Anspruch auf Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit Nr. 2109 BKVO in der gesetzlichen Unfallversicherung
Anforderungen an die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen bei der Tätigkeit eines Maurers bei einem Bauunternehmen
im Hinblick auf die Ermittlung der kumulativen Gesamtbelastungsdosis
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV, nachfolgend BK 2109) streitig.
Der am 26.10.1963 geborene Kläger war von August 1979 bis November 2008 als Maurer versicherungspflichtig beschäftigt, von
1979 bis 1984 bei der Firma A., von 1985 bis 1992 bei der Firma B. C. und zuletzt von Juli 1992 bis November 2008 bei der
Firma D. GmbH. Nach seinen Angaben umfasste die Tätigkeit bei der Firma A. das Herstellen von Beton, Mauermörtel, Estrich,
Umbauarbeiten im Altbau, einschließlich Abbrucharbeiten, das Herstellen von filigranen Betonsteindecken und Maurerarbeiten
mit Großformatsteinen. Bei der Firma B. C. bestand die Tätigkeit aus dem Herstellen von Beton, Mörtel und Estrich, Maurerarbeiten
mit Großformatsteinen, Umbauarbeiten im Altbau, einschließlich Abbrucharbeiten, Zimmermannsarbeiten, dem Herstellen von filigranen
Betondecken und Ortbetondecken, Estrichböden, Außenanlagen und der Verarbeitung von Pflanzringen als Böschungswänden und von
Tiefbordsteinen. Bei der Firma D. GmbH waren Umbauarbeiten im Altbau, einschließlich Abbrucharbeiten, Mauererarbeiten mit
Großformatsteinen, Kellerschalungsarbeiten, Stahlbetonarbeiten wie Außenwände, Betondecken, Industriehallen, Zimmermann- und
Dachdeckerarbeiten sowie die Außenanlagen-Verarbeitung von Pflanzringen und Tiefbordsteinen Bestandteil der Arbeit.
Mit Bescheid vom 07.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.12.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer
BK 2108 ab. Die hiergegen zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage (S 15 U 176/11) nahm der Kläger nach Einholung eines Gutachtens bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. E. vom 28.06.2011 zurück. Dr. E. hatte
auf orthopädischem Fachgebiet eine leichte Fehlstatik der Brust- und Halswirbelsäule mit Verspannung der Nacken- und Lendenstreckmuskulatur,
eine Pseudoradikulopathie des linken Arms und linken Beins, den Verdacht auf eine Irritation des Nervus cutaneus femoris lateralis
links, leichte degenerative Veränderungen im Lendenwirbelsäulenbereich L3 bis S1, Bandscheibenvorfälle L4/5, geringer L5/S1
sowie Bandscheibenvorfälle im Halswirbelsäulenbereich von HWK 4-7 mit Höhenminderung der Zwischenwirbelräume und deutlichen
degenerativen Veränderungen mit vorderen Spondylosen diagnostiziert. Die Anerkennung einer BK 2108 könne er aufgrund des erheblichen
Bandscheibenschadens im Bereich der Halswirbelsäule, der stärker als in der Lendenwirbelsäule ausgeprägt sei, nicht ausreichend
begründen.
Am 18.04.2013 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Prüfung einer BK 2109. Die Beklagte zog die zur BK 2108
durchgeführten Ermittlungen bei und holte die Stellungnahme Arbeitsplatzexposition ihres Präventionsdienstes vom 22.05.2013
ein. Der Präventionsdienst gelangte auf der Grundlage der Befragung des Klägers sowie der Firma D. GmbH (jetzt BSR - bauen,
sanieren und renovieren - GmbH) zu der Einschätzung, der Kläger habe nur in Einzelfällen Lasten von mehr als 50 kg auf der
Schulter getragen. Dabei seien die Lasten nicht mit nach vorn und seitwärts erzwungener Kopfbeugehaltung bei gleichzeitigem
Anspannen der Nackenmuskulatur sowie in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten in einem Drittel der Tagesarbeitszeit
getragen worden. Die vom Kläger genannten Elektroverteilerkästen, Schalungselemente, Pflanzringe aus Beton, Gussheizkörper
oder zweizügige Kaminsteine würden in der Regel nicht auf der Schulter getragen. Die aufgeführten Mauersteine hätten Gewichte
von unter 50 kg.
Mit Bescheid vom 24.07.2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2109 ab. Die durchgeführten Ermittlungen hätten ergeben,
dass der Kläger keinen ausreichenden Belastungen, wie langjährigem, regelmäßigem Tragen schwerer Lasten auf der Schulter mit
ausdauernder Zwangshaltung der Halswirbelsäule ausgesetzt gewesen sei. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109
seien nicht erfüllt.
