Keine Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung allein durch auftretende Schmerzen
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist zuletzt noch streitig, ob das geltend gemachte Ereignis am 24.08.2012 als Arbeitsunfall der Klägerin
festzustellen ist.
Die 1959 geborene Klägerin absolvierte im Jahr 2012 beim Arbeitgeber "D. Dienste S. e.V." eine Ausbildung zur examinierten
Altenpflegerin.
Nach Angaben der Klägerin (Unfallanzeige der Klägerin vom 28.11.2012 bei der Beklagten) sei es ihr am 24.08.2012 während der
Grundpflege einer Bewohnerin "in den Rücken gefahren". Eine eingenommene Schmerztablette habe nicht gewirkt, weshalb sie in
der Frühstückspause den Arzt aufgesucht habe, wo ihr eine Spritze verabreicht worden sei. Danach habe sie die Arbeit wieder
aufgenommen. Als Auszubildende habe sie Bedenken gehabt, sich krankschreiben zu lassen. An diesem Tag habe sie eine korpulente
Bewohnerin zur Toilette begleitet. Als der Rollator der Bewohnerin weggerutscht sei und die Bewohnerin nach vorne zu fallen
gedroht habe, habe sie die Bewohnerin um ihre Taille gefasst und sich in einer Drehung mit dem Rücken zur Wand gelehnt, sei
in die Knie gegangen und habe sich die Bewohnerin auf ihren rechten Oberschenkel gesetzt.
Die in ein Feststellungsverfahren eingetretene Beklagte übersandte der Klägerin ihren Fragebogenvordruck, in dem die Klägerin
unter dem 28.02.2013 diesen Vorgang bei der Begleitung der ca. 80 kg schweren Person zur Toilette als Unfallhergang und Ursache
ihrer Rückenbeschwerden angab. Zuvor habe sie keine Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule gehabt.
Der von der Beklagten angehörte Internist Dr. St. teilte in seinem Bericht vom 23.03.2013 mit, die Klägerin seit Jahren als
Hausarzt zu betreuen. Er habe sie erstmals am 24.08.2012 - zu unterstellen wegen Rückenbeschwerden - behandelt und als Befund
eine Sakralgie links über dem Iliosakralgelenk erhoben. Ein Unfallgeschehen mit Auffangen eines Patienten sei von der Klägerin
erstmals am 11.09.2012 ihm gegenüber angegeben worden unter Bezugnahme auf einen Unfall am "24.09.2012" - gemeint wohl 24.08.2012.
Es sei unklar, ob die Beschwerden erst seit dem Auffangen des Patienten eingetreten seien. Beigefügt war der Arztbrief des
Orthopäden Dr. M. vom 17.09.2012 über die am 04.09.2012 durchgeführte Computertomographie, die einen rechtsseitigen Prolaps
bei L5/S1 ergeben habe (radiologischer Befundbericht von PD Dr. Z. vom 05.09.2012). Weiter war der Arztbrief von Dr. M. vom
24.09.2012 beigefügt, wonach die Klägerin bei Dr. M. über einen zunächst bei der Arbeit mehr oder weniger spontan aufgetretenen
Hexenschuss rechts berichtet habe, der auf zweimalige Infiltration bei Dr. St. besser geworden sei. Dann habe sie einem Patienten
beim Toilettengang geholfen, der beim Lösen des Rollators ausgeglitten und von der Klägerin gestützt worden sei, weshalb es
zu den akuten Schmerzen gekommen sei.
In seinem Bericht an die Beklagte vom 01.03.2013 teilte der Orthopäde Dr. M. mit, die Klägerin am 30.08.2012 behandelt zu
haben. Sie habe damals berichtet, am 24.08.2012 akute Gesäßschmerzen rechts entwickelt zu haben, die auf eine Spritze beim
Hausarzt zunächst besser geworden seien. Die Beschwerden hätten sich im Anschluss aber wieder verschlechtert mit Ausstrahlung
bis zum rechten Fuß. Das angeschuldigte Unfallereignis sei in seinen Aufzeichnungen nicht dokumentiert.
Von der Krankenkasse der Klägerin holte die Beklagte die Auskunft und ein Vorerkrankungsverzeichnis der D. vom 28.03.2013
ein, wonach Arbeitsunfähigkeit ab 25.08.2012 bis 21.02.2013 bestanden habe und Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Wirbelsäulenbeschwerden
vor dem 24.08.2012 nicht dokumentiert waren.
