Anerkennung weiterer Unfallfolgen infolge eines anerkannten Arbeitsunfalls
Arbeits-Wegeunfall
Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
Theorie der wesentlichen Bedingung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung weiterer Unfallfolgen infolge eines anerkannten Arbeitsunfalls vom 09.12.2008
streitig.
Die 1978 geborene Klägerin prallte während ihrer - bei der Beklagten versicherten - Tätigkeit als Physiotherapeutin im R.-Krankenhaus
in S. am 09.12.2008 mit der linken Kleinzehe gegen die Eisenstange eines Rollators. Sie spürte sofort heftige Schmerzen und
eine Schwellung des Zehs. Sie arbeitete unter Schmerzen weiter.
Die Klägerin wurde am 07.01.2009 durchgangsärztlich von Prof. Dr. Dr. T. untersucht. Dieser diagnostizierte eine Prellung
der kleinen Zehe links. Eine knöcherne Fraktur konnte bei der Röntgenuntersuchung des linken Vorfußes zunächst nicht festgestellt
werden.
Nachdem die Schmerzen anhielten, wurde am 31.08.2009 ein MRT des linken Vorfußes in der Gemeinschaftspraxis diagnostische
Radiologie Dr. B. und Kollegen durchgeführt. Es zeigte sich eine schräge Frakturlinie der Grundphalanx der linken Kleinzehe
distal ohne Fehlstellung.
Am 13.10.2009 wurde die Zehe durch Dr. K., Facharzt für Orthopädie, operativ nach Hohman versorgt. Der Arzt teilte der Beklagten
auf Anfrage am 24.03.2010 mit, dass sich retrospektiv bereits im Röntgenbild vom 07.01.2009 eine distale Fraktur mit lateralem
Fragment des Grundgelenkes D5 links erahnen lasse. Er müsse daher von einer Fraktur der Zehe infolge des Unfalles vom 09.12.2008
ausgehen. Die Wundheilung sei zeitgerecht erfolgt. Überlagert durch eine Somatisierungstendenz der Klägerin sei es allerdings
zu einer Schmerzsymptomatik mit entsprechender Belastungseinschränkung und Schonung gekommen. Nach der inzwischen folgenlos
ausgeheilten Fraktur sei nach der Operation ab dem 08.02.2010 wieder eine Arbeitsfähigkeit der Klägerin gegeben.
Am 18.12.2009 zeigte der Arbeitgeber der Klägerin den Unfall gegenüber der Beklagten an.
Im Oktober 2010 schlug sich die Klägerin zu Hause die rechte Kleinzehe an. Seitdem bestehen auch im Bereich der rechten Kleinzehe
Dauerschmerzen. Seit Mai 2011 bestehen zudem nach einer Überbelastung im Rahmen einer manuellen Therapie Schmerzen an der
rechten Hand (ulnar, kleine Finger). Ähnliche Beschwerden bestehen auch im Bereich der linken Hand. Vom 19.01.2012 bis 04.02.2012
befand sich die Klägerin aufgrund der anhaltenden Schmerzen auf Kosten der Krankenversicherung zur stationären Behandlung
in der R.-Klinik Bad W. Dort wurde ein Zustand nach Fraktur der Kleinzehe links mit neuropathischem Schmerzsyndrom im Bereich
des N. suralis und spiegelbildlich rechts seitigem neuropathischem Schmerzsyndrom sowie eine Dysthymie diagnostiziert. Im
Entlassbericht wird angegeben, die Klägerin berichte, dass sie aufgrund ihrer chronischen Bauchschmerzen bis 2011 etwa vier
Jahre lang in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei.
Die Beklagte beauftragte daraufhin Prof. Dr. S. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Befundberichts im Rahmen
der Heilverfahrenskontrolle. Dieser hat die Klägerin am 10.02.2012 ambulant untersucht und in seinem Bericht vom selben Tag
wie folgt ausgeführt: Ein neurologisches Krankheitsbild, welches die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden hervorbringen
könne, sei nicht bekannt. Während geringe Restbeschwerden an der linken Zehe noch nachzuvollziehen seien, sei die Ausweitung
auf Hände und Füße beidseits nicht zu erklären. Die Befunde seien mit den Beschwerden nicht zu vereinbaren. So liege weder
eine wesentliche Muskelminderung vor, noch Zeichen vegetativer Fehlregulation, wie dies bei chronischen Schmerzen zu erwarten
sei. Psychisch ergäben sich Hinweise auf eine wahnhafte Verarbeitung und psychoseähnliche Störung der Wahrnehmung und Urteilskraft.
Ergänzend teilte Prof. Dr. S. am 27.03.2012 mit, dass es sich bei der in der R.-Klinik gestellten Diagnose einer Dysthymie
um eine chronische Form der depressiven Episode handle. Die von der Klägerin gezeigten Beschwerden (übertriebene Berührungs-
und Bewegungsangst) erklärten diese Diagnose aber bei weitem nicht. Er könne keine Unfallfolgen auf neurologischem und psychiatrischen
Fachgebiet erkennen.
Vom 25.02.2012 bis 06.04.2012 befand sich die Klägerin zudem auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung zur stationären medizinischen
Rehabilitation in den Kliniken S. in G ... Die dortigen Ärzte stellten in ihrem Rehaentlassbericht vom 11.04.2012 folgende
Diagnosen: Z.n. Fraktur der linken Kleinzehe mit neuropathischem Schmerzsyndrom im Bereich des N.suralis und spiegelbildlich
re. und Kleinfinger beider Hände, Dysthymie und alexithymer Erlebniswandel, chronische Schmerzstörung mit somatischen und
psychischen Faktoren. Dort hatte die Klägerin u.a. angegeben, dass sie bis 2007 über vier Jahre an Unterleibsschmerzen gelitten
habe. Nach länger anhaltender Psychotherapie hätten sich die Beschwerden zurückgebildet.
Die Klägerin legte zudem einen Bericht des Facharztes für Neurologie, spezielle Schmerztherapie, Prof. Dr. M., vom 08.05.2012
vor. Dieser führte aus, dass die Kriterien für ein komplexes regionales Schmerzsyndrom nicht erfüllt seien. Er empfehle eine
wohnortnahe, tagesklinische Schmerztherapie.