Zur Begründung seines Widerspruchs vom 07.08.2013 legte der Kläger eine beispielhafte Auflistung der von ihm auf der Schulter
getragenen Lasten von 40 kg und 50 kg und mehr, Beschreibungen der Tätigkeiten bei den einzelnen Arbeitgebern, Übersichten
über Tätigkeiten wie der Verarbeitung von außergewöhnlichen Lasten ohne Hilfsmittel und Zimmermannsarbeiten ohne Baukran sowie
über die von 2002 bis 2008 durchgeführten Umbauarbeiten im Altbau ohne Baukran vor. In der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition
vom 14.01.2014 hielt der Präventionsdienst der Beklagten nach weiteren Ermittlungen (Rücksprache mit den ehemaligen Arbeitgebern
B. C. und Herrn F., D. GmbH und dem Bauleiter der D. GmbH G. sowie Beiziehung von Produktinformationen der Herstellerfirmen
der angegebenen Materialien) an der Stellungnahme vom 22.05.2013 fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2014 wies die Beklagte
den Widerspruch des Klägers zurück. Auch die im Widerspruchsverfahren durchgeführten Ermittlungen hätten zu dem Ergebnis geführt,
dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109 weiterhin nicht als erfüllt angesehen werden könnten. Der Kläger habe
danach zwar gelegentlich starre Lasten von 50 kg und mehr auf der Schulter getragen, jedoch nicht in dem geforderten zeitlichen
Umfang und auch nicht in der geforderten Körperhaltung.
Hiergegen hat der Kläger am 21.03.2014 Klage beim SG erhoben und vorgetragen, entgegen der Auffassung der Beklagten habe er dauerhaft Lasten auf der Schulter von mehr als 50
kg getragen. Er hat eine detaillierte und ausführliche Schilderung der im Einzelnen gehobenen und getragenen Lasten, des zeitlichen
Umfangs, der örtlichen Gegebenheiten und der damit verbundenen Körperhaltungen vorgelegt. Die im Einzelnen beispielhaft benannten
Materialien habe er in den Jahren 1979 bis 2008 ca. drei Stunden pro Tag, zum Teil über Leitern und Treppen, getragen. Ferner
hat er einen Erhebungsbogen zur Belastung der Wirbelsäule vorgelegt. Im Oktober 2008 sei er, wie sich aus dem Gutachten von
Dr. E. ergebe, gezwungen gewesen, seine bisherige Tätigkeit einzustellen.
Das SG hat die Akte der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund beigezogen und den Entlassungsbericht des Ambulanten Zentrums für
Reha und Prävention am Entenfang GmbH vom 20.06.2008, das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 10.10.2008 sowie
Befundberichte des Zentrums für Radiologie und Nuklearmedizin Dres. I. u.a. vom 18.06.2009 und vom 20.01.2010, der Diagnostischen
Gemeinschaftspraxis J. vom 24.09.2009 und vom 30.01.2012, der Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. K. vom 19.11.2009,
des Arztes für Orthopädie Dr. L. vom 21.06.2010, des Radiologiezentrums J. M. vom 05.12.2011 und vom 20.02.2012, des Facharztes
für Neurochirurgie Dr. von N. vom 20.12.2011 sowie das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. O. vom 30.08.2010 zu den Akten
genommen. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 25.03.2015 hat das SG die durch den Kläger benannten Zeugen P. G., Q. Q. und R. R. als Zeugen vernommen. Wegen der Zeugenaussagen im Einzelnen
wird auf die Sitzungsniederschrift des SG Bezug genommen.
Mit Urteil vom 09.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Feststellung der BK 2109 seien nicht nachweisbar. Der unbestimmte Rechtsbegriff
des BK-Tatbestands der BK 2109 sei so zu verstehen, dass eine versicherte Person Lastgewichte von 50 kg und mehr auf der Schulter
getragen haben müsse. Die Lasten müssten langjährig getragen worden sein, wobei langjährig bedeute, dass zehn Berufsjahre
als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sei, geringe Unterschreitungen aber die Anwendung
des BK-Tatbestandes nicht von vornherein ausschließen. Erforderlich sei eine Regelmäßigkeit des Tragens, wobei das Tragen
schwerer Lasten in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten ausreiche, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht
genannt werden könne. Das Tragen schwerer Lasten müsse mit einer nach vorne und seitwärts erzwungen Zwangshaltung einhergehen.
