Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II; Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs für Alleinstehende 2012
Tatbestand
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.07.2012 im Hinblick auf einen höheren Regelbedarf.
Die Klägerin bezieht Alg II vom Beklagten. Ihre Miete betrug einschließlich Betriebskosten monatlich 330 EUR (265 EUR zzgl.
65 EUR) und ihr Heizkostenabschlag monatlich 65 EUR bzw. 94 EUR (ab Juli 2011) bzw. 88 EUR (ab Juli 2012). Mit Bescheid vom
08.07.2011 idF des Änderungsbescheides vom 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 wurden der
Klägerin für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.01.2012 Leistungen iHv monatlich 788 EUR (364 EUR Regelbedarf und 424 EUR Bedarfe
für Unterkunft und Heizung) bewilligt. Dagegen hat die Klägerin Klage (S 17 AS 1521/11) beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.03.2012 abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung (L 11 AS 53/15) zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben.
Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2011 bewilligte der Beklage im Hinblick auf eine gesetzliche Erhöhung des Regelbedarfs für
die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.01.2012 Alg II iHv 798 EUR (374 EUR Regelbedarf und 424 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung).
Für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.07.2012 gewährte er mit Bescheid vom 10.01.2012 Leistungen iHv monatlich 798 EUR (374 EUR
Regelbedarf und 424 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 26.11.2011 und 10.01.2012
wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 10.02.2012 und 15.02.2012 zurück. Der anerkannte Regelbedarf entspreche den
gesetzlichen Grundlagen. Unter Berücksichtigung der neuen Heizkostenabschläge änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung
für die Zeit vom 01.07.2012 bis 31.07.2012 mit Änderungsbescheid vom 14.08.2012 auf 792 EUR (374 EUR Regelbedarf und 418 EUR
Bedarfe für Unterkunft und Heizung).
Die dagegen eingelegten Klagen (S 17 AS 313/12 und S 17 AS 314/12), mit der die Klägerin einen höheren Regelbedarf geltend gemacht hat, hat das SG verbunden und mit Gerichtsbescheid vom 15.05.2012 abgewiesen. Die Bemessung der Höhe des Regelbedarfs sei nicht verfassungswidrig.
Die Klägerin hat dagegen Berufung beim LSG eingelegt.
Sie beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.05.2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides
vom 26.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 und des Bescheides vom 10.01.2012 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 14.08.2012 zu verurteilen, für die Zeit vom
01.01.2012 bis 31.07.2012 weitere Leistungen für den Regelbedarf zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerechte eingelegte Berufung ist zulässig (§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe des in der Leistungsbewilligung für
die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.07.2012 berücksichtigten Regelbedarfs (vgl zur möglichen Beschränkung des Streitgegenstandes
zuletzt BSG, Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 55/13 R - und Urteil vom 28.10.2014 - B 14 AS 65/13 R - jeweils zitiert nach [...]). Für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.07.2012 ist insofern der Bescheid vom 10.01.2012 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 idF des Änderungsbescheides vom 14.08.2012 zulässiger Streitgegenstand,
da der Beklagte dort über den entsprechenden Bewilligungszeitraum entschieden hat. Unzulässig ist die Klage jedoch im Hinblick
auf den Bescheid vom 26.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012. Dieser änderte lediglich die mit
Bescheid vom 08.07.2011 idF des Änderungsbescheides vom 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011
u.a. auch für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.01.2012 erfolgte Bewilligung ab. Damit wurde dieser Bescheid aber kraft Gesetzes
Gegenstand des Klageverfahrens S 17 AS 1521/11 (§
96 Abs
1 SGG). Eine erneute Klage gegen diesen Bescheid war wegen der bereits anderweitigen Rechtshängigkeit unzulässig (vgl Leitherer
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
96 Rn 11c). Der Bescheid vom 10.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2012 idF des Änderungsbescheides
vom 14.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf höheres Alg II
in Bezug auf den Regelbedarf bzw. für Mehrbedarfe für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.07.2012.
Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Diese Leistungsvoraussetzungen werden von der Klägerin im Zeitraum vom
01.02.2012 bis 31.07.2012 unstreitig erfüllt. Höhere als die vom Beklagten gewährten Leistungen kann die Klägerin im Hinblick
auf den Regelbedarf aber nicht beanspruchen.
