Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII; Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften über Einkommens- und Vermögensverhältnisse
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zur Erteilung von Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse
verpflichtet ist.
Der Kläger ist Schwiegersohn des 1948 geborenen und zwischenzeitlich 2015 verstorbenen J. N. (Hilfeempfänger), der von Januar
2005 bis Juli 2008 sowie ab Juni 2011 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch
(SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) durch die Stadt V. sowie von Juni 2007 bis Juni 2008 und ab Juni 2011 ambulante Eingliederungshilfeleistungen und von Juli
2008 bis Mai 2011 stationäre Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII durch den Beklagten erhalten hat.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2010 richtete der Beklagte ein Auskunftsersuchen gem. § 117 SGB XII an A. G., eine von 4 Töchtern des Hilfeempfängers aus erster Ehe und Ehefrau des Klägers, um zu prüfen, ob diese aufgrund
ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Unterhalt nach §§
1601 ff.
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) gegenüber dem Hilfeempfänger leisten müsse. Diese teilte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 4. August 2010 mit, dass sie mit
dem Kläger verheiratet und als Arzthelferin tätig sei. Sie legte verschiedene Verdienstbescheinigungen vor. Mit Schreiben
vom 12. August 2010 teilte der Beklagte der A. G. mit, dass sie nur über ein geringes eigenes Einkommen verfüge und ansonsten
von ihrem Ehemann - dem Kläger - unterhalten werde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 17. Dezember
2003 - XII ZR 224/00 - und Urteil vom 14. Januar 2004 - XII ZR 69/01 -) könne sich eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Elternteil auch ergeben, wenn das unterhaltspflichtige Kind lediglich
Einkommen unter dem unterhaltsrechtlichen Mindestbedarf von 1.400 Euro erziele. Voraussetzung dafür sei, dass der eigene angemessene
Unterhaltsbedarf ganz oder teilweise durch den Familienunterhalt gedeckt sei. Mithin sei auch das Einkommen des anderen Ehegatten
zu berücksichtigen. Um prüfen zu können, ob ihr eigener angemessener Unterhaltsbedarf durch den Familienunterhalt bereits
gedeckt sei, bat er um Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25. August
2010 teilte A. G. mit, dass der Kläger nicht bereit sei, Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen. Daraufhin richtete der
Beklagte mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 ein Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII an den Kläger und bat um Auskunft über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Nachdem der Kläger eine Auskunft abgelehnt hatte, verlangte der Beklagte mit Bescheid vom 5. August 2011 von diesem Auskunft
über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und drohte für den Fall, dass die erbetenen Auskünfte nicht oder nicht vollständig
erteilt werden, ein Zwangsgeld in Höhe von 250 Euro an und ordnete die sofortige Vollziehung des Auskunftsersuchen nach §
86a Abs.
2 Nr.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) an.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. August 2011) und teilte mit, sein Einkommen
sei so, dass der Unterhalt seiner Ehefrau hiervon gedeckt werden könne, so dass es einer darüber hinaus gehenden Auskunftspflicht
nicht bedürfe. Ergänzend teilte er mit, dass seine Ehefrau sich seit 21. August 2011 in Mutterschutz befinde und danach für
zwei Jahre nicht im Berufsleben stehen werde (Schriftsatz vom 5. September 2011). Der Beklagte bat mit Schreiben vom 8. Februar
2012 um Übersendung entsprechender Nachweise, die u.a. belegen sollten, dass der Selbstbehalt von 2.700 Euro gewahrt werde.
Dies lehnte der Kläger ab (Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22. Mai 2012). Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013
wies der Beklagte den klägerischen Widerspruch als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 7. Mai 2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, seine Ehefrau habe am 10. Oktober 2011 einen Sohn geboren und erhalte Elterngeld
in Höhe von 256 Euro bis Oktober 2013. Sie arbeite daneben als geringfügig Beschäftigte bei dem Kläger zu einem Einkommen
von 400 Euro brutto/netto, wobei sie im Hinblick auf die Stellung eines Dienstwagens lediglich 72 Euro ausgezahlt erhalte.