In seiner beratungsärztliche Stellungnahme vom 22.04.2013 verneinte Dr. K. eine Kausalität zwischen dem geltend gemachten
Ereignis und dem diagnostizierten Bandscheibenvorfall. Es sei von einem willentlich in Gang gesetzten, von keiner Fehlgängigkeit
unterbrochenen Geschehensablauf auszugehen, der eine Fehlbelastung mit Schädigung von Muskulatur oder Skelettsystem ausschließe.
Dafür sprächen auch die fachorthopädisch berichteten vorbestehenden hexenschussartigen Beschwerden wie auch der computertomographische
Befund über einen Bandscheibenprolaps ohne nachweisliche Begleitschäden. Ein isolierter Bandscheibenvorfall sei kein verletzungsspezifischer
Befund.
Mit Bescheid vom 15.05.2013 stellte die Beklagte fest, das Ereignis vom 24.08.2012 sei kein Arbeitsunfall. Auf den hiergegen
eingelegten Widerspruch (Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 03.06.2013) mit der Begründung, altersbedingte Verschleißerscheinungen
seien nicht bekannt, jedenfalls lägen keine erhebliche Vorschäden vor, weshalb Auslöser des Bandscheibenvorfalls der heftige
Sturz der ca. 100 kg wiegenden, weit übergewichtigen Bewohnerin gewesen sei, holte die Beklagten die ergänzende Stellungnahme
von Dr. K. vom 01.07.2013 ein. Dieser verwies darauf, dass nach der unfallmedizinischen Literatur Hebevorgänge mit plötzlicher
und unerwarteter Krafteinwirkung zunächst zu Frakturschädigungen im Deckplattenbereich führten, Faserringverletzungen oder
Bandscheibenvorfälle würden dadurch nicht erzeugt. Begleitschäden seien außerdem im konkreten Fall nicht belegt. Mit Widerspruchsbescheid
vom 06.09.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Danach gelangte das Schreiben der Arbeitgeberin vom 19.09.2013 zu den Akten der Beklagten, der eine Arbeitgeber-Unfallanzeige
vom September 2013 beigefügt war, in der auf die ebenfalls beigefügte Aktennotiz vom 16.09.2013 über eine Besprechung unter
Teilnahme von Vorstandsmitgliedern, der Pflegedienstleiterin sowie der Wohnbereichsleiterin E. und der Pflegekraft H. Bezug
genommen wurde. Danach habe die Klägerin bereits am 21.08.2012 gegenüber der Pflegefachkraft Schmerzen im Rücken angegeben,
habe aber zunächst weitergearbeitet. In der Frühstückspause sei sie mit Genehmigung der Wohnbereichsleiterin zu ihrem Hausarzt
Dr. St. gegangen. Nach ihrer Rückkehr vom Arzt, von dem sie eine Spritze bekommen haben soll, habe sie sich als arbeitsfähig
erklärt. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe ihr der Arzt nicht ausgestellt, da er ihren Angaben zufolge gemeint habe,
die Spritze genüge. An den Folgetagen Mittwoch und Donnerstag den 22. und 23. August habe die Klägerin normal gearbeitet.
Am Samstag den 25.08.2012 habe die Klägerin die Arbeit unterbrochen, weil sie starke Schmerzen gehabt habe. Einen Vorfall,
mit dem Versuch eine fallende Patientin aufzufangen, habe sie zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt.
Die Klägerin erhob am 04.10.2013 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) mit dem Begehren, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) um mindestens 30 v.H. zu zahlen. Das SG holte von Dr. B. das orthopädische Gutachten vom 05.09.2014 ein. Dieser führte aus, es seien keine Gesundheitsstörungen mehr
festzustellen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folgen des Ereignisses vom 24.08.2012 seien, weder im Sinne der Entstehung
noch im Sinne der Verschlimmerung. Die Klägerin habe vor dem angeschuldigten Ereignis bereits eine Schmerzsymptomatik entwickelt,
die nach der Akutbehandlung mit Injektionen zurückgegangen sei und sich durch den Vorfall erneut aktualisiert habe. Der Ereignisablauf
sei ungeeignet gewesen zur Auslösung eines traumatischen Bandscheibenvorfalls. Der klinische Verlauf sei ebenfalls nicht typisch
für eine traumatische Bandscheibenschädigung, eine radikuläre Symptomatik sei primär nicht hinlänglich belegt. Ebenso untypisch
sei ein plateauartig längerfristig anhaltender Schmerzverlauf. Bereits im Januar 2012, also sieben Monate vor dem Ereignis,
sei eine Röntgenuntersuchung der Lendenwirbelsäule durchgeführt worden, was zu einem gleichartigen Befund einer Osteochondrosen
intervertebralis bei L5/S1 wie bei seinem anlässlich der Begutachtung erhobenen radiologischen Befund geführt habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2015 wies das SG die Klage ab.