Die Beklagte zog ferner einen Bericht des Oberarztes der Klinik für spezielle Schmerztherapie am M. in S., Dr. K., bei. Dieser
stellte aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 04.06.2012 folgende Diagnosen: Zustand nach Fraktur der linken Kleinzehe
mit neuropathischem Schmerzsyndrom, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und dringender Anhalt
für eine somatoforme Schmerzstörung. Er teilte weiter mit, dass möglicherweise ein Zusammenhang mit der physischen Traumatisierung
als Frühgeburt ("Inkubatorsyndrom") nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Er empfehle eine gezielte tagesklinische Schmerztherapie.
Eine somatische Therapie sei nicht zielführend.
Die Beklagte holte weiter eine beratungsärztliche Stellungnahme bei Dr. Dr. W., Facharzt für Nervenheilkunde, ein. Dieser
führte in seiner Stellungnahme vom 14.08.2012 aus, dass sich die verbliebenen Verletzungsfolgen nicht aus dem Unfallhergang
vom 09.12.2008 begründen ließen. Hier liege ein Sachverhalt vor, dass eine ursprünglich minderschwere Bagatellverletzung mittlerweile
in ein psychosomatisches Krankheitsgeschehen eingemündet habe. Ein sog. Sudeck-Syndrom (CRPS) liege nicht vor. Die Anprallverletzung
der Kleinzehe (auch unter Einschluss der ggf. ausgeheilten Fraktur) sei nicht geeignet, massive, sich ausweitende Erkrankungsbilder
im psychosomatischen Bereich im Ursachensinne zu bedingen. Dies gelte ausdrücklich auch für die Ausweitung auf die rechte
Kleinzehe und den Handbereich.
Mit Bescheid vom 29.08.2012 erkannte die Beklagte den Unfall vom 09.12.2008 als Arbeitsunfall an. Als Unfallfolgen wurden
zudem eine Prellung und der Bruch der linken Kleinzehe anerkannt. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten bis
zum 07.02.2010 bestanden. Ausdrücklich nicht Unfallfolge sei das chronische Schmerzsyndrom beider Füße und Hände.
Hiergegen erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, am 07.09.2012 Widerspruch. Diesen begründete sie im Wesentlichen
damit, dass die Schmerzen am linken Fuß nach wie vor anhielten. Die überlange Dauer der Schmerzen habe letztlich dazu geführt,
dass auch die rechte Zehe schmerzempfindlich geworden sei und auch die Hände von Schmerzen betroffen worden seien. Es sei
eindeutig, dass der Unfall "conditio sine qua non" für die seit dem Unfall vorhandenen Schmerzen sei. Vor dem Unfall sei die
Klägerin eine sportliche junge Frau gewesen, die keinerlei körperliche Beeinträchtigungen gehabt habe. Mit Schreiben vom 02.11.2012
führte sie weiter aus, dass die Schmerzen mit dem Unfall aufgetreten seien und seither andauerten. Die Zehe sei vor dem Unfall
auch nicht beeinträchtigt gewesen. Bislang sei noch kein neurologisches oder psychiatrisches Gutachten eingeholt worden. Es
werde anheimgestellt, ein solches einzuholen, z.B. bei dem anerkannten Fachmann für Schmerztherapie Prof. Dr. C. M. von der
B.klinik B. Es verbiete sich zudem der Verweis darauf, dass die Klägerin schon einmal wegen Bauchschmerzen in psychosomatischer
Behandlung gewesen sei.
Die Beklagte beauftragte daraufhin Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M., beide vom Universitätsklinikum B. B., mit der Erstellung
eines schmerztherapeutischen Gutachtens. Prof. Dr. S. untersuchte die Klägerin vom 12.03.2013 bis 14.03.2013 stationär in
B. In seinem Gutachten vom 08.05.2013 stellte er fest, dass sich radiologisch kein Anzeichen für ein CRPS fände. Das Anpralltrauma
stehe mit dem Unfall vom 09.12.2008 in Verbindung. Retrospektivisch lasse sich anhand des vorliegenden Bildmaterials keine
Fraktur erkennen. Der geschilderte Vorgang sei aus fachchirurgischer Sicht nicht ursächlich für die vorliegenden Beschwerden.
Am 26.06.2013 erfolgte eine ambulante Untersuchung der Klägerin durch Prof. Dr. M. im Rahmen einer von der Beklagten angeordneten
schmerztherapeutischen Zusatzbegutachtung. Er teilte in seinem Gutachten vom 01.07.2013 mit, dass sich die Beschwerden der
Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt diagnostisch nicht einordnen ließen. Es seien jedoch keine neuropathischen Schmerzen,
da eine nachgewiesene Nervenverletzung nicht vorliege. Es gebe keine klinisch bekannte Krankheitsentität, die sich ausschließlich
an den Fingern D5 und Füßen D5 manifestiere. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen den von der Klägerin geklagten Schmerzen
und dem Unfall von Dezember 2008.
Die seitens der Klägerin vorgeworfene mangelnde Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Gutachters wies Prof. Dr. S. in einer
ergänzenden Stellungnahme vom 28.10.2013 zurück. Prof. Dr. M. führte in seiner ergänzenden Stellungnahme aus, dass er die
Klägerin selbstverständlich länger als drei Minuten gesprochen habe. In dem von ihm geführten Gespräch seien die von Dr. S.
ihm vorab mitgeteilten Befunde und Eindrücke bestätigt worden. Bei Dr. S. habe es sich zudem um einen erfahrenen und auf dem
Gebiet der Schmerztherapie sehr kompetenten Leitenden Oberarzt gehandelt. Nach wie vor gehe er auch davon aus, dass die Klägerin
nicht wie von der Mutter vermutet an einem CRPS leide.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2014 zurück. Sie stützte sich dabei auf die Stellungnahmen
der Ärzte Dr. Dr. W., Prof. Dr. S., Prof. Dr. M. und Dr. K. sowie die Gutachten von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M.
Hiergegen ist am 09.04.2014 Klage beim Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben worden. Die Klägerin hat u.a. die Verwertbarkeit der Stellungnahme von Prof. Dr. S. sowie der Gutachten
von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. wegen Verstoßes gegen §
200 Abs.
2 SGB VII gerügt. Das SG hat zunächst sowohl bei der gesetzlichen Krankenversicherung als auch bei der privaten Krankenzusatzversicherung ein Vorerkrankungsverzeichnis
beigezogen und dann ein orthopädisches Gutachten bei Dr. T. sowie ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten bei Dr.