Es bestünden unter keinem Gesichtspunkt Chancen, für den Vater der Ehefrau Unterhalt geltend zu machen. Zudem habe der Hilfeempfänger
seit 1990 keinerlei Unterhalt für seine Familie, insbesondere für seine minderjährigen Kinder, bezahlt. Nachdem kein Unterhaltsanspruch
bestehe, bestehe logischerweise auch kein Auskunftsanspruch.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 31. Juli 2015 die Klage kostenpflichtig abgewiesen; hinsichtlich der Gründe wird auf Blatt 46/48
der SG Akten Bezug genommen.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 5. August 2015 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 4.
September 2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Der Hilfeempfänger habe seit dem 12.
Lebensjahr seiner Ehefrau seine gesamte Familie vernachlässigt und keine Unterhaltsleistungen erbracht. Deshalb bestehe kein
Unterhaltsanspruch. Von den Einkommensverhältnissen des Klägers aus gesehen, könnten die Einkommensverhältnisse der Eheleute
dazu führen, "dass diese einen Unterhaltsanspruch zulassen würden".
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 31. Juli 2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 5. August 2011 in
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine getroffene Entscheidung.
Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 26. Oktober 2015 darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Prüfung der Sach- und
Rechtslage die Berufung keine Aussicht auf Erfolg biete und kein Anlass bestehe, den Ausgang eines - nach Angaben des Klägers
vom Kreis M. gegen seine Ehefrau beabsichtigten - familiengerichtlichen Unterhaltsverfahrens abzuwarten.
Am 14. Dezember 2015 hat der Beklagte beim Amtsgericht (AG) T. gegen die Ehefrau des Klägers eine Stufenklage mit dem Ziel
eingereicht, für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis einschließlich Mai 2013 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag für den Hilfeempfänger
zu erhalten (22 F 1061/15).
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten
des Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§
144 Abs.
1 Satz 1
SGG). Einer Zulassung bedarf die Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG nur, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf
gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Vorliegend ist nicht eine Geld- Dienst- oder Sachleistung
streitig, sondern eine Auskunftsverpflichtung. Diese ist nicht bezifferbar, sodass die Regelung des §
144 Abs.
1 Satz 1
SGG über den Berufungsausschluss nicht greift. Die Berufung wurde auch gem. §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegt.
2. Gegenstand des vorliegenden Rechtstreits ist der Bescheid vom 5. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.
April 2013, mit dem der Beklagte den Kläger zur Erteilung einer Auskunft verpflichtet hat. Dagegen wendet sich der Kläger
statthaft im Wege der isolierten Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 SGG.
3. Der Klage steht nicht die Sperrwirkung des Rechtsstreits des Beklagten vor dem Amtsgericht T. 22 F 1061/15 über denselben Streitgegenstand zwischen denselben Beteiligten entgegen (§§
202 SGG,
17 Abs.
1 Satz 2 Gerichtsverfassungssetz <GVG>). Nach §
17 Abs.
1 Satz 2
GVG ist eine neue Klage während der Rechtshängigkeit unzulässig, wenn die Streitsache schon bei einem Gericht anhängig ist. Unabhängig
davon, dass das Verbot der doppelten Rechtshängigkeit allenfalls der am 14. Dezember 2015 erhobenen Klage 22 F 1061/15 entgegenstehen könnte, beinhaltet diese Klage auch keine identische Streitsache, nachdem sich diese Klage nicht gegen den
Kläger, sondern dessen Ehefrau richtet und nicht das auf die öffentlich-rechtliche Norm des § 117 SGB XII gestützte Auskunftsersuchen gegen den Kläger, sondern einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nach §