Die Klägerin hat am 16.03.2015 Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Sie führt zur Begründung aus, der unstreitig
im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erlittene Bandscheibenvorfall sei ausschließlich bzw. zumindest überwiegend auf die berufliche
Tätigkeit zurückzuführen. Bestritten werde, dass andere berufsunabhängige Umstände ursächlich seien. Erhebliche Vorschäden
hätten nicht vorgelegen, daher sei es auch höchst unwahrscheinlich, dass derselbe Körperschaden auch bei einer anderen alltäglichen
Tätigkeit hätte eintreten können. Soweit der Sachverständige Dr. B. von einer vollbeweislich gesicherten degenerativen Schadensanlage
ausgehe, müsse dies bezweifelt werden. Er habe zum Vergleich nur Papierausdrucke der Röntgenbilder von Dr. M. und diese noch
in selbst eingeräumter eingeschränkter Aufnahmequalität heranziehen können. Dr. Z. habe dahingegen eine unauffällige Bandscheibe
L3/L4 und L4/L5 diagnostiziert. Eine deutliche Spondylarthrose in den Segmenten L4/5 und L5/S1 seien von ihm nicht angegeben
worden. Auch habe Dr. Z. in Abweichung zu Dr. B. den Bandscheibenvorfall bei L5/S1 mit weiteren Einschränkungen beschrieben.
Darüber bestünden Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen Dr. B. , da er Rückschlüsse aus rein tatsächlichen
Vorgängen unter Auswertung der Angaben der Klägerin ziehe, was nicht in sein Fachgebiet falle, sondern allenfalls Aufgabe
des Gerichts wäre. Das Gutachten sei daher unbrauchbar, weshalb eine neue Begutachtung beantragt werde. Außerdem sei nach
dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 10.03.2015 - L 9 U 4750/12 - eine anlagebedingte Vorschädigung des verletzten Kniegelenks wegen der beschwerdefreien Tätigkeit als Elektriker als nicht
so gravierend eingestuft worden, dass auch jedes andere alltäglich Ereignis eine derart schwerwiegende Schädigung, die als
Unfallfolge geltend gemacht worden sei, habe auslösen können.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 24.02.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.05.2013 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Vorfall vom 24.08.2012 als Arbeitsunfall
festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. B. . Dessen Röntgenbefund stehe nicht im Widerspruch zu der Befundbeschreibung
von Dr. Z. , der mit Einengung des Neuroforamens eine Spondylarthrose im Sinne einer degenerativen Veränderung beschreibe.
Der Hinweis auf die Entscheidung des neunten Senats des LSG Baden-Württemberg führe nicht weiter, da es sich hierbei um eine
Entscheidung in der Vielzahl der sonstigen Entscheidungen mit der immer wieder durchzuführenden Abgrenzung zwischen zurechenbarem
unfallbedingtem Gesundheitserstschaden und Vorschaden handele bei sich widersprechender Gutachtenlage. Vorliegend sei die
Gutachterbewertung einheitlich.
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 09.10.2015 hat der Bevollmächtigte der Klägerin erklärt, Verletztenrente
werde nicht mehr weiter verfolgt. Einen ausdrücklichen Befangenheitsantrag gegen Dr. B. stelle er nicht, sein Vorbringen sei
als Beitrag zur Beweiswürdigung zu verstehen. Im Übrigen wird auf die Niederschrift vom 09.10.2015 Bezug genommen.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des SG beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Akte im
Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§
143,
144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 15.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2013,
mit denen die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 24.08.2012 als Arbeitsunfall abgelehnt hat. Soweit die Beklagte
in den Gründen des Bescheids ausführt, mangels Arbeitsunfall könnten auch keine Leistungen erbracht werden, ist dies lediglich
ein Hinweis auf die Rechtsfolgen, dem keine Regelungswirkung zukommt. Über den anfangs noch von der Klägerin verfolgten Rentenanspruch
ist daher rechtsbehelfsfähig nicht von der Beklagten entschieden worden, weshalb der Klägerbevollmächtigte im Termin zur Sach-
und Rechtslage am 09.10.2015 auf richterlichen Hinweis insoweit die Klage zurückgenommen hat.