Das Alg II enthält nach § 19 Abs 1 Satz 1 und Satz 3 SGB II neben dem Bedarf für Unterkunft und Heizung auch den Regelbedarf und Mehrbedarfe. Als Regelbedarf werden bei Personen, die
alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich 374 EUR anerkannt (§
20 Abs 1 und 2 Satz 1, Abs 5 SGB II i.V.m. § 28a Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - i.V.m. der Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 138 Nr 2 SGB XII für das Jahr 2012 - RBSFV 2012 - vom 17.10.2011 - BGBl I S 2090). Diese Regelbedarfshöhe hat der Beklagte in dem angefochtenen
Bescheid für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.07.2012 zutreffend berücksichtigt. Anhaltspunkte für Mehrbedarfe sind bei der
Klägerin nicht gegeben und auch nicht vorgetragen.
Die Höhe des Regelbedarfs ist nicht verfassungswidrig. Gerichte sind an das Gesetz gebunden (Art
20 Abs
3, Art
97 Abs
1 Grundgesetz -
GG-). Bei einem Konflikt zwischen einem einfachen Gesetz und der Verfassung kann sich ein Gericht nicht über das Gesetz stellen,
es kann das Gesetz nur gemäß Art
100 Abs
1 GG dem BVerfG vorlegen. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit des
einfachen Gesetzes überzeugt ist (vgl Beschluss des Senats vom 08.02.2012 - L 11 AS 49/12 B PKH - [...]). Für eine Verfassungswidrigkeit des neuen Regelbedarfsgesetzes gibt es keine entsprechenden Anhaltspunkte.
Das Gericht schließt sich insofern der Auffassung des BVerfG (Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - [...]) zur Verfassungsmäßigkeit der Neuermittlung der Regelbedarfe ab 01.01.2011 für Alleinstehende an. Danach erstreckt
sich der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nur
auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes
an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Dem Gesetzgeber steht hierbei ein Gestaltungsspielraum
zu. Mit den von ihm getroffenen Regelungen zur Festsetzung der Regelbedarfe hat er den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung
des Regelbedarfs nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums und die Anpassung der Leistungshöhe gesetzlich gesichert. Weder sind
Leistungen evident unzureichend festgesetzt noch liegt ein Verstoß gegen Grundrechte vor. Die Vorgaben für die Bestimmung
der Leistungshöhe genügen im streitgegenständlichen Zeitraum den Anforderungen an eine sachangemessene Berechnung der Leistungshöhe
und die Vorgaben für die Fortschreibung des Regelbedarfs sind mit der Verfassung vereinbar. Insbesondere hat der Gesetzgeber
relevante Bedarfe nicht übersehen und sich auf geeignete empirische Daten gestützt. Er konnte sich an dem Verbrauchsverhalten
der unteren Einkommensgruppen orientieren. Der existenzielle Bedarf wurde auch nicht unzutreffend ermittelt. Insbesondere
entspricht - jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum - der für den Haushaltsstrom zugrunde gelegte Bedarf den grundgesetzlichen
Anforderungen. Auch wenn es bei einzelnen Bedarfen zu punktuellen Unterdeckungen kommen kann, ist dies nicht zu beanstanden,
da ein interner Ausgleich stattfinden kann.
Da mit den vom Beklagten zugrunde gelegten Regelbedarfen das menschenwürdige Existenzminimum gesichert ist, besteht kein Anspruch
auf die Gewährung eines höheren monatlichen Regelbedarfs, wie ihn die Klägerin geltend macht. Der Gesetzgeber hat insbesondere
Bedarfe für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und zum Erwerb für Nahrungsmittel in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt.
Nicht zu prüfen waren im Hinblick auf die Beschränkung des Streitgegenstandes weitere Bedarfe für Unterkunft und Heizung.
Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte für einen höheren Anspruch in Bezug auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, da
der Beklagte diesbezüglich die tatsächlichen Kosten berücksichtigt hat
Die Berufung der Klägerin hatte nach alledem keinen Erfolg und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision nach §
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.