Als Folge dieses Zwangs müsse die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Gemessen an diesem Maßstab
lasse sich nicht nachweisen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten BK 2109 erfüllt seien. Es könne
letztlich dahingestellt bleiben, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109 zweifelsfrei nachweisbar seien, es
stehe jedenfalls fest, dass unterstellte, durch berufliche Einwirkungen verursachte bandscheibenbedingte Erkrankungen der
Halswirbelsäule des Klägers nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hätten, die für die Entstehung, Verschlimmerung
oder das Wiedersaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Zeitnah zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe des
Klägers dokumentierte medizinische Befunde belegten vielmehr, dass diese Voraussetzungen nicht bejaht werden könnten. Vielmehr
seien chronische Beschwerden der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenprolaps L4/5 und L5/S1 Grund für die Aufgabe der bei der
Firma D. GmbH bis November 2008 verrichteten Tätigkeit geworden. Der Kläger könne nicht damit gehört werden, dass das Gutachten
von Dr. E. den Zwang zum Unterlassen im Sinne der BK 2109 belege. Für die Beurteilung der dargestellten tatbestandlichen Voraussetzungen
des Unterlassungszwangs seien die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe maßgebend. Des Weiteren sei im Gutachten
des Dr. E. lediglich festgehalten, dass nach den Angaben des Klägers die Nackenschmerzen "vor etwa zehn Jahren" begonnen hätten
und eine Zunahme der HWS-Beschwerden sich 2008 eingestellt habe. Dies rechtfertige nicht, von den auf das Gutachten der DRV
Bund vom 10.01.2008, den Entlassungsbericht vom 20.06.2008 sowie den Bericht vom 31.03.2009 gestützten Schlussfolgerungen
abzuweichen.
Gegen das ihm am 15.07.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.07.2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg
eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft und unter erneuter Vorlage einer beispielhaften
Auflistung der getragenen Materialien vorgetragen, er sei täglich dem Tragen von Lasten auf der Schulter von 50 kg und mehr
ausgesetzt gewesen. Die im Einzelnen aufgezählten Baumaterialien seien durch Tragen auf der Schulter ca. drei Stunden/Tag
in den Jahren 1979 bis 2008 zum Teil über Leitern und Treppen auf, in und um die Baustelle verteilt worden. Darüber hinaus
seien Lasten von 40 kg und mehr in diesem Zeitraum getragen worden. Wegen der Beschreibung der Tätigkeiten und der getragenen
Gewichte im Einzelnen wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung sowie der ergänzenden Schriftsätze Bezug genommen. Er sei
im Oktober 2008 gezwungen gewesen, seine bisher ausgeübte Tätigkeit einzustellen. Dies ergebe sich bereits aus dem fachorthopädischen
Gutachten von Dr. E. vom 21.06.2011, der zusammenfassend ausgeführt habe, die bisher ausgeführte Berufstätigkeit sei durch
Gesundheitsstörungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule aufgegeben worden. Er leide bereits seit 2001 unter Beschwerden
im Bereich der Halswirbelsäule, wie sich aus der Stellungnahme von Dr. S. vom 11.10.2012 und von Dr. T. vom 18.09.2015 ergebe.
Wegen der Beschwerden befinde er sich weiterhin in fachärztlicher Behandlung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.
Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2014 zu verurteilen, eine Berufskrankheit nach Ziff. 2109
der Anlage 1 zur
BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat die Stellungnahme Arbeitsplatzexposition ihres Präventionsdienstes vom 27.08.2020, die nach Maßgabe der vom Bundesministerium
für Arbeit und Soziales (BMAS) am 01.12.2016 bekanntgegebenen wissenschaftlichen Stellungnahme (IVa 4-45222-2109-) erstellt
wurde, vorgelegt. Zusammenfassend und unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags sowie der Zeugenaussagen hat der Präventionsdienst
die kumulative Gesamtbelastungsdosis mit 67.468 kg angegeben; die Mindestbelastung in Höhe von 4,4 x 104 (kg x h) sei damit
deutlich überschritten. Die Beklagte trägt weiter vor, es sei zwar die Mindestbelastungsdosis von 4,4 x 104 (kg x h) allein
für sich betrachtet überschritten, bei der gebotenen differenzierten Betrachtung sei jedoch kein Belastungsniveau wie bei
Transportarbeiten im Sinne der wissenschaftlichen Stellungnahme in der Bekanntmachung des BMAS vom 01.12.2016 erreicht worden.
