Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 70 auf 40.
Bei dem Kläger hatte das Landratsamt S. (LRA) den GdB mit Bescheid vom 15.11.2012 mit 60 seit dem 08.10.2012 festgestellt.
Der Bewertung lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
Hauterkrankung (in Heilungsbewährung)
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GdB 50
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Erblindung am linken Auge
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GdB 30
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Refluxkrankheit der Speiseröhre
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GdB 10
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(versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. G. vom 12.11.2012).
Am 09.01.2015 wurde eine Nachprüfung von Amts wegen zur Prüfung des Eintritts der Heilungsbewährung eingeleitet. Das LRA zog
medizinische Unterlagen bei der Praxis für Allgemeinmedizin Dres. M. und bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. E. bei. Außerdem
wurde der Reha-Entlassungsbericht der K. vom 02.02.2015 sowie ein Befundbericht bei der Psychiatrischen Institutsambulanz
Z. beigezogen. Sodann wurde eine versorgungsärztliche Stellungnahme bei Dr. Z. eingeholt, der den Gesamt-GdB mit 40 bewertete
unter Berücksichtigung folgender Teil-GdB-Werte:
Erblindung am linken Auge
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GdB 30
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Seelische Störung
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GdB 30
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Refluxkrankheit der Speiseröhre
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GdB 10
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Hierzu führte Dr. Z. aus, die Heilungsbewährung für das maligne Melanom sei eingetreten, nach Aktenlage bestünden kein Rezidiv
und keine Metastasierung, sodass die Behinderung entfalle. Zusätzlich anerkannt werden könne eine behandlungsbedürftige depressive
Störung.
Nach erfolgter Anhörung gemäß § 24 SGB X am 03.02.2016 und einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme durch Dr. Z. am 20.04.2016 wurde der GdB mit Bescheid
vom 08.06.2016 auf 40 ab dem 11.06.2016 festgesetzt. Wegen der eingetretenen wesentlichen Änderung der Verhältnisse sei der
Bescheid vom 17.06.2015 nach § 48 SGB X aufzuheben und eine den neuen Verhältnissen entsprechende Feststellung zu treffen.
Hiergegen legte der Kläger am 04.07.2016 Widerspruch ein, den er damit begründete, hinsichtlich seiner gesundheitlichen Situation
habe sich keine wesentliche Änderung eingestellt.
Unter dem 31.10.2016 nahm der Versorgungsarzt Dr. W. zu den Funktionsstörungen des Klägers Stellung und führte aus, laut dem
Befundbericht vom 29.09.2011 sei ein Plattenepithelkarzinom an der Wange links operativ entfernt worden. Hier betrage gemäß
der Versorgungsmedizinischen Grundsätze Nr. 17.13 die Heilungsbewährungszeit 5 Jahre und ende damit am 13.09.2016. Die Herabsetzung
des GdB bereits ab dem 11.06.2016 sei also zu früh erfolgt. Im weiteren Verlauf sei eine seelische Störung mit einem Teil-GdB
von 30 anerkannt worden. Laut Befundbericht vom 11.12.2015 finde eine Behandlung in der Psychiatrischen Institutsambulanz
des Z. seit August 2013 statt. Damit könne dieser Teil-GdB bereits ab August 2013 festgestellt werden.
Es ergebe sich somit folgende Gesamtbewertung:
Hauterkrankung (in Heilungsbewährung)
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Teil-GdB 50
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(bis 13.09.2016, danach Wegfall dieses Teil-GdB)
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Erblindung am linken Auge
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Teil-GdB 30
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Seelische Störung Teil-GdB 30
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(ab 08/2013)
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Refluxkrankheit der Speiseröhre
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Teil-GdB 10.
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Der Gesamt-GdB betrage 70 ab 08/2013 und 40 ab 14.09.2016.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2016 wurde dem Widerspruch insoweit stattgegeben, als dass der GdB für den Zeitraum vom
01.08.2013 bis zum 13.09.2016 mit 70 bewertet wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Deswegen hat der Kläger am 30.11.2016 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zu deren Begründung trug er vor, es liege eine Vielzahl von schwerwiegenden Erkrankungen bei ihm vor, welche einen
Grad der Behinderung von mindestens 70 begründen würden. Der Aufhebungsbescheid des Beklagten sei deswegen rechtswidrig und
aufzuheben.