1605 BGB gegen dessen Ehefrau zum Inhalt hat.
4. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
a. Rechtsgrundlage für den Auskunftsanspruch des Beklagten als sachlich und örtlich für die Erbringung der Eingliederungshilfeleistungen
an den Hilfeempfänger zuständiger Sozialhilfeträger (§§ 3 Abs. 3, 97 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, 98 Abs. 2 und 5 SGB XII i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 SGB XII-Ausführungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGB XII-Ausführungsverordnung Nordrhein-Westfalen) ist § 117 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII. Nach der Regelung des § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, die Ausdruck des Grundsatzes des Nachranges der Sozialhilfe ist (§ 2 SGB XII), haben die Unterhaltspflichtigen, ihre nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und die Kostenersatzpflichtigen
dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung dieses
Buches es erfordert. Dabei haben sie die Verpflichtung, auf Verlangen des Trägers der Sozialhilfe Beweisurkunden vorzulegen
oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Die Vorschrift ermächtigt den Träger der Sozialhilfe, die Auskunftsverpflichtung durch Verwaltungsakt
gegenüber dem Pflichtigen geltend zu machen und bei Auskunftsverweigerung im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen
(Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 21. Januar 1993 - 5 C 22/90 - BVerwGE 91, 375 -) zu der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 116 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz <BSHG>). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII liegen vor, wenn der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch der Hilfeempfängers gegen die Ehefrau des Klägers weder offensichtlich
im Wege der Negativevidenz noch nach § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - B 8 SO 75/12 B - [...] Rdnr. 7 ff.; Senatsurteile vom 6. November 2014 - L 7 SO 5083/12 -
und 28. Februar 2013 - L 7 SO 5083/12 -; vgl. ferner LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Januar 2015 - L 20 SO 12/14 -
[...] Rdnrn. 40 ff.; Urteil vom 16. Mai 2013 - L 9 SO 212/12 - [...] Rdnr. 40 f.; Bayerisches LSG, Urteil vom 23. Oktober
2014 - L 8 SO 212/12 - [...] Rdnrn. 39 ff.; Urteil vom 28. Januar 2014 - L 8 SO 21/12 - [...] Rdnrn. 43 ff.). Die Rechtmäßigkeit
des Auskunftsverlangens setzt nicht voraus, dass dem Hilfeempfänger der Unterhaltsanspruch tatsächlich und nachweisbar zusteht.
Nach ständiger Rechtsprechung ist es ist nicht Aufgabe der Sozialgerichte, unterhaltsrechtlichen Fragen (näher) nachzugehen.
Diese Prüfung obliegt in dem gegliederten Rechtsschutzsystem der Bundesrepublik Deutschland den insoweit rechtswegmäßig zuständigen
Zivilgerichten. Nur wenn ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch nach objektivem, materiellen Recht offensichtlich ausgeschlossen
ist - und insofern ist mit Blick auf die gegliederte Aufgabenzuweisung strikte Zurückhaltung geboten -, ist ein gleichwohl
erlassenes, erkennbar sinnloses Auskunftsersuchen aufzuheben.
b. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Der Beklagte, der dem Vater der Ehefrau des Klägers Leistungen der Eingliederungshilfe
nach den Bestimmungen des SGB XII seit Juni 2007 bis zu dessen Tod im November 2015 erbracht hat, ist als tatsächlicher und sachlich zuständiger Leistungserbringer
auch für das Auskunftsersuchen zuständig. Dahingestellt bleiben kann, ob vor Erlass eines Auskunftsersuchens eine Anhörung
durchzuführen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Mai 2013 - L 9 SO 212/12 - [...] Rdnr. 33) und ob ggf. das
Schreiben des Beklagten vom 6. Oktober 2010 als Anhörungsschreiben zu qualifizieren ist, da ein Verstoß hiergegen jedenfalls
mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens als geheilt anzusehen ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X>).
c. Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Ehefrau des Klägers war ihrem Vater dem Grunde nach unterhaltspflichtig.
Nach §
1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie, verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Der Hilfebedürftige muss bedürftig sein (vgl.