Der Kläger sei bei der Firma A. während seiner 5,2jährigen Tätigkeit in 100 Schichten/Jahr insgesamt 2,72 x 104 (kg x h) belastet
gewesen, während er in rund 120 Schichten/Jahr nicht relevant belastet gewesen sei. Bei der 6,8jährigen Tätigkeit bei der
Firma C. sei er in 76 Schichten/Jahr insgesamt 2,51 x 104 (kg x h) relevant, in rund 144 Schichten/Jahr nicht relevant belastet
gewesen. Zuletzt sei er 16,4 Jahre bei der Firma D. tätig und dort in 20 Schichten/Jahr relevant (1,51 x 104 (kg x h)) belastet
gewesen, während er in rund 200 Schichten/Jahr nicht relevant belastet gewesen sei. In keinem der drei Beschäftigungszeiträume
sei der Kläger täglich belastet gewesen, bei der Firma A. an jedem zweiten Tag, bei der Firma C. an jedem dritten Tag und
bei der Firma D. GmbH jeden elften Tag. Wollte man unter Verzicht auf die Erforderlichkeit täglich halbstündiger Belastung
zugunsten des Klägers annehmen, dass die Beschäftigungsverhältnisse bei den Firmen A. und C. relevant gewesen seien, hätte
er in 12 Jahren (5,2 + 6,8) insgesamt 5,24 x 104 (kg x h) bzw. berechnet auf 10 Jahre gerade 4,4 x 104 (kg x h), d.h. die
Mindestbelastungsdosis erreicht. Unbestritten habe der Kläger körperlich schwer gearbeitet; das Belastungsniveau der in der
wissenschaftlichen Stellungnahme genannten Transportarbeiter habe er aber bei weitem nicht erreicht. Die medizinischen Voraussetzungen
im Sinne einer wesentlichen Verursachung der Erkrankung der Halswirbelsäule durch die stattgehabte berufliche Belastung der
Halswirbelsäule seien nicht gegeben.
Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.11.2020 nochmals ergänzend vorgetragen und insbesondere darauf hingewiesen, die
Beklagte verkenne, dass er oft auf unebenem Gelände gehen, Hindernissen ausweichen und dabei Unebenheiten mit dem eigenen
Körpergewicht und der Last habe ausgleichen müssen. Er sei von 1979 bis 2008 durchgehend und damit zweifellos langjährig beschäftigt
gewesen. Eine Mindestexposition lasse sich dem Merkblatt nicht entnehmen. Er habe aber, wie sich aus dem bisherigen Vortrag
und seiner Tätigkeitsbeschreibung ergebe, 40 kg und mehr während eines Schichtanteils von einer halben Stunde und mehr regelmäßig
getragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Anerkennung einer BK 2109. Die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Feststellung
der streitigen BK ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Der Kläger kann wählen, ob er sein Begehren
mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG) oder mit einer Kombination aus Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden
Veraltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - und vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R -, juris, m.w.N.). Beide Rechtsschutzformen sind grundsätzlich gleich rechtsschutzintensiv (BSG, Urteile vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - und vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -, juris).
Das SG hat die zulässige Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 09.07.2015 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der
Beklagten vom 24.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der bei ihm vorliegenden Erkrankung der Halswirbelsäule als BK 2109.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und BKen (§
7 Abs.
1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VII -). BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten
bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§
9 Abs.
1 Satz 1
SGB VII).
Nach §
9 Abs.
1 Satz 1
SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als
solche bezeichnet sind (sog. Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeiten erleiden. Für die Feststellung einer Listen-BK ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich
versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper
geführt hat (Einwirkungskausalität) und dass diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende
Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkung"
und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen, während
für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit,
allerdings nicht die bloße Möglichkeit, genügt (st. Rspr. vgl. nur BSG, Urteile vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R -, vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R -, vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R -, vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -, vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R und B 2 U 25/10 R -, vom 23.04.2015 - B 2 U 20/14 R -, vom 06.09.2018 - B 2 U 10/17 R - und vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R -, juris).
Rechtsgrundlage für die Anerkennung der streitgegenständlichen BK ist §
9 Abs.
1 SGB VII i.V.m. mit Nr.
2109 der Anlage 1 zur
BKV vom 31.10.1997 (BGBl. I 1997, 2623). Die BK 2109 lautet: "Bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf
der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können." In der ab dem 01.01.2021 gültigen Fassung der
BKV vom 12.06.2020 (BGBl. I 2020 1248) wird die BK 2109 neu gefasst und lautet dann: "Bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule
durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden
und Funktionseinschränkungen (der Halswirbelsäule) geführt haben."
Der Kläger gehört zum versicherten Personenkreis; er war jedenfalls von 1979 bis Ende November 2008 als Maurer bei Bauunternehmen
im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII versichert.
Er leidet, wie sich aus dem Gutachten von Dr. E. ergibt, unter Bandscheibenvorfällen im Halswirbelsäulenbereich von HWK 4-7
mit Höhenminderung der Zwischenwirbelräume und deutlichen degenerativen Veränderungen mit vorderen Spondylosen und damit an
einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Halswirbelsäule.
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2109 sind aber nicht erfüllt, da der Kläger nicht langjährig
schwere Lasten auf der Schulter getragen hat.
