Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers für erbrachte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben; Höhe der Begrenzung des
Erstattungsanspruchs aus § 104 Abs. 3 SGB X; Zulässigkeit einer Überprüfung der Ermessensausübung des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem klagenden Landkreis Kosten für von ihm erbrachte Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer berufsvorbereitenden Maßnahme und der anschließenden Ausbildung zum Elektriker einschließlich
einer Internatsunterbringung mit intensiver Betreuung in der Zeit vom 01.09.2009 bis zum 31.12.2011 zu erstatten hat (insgesamt
113.199,92 €).
1.
Bei dem 1988 geborene A______ W_______ (im Folgenden: A.W.) besteht eine ADHS-Erkrankung, Störung des Sozialverhaltens, wodurch
es zu häufigen Konflikten kommt, kombiniert mit einer depressiven Störung und einer sexuellen Reifungskrise (vgl. Vorläufige
Entlassmitteilung Dr. G. vom 14.07.2008, Blatt 143 des Vorbands vor Bd. I der Klägerakte; Gutachten Dr. T. vom 16.10.2008,
Blatt 4 der Beklagtenakte; Gutachten Dipl.Psych. W. vom 23.01.2009, Blatt 6/8 der Beklagtenakte; Gutachten Dr. T. vom 02.07.2009,
Blatt 36/41 der Beklagtenakte; ärztlicher Abschlussbericht zum Verlauf der Clearingphase vom 23.10.2010, Blatt 90/91 der Beklagtenakte).
A.W. legte nach Besuch der Grundschule und anschließend der Realschule - unterbrochen von stationärer Behandlung wegen ADHS
im Jahr 2002 - im Sommer 2007 den externen Hauptschulabschluss (Notendurchschnitt 2,8) ab. Im Anschluss besuchte er ab Oktober
2007 an der Akademie für Kommunikation P. die private Berufsfachschule. Aufgrund zunehmender Konflikte mit Mitschülern und
Lehrkräften brach A.W. im Februar 2008 diese Schule ohne Abschluss ab.
In der Zeit vom 30.05.2008 bis zum 14.07.2008 befand sich A.W. in stationärer Behandlung im Psychotherapeutischen Zentrum
der K.-Klinik Bad M. (zum Abschlussbericht Prof. Dr. P. vom 09.09.2008 vgl. Blatt 177/179 des Vorbands vor Band I der Klägerakte),
gefolgt von einem Besuch der ambulanten Tagesförderstätte für psychisch erkrankte Menschen des Caritasverbandes (vgl. Blatt
23/26 der Beklagtenakte), wo ihm Schwierigkeiten in der Konzentration und des Durchhaltevermögens bescheinigt wurden. Der
Besuch endete dort am 16.01.2009, weil A.W. sich zunehmend geweigert hatte, sich an die Regeln der Einrichtung und getroffene
Vereinbarungen zu halten (vgl. Bericht Caritas vom 09.07.2009, Blatt 57/59 der Beklagtenakte).
Vom 15.07.2009 (Blatt 317/319 der Klägerakte) bis zum 31.08.2009 besuchte A.W. eine Clearingphase im Christlichen Jugenddorf
H. (im Folgenden CJD H. ; von der Beklagten als BBW H. bezeichnet), deren Kosten der Kläger trug.
Ab dem 01.09.2009 begann A.W. (Blatt 421/423 der Klägerakte) im CJD H. eine Berufsvorbereitungsmaßnahme (BVB; zum Entwicklungsbericht
vom 05.01.2010 vgl. Blatt 593/599 der Klägerakte; zur 1. Fortschreibung des Qualifizierungsplans vom 03.05.2010 vgl. Blatt
635/641 der Klägerakte; zum Entwicklungsbericht vom 15.07.2010 vgl. Blatt 655/659 der Klägerakte; zur Fortschreibung Qualifizierungsplan
vgl. Blatt 661/669 der Klägerakte); das Sozialgericht (SG) Karlsruhe verpflichtete mit Beschluss vom 25.08.2009 die Klägerin im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes die Kosten
für die BVB einschließlich Internatskosten ab 01.09.2009 zu übernehmen (Az.:S 14 AL 3321/09 ER).
Ab dem 01.08.2010 absolvierte A.W. eine Ausbildung zum Elektriker beim CJD H. (zum Ausbildungsvertrag vgl. Blatt 1011der Klägerakte;
zum Entwicklungsbericht vom 29.07.2012 vgl. Blatt 905/913 der Klägerakte); das SG verpflichtete mit Beschluss vom 20.08.2010 den Kläger im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes die Kosten für die Ausbildung
BVB einschließlich Internatskosten ab 01.09.2009 zu übernehmen (Az.:S 14 AL 3162/10 ER; bestätigt durch Beschluss des Landessozialgerichts <LSG> Baden-Württemberg vom 23.09.2010, Az.: L 12 AL 4133/10 ER-B).
Die Ausbildung beendete A.W. am 31.01.2014 erfolgreich (zum Ausbildungszeugnis vgl. Blatt 1057 der Klägerakte; zum Berufsschulzeugnis
vgl. Blatt 1059 der Klägerakte; zum Prüfungszeugnis der IHK vgl. Blatt 1060 der Klägerakte).
2.
Bereits in einer Berufsberatung bei der Beklagten am 06.08.2007 (Blatt 55 der Senatsakte) hatte A.W. eine BVB thematisiert.
Am 18.04.2008 wurde eine Eingliederungsvereinbarung "SGB II" geschlossen (Blatt 57 der Senatsakte).
Am 19.05.2008 stellte sich A.W. persönlich bei der Beklagten vor wegen eines Termins in der Berufsberatung; er suche eine
Ausbildungsstelle (Blatt 51 der Senatsakte). Über den Termin bei der Berufsberatung am 26.05.2008 hat die Beklagte notiert
(Blatt 52 der Senatsakte), A.W. gehe die ADHS aktiv an durch Medikamente und Klinikaufenthalt; über BVB und "EQ" seien Erstinformationen
gegeben worden. In einem telefonischen Kontakt am 31.07.2008 (Blatt 53 der Senatsakte) berichtete die Mutter des A.W. der
Beklagten, das Jugendamt habe sie wegen einer betreuten Berufsausbildung des A.W. zur Berufsberatung geschickt. Es sei ihr
seitens der Beklagten mitgeteilt worden, dass eine Reha-Berufsberatung erst stattfinde, wenn ein Reha-Bedarf festgestellt
sei.
Beim Kläger beantragte A.W. am 08.09.2008 (Blatt 153/159 des Vorbands vor Band I der Klägerakte) die Gewährung von stationärer/teilstationärer
Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII sowie ambulante Hilfe nach dem SGB VIII (Blatt 161/163 des Vorbands vor Band I der Klägerakte). A.W. gab in einem Fragebogen hierzu an (Blatt 165/167 des Vorbands
vor Band I der Klägerakte), er ecke in der Schule immer an und merke es nicht. Er habe ständig Probleme mit seinem Vater,
er habe nur sehr wenige Freunde und habe Schulden. Er finde keine Ausbildungsstelle. Die Eltern berichteten (Blatt 169/171
des Vorbands vor Band I der Klägerakte) von ständiger Verteidigungshaltung und einer verzögerten Entwicklung.
Bei der Beklagten war A.W. dann am 11.09.2008 zu einem Gespräch (Blatt 181 des Vorbands vor Band I der Klägerakte; Blatt 269
der Klägerakte; zum Aktenvermerk der Beklagten vgl. Blatt 54 der Senatsakte); Thema dieses Gesprächs war u.a. eine "betreute
Ausbildung". Die Beklagte verwies A.W. wegen "einer Sozialleistung" an den Jugendhilfeträger. In der Folge übergab A.W. ärztliche
Berichte an die Beklagte (Blatt 211 der Klägerakte); die Beklagte holte das Gutachten von Dr. T. vom 16.10.2008 (Blatt 4 der
Beklagtenakte), die die Belastbarkeit des A.W. für eine BVB bzw. eine BAE für noch nicht ausreichend erachtete.
Am 15.09.2008 beantragte A.W. beim Kläger schriftlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, ohne die es ihm unmöglich sei
eine Berufsausbildung erfolgreich zu durchlaufen (Blatt 183 des Vorbands vor Band I der Klägerakte).
Der Kläger versagte mit Bescheid vom 05.03.2009 (Blatt 227 der Klägerakte) Leistungen zur beruflichen Einbindung/Teilhabe
am Arbeitsleben mangels Mitwirkung im verfahren, weil der Kläger nicht zu einem Termin erschienen sei. Dennoch trat der Kläger
in eine Hilfeplanung ein (Blatt 245/257 der Klägerakte), stellte verwaltungsintern fest, die Beklagte sei zuständig (Blatt
263 der Klägerakte) und verwies A.W, mit Email vom 28.05.2009 auf Angebote in N. , R. und das CJD H. (Blatt 263 der Klägerakte).
