgegenüber
ist der behinderte Mensch selbst Inhaber des Individualanspruchs auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII. Diese setzen nach Maßgabe der §§ 19 Abs. 3, 85 ff., 90 ff. SGB XII eine materielle Hilfebedürftigkeit voraus und sind einkommens- und vermögensabhängig. Auch sieht das SGB XII keine einheitlichen Leistungen für alle mit der Unterbringung in einer Pflegefamilie verbundenen Aufwendungen und Kosten
vor, sondern differenziert insbesondere zwischen den Leistungen zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts (vgl. §§ 19 Abs. 2, 41, 42, 27a Abs. 4 Satz 3, 30, 35 SGB XII) und den Leistungen der Eingliederungshilfe (§§ 19 Abs. 3, 53, 54 SGB XII). Letztere sind lediglich auf den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile zur Ermöglichung einer Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben ausgerichtet. Vorliegend ist der behinderungsbedingte Eingliederungsbedarf der Klägerin gedeckt worden. Kosten oder
Aufwendungen sind ihr dafür nicht entstanden (siehe oben). Ihr soziokulturelles Existenzminimum ist durch Gewährung von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (Zeit vom 15. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009) und der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII (Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2011) gedeckt worden. Es wäre systemwidrig, wenn der geltend gemachte Betreuungsaufwand
der Pflegefamilie, auch wenn sich dieser nach Vollendung des 21. Lebensjahres der Klägerin nicht geändert haben mag, maßgeblich
die Höhe der - an die allein anspruchsberechtigte Klägerin - richtliniengemäß zu erbringenden pauschalierten Geldleistung
steuern und bestimmen würde. Es erscheint vielmehr sachgerecht, dass der Klägerin - vergleichbar wie beim Pflegegeld nach
§ 64 SGB XII - Geldmittel zur Verfügung stellt werden, um die Bereitschaft der Pflegefamilie zu ihrer Betreuung herzustellen und zu erhalten
(vgl. nur Meßling in jurisPK-SGB XII, § 64 Rdnr. 21). Gerade daran knüpfen die Richtlinien des Beigeladenen an, die sich der Beklagte zur Regelung des im örtlichen
Bereich des Beigeladenen aufgetretenen Hilfefalls ausdrücklich zu eigen gemacht hat. Den Beteiligten bleibt es unbenommen,
entsprechend dem durch Ziff. 54.11/2 vorgezeichneten Weg eine schriftliche Vereinbarung zu schließen, in der die wechselseitigen
Rechte und Pflichten geregelt werden können.
Nachdem der Beklagte von den von ihm seit 22. Mai 2007 herangezogenen Richtlinien "Begleitendes Wohnen für erwachsene behinderte
Menschen in Familien" ab dem 1. Juli 2008 ohne sachlichen Grund abgewichen ist und das Betreuungsgeld nicht entsprechend der
Erhöhung des Pflegegeldes angepasst hat, hat er das schutzwürdige Vertrauen der Klägerin auf eine weitere Gewährung des Betreuungsgeldes
in der von den Richtlinien vorgesehenen Höhe verletzt. Sie hat entsprechend der Verwaltungspraxis des Beklagten einen Anspruch
auf Betreuungsgeld in Höhe von monatlich 287,00 Euro (Januar bis Juni 2008), 301,00 Euro (Juli 2008 bis Dezember 2009) und
315,00 Euro (Januar 2010 bis Dezember 2011).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass das teilweise Obsiegen der Klägerin nur geringfügig war (Rechtsgedanke des §
92 Abs.
2 Nr.
1 Zivilprozessordnung).
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.