Die in der BK 2109 verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe "langjährig" oder "schwer" sind unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien
sowie anhand der Vorgaben des vom BMAS herausgegebenen Merkblatts für die ärztliche Untersuchung zur Nr. 2109 der Anlage 1
zur
BKV (BArbBl 3/1993, S. 53) und der wissenschaftlichen Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenbeirats "Berufskrankheiten"
beim BMAS vom 01.12.2016 (Bek. d. BMAS v. 1.12.2016 - IVa 4-45222-2109- GMBl.- 31.01.2017, S. 29 ff.-) näher zu konkretisieren.
Den Merkblättern kommt zwar keine rechtliche Verbindlichkeit zu (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 6/04 R -, juris), sie sind allerdings als Interpretationshilfe und zur Wiedergabe des bei seiner Herausgabe aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen
Erkenntnisstands heranzuziehen (BSG, u.a. Urteile vom 18.08.2004 - B 8 KN 1/03 U R - und vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R -, juris). Ergänzt um die wissenschaftliche Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 01.12.2016 stellt das
Merkblatt zur Überzeugung des Senats den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand dar.
In dem Merkblatt aus dem Jahr 1993 wurde von einem erhöhten Risiko für die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen
ausgegangen, wenn Lastgewichte von 50 kg und mehr regelmäßig auf der Schulter getragen wurden. Langjährig bedeutete, dass
zehn Berufsjahre als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeiten zu fordern waren. In begründeten Einzelfällen
wurde nach dem Merkblatt auch eine kürzere, aber sehr intensive Belastung als ausreichend angesehen. Das BSG (Urteil vom 04.07.2014 - B 2 U 11/12 R -, juris) hat insoweit präzisiert, dass es sich bei der 10-Jahre-Regel um keine starre Untergrenze handelt, bei einer Belastungsdauer
von unter acht Jahren die Voraussetzungen einer BK 2109 aber ausgeschlossen sei.
Der Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim BMAS hat in seiner wissenschaftlichen Stellungnahme aus dem Jahr 2016
die Voraussetzungen modifiziert und insgesamt folgende Anhaltspunkte für ein unteres Abschneidekriterium der arbeitsbedingten
Einwirkung für die Entwicklung einer BK 2109 vorgeschlagen: 1. Der Versicherte hat Lasten mit einem Lastgewicht von 40 kg
oder mehr auf der Schulter oder über der Schulter mit Beteiligung des Rückens während eines Schichtanteils von etwa einer
halben Stunde oder mehr getragen. 2. Der Tragevorgang hat zu einer Kopfbeugehaltung nach vorne oder seitwärts oder zu einer
Verdrehung der Halswirbelsäule geführt. Dies ist beim Tragen von Tierkörperteilen und Säcken sowie Balken, Rohren, Baumstämmen,
Schläuchen, Kabeln oder ähnlichen Lasten auf der Schulter oder über der Schulter mit Beteiligung des Rückens der Fall. 3.
Die arbeitsbedingte Einwirkung im Sinne von Ziffer 1 und 2 geht mit einer kumulativen Gesamtbelastung in Höhe von mindestens
4,4 x 104 (kg x h) einher. Alle drei oben genannten Kriterien müssen für die Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen
im Sinne der BK 2109 vorliegen.
Ein unteres Abschneidekriterium für die erforderliche Dauer pro Schicht der arbeitsbedingten Einwirkung war durch den ärztlichen
Sachverständigenbeirat als notwendig angesehen worden, da es aus wissenschaftlicher Sicht nicht begründbar erschien, dass
eine sehr kurzzeitige arbeitsbedingte Einwirkung im Sinne der BK 2109 pro Schicht, z.B. das Tragen einer Schweinehälfte à
50 kg über zehn Meter pro Tag, entsprechend einer Einwirkungsdauer von ca. zehn Sekunden bis allenfalls 20 Sekunden pro Tag,
eine BK 2109 verursachen soll. Für die Präventionsabteilungen der Unfallversicherungsträger war die Entwicklung einer Mindestvoraussetzung
als wünschenswert angesehen worden, um relevante von nicht relevanten arbeitsbedingten Einwirkungen im Sinne dieser BK unterscheiden
zu können. Ferner sollte sich die Ableitung einer Mindestvoraussetzung für die Dauer der erforderlichen Einwirkung im Sinne
der BK 2109 an der Einwirkung der beiden in der amtlichen Begründung der Bundesregierung (Bundesrat-Drs. 772/92, Seite 9,
Absatz 3) zu dieser BK genannten Berufsgruppen (Transportarbeiter in Schlachthöfen und Sackträger) orientieren. Der Sachverständigenbeirat
hat sich hinsichtlich der arbeitsbedingten Mindestbelastung in Höhe von 4,4 x 104 (kg x h) im Wesentlichen an Schäfer et al.