Mit Schreiben vom 10.06.2009 (Blatt 17 der Beklagtenakte) wandte sich A.W. an die Beklagte und beantragte unter Bezugnahme
auf seinen Antrag auf Übernahme der Ausbildungskosten und Wohnkosten in einem Berufsbildungswerk, das Gutachten von Dr. T.
vom 16.10.2008 und seine behandelnden Ärzte, die eine begleitete Ausbildung und einen Auszug von zu Hause empfohlen hatten,
eine Maßnahme der BVB oder BAE im CJD H. , einem Berufsbildungswerk (BBW). Am 17.06.2009 reichte A.W. den ausgefüllten Formantrag
auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Beklagten ein (Blatt 1 der Beklagtenakte).
A.W. wandte sich mit Schreiben vom 22.06.2009 (Blatt 22 der Beklagtenakte) erneut an die Beklagte und beantragte "im Rahmen
des
SGB III" die Kostenübernahme für eine Berufsvorbereitende Maßnahme (BVB) und anschließend die Berufsausbildung in einer Einrichtung
(BAE) sowie die Übernahme der Kosten in einer Wohngruppe für Jugendliche mit hohem Betreuungsbedarf im CJD H. .
Dr. T. vom arbeitsamtsärztlichen Dienst der Beklagten führte in ihrem Gutachten vom 02.07.2009 (Blatt 36/41 der Beklagtenakte)
u.a. aus, auf Grund der Schwere der Verhaltensstörung seien die besonderen Hilfen einer Einrichtung seelisch behinderte und
verhaltensauffällige Jugendlich erforderlich. Während der BVB sei eine hochfrequente ambulante Psychotherapie erforderlich.
Von den behandelnden Ärzten sei dringend eine außerfamiliäre internatsmäßige Unterbringung empfohlen worden. Auch während
dieser Internatsunterbringung benötige A.,W. engmaschige Betreuung im Rahmen einer koedukativen Wohngruppe mit 24 Stunden
Betreuung. A.W. sei noch nicht berufsreif, er benötige eine BVB für seelisch behinderte und verhaltensauffällige Jugendliche.
Das RPK H. sei eine geeignete Einrichtung.
Die Beklagte meldete A.W. daraufhin im RPK H. an (Schreiben vom 03.07.2009, Blatt 46/47 der Beklagtenakte; Eingliederungsvorschlag
vom 03.07.2009, Blatt 52/53 der Beklagtenakte; Anmeldung vom 08.07.2009, Blatt 54 der Beklagtenakte) und lehnte mit Bescheid
vom 08.07.2009 (Blatt 44/45 der Beklagtenakte) den Antrag vom 22.06.2009 ab. Um an dieser Maßnahme teilnehmen zu können, habe
A.W. vor Beginn der BVB eine Unterbringung in einer Wohngruppe für Jugendliche mit hohem Betreuungsaufwand, um sich in der
Einrichtung eingewöhnen und um die Ablösung vom Elternhaus begleitet durchführen zu können, beantragt. Eine solche Maßnahme
sei keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und könne nicht gefördert werden. Da A.W. erklärt habe, diese Maßnahme als
Voraussetzung anzusehen um erfolgreich an der BVB teilnehmen zu können, müssten auch alle nach folgenden Maßnahmen und Leistungen
abgelehnt werden. Ein weiterer Grund sei die Vorgabe des ärztlichen Dienstes, dass eine Maßnahme in einer Einrichtung benötigt
würde, die speziell auf seelisch behinderte Menschen ausgerichtet sei. Dies sei beim BBW H. nicht der Fall. Auch habe sich
A.W. noch nicht in der Lage gesehen an Maßnahmen der beruflichen Eingliederung teilnehmen zu können. Dies müsse so akzeptiert
werden.
Der Kläger gewährte mit Bescheid vom 28.07.2009 (Blatt 347/349 der Klägerakte) für die Zeit vom 15.07.2009 bis zum 31.08.2009
im CJD H. "erforderliche Eingliederungshilfe" nach dem SGB XII und übernahm die vereinbarten Vergütungen für die intensiv betreute Internatsgruppe samt Bekleidungspauschale (40,50 €) und
Barbetrag (96,93 €) sowie Beihilfe zu Wochenendheimfahrtskosten.
Mit seinem Widerspruch vom 29.07.2009 (Blatt 60/61 der Beklagtenakte) gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.07.2009 teilte
A.W. mit, er sei seit 15.07.2009 im CJD H. in einer intensiv betreuten Internatsgruppe und absolviere bis 31.08.2009 eine
Clearingphase, innerhalb der eine Berufsfindung und Arbeitserprobung stattfinde; die Kosten trage bis 31.08.2009 der Landkreis.
Er gehe davon aus, dass er ab 01.09.2009 im BBW H. eine BVB bzw. eine Berufsausbildung beginnen könne. Das BBW sei eine speziell
auf seelisch behinderte Menschen ausgerichtete Einrichtung. Er bitte um Bewilligung der Gesamtkosten (Maßnahmekosten BVB bzw.
Ausbildung und Unterbringungskosten in der intensiv betreuten Internatsgruppe ab 01.09.2009.
Nachdem der Kläger mit Beschluss des SG vom 25.08.2009 (S 14 AL 3312/09 ER) zur vorläufigen Übernahme der Kosten für die BVB einschließlich Internatskosten verpflichtet worden war, machte der Kläger
mit Schreiben vom 01.09.2009 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch für diese Kosten geltend (Blatt 80 der Beklagtenakte
= Blatt 417 der Klägerakte), den die Beklagte nicht akzeptierte (Blatt nach Blatt 80 der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom
22.09.2009 (Blatt 509/511 der Klägerakte) setzte der Kläger den Beschluss des SG um und gewährte ab Beginn der BVB zum 01.09.2009 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch
bis zum Ende der BVB sowie längstens für die Dauer der tatsächlichen Anwesenheit im CJD H. "erforderliche Eingliederungshilfe
für behinderte Menschen gem. §§ 53, 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 12. Buch (SGB XII) vorläufig in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Karlsruhe unter AZ. S 14 AL 3312/09 ER vom 25.08.2009." In der Sache übernahm der Kläger vorläufig die vereinbarten Vergütungen für die intensiv betreute Internatsgruppe,
die vereinbarten Vergütungen für den BVB Lehrgang, eine Bekleidungspauschale entsprechend dem saarländischen Kleidergeldsatz,
einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (monatlich) und Fahrtkosten anlässlich von Wochenendheimfahrten mit öffentlichen
Verkehrsmitteln.
In dem mit der Beklagten geführten Widerspruchsverfahren legte A.W. den 1. Qualifizierungsbericht BVB-Maßnahme 2009/10 vom
12.10.2009 (Blatt 86/87 der Beklagtenakte) samt psychologischer Stellungnahme vom 15.10.2009 (Blatt 88/89 der Beklagtenakte)
und ärztlichem Abschlussbericht zum Verlauf der Clearingphase vom 23.10.2009 (Blatt 90/91 der Beklagtenakte) vor. Außerdem
zog die Beklagte beim CJD H. eine sozialpädagogische Stellungnahme bei (Stellungnahme vom 20.10.2009, Blatt 94/95 der Beklagtenakte),
in der weiterhin die Notwendigkeit einer Jugendhilfemaßnahme gesehen wurde und wies mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2009
(Blatt 98/100 der Beklagtenakte) den Widerspruch von A.W. zurück; dieser befinde sich wegen Erziehungsproblemen im BBW H.
und benötige dort erzieherische und therapeutische Hilfen. Diese Leistungen seien von der Beklagten nicht zu erbringen. Hiergegen
hat A.W. Klage beim SG erhoben (Blatt 581 der Klägerakte); die Klage wurde zurückgenommen (vgl. unbeziffertes Blatt der Beklagtenakte).
Mit Schreiben vom 05.02.2010 meldete der Kläger beim Beklagten einen Erstattungsanspruch wegen der Übernehme der Kosten der
BVB im CJD H. ab dem 01.09.2009 an (vgl. unbeziffertes Blatt der Beklagtenakte = Blatt 621 der Klägerakte) , den die Beklagte
nicht anerkannte (Schreiben vom 11.02.2010; vgl. unbeziffertes Blatt der Beklagtenakte = Blatt 627 der Klägerakte).
Am 16.07.2010 beantragte A.W. beim Kläger die Übernahme von Kosten der Ausbildung ab 01.08.2010, der Unterkunft, Verpflegung
und der Betreuung (Blatt 671 der Klägerakte). Mit Schreiben vom selben Tag leitete der Kläger diesen Antrag des A.W. nach
§
14 SGB IX an die Beklagte - Agentur für Arbeit H. - weiter (Blatt 675/677 der Klägerakte = Blatt 5 der Beklagtenakte/hinterer Aktenteil).