S. eingeholt. Die beiden Gutachter haben die Klägerin jeweils am 11.11.2014 ambulant untersucht.
Dr. S. hat in seinem Zusatzgutachten vom 24.11.2014 ausgeführt, neurologische Ausfälle seien nicht zu beobachten. Es bestehe
kein Anhalt für eine Erkrankung auf neurologischem Fachgebiet. Die Klägerin gebe schon bei leichten Berührungen stärkste Schmerzen
an. Diese seien pathophysiologisch somatisch nicht erklärbar. Es gebe keinen Hinweis auf ein komplexes regionales Schmerzsyndrom
an den vier Extremitäten. Die Kriterien für eine Somatisierungsstörung bzw. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung seien
erfüllt. Somatisierung sei die Umwandlung von psychischen Konflikten in körperlich wirkende (körperliche) Symptome. Zumeist
finde sich hierfür überhaupt keine körperliche Ursache. Eingeschlossen in die Definition seien aber auch solche Fälle, in
denen ursprünglich ein körperlicher Schaden bestanden habe bzw. die objektivierbaren körperlichen Schäden das Beschwerdebild
nicht ausreichend erklärten. Charakteristisch seien dann multiple, oft wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche
Beschwerden. Oft bestehe bei Beginn und Fortdauer der Symptome eine enge Beziehung zu unangenehmen Lebensereignissen, sozialen
Schwierigkeiten. Die Betroffenen negierten häufig eine psychische Ursache für die körperlichen Beschwerden. Somatoforme Schmerzstörungen
seien daher zu diagnostizieren, wenn der Körperschaden so weit abgeklungen sei, dass er das Störungsbild nicht mehr erkläre
bzw. nicht ausreichend genug erkläre und stattdessen psychische Faktoren als entscheidend ursächlich anzusehen seien. Es sei
vorliegend richtig, dass die Klägerin ohne den Unfall die Läsion der linken Kleinzehe nicht erlitten habe. Der weitere Verlauf
sei unter somatischer Sicht sehr ungewöhnlich und weiche erheblich vom üblichen Heilungsverlauf ab. Es handle sich bei der
erlittenen Verletzung um eine Verletzung, die sich etliche Male tagtäglich in ähnlicher Weise ereigne. Es ergäben sich deutliche
Hinweise auf eine entsprechende Krankheitsanlage auf psychischem Gebiet mit einer relevanten Somatisierung. Diese sei aufgrund
des weiteren Verlaufs als so ausgeprägt anzusehen, dass wahrscheinlich zeitgleich eine vergleichbare Störung wie das Unfallereignis
die Symptomatik ausgelöst hätte. Zusammenfassend sei hier zwar davon auszugehen, dass das Unfallereignis als conditio-sine-qua-non
anzusehen sei, es stelle im Bedingungsgefüge aber keine wesentliche Ursache dar, da die aus der Persönlichkeit, der Biographie
und den psychosozialen Belastungen heraus resultierenden Bedingungsfaktoren soweit überwögen, dass sie als alleinige Ursache
gelten könnten. Er gehe davon aus, dass jedes Bagatelltrauma im Zeitpunkt des Unfallereignisses den Schaden ebenfalls verursacht
hätte. Der Unfall sei lediglich "Kristallationsfaktor" gewesen. Die psychosomatischen Zusammenhänge einer somatoformen Schmerzstörung
ließen sich oft erst nach langwieriger psychosomatischer Behandlung erschließen. Die Krankheitsgeschichte der Klägerin lasse
sich aber eindeutig mit einer relevanten Somatisierung vereinbaren. Es ließen sich lebensgeschichtliche Belastungen (Tätigkeit
in der Geriatrie) erheben und die Klägerin weise die Persönlichkeitsstruktur für die Ausbildung somatoformer Beschwerden auf.
Es sei schließlich auch vor dem Unfall an einem anderen Körpersystem (Abdomen) ein psychosomatischer Zusammenhang angenommen
worden.
Dr. T., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, hat in seinem Gutachten vom 25.11.2014 folgende Diagnosen gestellt: 1.
Nicht dislozierte Fraktur des Grundgelenkes des linken Kleinzehs im Rahmen des Unfallereignisses vom 09.12.2008 2. Modifizierte
OP nach Hohmann am linken Kleinzeh im Oktober 2009 mit verbliebenen Restbeschwerden ohne Beeinträchtigung des Gangbildes 3.
Angegebene Beschwerden im Bereich beider Kleinfinger sowie des rechten Kleinzehs ohne objektivierbare Ursache auf orthopädischem
Fachgebiet 4. Somatisierungsstörung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Als Folge des Unfalles vom 09.12.2008 sei die
zunächst nicht diagnostizierte Fraktur der linken Kleinzehe zu sehen. Man habe diese offensichtlich primär auf den Röntgenaufnahmen
nicht gesehen. Daher sei auch erst im Oktober 2009 die Operation erfolgt. Unfallfolgen ließen sich bei der Klägerin nicht
mehr nachweisen. Für die von der Klägerin angegebenen weiterhin bestehenden Beschwerden an der linken Kleinzehe lasse sich
auf orthopädisch/unfallchirurgischem Fachgebiet keine Ursache objektivieren. Insbesondere lasse sich auch kein Zusammenhang
zu dem Unfallereignis vom 09.12.2008 herstellen. Nachdem die Klägerin gegen beide Gutachten Einwände erhoben hat, sind sowohl
Dr. T. als auch Dr. S. hierzu vom SG ergänzend um Stellungnahme gebeten worden. Dr. T. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.01.2015 erklärt, dass sowohl
die Anamnese als auch die Beschwerden im Beisein der Klägerin diktiert worden seien. Sie habe am Ende ausdrücklich erklärt,
dass die diktierten Angaben zutreffend seien und keine weiteren Angaben zu erfolgen hätten. Daher sei die nachträgliche Kritik
an der Anamneseerhebung nicht nachvollziehbar. Er habe an beiden Füßen einen mittelgradigen Druckschmerz an der Kleinzehe
und am Fußaußenrand festgestellt; ebenso sei ein leichter Druckschmerz im Bereich beider Hände nachgewiesen. Wie bereits im
Gutachten ausgeführt, habe er keine Ursache auf orthopädisch/unfallchirurgischem Fachgebiet hierfür finden können. Insbesondere
sei hier anzumerken, dass primär eine Verletzung der linken Kleinzehe vorgelegen habe. Schmerzen am rechten Fuß und den Händen
ließen sich nicht durch eine ehemals nicht diagnostizierte Fraktur der linken Kleinzehe erklären. Dr. S. hat in seiner Stellungnahme
vom 23.01.2015 ausgeführt, dass er nach wie vor davon ausgehe, dass es sich bei dem Unfallereignis vom 09.12.2008 um eine
Gelegenheitsursache handle. Die Schmerzen seien pathophysiologisch nicht zu erklären. Deshalb gehe er von einer Somatisierung
aus. Er habe in seinem Gutachten deshalb auch darauf hingewiesen, dass vor dem Unfall bei einem anderen Körperteil (Abdomen)