Das SG hat Beweis erhoben und die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Allgemeinmedizinerin
D. berichtete von einer Behandlung seit 06.04.1994. Die von ihr erhobenen Befunde beträfen eine Depression (mittelgradig),
eine Autoimmunhepatitis, eine Mitral-Trikuspidalinsuffizienz, ein WS-Syndrom, ein Nikotinabusus und ein Z.n. Melanom-OP. Der
Gesundheitszustand des Klägers sei konstant mit einer Verschlechterung im letzten Jahr insbesondere die Depression betreffend.
Der Augenarzt E. bestätigte mit seinem Befundbericht vom 08.06.2017 auf dem rechten Auge einen Visus von 1,0 und die Blindheit
auf dem linken Auge. Der Facharzt für Chirurgie und Orthopädie Dr. G. berichtete von einer Behandlung seit dem 27.06.2016
wegen einer Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogengelenk. Es hätte sich eine gute Beugung und Streckung gezeigt, die
Bewegungsausmaße hätten in der Extension/Flexion 0-0-150°, in der Pro-/Supination 70-0-90° betragen. Davor sei der Kläger
im Februar 2012 wegen einem LWS-/BWS-Syndrom vorstellig geworden. Es habe sich eine muskuläre Inbalance im Wirbelsäulenbereich
mit einer Hyperlordose der Lendenwirbelsäule und einer kyphotischen Fehlhaltung der Brustwirbelsäule gezeigt. Die diskrete
Bewegungseinschränkung des rechten Ellenbogens bedinge einen GdB von 5. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. R.
berichtete in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 04.07.2017 von einer regelmäßigen Behandlung des Klägers mit 1-2
Terminen pro Quartal. Es seien eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome und eine Somatisierungsstörung diagnostiziert
worden. Daraus resultiere eine Niedergeschlagenheit mit Antriebsstörungen, eine verminderte Konzentration und Belastbarkeit,
eine rasche Erschöpfbarkeit, eine Schmerzsymptomatik, die zu Bewegungseinschränkungen und verminderter körperlicher Belastbarkeit
führe, eine verminderte emotionale Belastbarkeit und damit auch eingeschränkte sozio-emotionale Kompetenzen mit verminderter
Interaktion. Der GdB betrage bezüglich der psychiatrischen Erkrankungen 60.
Unter dem 14.11.2017 hat Dr. B. für den Beklagten Stellung genommen und angeführt, der augenärztliche Bericht des Augenzentrums
E. begründe weiterhin einen unauffälligen Befund des rechten Auges bei weitgehender Erblindung des linken Auges (Optikusatrophie),
sodass der Teil-GdB von 30 zutreffend sei. Nach dem Befundbericht aus der psychiatrischen Institutsambulanz vom 11.12.2015
bestünden wiederkehrende, teils auch schwere depressive Episoden, sodass im Durchschnitt ein Teil-GdB von 30 angemessen sei.
Dem aktuellen Bericht des Dr. R. vom 04.07.2017 seien keine Beeinträchtigungen zu entnehmen, die einen höheren Teil-GdB als
30 rechtfertigen würden. Der von Dr. R. vorgeschlagene Teil-GdB von 60 sei durch seine eigenen Befunde nicht begründet. Dieses
Bewertungsergebnis orientiere sich nicht an den Vorgaben in den VMG. Bei Zustand nach kompletter Unterarmfraktur mit Plattenosteosynthese
1991 würden hin und wieder Beschwerden im rechten Ellenbogengelenk auftreten. Dr. G. habe einen Teil-GdB von 5 vorgeschlagen,
womit er eine Behinderung im Sinne des
SGB IX ausgeschlossen habe. Die übrigen Gesundheitsstörungen würden jeweils keinen eigenständigen Teil-GdB von wenigstens 10 rechtfertigen.
Nach Ablauf der Heilungsbewährung ergebe sich in der Gesamtschau kein höherer GdB als 40.
Im Rahmen des Erörterungstermins am 07.03.2018 hat der Kläger vorgetragen, dass er eine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen
habe und ein Gutachten durch die Rentenversicherung erstellt worden sei. Das SG hat darauf hingewiesen, dass es sich um eine Aufhebung handele und Prüfgegenstand daher die letzte Verwaltungsentscheidung
des Beklagten, der Widerspruchsbescheid vom 03.11.2016, sei.