Die Beklagte gab mit Schreiben vom 27.07.2010 (Blatt 8 der Beklagtenakte/hinterer Aktenteil) den weitergeleiteten Antrag wieder
an den Kläger zurück, weil die Rehabilitationsmaßnahme noch andauere; A.W. sei noch nicht dauerhaft integriert.
Mit Bescheid vom 24.11.2011 (Blatt 893/895 der Klägerakte) führte der Kläger den Beschluss des SG vom 20.08.2011 (S 14 AL 3162/10 ER) aus und gewährte ab Beginn der Ausbildung zum Elektriker am 02.08.2010 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens,
längstens jedoch bis zum Ende der Ausbildungsmaßnahme sowie längstens für die Dauer der tatsächlichen Anwesenheit im CJD H.
"erforderliche Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gem. §§ 53, 54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 12. Buch (SGB XII) vorläufig in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Karlsruhe unter Az. S 14 AL 3162/10 ER vom 20.08.2010." In der Sache übernahm der Kläger vorläufig die vereinbarten Vergütungen für die Verselbständigungsgruppe
im Bereich Wohnen, die vereinbarten Vergütungen für den Ausbildungslehrgang, eine Bekleidungspauschale entsprechend dem saarländischen
Kleidergeldsatz, einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (monatlich) und Fahrtkosten anlässlich von Wochenendheimfahrten
mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
3.
Am 18.03.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben und zunächst die Zahlung von 28.962,14 € für seine Kosten der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben
vom 01.09.2009 bis 28.02.2010 begehrt, der bis 31.07.2010 anfallende Betrag werde noch beziffert. Zu Unrecht behaupte die
Beklagte, die von ihr vorgeschlagene RPK-Maßnahme sei geeignet gewesen, die berufsvorbereitende Maßnahme im CJD sei lediglich
Beiwerk einer Jugendhilfemaßnahme, um dem Antragsteller eine Tagesstruktur zu bieten. Schließlich zeige der positive Verlauf
der Maßnahme, dass seine Einschätzung zutreffend gewesen sei. Auch gehörten die Unterbringungskosten zur beruflichen Reha-Maßnahme,
weil A.W. die berufliche Maßnahme aufgrund seiner seelischen Behinderung nicht ambulant, sondern nur stationär, weg von zu
Hause im geschützten Bereich einer Einrichtung, habe durchführen können. Nach den im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen
Beschlüssen des SG vom 20.08.2010 und des LSG vom 23.09.2010, die eine fortdauernde Leistungspflicht auch für die Berufsausbildung in Anknüpfung
an den Antrag des A.W. vom 08.09.2008 angenommen hätten, müsse nun auch der Erstattungsanspruch auf diese erstreckt werden
können.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit A.W. sei bei seiner ersten Vorsprache vereinbart worden, dass er sich wieder
in ärztliche Behandlung begebe und einen späteren Termin wahrnehme. Dies habe er nicht getan. Ihm sei dann eine Maßnahme angeboten
worden, die er abgelehnt habe. Daraufhin sei der Fall abgeschlossen worden. Bei einem weiteren Termin sei A.W. bereits auf
die Maßnahme bei der CJD H. festgelegt gewesen. Man habe versucht, ein neues Gutachten zu erstellen, aber keine aktuellen
Befunde bekommen können, weil A.W. bereits seit einem Jahr nicht mehr in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Das CJD H. sei
eine therapeutische Einrichtung der Jugendhilfe. Gemäß § 41 SGB VIII seien Hilfen für junge Volljährige in begründeten Einzelfällen über das 21. Lebensjahr hinaus zu gewähren. A.W. sei im Juni
2009 weder belastbar noch gemeinschaftsfähig gewesen; sogar Selbst- und Fremdgefährdung seien nicht ausgeschlossen gewesen.
Der Bericht des CJD H. vom 20.10.2009 bestätige, dass es sich um eine Jugendhilfemaßnahme handele. Es würde überwiegend verhaltenstherapeutisch
gearbeitet, von einer Rückkehr in die Herkunftsfamilie werde abgeraten. Der Besuch der BVB sei lediglich Beiwerk, um eine
Tagesstruktur zu bieten. Die berufliche Orientierung des Antragstellers spiele eine untergeordnete Rolle.
Der Kläger legte einen fortgeschriebenen Qualifizierungsplan 3. Teil der BVB-Maßnahme 2009/10 (Blatt 25/29 der SG-Akte) vor, ebenso eine Dokumentation/Entwicklungsbericht (Berichtszeitraum 29.12.2009/12.07.2010, Blatt 30/32 der SG-Akte vom 15.07.2010, worin A.W. die Eignung für eine Ausbildung im Elektrobereich bescheinigt wird. Er benötige aber weiterhin
sehr intensive Betreuung im Rahmen eines BBW. Des Weiteren legte der Kläger einen Bericht des Rehaprozessbegleiters Z. vom
23.11.2011 (Blatt 42 der SG-Akte) vor, der u.a. ausführte, es fehle A.WE. noch an den im Arbeitsprozess wichtigen Schlüsselqualifikationen. Der psychologische
Kurzbericht vom 23.11.2011 (Blatt 44/45 der SG-Akte) gibt an, es sei weiterhin psychologische Begleitung und sozialpädagogische Unterstützung erforderlich, um die sozialen
Kompetenzen weiterzuentwickeln und eine Einmündung auf den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten. Der Bericht zum Verlauf der
Probezeit vom 08.12.2010 (Blatt 48/49 der SG-Akte) bescheinigte A.W. das Bestehen der Probezeit bei Einschätzung des weiteren Ausbildungsverlaufs als erfolgreich und
vermutetem Erreichen des Ausbildungsziels.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 05.08.2010 (Blatt 41 der SG-Akte) auf die von A.W. begonnene Ausbildung im CJD H. hingewiesen und mit Schreiben vom 01.02.2012 (Blatt 52 der SG-Akte) Rechnungen für die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme ab 01.09. 2009 und die Ausbildung ab 02.08.2010 bis zum 31.12.2011
vorgelegt sowie beantragt, die Beklagte zur Zahlung vom 113.199,92 € zu verurteilen.
Mit Urteil vom 26.04.2012 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die vom 01.09.2009 bis 31.12.2011 erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
für 113.199,92 € zuzüglich 4 % Zinsen aus 28.962,14 € ab dem 01.04.2010 und aus weiteren 84.237,78 € ab dem 01.03.2012 zu
erstatten. Rechtsgrundlage sei § 104 Abs. 1 SGB X. Der Anspruch des A.W. gegen die Beklagte auf Leistungen zur Teilhabe ergebe sich aus den §§
97 SGB III i.V.m. §
33 Abs.
1, Abs.
3 Nr.
4, Abs.
6, Abs.
7 Nr. 1
SGB IX. A.W. sei ein behinderter Mensch in diesem Sinne bei dem krankheitsbedingt eine seelische Minderbelastbarkeit mit Störung
des Sozialverhaltens und depressiver Verstimmung, deutliche Entwicklungsverzögerung vorliege, die zu einer voraussichtlich
länger als sechs Monate anhaltenden Minderung der Leistungsfähigkeit führe. Der Kläger habe Leistungen der Eingliederungshilfe
nach §§ 41, 35a SGB VIII, zuletzt im Rahmen der Clearingphase vom 16.07.2009 bis 31.08.2009 gewährt. Daraus folge aber keine fortdauernde Leistungspflicht.
Nach § 10 Abs. 1 SGB VIII seien Leistungen der Jugendhilfe nachrangig. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürften nicht deshalb versagt
werden. Es bestehe damit ein Nachrang von Jugendhilfeleistungen gegenüber von der Beklagten zu gewährenden Maßnahmen. Zwar
ende die Hilfegewährung durch den Jugendhilfeträger mit Erreichen des 21. Lebensjahres, was bei A.W. bereits vor Beginn der
berufsvorbereitenden Maßnahme der Fall gewesen sei. Jedoch handele es sich bei der vom Kläger erbrachten Leistung um eine
Leistung der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII nicht um Erziehungshilfe. Die Unterbringung erfolge in erster Linie um die seelische Behinderung des Antragstellers, die
in einer schweren Verhaltensstörung und adultem ADHS bestehe und zur Störung jeglicher sozialer Kontakte führe, zu mildern
bzw. zu beheben und nicht, um erzieherische Defizite der Eltern zu beseitigen. Die streitgegenständlichen Leistungen für die
berufsvorbereitende Maßnahme und die Berufsausbildung seien auch berufliche Maßnahmen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
für die die Beklagte nach §§ 97ff
SGB III originär zuständig sei. Deren Eignung ergebe sich aus den Verlaufsberichten des CJD H. . Einwand, die Berufsausbildung sei
nur Beiwerk und diene überwiegend der Tagesstrukturierung, sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte müsse auch die Kosten der
Unterbringung tragen. Diese sei wegen der Art und Schwere der Behinderung und zur Sicherung des Erfolgs der Teilhabe notwendig.