ein psychosomatischer Zusammenhang angenommen worden sei. Die Krankheitsgeschichte sei eindeutig mit einer relevanten Somatisierung
vereinbar.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.08.2015 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Feststellung weiterer Unfallfolgen des
Unfalles vom 09.12.2008 abgelehnt. Das Gericht gehe zwar auch davon aus, dass die Klägerin an einer somatoformen Schmerzstörung
leide und dass das Unfallereignis conditio-sine-qua-non für die Schmerzen der Klägerin in allen vier Extremitäten sei. Der
Unfall sei aber nicht wesentliche Ursache für das Vorliegen dieser Erkrankung. Man folge zwar nicht dem Gutachter Dr. S. hinsichtlich
dessen Aussage, es habe sich bei dem Unfallereignis selbst um eine sog. Gelegenheitsursache im Rechtssinne gehandelt. Im Umkehrschluss
bedeute dies jedoch nicht, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Ereignis ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich
wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres zu unterstellen sei. Entscheidend sei daher nicht, ob es sich bei dem Unfallereignis
selbst um eine Gelegenheitsursache gehandelt habe, sondern ob ein anderes alltägliches Ereignis die Folgen auch verursacht
hätte. Unter Zugrundelegung dessen sei vorliegend nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis wesentliche Ursache
für die sich seitdem an beiden Händen und Füßen entwickelnden Schmerzen sei. Es sei als konkurrierende Ursache die vorbestehende
somatoforme Schmerzstörung zu beachten und auch die Tatsache, dass die am anderen Fuß und den beiden Händen zeitlich später
entstandenen Schmerzen durch anderweitige - auch alltägliche - Verrichtungen ausgelöst worden seien. Das SG hat zudem weiter ausgeführt, dass hinsichtlich der Gutachten von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. sowie der beratungsärztlichen
Stellungnahme von Prof. Dr. S. kein Beweisverwertungsverbot bestehe. Bei der Stellungnahme von Prof. Dr. S. handle es sich
schon nicht um ein Gutachten im Sinne des §
200 Abs.
2 SGB VII, sondern lediglich um einen Befundbericht im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle. Auch die Gutachten von Prof. Dr. M. und
Prof. Dr. S. seien entgegen der Ansicht der Klägerin verwertbar. Diese habe selbst das Universitätsklinikum B. B. und hier
insbesondere Prof. Dr. M. als möglichen Gutachter vorgeschlagen. Daher könne auf die Benennung mehrerer Gutachter zur Auswahl
verzichtet werden.
Am 12.10.2015 hat die Klägerin gegen das ihr am 16.09.2015 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Zur Begründung wird vorgetragen,
dass Dr. S. den Bruch der linken Kleinzehe rechtsfehlerhaft als Gelegenheitsursache bewertet habe und schon deshalb keine
beachtlichen Erwägungen zur Kausalität getroffen habe. Das SG habe das zwar zutreffend erkannt. Es habe aber dann ohne weitere Ermittlungen die Wesentlichkeit des Unfallereignisses verneint.
Es hätte dies aber mit Blick auf den Amtsermittlungsgrundsatz tun müssen, da es nicht in der Lage sei, diese medizinische
Sachfrage selbst zu beantworten. Vorsorglich wiederhole man die Unverwertbarkeit der Verwaltungsgutachten von Prof. Dr. S.,
Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. ausdrücklich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. August 2015 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 29. August 2012 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2014 abzuändern und festzustellen, dass die Klägerin als weitere Folge
des Arbeitsunfalles vom 9. Dezember 2008 eine Somatisierungsstörung nach ICD 10 F. 45.0, hilfsweise eine chronische Schmerzstörung
mit somatischen und psychischen Faktoren nach ICD 10 F 45.41, hilfsweise eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung nach ICD
10 F45.40 erlitten hat,
hilfsweise, Beweis zu erheben durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob der Arbeitsunfall
vom 09.12.2008 wesentliche Bedingung für die bei der Klägerin gegebene und von Dr. S. in seinem Gutachten vom 24.11.2014 festgestellte
Somatisierungsstörung und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung ist sowie zu der Frage, ob die vom SG Heilbronn im Urteil
benannten weiteren Umstände (somatoforme Bauchschmerzen; diverse psychische Faktoren) dazu führen, dass die Bedeutung des
Arbeitsunfalles vom 09.12.2008 für die Schmerzstörung ist und anhaltende somatoforme Schmerzstörung insoweit zurücktreten,
als dass der Arbeitsunfall nicht eine wesentliche Ursache darstellt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die angefochtenen Entscheidungen.
Die Klägerin hat ein Gutachten vorgelegt, das im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zum Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente
von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg eingeholt worden ist. Die Klägerin ist hier von dem Facharzt für Neurologie
und Psychiatrie Dr. B. am 29.07.2015 ambulant untersucht worden. Dieser hat ein chronisches Schmerzsyndrom diagnostiziert.
Eine Erklärung auf rein nervenärztlichem Fachgebiet für die Erkrankung habe er auch nicht gefunden.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die ergänzende Befragung des Sachverständigen Dr. S. Dieser hat in der ergänzenden Stellungnahme
vom 30.03.2017 ausgeführt, dass das Unfallereignis mit dem festgestellten Gesundheitsschaden in Form der Fraktur der linken
Kleinzehe keine wesentliche Ursache für die sich entwickelnde anhaltende somatoforme Schmerzstörung darstelle. Sie sei zwar
Anlass bzw. auslösendes Moment gewesen. Bei der Klägerin habe jedoch eine erhöhte psychische Vulnerabilität bzw. Krankheitsanlage
für die Entwicklung einer Somatisierungsstörung bzw. einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung vorgelegen, so dass auch
jedes andere alltägliche leichtgradige Trauma eine solche Schmerzstörung hervorgerufen hätte. Die Schadensanlage/Krankheitsanlage
habe eindeutig eine überragende Bedeutung für den weiteren Krankheitsverlauf mit Beschwerden auch an der rechten Kleinzehe
und im Bereich beider Kleinfinger, der sicherlich völlig atypisch für den Verlauf nach der Fraktur der linken Kleinzehe sei.