§
1602 BGB), woran vorliegend keine Zweifel bestehen, und der Unterhaltspflichtige muss leistungsfähig sein (§
1603 BGB). Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des BGH zum Elternunterhalt (vgl. auch zum Folgenden z.B. Urteil vom 1. Oktober
2014 - XII ZR 133/13 - [...] Rdnr. 11 ff.; Urteil vom 5. Februar 2014 - XII ZB 25/13 - BGHZ 200, 157 -; Urteil vom 12. Dezember 2012 - XII ZR 43/11 - BGHZ 196, 21 - jeweils m.w.N.; ferner zusammenfassend Born, MDR 2015, 554/558 f.) ist der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht bereits
deshalb leistungsunfähig, weil er nicht über eigene Einkünfte verfügt, die seinen angemessenen Selbstbehalt übersteigen. Bei
der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt kann der dem Unterhaltspflichtigen zu belassende Selbstbehalt insoweit gewahrt sein,
als er durch den ihm von seinem Ehegatten zu leistenden Familienunterhalt sein Auskommen findet. Die Höhe des von jedem Ehegatten
- abgesehen von der Haushaltsführung - zu leistenden Beitrags zum Familienunterhalt richtet sich grundsätzlich nach dem Verhältnis
der beiderseitigen unterhaltsrechtlich relevanten Nettoeinkommen. Soweit das Einkommen eines Ehegatten zur Bestreitung des
angemessenen Familienunterhalts nicht benötigt wird, steht es ihm selbst zur Verfügung und kann folglich für Unterhaltszwecke
eingesetzt werden, sofern der angemessene Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen insgesamt gewahrt ist. Der nicht unterhaltspflichtige
Ehegatte wird in solchen Fällen nicht mittelbar zum Unterhalt herangezogen, denn sein eigener angemessener Familienunterhalt
ist gedeckt; die durch Unterhaltsleistungen bedingte Schmälerung des Einkommens seines Ehegatten braucht er nicht zu kompensieren,
da auch dessen angemessener Unterhalt gesichert ist. Wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte über kein eigenes Einkommen verfügt,
hat er sein Taschengeld für den Elternunterhalt einzusetzen, wobei ihm allerdings ein Betrag in Höhe von 5 bis 7 % des Familienselbstbehalts
sowie in Höhe der Hälfte des darüber hinausgehenden Taschengeldes verbleiben muss. Die Ehefrau des Klägers, die zunächst bis
zum Mutterschutz im August 2011 Arbeitsentgelt aus ihrer Tätigkeit als Arzthelferin sowie aus einer geringfügigen Beschäftigung
beim Kläger erzielt, nach der Geburt ihres Sohnes Elterngeld bezogen und aus einer geringfügigen Beschäftigung wiederum Einkommen
erzielt hat, kommt nach der dargestellten Rechtsprechung des BGH grundsätzlich als leistungsfähige Unterhaltspflichtige in
Betracht.
Anhaltspunkte dafür, dass diese Verpflichtung - nach dem Grundsatz der Negativevidenz - nach objektivem, materiellen Recht
offensichtlich ausgeschlossen und gem. §
1611 BGB beschränkt oder entfallen wäre, so dass die Ehefrau des Klägers als Unterhaltsschuldnerin von vornherein ausscheiden würde,
liegen nicht vor. Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene
Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung
gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete
nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn
die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre (§
1611 Abs.
1 BGB). Der Kläger hat insofern geltend gemacht, dass der Hilfeempfänger seiner Familie, insbesondere seinen minderjährigen Kindern
(u.a. der jetzigen Ehefrau des Klägers), seit 1990 keinen Unterhalt geleistet habe, und damit die gesamte Familie vernachlässigt
habe. Der Beklagte hat erwidert, dass der Hilfeempfänger bereits seit den 1990-er Jahren psychisch erkrankt gewesen sei und
die missliche Entwicklung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse auf diese Erkrankung zurückzuführen sei. Dafür könnte sprechen,
dass das AG D. in seinem Urteil vom 1. Februar 1991 (1 F 66/90) betreffend die Abänderung des Unterhaltsvergleichs vom 29. November 1989 (AG D., 1 F 128/89) u.a. ausgeführt hat, dass dem Kläger hinsichtlich der Zeit ab November 1990 keine schuldhafte (Arbeits-)Obliegenheitsverletzung
zugerechnet werden könne, weil er wegen psychosomatischer Beschwerden mit Erschöpfungszuständen und depressiven Verstimmungszuständen
bei depressiv-zwangsneurotischer Persönlichkeitsstruktur in stationärer Behandlung und krank gewesen sei. Die zwischen den
Beteiligten umstrittene Frage, ob ein Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers gegen die Ehefrau des Klägers nach §
1611 BGB ausgeschlossen ist, ist nicht im hiesigen sozialgerichtlichen Verfahren betreffend das Auskunftsersuchen nach § 117 SGB XII zu klären, sondern - ggf. nach einer Beweisaufnahme - im Rahmen des beim AG Tuttlingen anhängigen familiengerichtlichen Verfahrens.
Die Vorschrift des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB XII steht der Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens ebenfalls nicht entgegen. Danach gehen Unterhaltsansprüche nicht nach §
94 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger über, soweit die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten
Kapitel des SGB XII ist oder bei Erfüllung des Anspruchs würde (Nr. 1) oder der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde (Nr.