Die Beklagte könne dem Erstattungsanspruch nicht entgegenhalten, dass ihr ein Entschließungs- und Auswahlermessen zugestanden
habe, der Anspruch des Antragstellers gemäß §
97 SGB III mithin nur auf pflichtgemäße Ermessensbetätigung gerichtet gewesen sei. Vorliegend seien die von der Beklagten angestellten
Erwägungen offensichtlich fehlerhaft gewesen, so dass das vorgesehene Ermessen dem Erstattungsbegehren des Klägers nicht entgegengehalten
werden könne. Eine offensichtlich unrichtige Rechtsanwendung seitens des Klägers sei hingegen nicht erkennbar. Vielmehr bestätige
der Verlauf der Maßnahmen dessen Einschätzungen. Der Anspruch auf Zinsen stütze sich auf § 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB X.
Gegen das ihr am 10.05.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.05.2012 beim LSG Berufung eingelegt. Nach dem ärztlichen
Gutachten bestehe bei A.W. eine seelische Minderbelastbarkeit mit Störung des Sozialverhaltens und depressiver Verstimmung
und eine deutliche Entwicklungsverzögerung. Die verminderte Leistungsfähigkeit werde laut ärztlichem Gutachten voraussichtlich
länger als 6 Monate, aber nicht auf Dauer, bestehen. Sie gestehe zu, dass die notwendige Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht
optimal gelaufen sei. Jedoch sei sie nicht in vollem Umfang für sämtliche angefallenen Kosten zur Betreuung des A.W. zuständig.
Es liege eine Parallelzuständigkeit vor, weshalb im Interesse des Jugendlichen eine abgestimmte Leistungserbringung möglich
sei. Mehrkosten, die durch die stationäre Hilfe zur Erziehung entstanden seien, stellten jedenfalls keine übliche Leistung
der beruflichen Eingliederung dar und seien folglich nicht von ihr zu bezahlen.
Mit Schreiben vom 11.12.2012 (Blatt 30 der Senatsakte) hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass im CJD H. Jugendhilfeleistungen
erbracht worden seien. Der Kläger habe die Kosten übernommen, obwohl das CJD H. auch über Maßnahmen verfüge, die im Rahmen
der beruflichen Rehabilitation zu einem wesentlich günstigeren Kostensatz angeboten würden. Dieser Kostensatz wäre auch nur
zum Tragen gekommen, wenn sie von vornherein Kostenträger gewesen wäre. Im Übrigen richte sich der Anspruch nach § 104 SGB X nach den für den vorrangig zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.04.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Erziehungshilfe nach dem
SGB VIII sei nicht gewährt worden; es seien Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 ff SGB XII gewährt worden. A.W. sei bei Beginn der BVB bereits 21 Jahre alt gewesen und damit nicht mehr Kind oder Jugendlicher i.S.d.
SGB VIII. Der Kläger übersandt eine Aufstellung seiner Kosten (Blatt 24/25 der Senatsakte; zu den einzelnen Rechnung vgl. den vom
Kläger übersandten Band "Rechnungsakte").
Mit Schreiben vom 17.01.2013 (Blatt 31/32 der Senatsakte) hat der Kläger auf §
33 Abs.
6 SGB IX verwiesen. Der amtsärztliche Dienst der Beklagten habe festgestellt, dass bei A.W. während einer beruflichen Maßnahme bzw.
Internatsunterbringung eine hochfrequente ambulante Psychotherapie bzw. eine engmaschige Betreuung im Rahmen einer koedukativen
Wohngruppe erforderlich sei, was auch das von Dipl.-Psych. W. erstellte Gutachten bestätige. Es sei somit nicht ersichtlich,
dass die übernommenen Leistungen nicht den Rehabilitationsleistungen entsprechen, zu denen die Beklagte verpflichtet sei.
Es möge zutreffen, dass die Beklagte mit dem CJD H. keine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung bezüglich der intensiven Wohngruppe
abgeschlossen habe. Daraus könne aber nicht folgen, dass die Beklagte A.W. die nach §
33 SGB IX erforderlichen Rehabilitationsleistungen vorenthalten dürfe. Letztlich habe die Beklagte auch nicht dargelegt, dass A.W.
das Angebot der intensiven Wohngruppe im CJD H. nicht benötigt habe.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 07.03.2013 (Blatt 35/43 der Senatsakte) u.a. die von ihr mit dem CJD H. vereinbarten Vergütungssätze
mitgeteilt und §
33 Abs.
6 SGB IX für nicht einschlägig gehalten. Dazu hat die Klägerin mit Schreiben vom 22.03.2013 (Blatt 44/46 der Senatsakte) ausgeführt,
sie sei lediglich nachrangiger Leistungsträger.
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem nicht öffentlichen Termin am 10.04.2013 erörtert. Wegen des Inhalts
und Ergebnisses des Termins, ebenso wie auf die dort von der Beklagten vorgelegten Beratungsvermerke wird auf die Niederschrift
(Blatt 48/60 der Senatsakte) Bezug genommen.
Die Beteiligten beharrten in der Folge auf ihren Standpunkten (Beklagte: Schreiben vom 07.05.2013 <Blatt 63/64 der Senatsakte>,
Schreiben vom 25.07.2013 <Blatt 133/134 der Senatsakte>, Schreiben vom 27.09.2013 <Blatt 139/140 der Senatsakte>; Kläger:
Schreiben vom 28.05.2013 <Blatt 65/131 der Senatsakte>, Schreiben vom 01.08.2013 <Blatt 135/136 der Senatsakte>).
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten am 18.07.2014 erneut in einem nicht öffentlichen Termin erörtert. Wegen
des Inhalts und Ergebnisses des Termins wird auf die Niederschrift (Blatt 146/147 der Senatsakte) Bezug genommen.
Nachdem die Klägerin eine erneute Kostenaufstellung übersandt hat (Blatt 149/151 der Senatsakte) wurde vom Berichterstatter
vorgeschlagen, den Rechtsstreit durch Vergleich zu beenden (Blatt 152/155 der Senatsakte). Der Kläger lehnte eine vergleichsweise
Einigung ab (Blatt 156 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen
Akten des SG - einschließlich der Akten der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - und der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§
143,
144 SGG zulässig aber unbegründet.
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der in der Zeit vom 01.09.2009 bis zum 31.12.2011 vom Kläger dem A.W. im CJD H.
erbrachten Leistung im Wert von insgesamt 113.199,92 € streitig; die nach dem 31.12.2011 erbrachten Leistungen und möglicherweise
daraus resultierende Erstattungsansprüche sind vom vorliegenden Rechtsstreit nicht erfasst. Die erbrachten Leistungen umfassen
eine berufsvorbereitende Maßnahme (01.09.2009 bis 31.07.2010), ein (erster) Teil einer Ausbildung zum Elektriker (02.08.2010
bis 31.12.2011), samt Internatskosten und der Kosten für dort inbegriffene medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen.
Zutreffend hat das SG entschieden, dass der hinsichtlich der Kosten für die ab August 2010 durchgeführte Berufsausbildung des A.W. zum Elektriker
geltend gemachte Erstattungsanspruch zulässig zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht werden durfte. Da sich die Beklagte
auf diese erweiterte Klage eingelassen hat (§
99 Abs.
2 SGG), kann offen bleiben, ob es sich insoweit um eine gemäß §
99 Abs.
1 1. Alt.
SGG gegenüber dem ursprünglichen, bei Klagerhebung geltend gemachten Streitgegenstand (Zahlung von 28.962,14 € und weiterer Kosten
bis voraussichtlich 31.07.2010 <Ende der BVB>) zulässige Klageänderung handelt (zuletzt: Zahlung von 113.199,92 € für Leistungen
vom 01.09.2009 bis 31.12.2011) oder ob die Klageänderung wegen Sachdienlichkeit zulässig ist (§
99 Abs.
1 2. Alt.
SGG). Soweit dann in der mündlichen Verhandlung die Klage um die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen als Nebenforderung erweitert
wurde, liegt gemäß §
99 Abs.
2 Nr.
2 SGG keine Klageänderung vor, sodass diese Erweiterung zulässig war.
Eine Beiladung des A.W. gemäß §
75 Abs.
2 1. Alt
SGG (echte notwendige Beiladung) war nicht erforderlich. Danach sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis
derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Vorliegend handelt es sich
um einen Erstattungsstreit zweier Träger der Rehabilitation. In diesem Fall wird die Position des leistungsberechtigten Sozialleistungsempfängers
nicht berührt (zuletzt vgl. BSG 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R - [...] RdNr. 18).