Dieser sehr ungewöhnliche Krankheitsverlauf mit den Beschwerden an allen vier Extremitäten sei nicht mehr dem objektivierbaren
körperlichen Gesundheitsschaden in Form einer Fraktur der linken Kleinzehe, sondern der Somatisierungsstörung bzw. der anhaltenden
Schmerzstörung an sich ursächlich zuzuschreiben. Insofern sei eine Kausalität im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung
nicht gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 07.04.2017 mitgeteilt, dass der Gutachter nach wie vor davon ausgehe, dass es
sich bei dem Bruch der Kleinzehe um ein Bagatelltrauma, ein alltägliches Ereignis handle. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Nach wie vor halte man die Beweisanträge aus dem Schreiben vom 10.11.2015 aufrecht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.08.2015 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29.08.2012 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.03.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf Feststellung der von ihr geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen - Somatisierungsstörung (ICD 10 F45.0)
bzw. chronische Schmerzstörung mit somatischen Faktoren (ICD 10 F 45.41) bzw. anhaltende und somatoforme Schmerzstörung nach
ICD 10 F45.40 - als Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.12.2008.
Die von der Klägerin zur Feststellung begehrten Gesundheitsstörungen sind keine Unfallfolgen.
Nach §
8 Abs.
2 Satz 1 i.V.m. §
102 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) haben Versicherte gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein
Gesundheitsschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wird (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -). Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach §
7 Abs.
1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach §
8 Abs.
1 S. 1
SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Für einen Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten
Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen
auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen
Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen
aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls
(BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - [...], m.w.N.).
Zwischen den Beteiligten ist - zu Recht - völlig unstreitig, dass die Klägerin am 09.12.2008 einen Arbeitsunfall (§
8 Abs.
1 SGB VII) erlitten hat. Denn die Klägerin ist ohne Zweifel während ihrer versicherten Tätigkeit mit dem linken Fuß gegen einen Rollator
geprallt und hat sich dabei neben einer Prellung der linken Kleinzehe auch eine - zunächst nicht erkannte - Fraktur dieser
Zehe zugezogen (vgl. u.a. orthopädisches Gutachten von Dr. T.). Dies hat die Beklagte auch im angefochtenen Bescheid anerkannt.
Weitere Folgen des Arbeitsunfalls liegen jedoch nicht vor. Es ist zur Überzeugung des Senates nicht hinreichend wahrscheinlich,
dass die weiter geltend gemachten Gesundheitsschäden ursächlich auf den genannten Arbeitsunfall zurückzuführen sind.
Gesundheitserst- oder -folgeschäden eines Unfallereignisses sind nämlich nur solche Gesundheitsstörungen, die durch das Unfallereignis
bzw. durch einen Gesundheitsschaden infolge eines Unfallereignisses wesentlich verursacht worden sind.
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, müssen nach ständiger Rechtsprechung des BSG im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung
und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung (d.h. Gesundheitserst- und -folgeschäden) erwiesen sein. Dies
bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten
Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - [...]). Dagegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden
Einwirkung, sogenannte haftungsbegründende Kausalität, sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung, sog. haftungsausfüllende
Kausalität, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 18.01.2011, a.a.O. - B 2 U 5/10 R - [...]). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte
des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn
er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht
wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus
diesem Sachverhalt Rechte ableitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen somit zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung.
Diese setzt zunächst die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen
Sinne voraus. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung
dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der
einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele
(conditio sine qua non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig
(äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen, die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden
Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - [...]). Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird
dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. Wesentlich ist der Gesundheitserstschaden
für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung
zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - [...]).
Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als
Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen
als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Ist die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen
einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen, so ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage
so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art
unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit
die Erscheinung ausgelöst hätte.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen und der Gesamtwürdigung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere
auch der im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahme von Dr. S., ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass
die von der Klägerin geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht als weitere Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen sind.
Das Unfallereignis war nicht "wesentlich" im unfallversicherungsrechtlichen Sinne. Diese Überzeugung stützt den Senat auf
die Sachverständigengutachten von Dr. T. und Dr. S. sowie das im Verwaltungsverfahren eingeholte, urkundsbeweislich verwertbare
Gutachten von Prof. Dr. M. sowie Prof. Dr. S. Die Wesentlichkeit hat Dr. S. - wie im Übrigen auch alle anderen im Verfahren
befragten Ärzte und nach Überzeugung des Gerichts in zutreffender Weise - verneint.
Für den Senat steht aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere des in der ersten Instanz eingeholten
Gutachtens von Dr. S. und der von ihm im Berufungsverfahren erstellten ergänzenden Stellungnahmen fest, dass die Klägerin
an den geltend gemachten Gesundheitsstörungen in Form einer Somatisierungsstörung und anhaltenden somatoforme Schmerzstörung
(ICD 10: F 45.0, F 45.4) leidet. Somatoforme Schmerzstörungen sind dann zu diagnostizieren, wenn körperlich nicht oder nicht
hinreichend erklärbare Schmerzen, organische Befunde auszuschließen sind und stattdessen psychische Faktoren als entscheidend
anzusehen sind (vgl. Schönberger/Mertens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 235 mit Verweis auf
Widder, Schmerzsyndrome in: Begutachtung in der Neurologie, 2. Aufl., 2011, S. 375 ff.). Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung
(ICD 10: F 45.4) ist durch einen länger anhaltenden schweren und bleibenden Schmerz in einer Körperregion gekennzeichnet,
ohne dass eine angemessene körperliche Störung gesichert werden kann. Der Sachverständige Dr. S. hat hier für den Senat nachvollziehbar
die Voraussetzungen dieser Diagnosen dargelegt und anhand der von ihm erhobenen Befunde festgestellt, dass die Beschwerden
der Klägerin die Kriterien dieser Erkrankung erfüllen. Eine weitere Differenzierung in die (Unter-)Diagnosen F 45.40 (anhaltende
somatoforme Schmerzstörung) und F45.41 (chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) nimmt der Gutachter
nicht vor. Die Diagnose eines sogenannten CRPS (Komplexes regionales Schmerzsyndrom) konnte durch die Ermittlungen nicht bestätigt
werden. Insbesondere Dr. Dr. W., aber auch Prof. Dr. M. und Dr. S. haben das Vorliegen dieser Erkrankung eindeutig verneint.