Die mit der Berufung weiterverfolgte Klage ist als Verpflichtungsklage nach §
54 Abs.
1 Satz 1 2. Halbsatz
SGG statthaft. Gegen die Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalles kann mit der Anfechtungsklage i.S.d. §
54 Abs.
1 S. 1
SGG vorgegangen werden und die darüber hinausgehende positive Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles kann mit der
Feststellungsklage gem. §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG oder nach Wahl des Versicherten auch mit der Verpflichtungsklage (vgl. BSG 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R, BSGE 108, 274 und BSG 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R) verfolgt werden. Die Voraussetzungen einer Verpflichtungsklage mit anfechtbarem Verwaltungsakt und durchgeführtem Widerspruchsverfahren
liegen vor, denn die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid die Feststellung eines Arbeitsunfalles abgelehnt,
wie dargelegt.
Ein Anspruch auf Feststellung des geltend gemachten Ereignisse als Arbeitsunfall steht der Klägerin jedoch nicht zu.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3,
6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder
zum Tod führen (§
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit
zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den
Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder
den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen
aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines
Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R). Insoweit gilt ebenso wie für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden die Theorie
der wesentlichen Bedingung (BSG Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31, insbesondere zur Unfallkausalität).
Ebenso wie das SG geht der Senat davon aus, dass die Klägerin bei dem geltend gemachten Vorfall die Heimbewohnerin zunächst um die Taille gefasst
hatte, um einen drohenden Sturz zu verhindern, sich dann in einer Drehbewegung mit dem Rücken zur Wand abstützte, in die Knie
ging und das Gewicht der Heimbewohnerin hierbei auf den rechten bzw. beide (Angabe bei Dr. B. ) Oberschenkel verlagerte. Bei
diesem Bewegungsablauf traten Rückenschmerzen auf, die einem später diagnostizierten Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelkörpersegment
L5/S1 zuzurechnen sind.
Ein für den Senat ersichtlicher Gesundheitserstschaden ist durch diese vom Senat festgestellten Einwirkungen nicht verursacht
worden. Gesundheitserstschaden ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar
durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich
wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls
gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden
verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) sind (BSG Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, [...], Rnr. 19) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten
Tätigkeit aufgrund Spezialvorschriften (z.B. §
11 SGB VII, vgl. BSG Urteil vom 15.05.2012, a.a.O.) zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher
Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls. Der den Gesundheitserstschaden begründende regelwidrige physische
oder psychische Zustand entspricht nach herrschender Meinung dem allgemeinen Krankheitsbegriff (vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, a.a.O. Rn. 21, 22; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, §
8 SGB VII Rn. 20), was angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite in der Medizin eine
sichere und nachvollziehbare Diagnosestellung unter Verwendung der üblichen Diagnose-Manuale voraussetzt (BSG, a.a.O.; Senatsurteil vom 17.05.2013 - L 8 U 2652/12 -, [...], www.sozialgerichtsbarkeit.de zur psychischen Erkrankung).
Der Gesundheitserstschaden setzt, wie dargelegt, keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder
mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Auch Bagatellverletzungen (z.B. "blauer Fleck") sind regelwidrige Gesundheitszustände,
die zwar einen Arbeitsunfall begründen, aber zumeist keine Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen.
Maßgebend ist aber eine substantielle somatische oder psychische Verletzung im Sinne einer Regelwidrigkeit, die einen pathologischen
Zustand herbeiführt, was nicht gleichzusetzen ist mit regelhaft ablaufenden physiologisch-biologischen belastenden körperlich
oder seelischen Prozessen. Aufgetretene Schmerzen allein rechtfertigen daher nach der Rechtsprechung des Senats die Anerkennung
eines Arbeitsunfalles noch nicht (Beschluss vom 29.07.2014 - L 8 U 1447/13 -; Urteil vom 19.12.2014 - L 8 U 1906/14 -, beide nicht veröffentlicht), da Schmerz als zunächst normale körperliche Reaktion auf eine Körpereinwirkung ohne das Hinzutreten
weiterer Anhaltspunkte noch nicht zwingend auch den Eintritt einer substanziellen Läsion am Körper belegt.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat keinen Gesundheitserstschaden mit dem diagnostizierten Bandscheibenvorfall
bei L5/S1 feststellen können. Auch eine sonstige krankheitswertige Gesundheitsstörung, die durch die vom Senat festgestellten
Einwirkungen bei der von der Klägerin geleisteten Hilfe beim Toilettengang der Heimbewohnerin verursacht worden sein könnte,
hat der Senat nicht feststellen können.