Bei A.W. handelt es sich nach Überzeugung des Senats, die sich auf die Gutachten und medizinischen Beurteilungen der Verwaltungsakten
der Klägerin, wie auch der Beklagten stützt, um einen i.S.d. §
2 Abs.
1 SGB IX behinderten Menschen und nicht "nur" um einen Jugendlichen, der erzieherische Hilfen benötigt. Denn A.W. leidet an einer
ADHS-Erkrankung, einer krankhaften Störung des Sozialverhaltens, kombiniert mit einer depressiven Störung und einer sexuellen
Reifungskrise. Insoweit weicht die geistige Fähigkeit des A.W. und seine seelische Gesundheit tatsächlich länger als sechs
Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab, auch ist seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt,
wovon sich der Senat auf Basis der vorliegenden ärztlichen und therapeutischen Berichte überzeugen konnte. A.W. war auch behindert
i.S.d. §
19 SGB III, denn auf Grund seiner Behinderungen war er auf Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben angewiesen, ohne die er nicht erfolgreich
in den Arbeitsmarkt integriert werden kann; eine Integration ist erforderlich und - wie auch der mittlerweile erfolgreiche
Abschluss der Berufsausbildung zeigt - prognostisch möglich, jedoch durch die Behinderung des A.W. erschwert.
Behinderte Menschen erhalten gemäß §
1 Satz 1
SGB IX Leistungen nach diesem Gesetzbuch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung
und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken.
Gemäß §
4 Abs.
1 SGB IX umfassen die Leistungen zur Teilhabe die notwendigen Sozialleistungen, (1.) um unabhängig von der Ursache der Behinderung
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, (2.)
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung
zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern, (3.)
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder (4.) die persönliche Entwicklung
ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte
Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Abs. 1 genannten Ziele nach Maßgabe des
SGB IX und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht (§
4 Abs.
2 Satz 1
SGB IX). Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls
so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden
(§
4 Abs.
2 Satz 2
SGB IX).
Die Vorschriften des
SGB IX gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen
nichts Abweichendes ergibt (§
7 Satz 1
SGB IX). Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger
geltenden Leistungsgesetzen (§
7 Satz 2
SGB IX). Jedoch enthält §
14 SGB IX besondere Regelungen im Verhältnis zwischen Rehabilitationsträgern und behindertem Menschen, die es den behinderten Menschen
ermöglichen sollen, rasch und einfach ihre Leistungsansprüche zu realisieren.
So stellt nach §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IX der Rehabilitationsträger, wenn Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages
bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist [...]. Stellt er bei der Prüfung
fest (§
14 Abs.
1 Satz 2
SGB IX), dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen
Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf
unverzüglich fest (§
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX). Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein
anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung
erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften (§
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX).
Die Rechtsgrundlage des vorliegenden Erstattungsanspruchs findet sich dennoch nicht in §
14 Abs.
4 SGB IX sondern in § 104 SGB X. Zwar sind Leistungen zur Teilhabe i.S.d. §
5 SGB IX streitig, auch sind vorliegend sowohl die Beklagte als auch der Kläger Rehabilitationsträger (§
6 Abs.
1 Nr.
2 bzw. Nrn. 6/7
SGB IX) und werden als solche in Anspruch genommen. Jedoch hat der Kläger den Antrag des A.W. auf Leistungen zur Teilhabe nicht
fristgerecht i.S.d. §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX weitergeleitet. Tut er dies - wie vorliegend - nicht, wird er selbst umfassend für die erforderlichen Rehabilitationsleistungen
zuständig (§
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX). Dabei genügt es für die Anwendung des §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX, dass der Kläger als Landkreis Rehabilitationsträger i.S.d. §
6 Abs.
1 Nr.
6 bzw. 7
SGB IX ist und bei ihm der maßgebliche Antrag gestellt worden ist (BSG 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R - [...] RdNr. 19).
Für diese Beurteilung ist insoweit der Antrag des A.W. vom 15.09.2008 maßgeblich. Mit diesem Antrag hatte er erstmals sein
Rehabilitationsbegehren im Hinblick auf eine Eingliederung in das Erwerbsleben formuliert, als er Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben beantragt hatte (Blatt 183 des Vorbands der Klägerakte). Dass sich A.W. bereits zuvor mit seinen Antrag vom
08.09.2008 an den Kläger gewandt hatte, ist vorliegend ohne Bedeutung, denn in diesem Antrag hatte er keine Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben sondern Leistungen zur stationären/teilstationären Hilfe zur Erziehung sowie ambulante Hilfe nach
dem SGB VIII beantragt, was ein anderes Rehabilitationsbegehren ist, als das vorliegend bedeutsame (vgl. dazu z.B. Luik in jurisPK
SGB IX, 2010, §
14 RdNr 55). Auch hat A.W. sein auf Rehabilitationsleistungen in Form von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gerichtetes
Begehren nicht zuvor bei der Beklagten geäußert oder dort einen entsprechenden Antrag gestellt. Zwar war A.W. bereits am 19.05.2008
wegen einer Berufsberatung und am 11.09.2008 bei der Beklagten. Doch hatte sich sein Begehren damals lediglich auf eine Beratung
und Information gerichtet, ohne dass es damals zu einem Rehabilitationsantrag bzw. einem als solchen zu verstehenden Rehabilitationsbegehren
gekommen wäre. Eine bloße Information bzw. die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen, auch wenn sie im Zusammenhang mit
in Betracht kommenden Rehabilitationsleistungen des beratenden bzw. informierenden Rehabilitationsträgers stehen, genügt nicht
um eine Antragstellung i.S.d. §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IX anzunehmen. Maßgeblicher Antrag ist damit der Antrag des A.W. vom 15.09.2008 beim Kläger; diesen hat der Kläger nicht weitergeleitet
und hierdurch seine Zuständigkeit als erstangegangener Träger nach §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX begründet.
Dass ein einmal gestellter Antrag umfassend, d.h. auf alle nach Lage des Falls in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen
hin zu prüfen und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden
Teilhabeleistungen aufzuspalten ist, hat das BSG mehrfach ausgeführt (zuletzt BSG 03.02.2015 - B 13 R 261/14 B - [...] RdNr. 8 unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34).
Damit kommt aber ein Erstattungsanspruch nach §
14 Abs.
4 SGB IX nicht in Betracht, weil der Kläger nicht erst aufgrund eines an ihn weitergeleiteten Antrages zuständiger Rehabilitationsträger
geworden ist. Jedoch ist ein Erstattungsanspruch nach allgemeinen Vorschriften - mit Ausnahme des § 105 SGB X - mit §
14 Abs.
4 Satz 1
SGB IX nicht ausgeschlossen und ergibt sich vorliegend aus § 104 SGB X (stRspr; zuletzt BSG 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R - [...]; grundlegend BSGE 98, 267 ff RdNr 10 ff = SozR 4-3250 §
14 Nr.
4 = [...]). §
14 Abs.
4 SGB IX schließt insoweit die Anwendung des § 104 SGB X nicht aus (BSG 26.06.2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267-277 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 4 = SozR 4-1300 § 104 Nr. 2 = [...] RdNr. 9).
Die in §
14 Abs.
1 und
2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich allein im Außenverhältnis (behinderter Mensch/Rehabilitationsträger) auf alle Rechtsgrundlagen,
die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (BSG a.a.O.). Das bedeutet aber nicht, dass es auch im Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander bei dieser Zuständigkeitsverteilung
verbleibt. Anderenfalls wären die noch immer geltenden Zuständigkeitsnormen außerhalb des
SGB IX, auf die §
7 SGB IX gerade Bezug nimmt, im Wesentlichen obsolet. Wäre §
14 SGB IX so zu verstehen, dass es auch im Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander zu abschließenden Zuständigkeiten
käme, stellte diese Auslegung die damit einhergehende Lastenverschiebung ohne Ausgleich die Grundlagen des gegliederten Sozialsystems
in Frage (BSG a.a.O. RdNr. 14). Solches war aber vom Gesetzgeber nicht bezweckt, was gerade an §
7 SGB IX sichtbar wird, der die Zuständigkeit der einzelnen Zweige der sozialen Sicherheit für Rehabilitationsleistungen grundsätzlich
unberührt lässt (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BT-Drucks 14/5074, Seite 95 zu 5.) Daher bedarf es eines Ausgleichssystems, das an die Zuständigkeiten
außerhalb des §
14 SGB IX anknüpft, wie es die Aufgabe der Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X ist BSG a.a.O. RdNr. 14). Dieses Ausgleichssystem ist notwendiges Korrelat der schnellen und strikten Zuständigkeitsklärung im Außenverhältnis
unter Beibehaltung des gegliederten Sozialsystems, weil nur so verhindert werden kann, dass Zufälligkeiten oder Entlastungsstrategien
im Zusammenhang mit der Zuständigkeitsordnung des §
14 SGB IX zu einer Lastenverschiebung zwischen den einzelnen Rehabilitationsträgern führen. Wie das BSG (a.a.O. RdNr. 16) ausgeführt hat, sichert dieser Ausgleichsmechanismus über die §§ 102 ff. SGB X zugleich, dass der Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit im Rahmen von §
14 SGB IX bejahen kann, ohne allein schon deshalb verpflichtet zu sein, im Verhältnis zu anderen Rehabilitationsträgern diese Lasten
auch endgültig zu tragen.
