Tatbestand
Streitig ist die Versagung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.09.2016.
Die Klägerin bezog Alg II und beantragte am 02.09.2016 die (Weiter-)Bewilligung für die Zeit ab 01.09.2016. Auf ihre Bitte
hin bot der Beklagte ihr Termine zur Abgabe des Antrages samt Vorlage der Kontoauszüge für die letzten vier Wochen für den
22.09.2016, 27.09.2016 und 06.10.2016 an. Die Klägerin erschien zu den angebotenen Terminen nicht, sie sei krank. Mit Schreiben
vom 20.10.2016 forderte der Beklagte die Klägerin zur Mitwirkung bis spätestens 06.11.2016 auf. Es fehlten Antragsunterlagen
und u.a. seien Kontoauszüge - wegen der zwischenzeitlich abgelaufenen Zeit - für die Zeit von August 2016 bis 20.10.2016 zur
Einsichtnahme vorzulegen. Bei Nichtvorlage könnten Leistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden. Am 30.10.2016
bat die Klägerin erneut um einen persönlichen Termin für die Weiterbewilligung von Leistungen.
Mit Bescheid vom 10.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2016 versagte der Beklagte die Leistungen
ab 01.09.2016 ganz. Die Klägerin habe die u.a. angeforderten Unterlagen sowie die Kontoauszüge nicht vorgelegt. Dies hätte
mit der Post oder durch persönliche Abgabe erfolgen können. Eine weitere Terminvereinbarung sei daher nicht erforderlich gewesen.
Es lägen keine Gründe vor, die im Rahmen der Ermessensentscheidung hätten zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden können.
Der Anspruch auf Leistungen könne nicht geprüft werden. Nach Abwägung des Interesses der Klägerin an Leistungen mit dem öffentlichen
Interesse an der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit seien die Leistungen zu versagen. Die Grenzen der zumutbaren Mitwirkung
seien nicht überschritten. Die erforderlichen Kenntnisse könnte sich der Beklagte nicht durch geringere Aufwendungen selbst
beschaffen. Ein Ermessensfehlgebrauch sei nicht ersichtlich. Ein ernsthaftes Interesse der Klägerin an einer (noch vorzunehmenden)
Einreichung der erforderlichen Antragsunterlagen sei nicht zu erkennen.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und ausdrücklich begehrt, den Bescheid vom 10.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2016 aufzuheben.
Der Beklagte hätte auf die Möglichkeit der Schwärzung von Kontoauszügen hinweisen müssen. Die Vorlage nicht geschwärzter Kontoauszüge
sei mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ebenso unvereinbar wie die Erhebung von Sozialdaten "ins Blaue hinein"
im Sinne einer prophylaktischen Aufforderung zur Vorlage von Kontoauszügen. Dies widerspreche der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.04.2017 abgewiesen. Die Versagung der Leistungen sei gemäß §
66 Abs.
1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) rechtmäßig. Die Vorlage der geforderten Unterlagen sei leistungserheblich zur Prüfung der Frage der Hilfebedürftigkeit und
(auch im zeitlichen Umfang) zumutbar. Zur Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien auch die Kontoauszüge der
dem Antragszeitpunkt vorausgehenden Zeit erforderlich. Die Pflicht zur Vorlage sei vom Bundessozialgericht (BSG) bestätigt worden (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08). Das BVerfG habe nur hinsichtlich der Frage der Hilfebedürftigkeit ein Abstellen auf vergangene Zeiträume für irrelevant
erklärt. Umstände aus der Vergangenheit dürften nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die
gegenwärtige Lage ermöglichten. Eine grundsätzliche Pflicht, über die Möglichkeit der Schwärzen zu belehren, bestehe nicht,
insbesondere nachdem die Klägerin aus dem ausgehändigten Merkblatt von dieser Möglichkeit wisse. Auf die Folge der Nichtmitwirkung
habe der Beklagte hingewiesen, das Ermessen habe er zutreffend ausgeübt.
Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhobenen Berufung hat die Klägerin vorgetragen, die Vorlage
nicht geschwärzter Kontoauszüge sei mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar. Das BSG habe dargelegt, dass die Beklagte auf die Möglichkeit zur Schwärzung hinweisen müsse (BSG, Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 R -). Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes vom 03.07.2017 hat die Klägerin ausgeführt, sie sei auch nicht bereit, geschwärzte
Kontoauszüge vorzulegen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 04.04.2017 sowie den Bescheid vom 10.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 14.12.2016 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
Ein am 13.11.2017 beim LSG eingegangenes Fax (Inhalt: "keine Klage") hat weder einen Absender noch eine Unterschrift enthalten.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 10.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2016 ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen
Bescheide.
Das Fax vom 13.11.2017 kann weder als eindeutige Klagerücknahme ausgelegt werden noch kann es eindeutig der Klägerin zugeordnet
werden.
Die von der Klägerin zuletzt allein erhobene reine Anfechtungsklage ist die zutreffende Klageart. Der Beklagte hat die Leistung
nicht abgelehnt, sondern lediglich bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt. Mit der reinen Anfechtungsklage kann die Klägerin
die Aufhebung der Versagung erreichen, so dass der Beklagte erneut über den Antrag auf Alg II ab 01.09.2016 zu entscheiden
hat.