Zudem liegt ein neuropathischer Schmerz nicht vor, da sich auch bei den durchgeführten Testungen entscheidende Kriterien,
d.h. nachgewiesene Nervenverletzungen nicht finden ließen (vgl. hierzu insbesondere das Gutachten des Prof. Dr. M.).
Die festgestellte Erkrankung lässt sich jedoch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den streitgegenständlichen
Unfall zurückführen. Wie das SG zu Recht - unter Bezugnahme auf die sowohl im Gerichts- als auch im Verwaltungsverfahren durchgeführten Ermittlungen - ausgeführt
hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Unfallereignis seinerseits eine Wirkursache für das Bestehen einer Somatisierungsstörung
sowie anhaltenden somatoforme Schmerzstörung (ICD 10: F 45.0, F 45.40) bei der Klägerin generiert hat. Wird jedoch auf der
ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung
rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - a.a.O.), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich,
"wesentlich", war. Hierbei ist nach der Rechtsprechung des BSG darauf abzustellen, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche
oder seelische Störung hervorzurufen. Die Ursachenbeurteilung hat im Einzelfall "anhand" des konkreten individuellen Versicherten
unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen. Abzustellen ist hierbei auf das individuelle Ausmaß
seiner Beeinträchtigungen, wie es sich objektiv darstellt, nicht jedoch wie er es subjektiv bewertet. Die Kausalität ist als
anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festzustellen. Es genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit (wenn mehr für als
gegen den Zusammenhang spreche und keine ernsthaften Zweifel bestünden); die reine Möglichkeit jedoch nicht. Es gibt im Bereich
des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, wonach bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache
automatisch auch eine wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O) ist.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Keiner der Sachverständigen hat hier auch nur im Ansatz die Wesentlichkeit
des Unfallereignisses - nämlich der Bruch der Kleinzehe und der sich daran anschließende Heilungsverlauf - für die Entwicklung
der bei der Klägerin diagnostizierten Schmerzstörung bejaht. Und auch in seiner im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden
Stellungnahme, der der Senat uneingeschränkt folgt, hat Dr. S. ausdrücklich und widerspruchsfrei dargelegt, dass eine Kausalität
im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gegeben ist. Der Gutachter weist hier insbesondere zu Recht darauf hin,
dass sich die im Bereich der rechten Kleinzehe spiegelbildlich und inzwischen auch an beiden Händen entwickelte Symptomatik
mit erheblicher Berührungsempfindlichkeit und Schmerzen nicht mit dem Unfallereignis in Zusammenhang bringen lassen. Allein
die Tatsache, dass die Schmerzen an den anderen Extremitäten jeweils auch aus Sicht der Klägerin einen konkreten Auslöser
hatten (Anschlagen der rechten Kleinzehe im häuslichen Bereich, Überbelastung der Hand im Rahmen einer manuellen Physiotherapie),
belegt schon die Unwesentlichkeit des Unfallereignisses für die Beschwerdeproblematik der Klägerin. Es kann hierbei dahinstehen,
ob es sich bei dem Unfallereignis selbst um eine Gelegenheitsursache im Rechtssinne handelt, oder ob hierzu der Bruch einer
Kleinzehe mit anschließendem schwierigen Heilungsverlauf nicht mehr zu zählen ist. Denn es ist - wie bereits auch das SG ausgeführt hat - im Rahmen der Diskussion des Rechtsbegriffs Gelegenheitsursache nicht entscheidend, ob es sich bei dem Unfallereignis
selbst um ein alltägliches Ereignis gehandelt hat, sondern ob ein anderes alltägliches Ereignis die eingetretenen Folgen auch
verursacht hätte. Auch bei einem gravierenden und nicht unbedingt alltäglichen Unfallgeschehen darf daher nicht im Umkehrschluss
ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne weiteres unterstellt werden (vgl. LSG Baden-Württemberg,
Beschluss vom 22.07.2015 - L 6 U 2394/15 -). Genau diesen Unterschied beachtet entgegen der Ansicht der Klägerin auch der Gutachter Dr. S. Bereits im Gutachten und
nun nochmals ausdrücklich in der ergänzenden Stellungnahme betont dieser, dass das Unfallereignis im Bedingungsgefüge keine
wesentliche Ursache darstellt. Der Unfall sei lediglich Anlass bzw. auslösendes Moment gewesen. Letztlich hätte aber jedes
andere Bagatelltrauma die jetzigen Beschwerden auslösen können. In diesem Zusammenhang verweist der Gutachter auch auf die
bei der Klägerin in der Vergangenheit aufgetretenen psychosomatischen Beschwerden im Bereich des Abdomens, was auch für eine
besondere Krankheitsanlage spreche.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von Amts wegen im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Dr. T.
Dieser verneinte für das orthopädische Fachgebiet das Vorliegen weiterer Unfallfolgen auf orthopädischem Fachgebiet und stellt
eindeutig klar, dass die von der Klägerin genannten Beschwerden nicht mit den erlittenen orthopädischen Verletzungen am Unfalltag
zu erklären sind. Hinsichtlich der neurologisch-psychiatrischen Diagnosen und Bewertungen verweist er auf das Gutachten von
Dr. S.
Auch die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. M. verneinen - wie im Übrigen auch alle
weiteren eingeholten ärztlichen Befunde - die wesentliche Ursächlichkeit des Unfalles für die von der Klägerin geltend gemachte
Schmerzstörung an beiden Händen und Füßen.
Diese Gutachten unterliegen - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch keinem Beweisverwertungsverbot (vgl. hierzu BSG vom 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R -). Denn die Beklagte hat mit der Weitergabe von Daten der Klägerin nicht gegen die Regelung des §
200 Abs.
2 SGB VII verstoßen. Nach dieser Bestimmung soll der Unfallversicherungsträger vor Erteilung eines Gutachtensauftrages dem Versicherten
mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren. Das BSG ließ in der o.g. Entscheidung offen, ob auch die Verletzung des Auswahlrechts (§
200 Abs.
2 Halbs. 1
SGB VII) ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht (BSG a.a.O., Rdnr. 57).
Bezüglich des Gutachtens von Prof. Dr. M. hat die Beklagte schon das Auswahlrecht der Klägerin nicht verletzt, da der Vorschlag
mehrerer Gutachter zur Auswahl im vorliegenden Fall entbehrlich war ("soll"). Denn die Versicherte schlug der Beklagten selbst
in der Begründung ihres Widerspruchs vor, eine Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet durchführen zu lassen
und nannte hierfür den "anerkannten Fachmann für Schmerztherapie" Prof. Dr. M. von der B.klinik in B. als möglichen Gutachter.