In der Sache wird mit §
14 SGB IX eine speziellere Regelung im Verhältnis zu § 102 SGB X getroffen, da die Zuständigkeit des erst- wie auch des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers die Vorschriften über vorläufige
Leistungspflichten und die Zuständigkeit zur vorläufiger Leistungspflicht ersetzt (BSG a.a.O. RdNr. 19 unter Hinweis auf BT-Drucks 14/5074, Seite 102, zu §
14). Denn der nach §
14 SGB IX zuständig (gewordene) Rehabilitationsträger ist im Verhältnis zum behinderten Menschen nicht vorläufig, sondern endgültig
und umfassend leistungspflichtig (BSG a.a.O. RdNR. 19).
Hat der (erstangegangene) Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit geprüft und bejaht, muss er auch im Nachhinein zu einer
Korrektur im Rahmen der Erstattung befugt sein (BSG a.a.O. RdNr. 26); andernfalls wäre er gehalten, schon bei geringstem Verdacht einen Rehabilitationsantrag weiterzuleiten,
um die Zuständigkeitsproblematik ggf. im Erstattungsstreit austragen zu können und andererseits nicht automatisch von jeglicher
Erstattungsmöglichkeit ausgeschlossen zu sein. Dies widerspricht eindeutig dem Regelungszweck einer schnellen Zuständigkeitsklärung
gegenüber dem behinderten Menschen, wie auch dem Ziel, das gegliederte Sozialsystem zu erhalten. Soweit nicht ein Fall vorliegt,
in dem der Anspruch auf die Rehabilitationsleistung nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist, kommt zur "nachträglichen
Korrektur" der irrtümlichen Bejahung seiner Zuständigkeit durch den erstangegangenen Träger im Erstattungswege nur ein Anspruch
wegen nachrangiger Verpflichtung des Leistungsträgers aus § 104 SGB X in Betracht (BSG a.a.O. RdNR. 26). Das beruht nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG (a.a.O: RdNr. 26) darauf, dass §
14 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
2 Satz 1 und
2 SGB IX einerseits die Zuständigkeit gegenüber dem behinderten Menschen schnell, klar und endgültig regelt, andererseits die "eigentliche"
Zuständigkeitsordnung (außerhalb des §
14 SGB IX) im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander nicht antasten will. Daraus hat das BSG abgeleitet, dass dem nach §
14 SGB IX leistenden Rehabilitationsträger im Verhältnis zum anderen (materiell zuständigen) Rehabilitationsträger eine nachrangige
Zuständigkeit zukommt, die es zulässt, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger im Rahmen eines Erstattungsstreits sich
die Kosten der Rehabilitationsmaßnahmen nach § 104 SGB X vom "eigentlich" zuständigen, in diesem Sinne vorrangigen Rehabilitationsträger erstattet verlangen kann (BSG a.a.O. RdNR. 28). Der Rehabilitationsträger, der irrtümlich seine Zuständigkeit bejaht, wird damit nicht dauerhaft mit den
Kosten der Rehabilitationsmaßnahme belastet. Er wird aber auch nicht wie ein vorleistungspflichtiger oder zweitangegangener
Träger in der Rechtsfolge privilegiert, sondern erhält Erstattung nur im Umfang des § 104 Abs. 3 SGB X nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
Nach diesen Grundsätzen ist diese Rechtsgrundlage hier gegeben. Zwar hat der Kläger seine Zuständigkeit weder positiv festgestellt
noch war er zweitangegangener Rehabilitationsträger. Doch hat - bevor der Kläger über eine Leistung gegenüber A.W. entschieden
hat - bereits das SG in den beiden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüssen diese Prüfung mit Wirkung für und gegen
der Kläger vorgenommen und diesen als erstangegangenen Rehabilitationsträger verpflichtet. Aufgrund dieser Prüfungen und Verpflichtungen
durch das SG, die im vorliegenden Fall - der Kläger war jeweils beigeladen worden - Wirkung gegenüber dem Kläger haben, muss dieser sich
nun so behandeln lassen, als hätte er seine Zuständigkeit selbst geprüft und i.S.d. §
14 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. Abs.
2 Satz 1
SGB IX bejaht. Damit liegt weder der in der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) angesprochene Fall einer ergebnislosen Prüfung durch den erstangegangenen Rehabilitationsträger (dazu vgl. auch
Götze in Hauck/Noftz,
SGB IX, §
14 RdNr. 30) vor, noch der Fall, dass der Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit verneint und dennoch Leistungen erbracht
hat (Götze a.a.O. RdNr. 31). Damit ist Rechtsgrundlage der vorliegenden Entscheidung § 104 SGB X.
Auch wenn der Kläger die ihm vom SG auferlegten Leistungen in den die Beschlüsse des SG ausführenden Bescheiden ausdrücklich lediglich als "vorläufig" bezeichnet hat, greift ein Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X nicht ein. Denn dazu wäre es erforderlich, dass die Leistungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften als vorläufige Leistung
erbracht worden wären. Vorliegend hat aber nicht ein Gesetz zur Erbringung vorläufiger Leistungen verpflichtet; Grund war
die im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes naturgemäß bestehende Möglichkeit, nur zu vorläufigen Leistungen verpflichten
zu können. Das genügt aber für einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X nicht.
Auch liegt ein Fall des § 103 SGB X nicht vor; denn diese Norm regelt nur den Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen
ist. Ein Anspruch des A.W. gegen den Kläger wäre aber auch ohne §
14 SGB IX nicht nachträglich entfallen.
Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht
bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet
ist ein Leistungsträger nach § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung
verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht gemäß § 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers
hätte erbringen müssen.
Vorliegend war der Kläger gegenüber der Beklagten nachrangig verpflichteter Leistungsträger i.S.d. § 104 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X. Die h.M. leitet das Rangverhältnis - gegebenenfalls durch Auslegung - aus den jeweils einschlägigen materiell-rechtlichen
Normen selbst oder deren Regelungszusammenhang ab (Böttiger in LPK-SGB X, 3. Aufl. § 104 RdNr. 10 m.w.N.). Grundsätzlich genügt es, wenn eine Sozialleistung aufgrund ihres Regelungssystems nachrangig ist (so BSG 17.12.2013 - B 1 KR 50/12 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 20 = [...]), was z.B. für die Sozialhilfe wegen ihrer typischen Fallgestaltung nachrangiger Leistungsgewährung anerkannt
ist (vgl. Roos in v. Wulffen/Schütze, 4. Aufl., § 102 RdNr. 12 f.), ebenso wie für die Leistungsverpflichtungen der Kinder-
und Jugendfürsorge (vgl. Roos a.a.O. RdNr. 12). Vorliegend hat der Kläger aber schon deswegen nachrangige Leistungen erbracht,
weil er nach §
14 Abs.
2 Satz 1
SGB IX trotz der materiellrechtlich bestehenden Zuständigkeit der Beklagten, ausschließlich und umfassend gegenüber A.W. zu Leistung
verpflichtet war und daher im Verhältnis zum Beklagten nachrangige Leistungen erbracht hatte.
Der Anspruch des A.W. gegen die Beklagte auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ergibt sich aus den §§
97 SGB III in der vom 01.07.2001 bis 31.03.2012 geltenden Fassung i.V.m. § 33 Abs. 1, Abs.
3 Nr.
4, Abs.
6, Abs.
7 Nr. 1
SGB IX.