Im weiteren Verlauf hat das SG die Akten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen. Das Gutachten der Ärztin D. vom 14.02.2018 wurde
zu den Gerichtsakten genommen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.11.2018 abgewiesen und ausgeführt, ein höherer GdB als 40 liege nicht vor. Seit
Erlass des Bescheids vom 15.11.2012 sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Im Bescheid vom 15.11.2012 sei die Hauterkrankung
mit einem Teil-GdB von 50 berücksichtigt worden. Ein Rezidiv sei nicht eingetreten, vielmehr habe der Kläger angegeben, der
Hautarzt habe eine Biopsie vorgenommen und ihm mitgeteilt, er habe nichts Böses festgestellt. Somit sei der GdB von 50 für
die Hauterkrankung entfallen. Für die Blindheit des linken Auges sei nach wie vor ein Teil-GdB von 30 angemessen. Weiter liege
eine seelische Störung, eine somatoforme Störung, eine Fatigue-Symptomatik vor, welche mit einem Teil-GdB von 30 angemessen
bewertet seien. Zwar habe Dr. R. den GdB bezüglich der psychiatrischen Erkrankungen mit 60 eingeschätzt. Dem könne sich das
Gericht jedoch nicht anschließen, denn dies setze eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten
voraus. Derartige Befunde habe Dr. R. nicht mitgeteilt. Seine Einschätzung lasse eine Orientierung an den Versorgungsmedizinischen
Grundsätzen nicht erkennen. Ein höherer GdB ergebe sich auch nicht aus dem beigezogenen Gutachten von der Ärztin D. Sie halte
den Kläger noch für in der Lage einer Tätigkeit 3- bis unter 6 Stunden täglich nachzugehen, was nicht auf mittelgradige soziale
Anpassungsschwierigkeiten hindeute. Somit verbleibe es bei einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung
der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit einem Teil-GdB von 30. Für den Reflux sei ein Teil-GdB von 10 anzunehmen. Auf orthopädischem
Fachgebiet könne die diskrete Bewegungseinschränkung des Ellenbogengelenks nicht als Behinderung anerkannt werden. Auch aus
den weiteren vorliegenden medizinischen Unterlagen ergebe sich keine andere Beurteilung.
Der Kläger hat am 28.12.2018 gegen den am 06.12.2018 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung beim Landessozialgericht (LSG)
Baden-Württemberg eingelegt und ausgeführt, die erste Instanz hätte zur Frage der Berechtigung des Klageanspruchs ein Sachverständigengutachten
einholen müssen. Dies sei nicht erfolgt. Zudem seien in der ersten Instanz am 18.09.18 sowie am 09.11.18 weitere ärztliche
Berichte vorgelegt worden, die ebenfalls die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers nachweisen würden. In diesem Zusammenhang
sei ausdrücklich beantragt worden, ein Gutachten einzuholen, sodass die erstinstanzliche Entscheidung keinen Bestand haben
könne.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29.11.2018 sowie den Bescheid vom 08.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 03.11.2016 aufzuheben und einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat zur Berufungserwiderung vorgetragen, der vorliegende medizinische Sachverhalt sei zutreffend gewürdigt worden.
Eines Gutachtens habe es aus Sicht des Beklagten nicht bedurft, zumal bei der Anfechtungsklage der maßgebliche Zeitpunkt der
Erlass des streitbefangenen Widerspruchsbescheids am 03.11.2016 sei.
Der Senat hat von Amts wegen ein nervenärztliches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. in Auftrag
gegeben. In seinem Gutachten vom 26.09.2019 gelangte Dr. S. zu folgenden Diagnosen:
- Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert
- Dysthymia
- Gewöhnliche Migräne
- Blindheit des linken Auges nach einem Unfall 1991 mit verschiedenen knöchernen Schädelverletzungen und weiteren Knochenbrüchen
- Z.n. Operation eines Plattenepithelkarzinoms an der linken Wange ohne Lokalrezidiv und ohne Fernaussaat (Metastasierung)
- Autoimmunhepatitis
- Mitralklappeninsuffizienz und Trikuspidalklappeninsuffizienz (Herzklappenerkrankung) ohne weitergehende Störung der Herzfunktion
- Refluxkrankheit der Speiseröhre
Zusammenfassend führte Dr. S. aus, unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze sei bei dem psychiatrischen
Störungsbild die Feststellung eines Teil-GdB von 30 zu empfehlen. Dafür spreche der Langzeitverlauf und die mit der Störung
verbundenen leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Unter Berücksichtigung aller Störungen sei ein Gesamt-GdB von 40
seit dem 03.11.2016 festzustellen, da ab diesem Zeitpunkt auch die Heilungsbewährung nach dem Plattenepithelkarzinom vorüber
gewesen sei. Der bisherigen versorgungsärztlichen Einstufung sei zuzustimmen. Die von ihm jetzt zusätzlich angeführte Migräne
sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten und führe nicht zu einer Zunahme des Gesamtgrades der Behinderung. Der Sachverhalt
sei ausreichend aufgeklärt, weitere Begutachtungen seien nicht erforderlich.