Die Beklagte folgte dem Vorschlag. Zur Erreichung der mit der Vorschlagspflicht verfolgten Zwecke war es vorliegend daher
nicht mehr geboten, der Klägerin, die sich durch ihren Vorschlag hinsichtlich der Gutachterauswahl vorab festgelegt hatte,
mehrere andere Gutachter zur Auswahl zu benennen. §
200 Abs.
2 Halbs. 1
SGB VII bezweckt die Gewährleistung eines transparenten Verfahrens, die Bereitstellung eines Pools von Gutachtern und die Sicherung
des Datenschutzes (so bereits die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 13/4853, S 22). Möglicherweise dient die Regelung, ohne
dass dies allerdings Erwähnung in der Gesetzesbegründung gefunden hätte, auch der Verhinderung einer Übermacht des Unfallversicherungsträgers
im Verfahren (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700, § 200 Nr. 3). Die Sicherung dieser Zwecke durch eine vorherige Anhörung ist jedoch nicht mehr notwendig, wenn
die Beklagte einen von der Klägerin selbst ausgesuchten Gutachter mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
Letztlich dahinstehen lassen kann der Senat weiter, ob sich dieses Einverständnis auch auf das Gutachten von Prof. Dr. S.
bezieht - immerhin ist dieses im Zusammenhang mit dem von der Klägerin selbst vorgeschlagenen neurologisch-psychiatrischen
Gutachten von Prof. Dr. M. erstellt worden und Prof. Dr. S. ist in derselben Klinik wie der von der Klägerin vorgeschlagene
Schmerzmediziner Prof. Dr. M. tätig. Die erstmals im Klageverfahren vorgebrachte Rüge gegen dieses Gutachtens war nämlich
verspätet und daher nicht mehr zu berücksichtigen. Eine Verletzung des Auswahlrechts kann nämlich grundsätzlich nur bis zum
Abschluss des jeweiligen Verwaltungsverfahrens vom Unfallversicherungsträger geheilt werden. Deshalb wird die Verletzung,
auch wenn sie ungeheilt bleibt, mit dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens grundsätzlich unbeachtlich (vgl. zur Rügeobliegenheit
im Prüfungsrecht BVerwGE 96, 126, 129 ff, [...]Rdnr. 18 f). Dies gilt nur dann nicht, wenn der Bürger ausnahmsweise die Verletzung seines Auswahlrechts vor
dem Erlass des abschließenden Verwaltungsakts nicht erkennen konnte, also keine Möglichkeit zur Rechtsverteidigung hatte,
oder wenn der Träger das Auswahlrecht trotz einer rechtzeitigen Rüge des Bürgers nicht als verletzt ansieht und keine Heilung
veranlasst (BSG, Urteil vom 20.07.2010 - B 2 U 17/09 R -, SozR 4-2700 § 200 Nr. 2, Rdnr. 38). Die Klägerin hat hier nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens - nämlich erst im Klageverfahren
- die Rüge erhoben. Nach Überzeugung des Senates war die Klägerin hier auch nicht ausnahmsweise berechtigt, die Rüge noch
später vorzutragen, denn entgegen ihrem Vortrage, war ihr ein solches Auswahlrecht durchaus bekannt. Die Beklagte hat die
Klägerin hier zwar nicht vor Einholung des Gutachtens bei Prof. Dr. S. ausdrücklich auf ihr Auswahlrecht hingewiesen. Es war
der Klägerin aber durchaus bewusst, dass ihr ein solches Recht grundsätzlich zusteht. Dies ergibt sich schon bereits daraus,
dass sie selbst den Zusatzgutachter Prof. Dr. M. vorgeschlagen hatte (s.o.). Es hätte also von ihr verlangt werden können,
dass sie unmittelbar nach Beauftragung des zweiten Gutachters mitteilt, dass sie mit dessen Auswahl nicht einverstanden ist.
Auch aus dem von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Befundbericht im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle des
Prof. Dr. S. lässt sich kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Beschwerden der Klägerin ableiten,
da dieser von Prof. Dr. S. eindeutig verneint wird. Dieser von der Klägerin erstmals im Klageverfahren angegriffene Befundbericht
im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle ist nach Überzeugung des Senates ebenfalls verwertbar. Ein Verstoß gegen §
200 Abs.
2 SGB VII scheitert hier bereits daran, dass es sich bei dem angegriffenen Befundbericht bereits nicht um ein ärztliche "Gutachten"
handelt. Denn die Verpflichtungen des §
200 Abs.
2 SGB VII bestehen nur dann, wenn es sich bei der ärztlichen Stellungnahme zunächst um ein Gutachten, nicht jedoch, wenn es sich um
eine beratungsärztliche Stellungnahme handelt. Die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R, [...] Rdnr. 26 m.w.N.) hat dem allgemeinen Sprachverständnis folgend unter einem Gutachten nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme
eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes verstanden, sondern
nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen
(vgl. BSG, Urteil vom 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R -, BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 Rdnr. 16 = [...] Rdnr. 16). Die nach §