2). Insbesondere gehört die Ehefrau des Klägers selbst offensichtlich nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach §§
19 Abs. 1 und 2, 27, 41 SGB XII. Auch ist eine besondere Härte i.S. des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Diese öffentlich-rechtliche Regelung ist von den unterhaltsrechtlichen Voraussetzungen
der Verwirkung des Unterhaltsanspruches wie in §
1611 Abs.
1 BGB abzugrenzen. Umstände, die bereits nach bürgerlichem Recht ganz oder teilweise der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs
entgegenstehen, kommen nicht als Härtegrund i.S. des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in Betracht (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Januar 2015, a.a.O. Rdnr. 49; Bayerisches LSG, Urteil vom 23. Oktober
2014, a.a.O. Rdnr. 55; Urteil vom 28. Januar 2014, a.a.O. Rdnr. 63). Denn soweit ein Unterhaltsanspruch nicht besteht, kann
er auch nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergehen. Die Bedeutung der unbilligen Härte im Sinne der Übergangsvorschrift
muss deswegen darüber hinausgehen. Eine solche Härte kommt in Betracht, wenn die Inanspruchnahme des Unterhaltsverpflichteten
aus der Sicht des Sozialhilferechts soziale Belange vernachlässigen würde, wenn also von dem Unterhaltspflichtigen in dieser
Situation üblicherweise nicht (mehr) erwartet werden kann, nun (auch noch) im Hinblick auf den Unterhaltsanspruch in die Pflicht
genommen zu werden. Eine solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Denn der Kläger hat sich darauf beschränkt, ausschließlich
Gründe (Vernachlässigung der Unterhaltspflicht gegenüber der Familie) geltend zu machen, die aus seiner Sicht zu einer Verwirkung
des Unterhaltsanspruchs des Hilfeempfängers führen würden.
Der Kläger ist seiner Auskunftsverpflichtung nicht nachgekommen. Er hat mehrfach und nachdrücklich eine Auskunft über seine
Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgelehnt. Entsprechende Angaben hat er auch in der Folgezeit nicht gemacht und Unterlagen
nicht eingereicht. Dem Auskunftsanspruch des Beklagten steht auch nicht entgegen, dass der Kläger seine Bevollmächtigten hat
mitteilen lassen (Schriftsatz vom 5. November 2015), dass die beiderseitigen Einkommensverhältnisse dazu führen "könnten",
dass diese einen Unterhaltsanspruch zulassen "würden". Zwar geht der 8. Senat des BSG (vgl. ferner LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Oktober 2012 - L 13 SO 36/10 - [...] Rdnr. 23) ausweislich des Terminberichts
Nr. 4/14 über seine Sitzung vom 13. Februar 2014 zum Revisionsverfahren B 8 SO 20/12 R davon aus, dass der Auskunftsanspruch
nach § 117 SGB XII aufgrund seiner normativen Verknüpfung mit § 94 Abs. 2 SGB XII nicht bestehe, solange - wie im Revisionsverfahren vom Kläger - die Leistungsfähigkeit bezüglich des in pauschalierter Form
übergegangenen möglichen Unterhaltsanspruchs nicht bestritten werde; dann sei die Kenntnis des Sozialhilfeträgers über die
Einkommens- und Vermögensverhältnisse des möglichen Unterhaltsschuldners nicht erforderlich und den Interessen des Sozialhilfeträgers
werde im Rahmen des zivilrechtlichen und zivilprozessualen Verfahrens ausreichend Rechnung getragen. Jedoch findet diese Rechtsauffassung
auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung. Zunächst ist zu beachten, dass der Beklagte sich nicht des - zugunsten der
unterhaltspflichtigen Person - begrenzten und pauschalierten Übergangs des Unterhaltsanspruchs i.S. des § 94 Abs. 2 SGB XII berühmt, sondern übergegangene Unterhaltsansprüche gegen die Ehefrau des Klägers in Höhe der erbrachten Eingliederungshilfeleistungen,
die sich auf monatlich ca. 1.150,00 € belaufen haben, geltend macht. Weiterhin kommt es vorliegend auch nicht auf die unterhaltsrechtliche
Leistungsfähigkeit des Klägers an (vgl. §
1603 BGB), sondern die seiner Ehefrau. D.h. eine Erklärung des Klägers, dass die Leistungsfähigkeit bezüglich des übergegangenen möglichen
Unterhaltsanspruchs nicht bestritten werde, geht ins Leere. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach der oben skizzierten