Gemäß §
97 Abs.
1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere
der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen
und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie
Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen (§
97 Abs.
2 Satz 1
SGB III). Soweit es erforderlich ist, schließt das Verfahren zur Auswahl der Leistungen eine Abklärung der beruflichen Eignung oder
eine Arbeitserprobung ein (BVB; §
97 Abs.
2 Satz 2
SGB III). Nach §
33 Abs.
1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von
Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen
und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Leistungen umfassen auch medizinische, psychologische
und pädagogische Hilfen (§
33 Abs.
6 SGB IX). Die Übernahme der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung gehört ebenso zu diesen Leistungen, wenn die Unterbringung
außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolgs
der Teilhabe erforderlich ist (§
33 Abs.
7 Nr.
1 SGB IX). Für den behinderten A.W. waren Leistungen nach §
97 SGB III i.V.m. §
33 SGB VI zu erbringen; ein Ermessen stand der eigentlich zuständigen Beklagten lediglich hinsichtlich der Auswahl der erforderlichen
Mittel zu. Soweit die Beklagte jedoch annimmt, die im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbrachten, erforderlichen
und diese unterstützenden medizinischen, psychologischen und pädagogischen Hilfen, gehörten schon gar nicht in das von ihr
zu leistende Spektrum der Rehabilitationsleistungen, so irrt sie. Denn bei diesen Leistungen handelt es sich um Annexleistungen
zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Luik in: jurisPK-
SGB IX, 2. Aufl. 2015, §
33 SGB IX RdNr. 177), für die derjenige Rehabilitationsträger zuständig ist, der auch für die "Hauptleistung" Leistung zur Teilhabe
am Arbeitsleben zuständig ist. Diese Annex-Leistungen stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der beruflichen Rehabilitationsleistung
als Hauptleistung; es handelt sich nicht um eigenständig zu gewährende Sozialleistungen (BSG 13.09.2011 - B 1 KR 25/10 R - BSGE 109, 122-133 = SozR 4-2500 § 42 Nr. 1 = SozR 4-2600 § 15 Nr. 4 = SozR 4-3250 § 26 Nr. 2 = [...]; Masuch in Luthe, Rehabilitationsrecht
2009, Kapitel F RdNr 43; Luik in jurisPK-
SGB IX, §
33 RdNr 133). Dies entspricht auch der vom Gesetzgeber angenommenen umfassenden Zuständigkeit des leistenden Rehabilitationsträgers
(vgl. oben zu §
14 SGB IX). Vorliegend handelt es sich auch bei den im CJD H. erbrachten medizinischen, psychologischen und pädagogischen Leistungen
um solche, die die BVB bzw. die Berufsausbildung unterstützen und insoweit ermöglichen. Damit handelt es sich nicht um eigenständige
medizinische, psychologische, pädagogische oder sonstige isolierte erzieherische Maßnahmen, die rehabilitationsunabhängig
wären. Damit gehören diese, wie auch die Internatsunterbringung, die wegen der Ermöglichung der BVB und der Ausbildung durch
Herausnahme aus dem bisherigen Elternhaus, wo A.W, bis dahin seinen Wohnsitz hatte, wegen Art und Schwere der Behinderung
des A.W. und auch zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe erforderlich war und der Durchführung der BVB bzw. der Ausbildung
diente, zu den von der Beklagten zu erbringenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auch war das CJD H. für die konkret
zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine geeignete Einrichtung. Wenn die Beklagte einwendet, in ihren
Vertragsbeziehungen mit ihren Leistungserbringern spezifische Leistungen im Sinne von §
36 Abs.
6 SGB IX (z. B. psychologische Betreuung) nicht vorgesehen zu haben, kann sie damit nicht durchdringen, denn sie muss Gewähr dafür
tragen, ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen.
Soweit der Kläger dem A.W. Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII - so die Bezeichnung in den die Beschlüsse des SG ausführenden Bescheiden - gewährt hatte, folgt daraus keine fortdauernde Leistungspflicht des Klägers. Denn selbst wenn auf
die Bezeichnung der Leistung - hier als Eingliederungshilfe nach Sozialhilferecht - abzustellen wäre, handelte es sich um
eine gegenüber der Leistungsverpflichtung der Beklagten nachrangige Leistung (§ 2 Abs. 2 SGB XII). Maßgeblich ist jedoch welche Leistung in der Sache erbracht, nicht wie diese bezeichnet wurde. So konnte der Senat feststellen,
dass materiellrechtlich eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
97 SGB III zu beanspruchen gewesen war; dies entspricht auch der Einschätzung des SG im angefochtenen Urteil sowie im Beschluss vom 25.08.2009. Insoweit war der Kläger wegen §
14 SGB IX zur Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem
SGB III gegenüber A.W. verpflichtet. Dieser Leistungspflicht war der Kläger nachgekommen, weshalb die verfahrensrechtlich von ihm
zu erbringende Leistung gegenüber der materiellrechtlichen Verpflichtung der Beklagten nachrangig ist.
Aber selbst wenn man mit dem angefochtenen Urteil des SG annehmen wollte, der Kläger habe Leistungen nach §§ 41, 35a SGB VIII gewährt, folgte auch hieraus keine fortdauernde Leistungspflicht. Nach § 10 Abs. 1 SGB VIII sind Leistungen der Jugendhilfe nachrangig, d.h. Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen
und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht
deshalb versagt werden, weil nach dem SGB VIII entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Nach dieser Bestimmung ist somit ein Nachrang von Jugendhilfeleistungen gegenüber
von der Beklagten zur gewährenden Maßnahmen gegeben. Dieser Nachrang ist auch nicht durch §
22 Abs.
1 bzw. Abs.
2 Satz 1
SGB III zugunsten der Beklagten verändert. Denn insoweit enthält § 10 SGB VIII eine Regelung, die sich auch gegenüber §
22 SGB III durchsetzt (Estelmann/Eicher in Eicher/Schlegel,
SGB III, §
22 Stand 10/06, RdNr. 50). Zwar endet die Hilfegewährung durch den Jugendhilfeträger mit Erreichen des 21. Lebensjahres, bei
A.W. mithin am 16.08.2009. Doch war eine darüber hinausgehende Eingliederungshilfe nach § 41 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz, Abs. 2 SGB VIII i.V.m. § 35a
SGB VII und § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII jedenfalls bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres zulässig und nicht ausgeschlossen.
Der Kläger hat die BVB, die Ausbildung, die Unterkunft und die sonstigen Hilfen rechtmäßig erbracht. Die Unterbringung erfolgte,
um die seelische Behinderung des Antragstellers, die in einer schweren Verhaltensstörung und adultem ADHS bestehen und zur
Störung jeglicher sozialer Kontakte führen, zu mildern bzw. zu beheben und so die Teilhabeleistung zu unterstützen bzw. zu
ermöglichen und nicht, um erzieherische Defizite der Eltern zu beheben. Die streitgegenständlichen Leistungen für die BVB
und die Berufsausbildung sind berufliche Maßnahmen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, für die die Beklagte nach
§§ 97ff
SGB III originär zuständig ist. Deren Eignung ergibt sich - wie das SG zutreffend dargelegt hat - aus den Verlaufsberichten des CJD H. . Danach hat der Antragsteller die BVB-Maßnahme erfolgreich
durchlaufen und auch für die Berufsausbildung zum Elektriker wird - bei fortbestehenden behinderungsbedingten Problemen -
ein erfolgreicher Abschluss prognostiziert; dieser ist mittlerweile auch erreicht worden. Der dagegen von der Beklagten vorgebrachte
Einwand, die Berufsausbildung sei nur Beiwerk und diene überwiegend der Tagesstrukturierung, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr
ist der Senat - wie ausgeführt - zu der Überzeugung gelangt, dass gerade die Unterbringung und die medizinischen, psychologischen
und pädagogischen Hilfen lediglich der Unterstützung und Ermöglichung der erfolgreichen BVB-Maßnahme bzw. der Ausbildung dienen
und daher als Annexleistungen zur BVB und Ausbildung anzusehen sind. Bei objektiver, rückschauender Betrachtung lag der Schwerpunkt
der Leistung eindeutig im Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Zwar hat der Kläger bei der Auswahl der zu erbringenden Leistung kein Ermessen ausgeübt, doch kann insoweit ein Ermessensfehler,
der die Erbringung der Leistung durch den Kläger rechtswidrig machen würde, nicht angenommen werden. Denn der Kläger war vom
SG gerade zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet worden. Damit konnte er ein ihm zustehendes Ermessen nicht anders als
vom SG bestimmt, ausüben.
Die vom Kläger an A.W. erbrachten Leistungen sind sowohl im Hinblick auf die Person des Leistungsempfängers (A.W.) als auch
im Hinblick auf die Zeit (01.09.2009 bis 31.07.2010 und 02.08.2009 bis 31.12.2011) und Inhalt und Ziel der Leistungsverpflichtung
(Vorbereitung und Eingliederung in das Erwerbsleben bzw. Integration in die Gesellschaft durch Teilhabe am Arbeitsleben) vergleichbar
und insoweit kongruent.
Damit hat der Kläger rechtmäßig Sozialleistungen erbracht, die gegenüber den von der Beklagten zu erbringenden Sozialleistungen,
auf die A.W. einen Anspruch hatte, nachrangig waren. Auch hatte die Beklagte weder bisher zu irgendeinem Zeitpunkt Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben an den A.W. erbracht, noch wäre der Kläger verpflichtet gewesen, seine Leistungen auch dann zu
erbringen, wenn die Beklagte ihre vorrangigen Leistungsverpflichtungen gegenüber dem A.W, erfüllt hätte. Damit besteht der
Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten hinsichtlich der im CJD H. erbrachten Leistungen.
Der entstandene Erstattungsanspruch ist auch nicht nach § 111 SGB X ausgeschlossen. Der Kläger hat unmittelbar nach Beginn seiner jeweiligen Leistungen den Erstattungsanspruch ausreichend deutlich
bei der Beklagten geltend gemacht (zum BVB vgl. Blatt 80 der Beklagtenakte = Blatt 417 der Klägerakte); insoweit genügte es,
dass der Kläger dem Grunde nach jeweils seinen Anspruch (2009 für die Kosten der BVB; 2010 für die Berufsausbildung) anmeldete.