Der Kläger trat dem Gutachten von Dr. S. mit Schriftsatz vom 20.11.2019 entgegen und legte einen Arztbrief des ZfP S. vom
15.10.2019 vor. In diesem werden die Diagnosen Angst und depressive Störung, gemischt, undifferenzierte Somatisierungsstörung,
Anpassungsstörungen und posttraumatische Belastungsstörung genannt und der Verlauf der Behandlung für den Zeitraum 25.01.2019
bis zum 14.10.2019 geschildert.
Im Rahmen einer nichtöffentlichen Sitzung am 28.08.2020 wurde der Sach- und Streitstand mit den Beteiligten erörtert. Beide
Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §
124 Abs.
2 SGG zugestimmt.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten
beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die gemäß §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil
ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§
124 Abs.
2 SGG) ist gemäß §§
143,
144 SGG zulässig und teilweise begründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 08.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 03.11.2016 erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit der GdB auf unter 50 seit dem
14.09.2016 herabgesetzt wurde.
1. Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann,
wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben
und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören,
zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder
Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des §
77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit
dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des GdB ist §
2 Abs.
1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) in der für die Zeit bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 09.06.2001 (BGBl. I S. 1046) und in der für die Zeit ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. S. 3234) in Verbindung mit §
69 SGB IX in der für die Zeit bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung durch das Gesetz vom 07.01.2015 (BGBl. II S. 15) und in der für die Zeit vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 23.12.2016
(BGBl. I S. 3234) beziehungsweise in Verbindung mit §
152 Abs.
1 und
3 SGB IX in der für die Zeit ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. S. 3234). Im Hinblick auf die den vorliegend zu beurteilenden Zeitraum betreffenden unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind diese
- da Übergangsregelungen fehlen - nach dem Grundsatz, dass sich die Entstehung und der Fortbestand des sozialrechtlichen Anspruchs
auf Leistungen nach dem Recht zu beurteilen ist, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten
hat (BSG, Urteil vom 04.09.2013, B 10 EG 6/12 R, juris; vergleiche Stölting/Greiser in SGb 2015, 135-143), für die jeweiligen Zeiträume, für die sie galten beziehungsweise gelten, anzuwenden.
Nach §
2 Abs.
1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder
seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen
und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach §
2 Abs.
1 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige
oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten
Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung
in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.
Nach §
69 Abs.
1 Satz 1
SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung
und den GdB fest. Nach §
69 Abs.
1 Satz 1
SGB IX in der vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach §
152 Abs.
1 Satz 1
SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt ergänzend, dass der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt wird.
Als GdB werden dabei nach §
69 Abs.
1 Satz 4 und 5
SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung, nach §
69 Abs.
1 Satz 5 und 6
SGB IX in der vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 beziehungsweise nach §
152 Abs.
1 Satz 5 und 6
SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden
abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung hierbei nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Nach §
70 Abs.
2 SGB IX in der bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung
mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen
Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen
sind. Nach §
70 Abs.
2 SGB IX in der vom 30.12.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach §
153 Abs.
2 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung gilt diese Ermächtigung für die allgemeine - also nicht nur für die medizinische
- Bewertung des GdB und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen sowie auch für die Kriterien für die Bewertung
der Hilflosigkeit. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt §
159 Abs.
7 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise § 241 Abs. 5
SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, dass - soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist - die Maßstäbe des §
30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten.
Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für
die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 2904), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen
(GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem
Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf
die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung
des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu
entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach §
69 Abs.
3 Satz 1
SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung beziehungsweise nach §
152 Abs.
3 Satz 1
SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung
ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht
nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach §
2 Abs.
1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt
sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten
Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen
der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken),
sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten
Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch
das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20
oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A Nr. 3
Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht
zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch
dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen
mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung
zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu
vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.
Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden
Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
2. Nach diesen Maßstäben liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die eine Herabsetzung des GdB rechtfertigt, vor.
Der Senat stellt fest, dass in dem (letzten bindenden) Bescheid vom 15.11.2012 berücksichtigten Gesundheitszustand des Klägers
eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung des Gesundheitszustandes dahin eingetreten ist, dass im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt
des Ergehens des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2016 der GdB nunmehr mit 50 zu bewerten ist.
a. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Funktionsstörungen im Bereich Psyche zu Recht mit einem GdB von 30 ab dem
01.08.2013 bewertet wurden. Zu dieser Feststellung gelangt der Senat aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere
aufgrund des nervenärztlichen Gutachtens von Dr. S. vom 26.09.2019 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 20.09.2019.
Dr. S. hat auf seinem Fachgebiet eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert, eine Dysthymia und eine gewöhnliche
Migräne diagnostiziert.
Die Bewertung einer depressiven Erkrankung erfolgt anhand der VG, Teil B Nr. 3.7. Danach sind leichtere psychovegetative oder
psychische Störungen mit einem GdB von 0-20 zu bewerten. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der
Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägte depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen
mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) sind mit einem GdB von 30-40 zu bewerten. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit)
mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeit sind mit einem GdB von 50-70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten
mit einem GdB von 80-100 zu bewerten.
Der von Dr. S. bei seiner ambulanten Untersuchung erhobene psychische Befund zeigte einen bewusstseinsklaren und orientierten
Kläger, der zwar schwunglos, aber keinesfalls antriebsarm oder tiefer deprimiert wirkte. Er war auflockerbar, das affektive
Schwingungsvermögen war vorhanden, der Gedankengang war zusammenhängend, das Denken war zwar ausgerichtet auf sein Befinden,
jedoch nicht völlig eingeengt auf depressive Inhalte. Wahrnehmungsstörungen oder Ich-Störungen fanden sich keine, auch intellektuell
zeigte sich keine Einschränkung, auch nicht im Hinblick auf das Gedächtnis oder das Erinnerungsvermögen. Das Konzentrationsvermögen
und die Aufmerksamkeit waren in der Begutachtung ungestört. Sozial zeigten sich keine Tendenzen zu aggressivem Verhalten oder
zu Verwahrlosungstendenzen. Lediglich eine Rückzugstendenz und eine Interessenabnahme konnte erhoben werden.
Im Hinblick auf die in der gutachterlichen Untersuchung erhobenen Befunde ist der Teil-GdB von 30 angemessen und sachgerecht.
Der Kläger befindet sich seit 2013 in regelmäßiger Behandlung in der psychiatrischen Institutsambulanz des Z. Die Behandlung
findet 1-2 Mal im Quartal statt und er erhält unterstützend Antidepressiva, außerdem wurde zum Jahreswechsel 2014/2015 eine
medizinische Rehabilitation in einer psychosomatischen Klinik zu Lasten der Rentenversicherung durchgeführt. Demgegenüber
war der Kläger aber noch zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. am 20.09.2019 in der Lage, sich einen Nebenjob zu verschaffen
und diesen regelmäßig auszuüben. Der vom Kläger bei der Begutachtung geschilderte Tagesablauf war hinreichend strukturiert,
außerdem berichtete er von regelmäßigen Urlauben in der Türkei. Auch in der Langzeitbetrachtung der psychischen Erkrankung
des Klägers ergibt sich kein Anhalt für schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die einen
GdB von 50 rechtfertigen würden. Zwar schätzte Dr. R. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 04.07.2017 den GdB bezüglich
der psychischen Erkrankung mit 60 ein. Dieser Bewertung kann sich der Senat jedoch nicht anschließen. Dagegen spricht einhergehend
mit Dr. S. das gesamte therapeutische Vorgehen und der Krankheitsverlauf. Die im S. durchgeführte Behandlung mit Sprechstundenkontakten
von 1-2 Mal pro Quartal ohne weitergehende medikamentöse Behandlung spricht gegen eine schwere depressive Erkrankung. Die
Einschätzung von Dr. R. lässt vor diesem Hintergrund jede Orientierung an den VG vermissen. Zu einer anderen Einschätzung
führt auch nicht der mit Schriftsatz vom 20.11.2019 vorgelegte Verlaufsbericht des S. vom 15.10.2019. Bei schwankendem Verlauf
der depressiven Symptomatik wurde keine höherfrequente Therapie durchgeführt, vielmehr verblieb es bei supportiven Gesprächen
in einem Umfang von maximal einmal im Monat. Die Medikation blieb ebenfalls durchgehend unverändert. Der Kläger war durchgehend
in der Lage, seinem Nebenjob nachzugehen, im Juni 2019 plante er einen Urlaub in der Türkei für 3 Wochen. Dieser Verlauf spiegelt
keine schweren Störungen mit mittelgradige sozialen Anpassungsschwierigkeiten wider, sodass es bei der Beurteilung mit einem
Teil-GdB von 30 verbleibt.
