Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 04.10.2005 hat.
Der 1969 geborene, alleinstehende Kläger beantragte am 04.10.2005 die Bewilligung von Alg II. Er benötige eine Ablehnung für
Rentenausfallzeiten. Ohne weitere Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.10.2005 den Antrag ab. Nach eigenen
Angaben könne der Kläger den Lebensunterhalt aus seinem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen bestreiten. Seinen Widerspruch
dagegen begründete der Kläger damit, er hätte Anspruch auf Leistungen, wenn er sein Vermögen in die Anschaffung einer Eigentumswohnung
gesteckt hätte. Dies verstoße gegen Art
3 Grundgesetz (
GG). Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger zur Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf (Schreiben vom
10.11.2005). Der Kläger übersandte keinerlei Unterlagen. Mit Widerspruchbescheid vom 06.06.2007 wies die Beklagte den Widerspruch
zurück. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger über ausreichendes Vermögen verfüge, um eine Eigentumswohnung kaufen zu können.
Dabei sei jedoch nur die selbstgenutzte Wohnung als Schonvermögen geschützt.
Zur Begründung seiner dagegen zum Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er hätte Anspruch auf
Alg II, wenn er sich vor Jahren von seinem Vermögen eine Eigentumswohnung gekauft hätte. So aber habe er 60.000,00 EUR Finanzvermögen
und damit keinen Anspruch auf Alg II. Dies stelle eine Diskriminierung dar, denn die Vermögenslage sei in beiden Fällen gleich.
Immobilienvermögen sei auch verwertbar. Zudem hätte er sein Vermögen in eine Riester- oder Rüruprente oder in eine Lebensversicherung
investieren können, sodass dieses anders als bei individuellen Sparanlagen nicht berücksichtigt worden wäre. Sein Vermögen
bestehe zu 100 % aus einem Wertpapier-Depot und einem Girokonto mit einem Marktwert von ca. 35.000,00 EUR bis 45.000,00 EUR.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.06.2008 abgewiesen. Aufgrund des angegebenen, zu berücksichtigenden
Vermögens von zumindest ca. 40.000,00 EUR sei Hilfebedürftigkeit nicht gegeben. Ein Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG sei nicht ersichtlich. Selbstgenutzte Immobilien seien nicht als Vermögensgegenstand, sondern wegen Schutzes der Wohnung
iS der Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" und als räumlicher Lebensmittelpunkt geschützt. Riester- und Rüruprenten oder
Sparformen ohne die Möglichkeit zur vorzeitigen Verwendung böten die Gewähr dafür, dass das Geld zur Absicherung des Ruhestandes
diene.
Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Wissenschaftler würden zur eigenverantwortlichen
Geldanlage in Wertpapieren, nicht aber in Lebensversicherungen raten. Auskünfte zu seinem Einkommen und Vermögen hat der Kläger
auf gerichtliche Nachfrage nicht gegeben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 09.06.2008 und den Bescheid vom 10.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06.06.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Alg II ohne Berücksichtigung von Vermögen ab 04.10.2005 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist zulässig, aber nicht begründet. Zutreffend hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 10.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2007 ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg II ab 04.10.2005.
Alg II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig
sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB
II in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung). Diese Leistungen werden auf Antrag gemäß § 37 Abs 1 SGB II erbracht. Hilfebedürftig
ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1) durch Aufnahme einer zumutbaren
Arbeit, (2) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen,
insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs 1 SGB II).
Einen Antrag auf Leistungen stellte der Kläger am 04.10.2005, als er gegenüber der Beklagten lt. deren Aktenvermerk angab,
bisher keinen Antrag gestellt zu haben, dies aber nachholen zu wollen.
Der Kläger hat allerdings keine konkreten Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen gemacht, so dass es bereits aus diesem
Grunde für den Senat nicht prüfbar ist, ob, ab und bis wann er mangels entsprechenden Einkommens hilfebedürftig war bzw. ist.
Nach seinen eigenen - wenigen - Angaben war und ist der Kläger nicht hilfebedürftig, denn er verfügte über ein in Wertpapieren
und auf einem Girokonto angelegtes Vermögen in Höhe von zumindest 35.000,00 EUR bis 45.000,00 EUR. Andere Auskünfte hat er
trotz Nachfrage des Senats nicht erteilt. Bei Wertpapieren und Geldvermögen auf einem Girokonto handelt es sich um verwertbare
Vermögensgegenstände (§ 12 Abs 1 SGB II). Das zu berücksichtigende verwertbare Vermögen überschreitet den Freibetrag in Höhe
von 750,00 EUR (§ 12 Abs 2 Nr 4) und den Grundfreibetrag gemäß § 12 Abs 2 Nr 1 (7.000,00 EUR am 04.10.2005 bzw. 5.400,00 EUR
ab 01.08.2006 bzw. 5.550,00 EUR ab 05.11.2007 und 5.600,00 EUR ab 05.11.2007). Ein weiterer Freibetrag steht dem Kläger nicht
zu. Es handelt sich weder um Altersvorsorgevermögen im Rahmen einer nach Bundesrecht ausdrücklich geförderten Geldanlage (§
12 Abs 2 Nr 3 SGB II) noch um geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt
in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200,00
EUR (ab 01.08.2006 250,00 EUR) je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht übersteigt (§ 12 Abs 2
Nr 4 SGB II).