Spätestens, seit der Kläger im August 2010 (Blatt 41 der SG-Akte) im Klageverfahren vor dem SG mitgeteilt hatte, A.W. habe die Ausbildung begonnen und sowohl im Klageverfahren als auch in Schreiben gegenüber der Beklagten
deutlich gemacht hatte, auch deswegen die Beklagte für zuständig und damit erstattungspflichtig zu halten, war der Beklagten
hinreichend klar gemacht worden, dass der Kläger auch hinsichtlich der mit der Ausbildung des A.W. verbundenen Kosten einen
Erstattungsanspruch gegen den Beklagten ernsthaft durchsetzen will. Dies genügt zur Geltendmachung i.S.d. § 111 SGB X.
Bei bestehendem Erstattungsanspruch richtet sich der Umfang des Anspruchs nach § 104 Abs. 3 SGB X nach den für den vorrangigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Maßgeblich ist insoweit die Rechtslage zum Zeitpunkt
der Entstehung der Kosten. Der Erstattungspflichtige soll letztlich nicht mehr leisten müssen, als tatsächlich an Kosten angefallen
sind, aber auch nicht mehr, als er bei eigener rechtzeitiger Leistungserbringung an den Sozialleistungsberechtigten zu leisten
gehabt hätte. Jedoch kann der erstattungspflichtige Leistungsträger dem Erstattungsanspruch nicht entgegenhalten, die Leistung
anders oder kostengünstiger erbringen gekonnt zu haben (BSG 28.02.1980 - 8a RK 13/79 -BSGE 50, 47-51 = SozR 2200 § 184a Nr. 3= [...] RdNr. 17; BSG SozR 2200 § 1237 Nr. 21; BSG SozR 1300 § 104 Nr. 6; BSG SozR 3-2200 § 1237a Nr 2) oder das Ermessen anders ausgeübt zu haben (BSG SozR 2200 § 184 a Nr. 3 und 5). Denn insoweit ist es alleine von Bedeutung, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger - hier die Beklagte
- die Leistung rechtmäßig so hätte erbringen können; dass dem so ist, zeigen gerade die auch zwischen der Beklagten und dem
CJD H. bestehenden Verträge und Vergütungsvereinbarungen, die im Verhältnis zu den Vergütungsvereinbarungen mit der Klägerin
lediglich billigere Leistungssätze beinhalten (dazu vgl. Blatt 36 der Senatsakte). Denn die Begrenzung des § 104 Abs. 3 SGB X stellt nicht auf die Höhe des konkreten Leistungs-/Kostenbetrags ab, sondern auf die nach dem materiellen Leistungsrecht
bestehenden Leistungsartverpflichtungen. Nachdem die Beklagte sich aber geweigert hatte, die BVB und die Ausbildung zu fördern,
musste der Kläger die Durchführung der Maßnahme durch Kostenübernahme sicherstellen, was auch das SG in beiden Beschlüssen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz entschieden hat. Eine solche faktische Vorwegnahme von
Sozialleistungen ist für Erstattungsansprüche gerade der Anlass zur vorhandenen gesetzlichen Regelung und insoweit unabdingbare
Voraussetzung des Anspruchs (BSG 16.12.1993 - 13 RJ 21/93 - SozR 3-2200 § 1237a Nr. 2 = SozR 3-1300 § 104 Nr. 7 = [...] RdNr. 29; BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr. 2). Der Kläger, als Landkreis, konnte aber die Leistungen wegen § 77 Abs. 2 SGB XII nur nach den Vertragsvergütungen der Sozialhilfeträger abrechnen. Denn im Verhältnis zum CJD H. , konnte der Kläger, auch
wenn er wegen §
14 SGB IX gegenüber A.W. zwar eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB II erbrachte, nur als Sozialhilfeträger in Erscheinung treten; §
14 SGB IX führt gerade nicht dazu, dass im Verhältnis zwischen dem nach §
14 SGB IX verpflichtetem Rehabilitationsträger und dem von diesem eingeschalteten Leistungserbringer, hier dem CJD H. , andere Rechtsbeziehungen
entstehen, je nachdem, ob es sich um eine Leistung handelt, für die der Rehabilitationsträger nach seinem Recht zuständig
ist oder ob der Rehabilitationsträger Leistungen aus dem Rechtskreis eines anderen Rehabilitationsträgers erbringen muss.
Die Beklagte kann dem Erstattungsanspruch auch nicht entgegenhalten, bereits bestandskräftig das Begehren des A.W. abgelehnt
zu haben. Zwar ist der ablehnende Bescheid vom 08.07.2009 (Blatt 44/45 der Beklagtenakte) nach Rücknahme einer hiergegen geführten
Klage bestandskräftig geworden. Jedoch kommt dem ablehnenden Bescheid im Rahmen eines Erstattungsanspruchs dann keine Bedeutung
zu, wenn er offensichtlich rechtswidrig ist und sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt (Roos in von
Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, Vor §§ 102-114 SGB X, RdNr. 7 m.w.N.). Die genannte Ablehnung der Förderung der Leistungen war offensichtlich rechtswidrig; sie hat weder den
Sinn und Zweck des Antrags des A.W. erfasst oder sich mit dessen Begehren in der gebotenen sachlichen Tiefe auseinander gesetzt,
noch das Wunsch- und Wahlrecht des A.W. (§
9 SGB IX), die bestehenden eigenen Leistungsverpflichtungen (§
97 SGB III) oder den Umfang und Grenzen ihres Ermessens berücksichtigt; insoweit war es auch offensichtlich rechtswidrig, den A.W. gegen
seinen Willen im RPK H. anzumelden. Nachdem aber gemäß §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IX ausschließlich der Kläger zur Entscheidung verpflichtet war, stand der Beklagten auch keine Entscheidungskompetenz mehr zu.
Die Beklagte kann dem Erstattungsanspruch auch nicht entgegenhalten, ihr habe ein Entschließungs- und Auswahlermessen zugestanden.
Auch im Verhältnis der am Erstattungsverhältnis beteiligten Träger ist zwar eine Überprüfung der Ermessensausübung möglich,
jedoch eingeschränkt auf offensichtliche Fehlerhaftigkeit. Ein Beharren eines Trägers auf einer offensichtlich rechtswidrigen,
auf sachwidrigen Erwägungen beruhenden Entscheidung verletzt nämlich das in § 86 SGB X ausdrücklich geregelte Gebot der engen Zusammenarbeit (Roos a.a.O. RdNr. 9). Vorliegend waren die von der Beklagten angestellten
Erwägungen offensichtlich fehlerhaft, so dass das in der Rechtsgrundlage grundsätzlich vorgesehene Ermessen dem Erstattungsbegehren
des Klägers nicht entgegengehalten werden kann.
Auch liegt eine offensichtlich unrichtige Rechtsanwendung bzw. eine vom Beklagten zu rügende offensichtlich fehlerhafte Ermessensausübung
seitens des Klägers nicht vor. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das SG nicht nur gegenüber dem Kläger sondern auch gegenüber dem Beklagten bindend ermessensleitende Vorgaben gegeben, von denen
der Kläger nicht abgewichen ist. Auch liegen darüber hinaus, keine weiteren unberücksichtigten Ermessensgesichtspunkte vor.
Vielmehr bestätigt der Verlauf der Maßnahmen dessen Einschätzungen.
Der Erstattungsanspruch des Klägers ist in der geltend gemachten Höhe auch begründet. Der Senat verweist hinsichtlich der
Rechnungen auf den vorgelegten Band Rechnungsakte sowie die Aufstellung auf Blatt 24/25 der Senatsakte. Rechenfehler zu Lasten
der Beklagten sind insoweit weder von dieser vorgetragen noch vom Senat nach eigener Prüfung festgestellt worden. Der Kläger
hat seinen Anspruch durch Vorlage von Rechnungen belegt. Diese ergeben den geltend gemachten Erstattungsanspruch in Höhe von
113.199,92 €. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 108 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB X, nachdem der Kläger den Erstattungsbetrag i.H.v. 28.962,14 € mit der Klageschrift vom 12.03.2010 (Eingang beim SG am 18.03.2010) sowie die Erhöhung des Betrags auf 113.199,92 € mit Schriftsatz vom 01.02.2012 (eingegangen beim SG am 06.02.2012) vollständig dargelegt hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §§
154 Abs.
2 VwGO, denn die Beklagte ist mit ihrem Rechtsmittel in vollem Umfang unterlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Der Senat weicht weder von der Rechtsprechung des BSG ab, noch liegt eine grundsätzlich bedeutsame Angelegenheit vor, weshalb dem Hilfsantrag der Beklagten nicht stattgegeben
wurde.
Der Streitwert beläuft sich auf 113.199,92 € und war daher entsprechend festzusetzen.