(Vergleich der Belastungen von Fleisch- und Kohleträgern beim Tragen von Lasten auf der Schulter, Zentralblatt für Arbeitsmedizin
58, 82-93) orientiert. Danach lag die Trageentfernung "untere Last" der untersuchten Fleisch- und Kohleträger im Bereich von
2.000 bis 4.500 Metern und somit - bei typischen Gehgeschwindigkeiten von etwa einem Meter pro Sekunde - bei Tragedauern von
über 30 Minuten bis zu 75 Minuten pro Tag. Hiervon wurde eine Mindesttragedauer von einer halben Stunde pro Tag abgeleitet.
In Verbindung mit einer Mindestlast von 40 kg je Tragevorgang errechnete sich hieraus eine tägliche Dosis von 20 (kg x h),
die als Richtwert für eine tägliche Belastung durch das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter oder über der Schulter mit
Beteiligung des Rückens im Sinne der BK 2109 definiert wurde. Unter Berücksichtigung einer langjährigen Tätigkeit von mindestens
zehn Jahren errechnete sich eine arbeitsbedingte Gesamtbelastung von mindestens 20 (kg x h) pro Tag x 220 Tage pro Jahr x
10 Jahre = 44.000 kg x h. Diese Gesamtdosis von 44.000 kg x h, entsprechend 4,4 x 104 kg x h, stellt somit ein Maß für die
arbeitsbedingte Gesamtbelastung dar, ab der eine ausreichende Exposition im Sinne der BK 2109 angenommen wird. Sofern die
Belastung pro Schicht besonders intensiv ist, reicht auch nach der wissenschaftlichen Stellungnahme aus dem Jahr 2016 eine
geringere Expositionsdauer als zehn Jahre aus, sofern die Gesamtdosis in Höhe von mindestens 4,4 x 104 kg x h erreicht wird.
Ausgehend von diesem unteren Abschneidekriterium sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 2109
beim Kläger nicht erfüllt.
Der Kläger hat, wie sich aus der zuletzt auf Grundlage der genannten Kriterien erstellten Stellungnahme Arbeitsplatzexposition
des Präventionsdienstes der Beklagten vom 27.08.2020 ergibt, mit einer kumulativen Gesamtbelastungsdosis von 67.468 kg x h
die erforderliche Mindestbelastung von 4,4 x 104 (kg x h) deutlich überschritten. Der ermittelte Wert, bei dessen Ermittlung
die bisherigen Stellungnahmen des Präventionsdienstes vom 22.05.2013 und 14.01.2014, der umfangreiche Vortrag des Klägers
im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie die Aussagen der Zeugen G., Q. und R. berücksichtigt worden sind, ist für den
Senat überzeugend und nachvollziehbar.
Der Kläger hat die genannten Mindestkriterien, die kumulativ erfüllt sein müssen, zur Überzeugung des Senats aber dennoch
nicht erreicht. Zwar kam das BSG (Urteil vom 04.07.2013, a.a.O.) zu dem Ergebnis, dass sich eine Mindestexpositionsdauer (von einer Stunde) pro Arbeitsschicht
weder den Materialien noch dem Merkblatt zur BK 2109 noch sonstigen Hinweisen zur Auslegung des Tatbestands entnehmen lässt.
Es hat aber zugleich eine Regelmäßigkeit des Tragens schwerer Lasten auf der Schulter mit Zwangshaltung als erforderlich angesehen,
wobei die Einwirkung in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten stattfinden muss, auch wenn eine genaue Zeitgrenze
pro Arbeitsschicht nicht hergeleitet werden kann. Die Aussage, dass eine Mindestdauer der Einwirkung pro Schicht nicht zu
fordern ist, ist durch die aktuellere wissenschaftliche Stellungnahme von 2016 als überholt anzusehen; hinsichtlich der Dauer
der erforderlichen besonderen Beanspruchung der Bandscheiben der Halswirbelsäule lässt sich aus den Untersuchungen eine untere
Grenze von einer halben Stunde ableiten (Mehrtens/Brandenburg,
BKV, Stand Juni 2020, M 2109, Seite 14 f.). Jedenfalls ist, wie sich sowohl aus dem Urteil des BSG vom 04.07.2013 als auch den Ausführungen des ärztlichen Sachverständigenbeirats entnehmen lässt, eine Einwirkung in der ganz
überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten zu fordern.