Diese Feststellungen stützt der Senat auf die eigenen Angaben der Klägerin und auf die überzeugenden Ausführungen im Gutachten
von Dr. B. .
Als Gesundheitsschaden kommt bei der Klägerin nur der Bandscheibenvorfall in Betracht. Davon geht auch die Klägerin aus.
Den unter Darstellung der herrschenden arbeitsmedizinischen Auffassung zum traumatisch bedingten Bandscheibenvorfall in der
unfallversicherungsrechtlichen Literatur gemachten und damit für den Senat nachvollziehbaren Darlegungen von Dr. B. entnimmt
der Senat, dass die Klägerin bei dem von ihr geschilderten Ereignisablauf keiner schädigungsgeeigneten Krafteinwirkung auf
die Bandscheibe ausgesetzt gewesen ist. In Übereinstimmung zu den Ausführungen von Dr. K. , der ebenso von einem willentlich
in Gang gesetzten Geschehensablauf mit willkürlichen, nicht von Fehlgängigkeit unterbrochenen Bewegungen ausgegangen ist,
ist nach Dr. B. das willkürliche und planmäßige Heben einer schweren Last grundsätzlich keine geeignete Unfalleinwirkung zur
Verursachung eines Bandscheibenvorfalls. Fehlen dazuhin knöcherne oder sehnenbezogene bzw. knorpelveränderte Begleitverletzungen
ist nach Dr. B. auch keine ausreichende Krafteinwirkung auf die Wirbelsäule, die zur Entstehung eines Bandscheibenvorfalls
erforderlich ist, anzunehmen. Vorliegend ist auch aus der anzunehmenden Kraftrichtung, die beim Heben der Bewohnerin um die
Taille bzw. beim Aufsetzten der schwergewichtigen Bewohnerin auf die Oberschenkel der Klägerin entstanden ist, weder eine
maßgebliche Wirbelstauchung noch Hyperflexion abzuleiten, was Dr. B. ebenfalls unter Wiedergabe der wissenschaftlichen Lehrmeinung
zur Unfallmechanik eines traumabedingten Bandscheibenvorfalls dargelegt hat. Dass bei der Klägerin eine so ausgeprägte Schadensanlage
vorhanden war, dass auch ein geringerer Kraftimpuls nach Intensität und Kraftrichtung zur Verursachung eines Bandscheibenschadens
ausgereicht hätte, hat Dr. B. , der ausdrücklich auf die versicherungsrechtlichen Unterschiede zwischen einer noch stummen
Schadensanlage, was als Schadensverursachung zu diskutieren wäre, und einem bereits manifesten klinischen Verlauf einer Bandscheibenerkrankung,
was als Verschlimmerung zu werten wäre, hingewiesen hat, nicht diagnostiziert. Nach seinen eigenen Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule
beschreibt er lediglich eine deutliche Spondylarthrose in den Segmenten L4/5 und L5/S1 sowie ansonsten eine initial angedeutete
Arthrose im unteren Abschnitt der Kreuzdarmbeingelenke ohne schattengebende Weichteilveränderungen. Letztlich bestreitet die
Klägerin selbst eine radiologisch beschreibbare relevante Vorschädigung. Ob auch sonst keine signifikante Befundänderung,
die auf eine erkennbare Dynamik verweisen würde, sich im Vergleich mit den Voraufnahmen, die Dr. B. nur als Papierausdrucke
vorlagen, zuverlässig abzulesen ist, kann aus Sicht des Senats dahinstehen. Denn Dr. B. stellt für seine Beurteilung auf weitere,
hiervon unabhängige Gesichtspunkte ab.
Als weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin bei dem geltend gemachten Vorgang keinen traumatischen Bandscheibenvorfall
erlitten hat, spricht nach Dr. B. auch die hierfür untypische Beschwerdesymptomatik. Nach seinen Ausführungen ist eine radikuläre
Symptomatik primär nicht hinlänglich belegt. Auch ist untypisch, dass ein plateauartig längerfristig anhaltender Schmerzverlauf
vorlag, was nicht mit dem Spontanverlauf nach einer traumatischen Bandscheibenschädigung zu vereinbaren ist.