b. Die übrigen beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen (Blindheit des linken Auges - Teil-GdB 30, Reflux der Speiseröhre
- Teil-GdB 10) sind nach wie vor korrekt bewertet. Diesbezüglich hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung auch nichts
Gegenteiliges vorgetragen. Die von Dr. S. erstmals in das Verfahren eingebrachte Migräne mit einem Teil-GdB von 10 wirkt sich
auf den Gesamt-GdB nicht aus, sodass es an der bisherigen Bewertung zu verbleiben hat.
Der Sachverhalt ist aufgeklärt. Es wird keine Veranlassung dafür gesehen, den Sachverhalt weiter zu ermitteln. Die vorliegenden
ärztlichen Unterlagen haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt
(§
118 Abs.
1 Satz 1
SGG, §
412 Abs.
1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung
des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden
Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen
Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen
anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 30, 40 oder 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB aus den Einzel-GdB-Werten von 30 für die Funktionsstörungen im Bereich Psyche,
30 für die Erblindung des linken Auges und 10 für die Refluxerkrankung - bezogen auf den vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt
des Ergehens des Widerspruchsbescheides am 03.11.2016 - mit 50 festzustellen. Dieses Ergebnis ergibt sich auf Grund einer
konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Würdigung anhand der VG, Teil A, Nr. 3. Danach sind bei der Bildung des Gesamt-GdB
ausschließlich die Auswirkungen der einzelnen Funktionsstörungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen
Beziehungen und ihrer Auswirkungen auf die Gestaltung des Alltags zu betrachten und zu fragen, ob sie sich gegenseitig überschneiden
oder verstärken oder sich auf andere nachteilig auswirken (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, juris).
Im Falle des Klägers gelangt der Senat zu einem GdB von 50, da es zwischen den Funktionssystemen Psyche einerseits und Augen
andererseits keinerlei Überschneidungen gibt. Vielmehr resultieren die Funktionsstörungen im Bereich Psyche aus der durchgemachten
Krebserkrankung des Klägers, deren Eintritt der Heilungsbewährung zur Herabsetzung des ursprünglichen Gesamt-GdB von 70 auf
40 geführt hat. Hiervon völlig unberührt besteht die Erblindung des linken Auges, die durch den Beklagten bereits im letzten
bindenden Bescheid vom 15.11.2012 mit einem eigenständigen Teil-GdB von 30 bewertet wurde. Ein Gesamt-GdB von lediglich 40
wäre mit den oben genannten Maßstäben nicht in Einklang zu bringen. Einen Grundsatz, wonach ein weiterer Teil-GdB von 30 regelmäßig
nur zu einer Erhöhung um 10 Punkte führt und nur ausnahmsweise zu einer solchen um 20 Punkte gibt es nicht. Ein solcher Grundsatz
lässt sich auch nicht der Entscheidung des 3. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 18.08.2015 (Az.: L 3 SB 1182/14) entnehmen, wie dieser selbst in seiner weiterführenden Entscheidung vom 24.10.2018, Az.: L 3 SB 5/17, nach juris, klarstellend ausgeführt hat. Dort heißt es, ein weiterer GdB von 30 führt dann zu einer Erhöhung um 20 und nicht
nur um 10 Punkte, wenn eine wesentliche Zunahme der Behinderung vorliegt. Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen
an und sieht diese Voraussetzungen im Falle des Klägers für gegeben an.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen des Klägers.
III. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.