Rechtsprechung des BGH für die Berechnung eines möglichen Unterhaltsanspruchs gegenüber der Ehefrau des Klägers die Höhe des
Familiennettoeinkommens relevant ist (z.B. bei Bestimmung des Beitrages zum Familienunterhalt sowie des Taschengeldes). Schließlich
ist zu beachten, dass der Kläger widersprüchliche Erklärungen abgegeben hat. So hat er einerseits erklärt, dass er seine Familie
"ausreichend versorgen und unterhalten kann" (Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 27. Mai 2011), "der unterhaltsrechtliche
Mindestbetrag von € 2.700,00 gewahrt ist" (Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24. August 2011), seine Ehefrau von ihm
versorgt und unterhalten "wird" (Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. April 2013). Andererseits hat er vorgetragen,
dass der Unterhalt seiner Ehefrau von seinem Einkommen "gedeckt wäre" (Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. August
2011) und die beiderseitigen Einkommensverhältnisse dazu führen "könnten", dass diese einen Unterhaltsanspruch zulassen "würden".
Diesen Erklärungen kann nicht mit der hinreichenden Deutlichkeit entnommen werden, dass die Ehefrau des Klägers ihre Leistungsfähigkeit
bezüglich des übergegangenen möglichen Unterhaltsanspruchs nicht bestreitet.
Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sein Auskunftsersuchen gegen den Kläger auf § 117 SGB XII gestützt hat. Er muss sich nicht auf den unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch gegen dessen Ehefrau nach §
1605 BGB verweisen lassen (vgl. nur Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 117 Rdnr. 12 m.w.N.; Schoch in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 117 Rdnr. 11).
Schließlich kommt es auch auf die Frage, ob die Sozialhilfe rechtmäßig gewährt wurde, im Rahmen der Auskunft durch potentiell
Unterhaltspflichtige grundsätzlich nicht an (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 28. Februar 2012 - L 7 SO 4014/11 - m.w.N.).
Der Wortlaut des § 117 Abs. 1 SGB XII stellt - ebenso wie zuvor § 116 Abs. 1 BSHG - lediglich auf den tatsächlichen Bezug von Sozialhilfeleistungen ab; auch andere Erwägungen zwingen nicht zu einer darüber
hinausgehenden Auslegung. Sinn und Zweck der Pflicht zur Auskunft ist die Durchsetzung des Nachranges der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Dadurch wird dem Träger der Sozialhilfe ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt, das diesen in die Lage
versetzt, durch Eintritt in die Gläubigerposition den vom Gesetz gewollten Vorrang der Verpflichtung anderer, die dem Hilfeempfänger
die erforderliche Hilfe hätten gewähren können, nachträglich zu verwirklichen. Dieses Bedürfnis besteht schon dann, wenn die
Hilfe als Sozialhilfe gewährt worden ist, unabhängig davon, ob dies zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist.
Durch die begehrte Auskunftserteilung wird der Kläger auch nicht unangemessen in Anspruch genommen. Insbesondere wird sein
in Art.
2 Abs.
1 Grundgesetz geschütztes Persönlichkeitsrecht, vor allem sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, nicht in rechtswidriger Weise
verletzt, sondern durch § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII im höherrangigen Allgemeininteresse, namentlich im Interesse der Herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe, in zulässiger
Weise eingeschränkt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Mai 2012 - L 20 SO 32/12 - [...] Rdnr. 53 m.w.N.). Die vom Beklagten
erbetenen Auskünfte sind erforderlich, um eine etwaige Unterhaltspflicht der Ehefrau des Klägers feststellen zu können, da
diese allein aufgrund der von ihr bisher erteilten Auskünfte mangels konkreter Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen
des Klägers nicht beurteilt werden kann.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 der Verwaltungsgerichtsgerichtsordnung, da der Kläger nicht zu dem in §
183 Satz 1
SGG genannten Personenkreis gehört, für den das Verfahren vor den Sozialgerichten kostenfrei ist.
6. Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.