Bei dem Vermögen des Klägers handelt es sich auch um kein Schonvermögen iS des § 12 Abs 3 SGB II. Unter Beachtung der Entscheidung
des BSG vom 27.08.2008 B 11 AL 25/07 R kommt eine Berücksichtigung der Wertpapiere als Vermögen gemäß § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II dann nicht in Betracht, wenn
die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Anhaltspunkte
für das Vorliegen einer besonderen Härte finden sich nicht, insbesondere nachdem der Kläger selbst von einer jederzeitigen
Verwertbarkeit der Wertpapiere ausgeht, wenn er in Betracht zieht, diese ggf. für eine Eigentumswohnung oder Lebensversicherung
einzusetzen, dies aber nicht durchführt, weil er anderweitige Anlagekonzepte für effektiver hält. Anhaltspunkte für eine offensichtliche
Unwirtschaftlichkeit der Verwertung sind auch nicht ersichtlich. Dazu müsste der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen
Missverhältnis zum wirklichen Wert - nicht zum Anschaffungswert - des zu verwertenden Vermögensgegenstandes stehen.
Nach alledem ist der Kläger ab 04.10.2005 aufgrund des zu berücksichtigenden verwertbaren Vermögens nicht hilfebedürftig gewesen.
Angaben zur Änderung seines Vermögensstandes iS einer Verringerung insoweit, dass die Freibeträge und Freigrenzen nicht mehr
überschritten würden oder das Vermögen (zum Teil) in Form von Schonvermögen angelegt worden sei, hat der Kläger nicht gemacht.
Die Berücksichtigung der Wertpapiere und des Geldvermögens auf Girokonten verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz
des Art
3 Abs
1 GG, denn es finden sich ausreichend Gründe, die eine Differenzierung durch den Gesetzgeber, der in dem Bereich der Sozialgesetzgebung
einen weiten Gestaltungsspielraum besitzt, rechtfertigen. Letzteres gilt insbesondere, wenn es um Rechtspositionen geht, die
wie die Grundsicherung für Arbeitssuchende, nicht auf eigenen Leistungen beruhen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.07.1985 - 1 BvL 5/80). So ist z.B. eine Immobilie nur dann vor der Anrechnung als Vermögen geschützt, wenn sie zu eigenen Wohnzwecken genutzt
wird und eine bestimmte Größe nicht überschreitet. Dabei ist jedoch nicht die Immobilie als Vermögenswert, sondern als Wohnung,
als Lebensmittelpunkt iS der Erfüllung eines Grundbedürfnisses geschützt (vgl. für alle: Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II,
2.Aufl, § 12 RdNr 69 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG).
Nicht vor Eintritt in den Ruhestand verwertbare Geldanlagen bis zu einem Betrag von höchstens 26.800,00 EUR (§ 12 Abs 2 Satz
2 Nr 3 SGB II in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung) sowie die staatlich geförderten Altersvorsorgeverträge sind gegenüber
anderen Geldanlagen vom Gesetzgeber geschützt, weil damit Einschnitte in die Altersversorgung durch das sinkende Rentenniveau
ausgeglichen werden sollen. Der Zweck der Alterssicherung ist aber aus Sicht des Gesetzgebers erst dann sichergestellt, wenn
ein Verwertungsausschluss vorliegt. Hierdurch wird die Gefahr gebannt, dass das eventuell zur Altersvorsorge angelegte Vermögen
vorzeitig verbraucht wird und im Alter doch noch Sozialleistungen (zusätzlich) erbracht werden müssen (vgl. dazu BT-Drucks
15/1749 S.31, vgl. auch: Schmidt in Oestreicher SGB XII/SGB II § 12 RdNr 58 Stand 7/08).
Damit aber bestehen zwischen einem vor Eintritt in den Ruhestand nicht verwertbaren und einem jederzeit verwertbaren Geldvermögen
so erhebliche Unterschiede, dass eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist (vgl. hierzu allgemein BVerfG, Beschluss
vom 09.12.2003 - 1 BvR 558/99). Unabhängig davon übersteigt das vom Kläger angegebene Vermögen in Höhe von 35.000,00 EUR bis 45.000,00 EUR auch die Summe
der gesetzlich vorgesehenen Freibeträge (Grundfreibetrag und Altersvorsorgefreibetrag höchstens 26.800,00 EUR zuzüglich 750,00
EUR Freibetrag für notwendige Anschaffungen).
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.