Hieran fehlt es vorliegend. Wie die Beklagte auf Grundlage der Stellungnahme ihres Präventionsdienstes überzeugend darlegt,
war der Kläger während seiner 5,2jährigen Tätigkeit bei der Firma A. in 100 Schichten/Jahr insgesamt 2,72 x 104 (kg x h) belastet,
während er in rund 120 Schichten/Jahr nicht relevant belastet war. Im Rahmen der 6,8jährigen Tätigkeit bei der Firma C. war
er in 76 Schichten/Jahr insgesamt 2,51 x 104 (kg x h) relevant, in rund 144 Schichten/Jahr nicht relevant belastet. Schließlich
war bei der zuletzt (und überwiegend) für die Dauer von 16,4 Jahren bei der Firma D. GmbH in 20 Schichten/Jahr eine relevante
(1,51 x 104 (kg x h)), während rund 200 Schichten/Jahr allerdings keine relevante Belastung festzustellen. In keiner der drei
Beschäftigungszeiträume war der Kläger täglich belastet, bei der Firma A. durchschnittlich an jedem zweiten Tag, bei der Firma
C. an jedem dritten Tag und bei der Firma D. GmbH jeden elften Tag. Wollte man unter Verzicht auf die Erforderlichkeit täglich
halbstündiger Belastung zugunsten des Klägers annehmen, dass die Beschäftigungsverhältnisse bei den Firmen A. und C. relevant
gewesen seien, hätte er in 12 Jahren (5,2 + 6,8) insgesamt 5,24 x 104 (kg x h) bzw. berechnet auf 10 Jahre gerade 4,4 x 104
(kg x h), d.h. die Mindestbelastungsdosis erreicht. Die Ausführungen des Präventionsdienstes, insbesondere die von ihm zugrunde
gelegten Prämissen, sind auch für den Senat überzeugend und nachvollziehbar. Soweit der Kläger vorträgt, im Zeitraum bis 1995
an 195 Tagen jeweils eine Stunde am Tag Zementsäcke getragen zu haben, hat der Präventionsdienst unter Zugrundelegung der
in der wissenschaftlichen Stellungnahme von 2016 angenommenen Trageentfernung "unter Last" von etwa einer Sekunde pro Meter
und einer durchschnittlichen Trageentfernung auf dem Bauhof und auf der Baustelle zwischen 20 und 40 Metern, also durchschnittlich
30 Metern, errechnet, dass an 195 Tagen mit einer Tragezeit von einer Stunde, mindestens 120 Zementsäcke hätte getragen werden
müssen. Da jeder Zementsack nach den Angaben des Klägers auf dem Bauhof aufgeladen, auf der Baustelle abgeladen und danach
zu den jeweiligen Verwendungsstellen gebracht wurde, entspräche dies einem Gesamtverbrauch von 40 Säcken an 195 Tagen. Umgerechnet
auf die Betonmenge im Mischungsverhältnis 1:3 oder auf Zementmörtel entspräche dies einem jährlichen Gesamtverbrauch von 815
m³. Ausgehend von Erfahrungswerten, die der Präventionsdienst für den Senat nachvollziehbar aus Ausschreibungen, Aufmaß und
Abrechnungen hergeleitet hat, liegt der Beton- und Mörtelverbrauch bei Umbauten bei etwa 30 bis 40 m³ Beton; er werden durchschnittlich
5 bis 8 Betonieretappen durchgeführt. Anhand dieser Ausführungen ist auch für den Senat nachvollziehbar, dass ein Beton- und
Mörtelverbrauch von 815 m³, wie sie nach den Angaben des Klägers allein anhand der von ihm getragenen Zementsäcke anzunehmen
wäre, ausgeschlossen ist. Die durch den Präventionsdienst darüber hinaus herangezogenen Annahmen sind ebenfalls für den Senat
nachvollziehbar. Soweit der Kläger vorträgt, er habe bei der Firma A. und der Firma C. an 20 Tagen im Jahr jeweils zwei Stunden
Baustromverteiler getragen, wendet der Präventionsdienst überzeugend ein, dass Baustromverteiler an den vorgesehenen Haltegriffen
getragen werden, da aufgrund der Abmessungen und des Kabels ein Tragen auf der Schulter nicht möglich ist. Hinsichtlich des
Transports von Stahltüren schildert der Präventionsdienst nachvollziehbar, dass diese nicht auf der Schulter getragen, sondern
an der Unterkante der Tür mit einer Hand neben dem Körper gehalten und an der Schulter angelehnt werden; das Anlehnen an der
Schulter ist aber keine Belastung im Sinne der BK 2109. Die Betonfüße und Abbruchhämmer, die der Kläger getragen hat, haben
ein Gewicht von unter 40 kg. Die beschriebenen Großflächenschalungen, die ein Maximalgewicht (MEVA STarTEc) von 388 kg haben,
können nicht auf der Schulter getragen werden. Kleinere Elemente, die bei Schalarbeiten verwendet werden, hat der Präventionsdienst
der Beklagten ebenso wie den Transport von Betonstützen berücksichtigt. Hinsichtlich der bei Entrümpelungen geltend gemachten