200 Abs.
2 SGB VII gebotene Abgrenzung von Gutachten und beratungsärztlicher Stellungnahme verlangt ein Abstellen auf eine Kombination äußerer
und innerer Faktoren. Inhaltlich liegt ein Gutachten nur dann vor, wenn vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden
Tatsachen im Sinne einer eigenen Beweiserhebung erfolgt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.10.2015 - L 8 U 1012/14 -, [...]). Zu den äußeren Faktoren zählen z.B., ob die Verwaltung ein Gutachten angefordert oder der Arzt ausweislich seiner
Selbstbezeichnung ein Gutachten erstellt, übersandt oder abgerechnet hat (z.B. BSG, Urteil vom 18.01.2011 a.a.O. [...] Rdnr. 338.). Ist anhand dieser Faktoren die Frage nach dem Vorliegen eines Gutachtens
nicht klar zu beantworten, ist vom Bezugspunkt der schriftlichen Äußerung des Sachverständigen auszugehen, mithin auf die
inneren Faktoren abzustellen. Hinsichtlich der inneren Faktoren besteht Einigkeit in der Rechtsprechung dahingehend, dass
ein Gutachten nur dann vorliegt, wenn vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachen, zum
Beispiel des umstrittenen Ursachenzusammenhangs, erfolgt (BSG Urteil vom 05.02.2008 a.a.O; BSG 05.02.2008 - B 2 U 10/07 R, [...] Rdnr. 26; BSG Urteil vom 05.02.2009 - B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25-43 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 = [...] Rdnr. 26). Dabei ist nach einer weit vertretenen Auffassung (z.B. Hessisches LSG, Urteil
vom 20.06.2006 - L 3 U 716/99 - [...] Rdnr. 55) darauf abzustellen, wo der Schwerpunkt der Äußerung liegt, wozu eine Gesamtschau des die medizinische Äußerung
veranlassenden Auftrags als Bezugspunkt einerseits sowie andererseits von äußerer Form, Umfang sowie Inhalt der medizinischen
Äußerung selbst anzustellen ist. Hierbei kommt es weder alleine auf die Bezeichnung noch alleine auf den Umfang bzw. die äußere
Form an (Hessisches LSG a.a.O.). Gemessen an diesen Kriterien stellt der Befundbericht des Prof. Dr. S. unter keinem Gesichtspunkt
ein Gutachten dar. Zunächst sprechen hiergegen schon die äußeren Faktoren, weil die Beklagte eindeutig kein Gutachten beauftragt
hat und Prof. Dr. S. seine Äußerung auch nicht als solche bezeichnet hat. Vielmehr hat er auch gegenüber der Klägerin unmissverständlich
auf deren Nachfrage (vgl. Bl. 2 des Berichts) klargestellt, dass er kein Gutachtens erstelle, sondern lediglich zu den Befunden
und Beeinträchtigungen Stellung nehmen solle, um eine weitere Behandlungsempfehlung abgeben zu können. Unschädlich ist, dass
der Arzt die Klägerin persönlich untersucht hat und sich nicht nur auf die Auswertung bestehender Unterlagen beschränkt hat.
Er hat dies aber im Hinblick auf die weitere Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle getan
und in seinem Bericht im Wesentlichen einen umfassenden Befund erhoben und gerade keine eigenständige umfassende Bewertung
des umstrittenen Ursachenzusammenhangs vorgenommen. Der am Ende des Berichts mit aufgenommene Satz, dass er keine Unfallfolgen
auf neurologischem und psychiatrischen Fachgebiet erkennen könne, schadet hierbei nicht, da hierin gerade nicht der Schwerpunkt
der Äußerung lag (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O. mit Verweis auf Hessisches LSG, a.a.O.)
Ein kausaler Zusammenhang zwischen den von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden und dem Unfallereignis ergibt sich schließlich
nicht aus den weiter beigezogenen Unterlagen und der beratungsärztlichen Stellungnahme durch Dr. Dr. W ... Dr. Dr. W. hat
einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den nun geklagten Beschwerden klar verneint.
Diese Stellungnahme war auch verwertbar. Da es sich bei dieser Stellungnahme eindeutig um eine beratungsärztliche Stellungnahme
und nicht um ein Gutachten handelt, ist der Tatbestand des §
200 Abs.
2 SGB VII nicht erfüllt. Es ist nicht zu einer Datenübermittlung gekommen. Insoweit folgerichtig hat die Klägerin einen möglichen Verstoß
gegen §
200 Abs.
2 SGB VII hier nicht gerügt. Auch den weiteren medizinischen Unterlagen (z.B. den Entlassberichten der zum Teil auf Kosten anderer
Sozialversicherungsträger durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen, dem im Auftrag der Rentenversicherung erstellten
Gutachten von Dr. B. sowie den weiter vorliegenden umfassenden Befund- und Behandlungsberichten) lassen sich keine Anhaltspunkte
dahingehend entnehmen, dass das Unfallereignis wesentlich ursächlich für die geklagten Beschwerden der Klägerin ist.
Der Senat sieht ferner aufgrund der überzeugenden Gutachten von Dr. S. und Dr. T. sowie der von diesen erstellten ergänzenden
Stellungnahmen unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen keine Veranlassung
zu weiteren Ermittlungen. Dies auch nicht aufgrund der von der Klägerin ausdrücklich auch in der mündlichen Verhandlung als
Beweisanträge gestellten Anregungen auf eine weitere Beweisaufnahme. Bei diesen hilfsweise gestellten Beweisanträgen handelt
es sich schon nicht um ordnungsgemäß gestellte Beweisanträge. Voraussetzung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrages ist
es, zu bezeichnen, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis erhoben werden soll. Denn Merkmal eines Beweisantrags
ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (BSG, Beschluss vom 08.12.2009 - B 5 R 148/09 B -, Rdnr. 18, [...]). Diesen Anforderungen genügen die von der Klägerin gestellten Anträge nicht. Die Anträge, durch einen
Sachverständigen feststellen zu lassen, ob der Arbeitsunfall wesentliche Bedingung für die bei der Klägerin festgestellte
Somatisierungsstörung bzw. anhaltenden somatoforme Schmerzstörung war bzw. ob andere Umstände (Somatoforme Bauchschmerzen;
diverse psychische Faktoren) dazu führen, dass die Bedeutung des Arbeitsunfalles dahinter zurücktreten, enthält schon keine
Tatsachenbehauptung, sondern zielt allein darauf ab, ob eine andere Einschätzung der Kausalität möglich ist. Darüber hinaus
hat Dr. S. in seiner ergänzenden Aussage zu den von der Klägerin aufgeworfenen Fragen Stellung genommen und ausführlich dargelegt,
dass die geltend gemachten Erkrankungen gerade nicht wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen sind und dass die Schadensanlage
bzw. Krankheitsanlage eine überragende Bedeutung für den Krankheitsverlauf hat. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen
sind zur Überzeugung des Senats daher umfassend beantwortet und bedürfen nicht der Einholung weiterer Sachverständigengutachten.
Nach alledem können die bei der Klägerin diagnostizierte Somatisierungsstörung und anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD
10: F 45.0, F 45.4) nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückgeführt werden, so dass diese Erkrankungen
nicht als Folgen des Unfalles vom 09.12.2008 festgestellt werden konnten. Da der Senat - dem Gutachten von Dr. S. folgend
- hierbei davon ausgeht, dass die Klägerin an einer anhaltende somatoforme Schmerzstörung nach ICD 10 F 45.4 leidet und diese
Diagnose nicht auf den Arbeitsunfall ursächlich zurückzuführen ist, bedurfte es einer weiteren Differenzierung in beiden möglichen
Diagnosevarianten (ICD 10 F 45.40 und F 45.41), wie vom Klägervertreter vorgenommen, nicht mehr.
Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.