Vielmehr ist nach Dr. B. davon auszugehen, dass die bei diesem Vorgang aufgetretenen Schmerzen auf dem bereits vorbestehenden
Bandscheibenvorfall beruhten, deren Auftreten die aktuelle Wirbelsäulenbelastung durch das Halten und Heben der Heimbewohnerin
ausgelöst hat. Hierfür spricht nach Dr. B. , dass nach eigenem Vorbringen der Klägerin diese am Vormittag des Unfalltages
bereits Rückenbeschwerden hatte, die sie selbst nicht auf eine besondere Belastung zurückführte, sondern die allein bei einer
arbeitsalltäglichen Betätigung der Grundpflege aufgetreten sind. Dies stimmt mit den im Arztbrief von Dr. M. vom 24.09.2012
wiedergegebenen anamnestischen Angaben überein, wo ebenfalls von einem bei der Arbeit mehr oder weniger spontan aufgetretenen
Hexenschuss rechts die Rede war. Danach sind hexenschussartige Beschwerden bei einer Alltagsbelastung aufgetreten, die die
Klägerin vom Hausarzt Dr. St. im Rahmen einer Akutbehandlung mit Injektionen behandeln ließ und die nach seiner Beurteilung
eine Arbeitsunfähigkeit nicht begründeten. Die Schlussfolgerung von Dr. B. , dass bei der Klägerin bereits eine Funktionsstörung
der Bandscheibe vorgelegen hatte, die den Bewegungsapparat für eine zusätzliche Schädigung anfällig gemacht hatte, ist nach
Würdigung seiner übrigen gutachterlichen Darlegungen über die nach Art und Verlauf untypische traumatische Schmerzsymptomatik
so zu verstehen, dass die vorbestehende Funktionsstörung auch nach der Injektionsbehandlung durch Dr. St. schmerzanfällig
für weitere Belastungen war. Danach ist durch das geltend gemachte Ereignis kein "neuer" Körperschaden eingetreten, sondern
der vorbestehende Körperschaden wurde - erneut - bei der geltend gemachten Belastung aktiviert. Eine richtunggebende Verschlimmerung
der bereits zuvor aufgetretenen, von Dr. St. behandelten Erkrankung mit gleichartiger Schmerzsymptomatik ist nicht feststellbar,
weder in qualitativer noch in zeitlicher - als vorzeitig aufgetretene Störung - Hinsicht. Es ist für den Senat aus dem von
Dr. B. dargelegten Zusammenhang auch ersichtlich geworden, dass die berufliche Belastung des Arbeitstages am 24.08.2012 auch
nicht in ihrem Zusammenwirken gemeinsam den Bandscheibenvorfall verursacht haben kann, was für die plötzliche Einwirkung eines
Unfalls erforderlich, aber für die Verteilung über einen Arbeitstag auch ausreichend zur Bewertung als Unfallgeschehen wäre.
Ob das Vorbringen der Klägerin insgesamt glaubhaft ist, musste der Senat nicht entscheiden. Sie hat teilweise ihr Vorbringen
angepasst, so hat sie noch im Fragebogen der Beklagten das ungefähre Gewicht der Heimbewohnerin mit 80 kg angegeben, mit der
Widerspruchsbegründung hat sie es auf 100 kg gesteigert. Auch ist das Vorbringen der Klägerin bei Dr. M. durchaus mit der
Darstellung in der von dem Arbeitgeber vorgelegten Aktennotiz vom 16.09.2013 vereinbar. Danach hatte die Klägerin nicht -nur-
am Freitag dem 24.08.2012, sondern bereits am 21.08.2012 Rückenschmerzen, weshalb sie am 21.08.2012 in der Frühstückspause
zu Dr. St. gegangen sein soll, der ihr eine Spritze verabreicht habe. Danach soll sie normal bis einschließlich Donnerstag
gearbeitet haben. Eine Arbeitsunterbrechung habe erst am Samstag den 25.08.2012 vorgelegen, was auch mit der von der Krankenkasse
dokumentierten Arbeitsunfähigkeit ab 28.08.2012 übereinstimmen würde. Damit ergäben sich für die im Bericht von Dr. M. vom
24.09.2012 erwähnten zweimaligen Infiltrationen auch unterschiedliche Behandlungsdaten, nämlich der 21.08.2012 und 24.08.2012.