Lasten hat der Präventionsdienst Gussheizkörper mit einem Gewicht von 60 kg berücksichtigt, hinsichtlich des Transports von
Badewannen darauf hingewiesen, dass diese niemals auf der Schulter getragen werden können, und nachvollziehbar dargelegt,
dass Toilettenschüsseln, Waschbecken, Teppichrollen und PVC-Böden weniger als 40 kg wiegen. Stahlträger von über 100 kg können
nachvollziehbar nur zu zweit oder zu dritt und nur über kurze Entfernungen auf der Schulter getragen werden. Soweit der Kläger
vorträgt, bei der Firma D. GmbH Bordsteine mit einem Gewicht von ca. 50 kg getragen zu haben, führt der Präventionsdienst
der Beklagten nachvollziehbar aus, dass Bordsteine aufgrund ihrer scharfen Kanten nicht auf der Schulter getragen werden können,
Fundamentsteine laut Herstellerangaben ein Gewicht von 30 bis 35 kg haben. Die laut Zeugenaussagen verbauten einzügigen Kaminsteine
haben ein Gewicht von unter 40 kg. Der Präventionsdienst der Beklagten hat sich mit den durch den Kläger und den Zeugenaussagen
vorgetragenen Arbeiten und Lasten zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar und gründlich auseinandergesetzt. Der Kläger
hat danach zwar im Rahmen seiner Tätigkeit als Maurer schwere Lasten getragen; wie dargelegt, haben diese aber zum Teil nicht
das auch nach der wissenschaftlichen Stellungnahme des ärztlichen Beirats aus dem Jahr 2016 erforderliche Mindestgewicht von
40 kg erreicht oder sind so schwer oder unhandlich, dass sie nicht auf der Schulter getragen werden können. Hinsichtlich der
Tätigkeit bei der Firma D. GmbH ist darüber hinaus zu berücksichtigten, dass der Bauleiter G. in seiner Zeugenaussage beim
SG angegeben hat, bei den Neubauten, die den überwiegenden Anteil der Baustellen ausmachten, seien technische Hilfsmittel, insbesondere
Baukräne zur Verfügung gestanden. Diese Einschätzung hinsichtlich Neubauten hat auch der Zeuge Q., der mit dem Kläger von
1985 bis 1995 zusammengearbeitet hat, bestätigt. Auch der Zeuge R. hat hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem Kläger von
1991 bis 2000 bestätigt, dass schwere Elemente, insbesondere im Altbaubereich, zu tragen gewesen seien, wobei er nicht sagen
konnte, ob diese auf der Schulter getragen wurden oder mit der Hand. Der Senat ist insbesondere unter Berücksichtigung der
Ausführungen des Präventionsdienstes in der Stellungnahme vom 27.08.2020 davon überzeugt, dass der Kläger zwar regelmäßig
schwere Lasten getragen hat, insgesamt auch das untere Ausschlusskriterium für die Gesamtlast erreicht hat, die Belastung
aber nicht in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten erfolgt ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Regelmäßigkeit
insbesondere auf die schweren, d.h. über 40 kg liegenden, Tragelasten bezieht. Das regelmäßige, ggf. auch tägliche Tragen
von Lasten von unter 40 kg reicht für die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht aus. Das Belastungsniveau
der in der wissenschaftlichen Stellungnahme genannten Transportarbeiter hat der Kläger nicht erreicht. Die Beklagte hat insoweit
zutreffend auf den Vergleichsmaßstab der Transportarbeiter in Schlachthöfen und Kohleträger, die auch weiterhin als Modellgruppen
für relevante Belastungen dienen sollen (vgl. auch dazu BSG, Urteil vom 03.07.2013, a.a.O.), hingewiesen. Die Tätigkeit des Klägers, der Facharbeiter und nicht etwa Bauhelfer war, ist
mit derjenigen eines hauptberuflichen Trägers nicht vergleichbar. Soweit der Kläger vorträgt, bei seiner Tätigkeit komme erschwerend
hinzu, dass er - anders als Transporter in Schlachthöfen - auch habe über Hindernisse gehen und Unebenheiten ausgleichen müssen,
ist dies anhand der von ihm beschriebenen Baustellen gut nachvollziehbar. Dieser Umstand hat zwar die Arbeit des Klägers erschwert,
findet aber in den wissenschaftlichen Stellungnahmen hinsichtlich der Begründung der BK 2109 keine Berücksichtigung und ist
daher nicht als maßgebliches Kriterium heranzuziehen.
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2109 sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.