Andererseits hat Dr. St. über keine Behandlung der Klägern am 21.08.2012 berichtet, was nicht ausschließt, dass die Klägerin
gleichwohl an diesem Tag die Arbeit wegen Kreuzschmerzen unterbrochen hat, aber möglicherweise entgegen ihrer Behauptung gegenüber
dem Arbeitgeber nicht den Arzt aufgesucht hat. Jedenfalls ist die Angabe der Klägerin, vor dem 24.08.2012 keine Rückenbeschwerden
gehabt zu haben, deshalb nicht glaubhaft, weil zur Begutachtung bereits eine Röntgenaufnahme der Lendenwirbelsäule vom Januar
2012 vorgelegen hat. Dr. B. hat insoweit für den Senat überzeugend dargelegt, dass Anfang des Jahres 2012 entsprechende Rücken-/Hüftbeschwerden
vorgelegen haben müssen, die medizinisch die Indikation für die Anfertigung einer Röntgenaufnahme begründeten. Entgegen der
Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist Dr. B. hierdurch keine Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin zu unterstellen,
denn es war gutachterlich vielmehr geboten, zu der erhobenen Anamnese, dass keine Erkrankungen der Wirbelsäule vor August
2012 vorgelegen hätten, aus medizinischer Sicht die diagnostische Maßnahme einer Röntgenaufnahme im Januar 2012 zu kommentieren.
Ob der Klägerin das behauptete Ereignis am 24.08.2012 überhaupt geglaubt werden kann, immerhin hat sie bei ihren ersten Arztbesuchen
bei Dr. St. und Dr. M. hierüber nichts berichtet, sondern bei Dr. M. nur von ihr selbst nicht als Unfallgeschehen beurteilte
Schmerzanlässe angegeben, kann der Senat ebenfalls dahinstehen lassen.
Bei dieser Sachlage ist die gutachterliche Darlegung von Dr. B. , dass auch eine Verschlimmerung einer vorbestehenden Bandscheibenschädigung
nicht anzunehmen ist, ebenso überzeugend. Eine richtunggebende Verschlimmerung der Bandscheibenschädigung ist im Zusammenhang
mit den Vorgängen am 24.08.2012 weder dem von Dr. B. angefertigten Röntgenbefund noch dem klinischen Beschwerdebild zu entnehmen.
Vielmehr ist den Ausführungen von Dr. B. zu entnehmen, dass die aufgetretene Schmerzsymptomatik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
der typischen Verlaufsform einer progredient verlaufenden Bandscheibenerkrankung entspricht. Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung
des Senats ein nur symptomatisch verändertes Krankheitsbild ohne Änderung des Grundleidens keine richtunggebende Verschlimmerung
(Senatsurteil vom 23.10.2015 - L 8 U 1345/11 - [...], sozialgerichtsbarkeit.de; NZS 2015, 953 - Leitsatz -).
Der Senat hat keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen gesehen. Das Gutachten von Dr. B. ist für den Senat nachvollziehbar
und überzeugend. Die erhobenen Einwendungen des Klägerbevollmächtigten begründen keine Notwendigkeit ein weiteres Gutachten
einzuholen. Insbesondere hat Dr. B. den von ihm erhobenen Röntgenbefund hinreichend beschrieben, entscheidungserhebliche Abweichungen
zum Befund von Dr. Z. waren für den Senat nicht ersichtlich. Außerdem betrifft das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten die
Beurteilung einer so genannten Gelegenheitsursache, die vorliegend aber nicht streitentscheidend ist. Eine Gelegenheitsursache,
d.h. ein nicht wesentlicher kausaler Unfallzusammenhang, wäre nur zu diskutieren, wenn eine durch die Unfalleinwirkung mitverursachte
Primärschädigung zu bejahen ist. Einen Gesundheitserstschaden hat der Senat im vorliegenden Rechtsstreit auf der Grundlage
der gutachterlichen Äußerungen von Dr. B. und von Dr. K. aber gerade nicht feststellen können. Den von der Klägerin mit Schriftsatz
ihres Prozessbevollmächtigten vom 28.01.2016 aufrechterhaltenen Beweisanträgen auf Einholung von medizinischen Sachverständigengutachten
brauchte der Senat deshalb nicht nach zu kommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.