Die Rechtsgrundlage für die Versagung der Leistung stellt §
66 Abs.
1 SGB I dar. Hiernach kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder
teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der eine
Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach §§
60 bis
62,
65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Gemäß §
60 Abs.
1 Nr.
3 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers
Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. Gemäß §
66 Abs.
3 SGB I dürfen allerdings Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte
auf diese vollumfänglich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb der ihm gesetzten angemessenen
Frist nicht nachgekommen ist. Zudem bestehen die Mitwirkungspflichten nach den §§
60 bis
64 SGB I nicht, soweit (1) ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder
ihrer Erstattung steht oder (2) ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
(3) der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen
Kenntnisse selbst beschaffen kann.
Die Klägerin ist mit Schreiben vom 20.10.2016 zur Mitwirkung (u.a. zur Vorlage der Kontoauszüge der Zeit von August 2016 bis
20.10.2016) gemäß §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
3 SGB I aufgefordert worden. Zu dieser Aufforderung ist der Beklagte auch ohne besonderen Anlass berechtigt (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 45/07 R -, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R - und Beschluss vom 15.07.2010 - B 14 AS 45/10 B - alle veröffentlicht in [...]).
Die Grenzen der Mitwirkung sind vorliegend dabei nicht überschritten (vgl. dazu die o.g. Rechtsprechung). Die Vorlagepflichten
der Klägerin im Rahmen ihrer generellen Obliegenheitspflichten gemäß §
60 SGB I werden auch durch die Regelungen des Sozialdatenschutzes nicht grundsätzlich eingeschränkt. Allerdings gebietet es der Rechtsgedanke
des § 67 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), dass der Grundsicherungsempfänger die von ihm getätigten Ausgaben nicht im vollem Umfang offen legen muss. Aus § 67 Abs. 12 SGB X i.V.m. § 67a Abs. 1 Satz 2 SGB X ergibt sich insbesondere eine Einschränkung hinsichtlich bestimmter personenbezogener Daten, soweit deren Kenntnis für die
Aufgaben des Grundsicherungsträger grundsätzlich irrelevant sind. Soweit dies beachtet wird, verstoßen die geforderten Mitwirkungspflichten
nicht gegen das aus Art.
2 Abs.
1 Grundgesetz herzuleitende Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Grundrecht gibt dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich
selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 19.09.2008 a.a.O., Urteil vom 19.02.2009 a.a.O., wobei das BVerfG die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil
des BSG vom 19.02.2009 nicht zur Entscheidung angenommen hat). Datenschutzrechtliche Regelungen stehen daher einer Anforderung der
Kontoauszüge vorliegend nicht entgegen. Allerdings kann die Klägerin Teilbereiche der vorzulegenden Kontoauszüge schwärzen
(§ 67 Abs. 12 SGB X). Hierauf hat der Beklagte in seiner Aufforderung zur Mitwirkung vom 20.10.2016 nicht hingewiesen. Ob ein solcher Hinweis
den Bescheid rechtswidrig macht, hat das BSG (Urteil vom 19.09.2008 a.a.O.) offen gelassen und kann auch hier offen bleiben, denn es genügt, dass die Klägerin von der
Möglichkeit der Schwärzung Kenntnis hat. Wenn diese Kenntnis - wie vorliegend ausnahmsweise - nachweisbar vorhanden ist, bedarf
es (wohl) keines zusätzlichen Hinweises zur Schwärzung, denn der Gesetzgeber hat eine solche Belehrungspflicht - vergleichbar
einer Rechtsfolgenbelehrung - nicht gesetzlich verankert. Hat der Grundsicherungsempfänger nachweislich Kenntnis davon, dass
es im Rahmen seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung Schwärzungen vornehmen kann, so bedarf er hierüber keines
zusätzlichen Hinweises, er kann dieses Recht ausüben. Das Vorhandensein dieser Kenntnis aber bestätigte die Klägerin in ihrer
Klagebegründung gegenüber dem SG. Darin spricht sie ausdrücklich an, nach der Rechtsprechung bestehe die Möglichkeit einer Schwärzung. Sie hat dies jedoch
nicht zum Anlass genommen, dem Beklagten geschwärzte Kontoauszüge vorzulegen oder den Beklagten auf diese Möglichkeit hin
anzusprechen bzw. sich bereit zu erklären, geschwärzte Kontoauszüge vorzulegen. Der Beklagte hat gegen eine Schwärzung auch
keine Einwände vorgetragen. Der Klägerin geht es allerdings vielmehr - wie ganz eindeutig aus ihrer Erklärung zu Protokoll
im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes vom 03.07.2017 hervorgeht - darum, keinerlei Kontoauszüge vorzulegen, es geht ihr
nicht um den Schutz konkreter Adressaten. Denn dann hätte sie trotz der Kenntnis der Möglichkeit zur Schwärzung die geschwärzten
Kontoauszüge zwischenzeitlich vorlegen können. Sie hat jedoch überhaupt nicht reagiert. Damit aber möchte sie im Grundsätzlichen
die datenschutzrechtliche Problematik der Vorlage von Kontoauszügen im Rahmen des SGB II klären lassen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.09.2008 a.a.O.), zumal sie keinerlei Angaben dazu macht, ob überhaupt geheim zu haltende Positionen auf den
Kontoauszügen zu finden wären. Es fehlt daher auf jeden Fall am Zusammenhang zwischen dem fehlenden Hinweis auf die Möglichkeit
zur Schwärzung und der Nichtvorlage der geforderten Unterlagen.
Die Klägerin ist auch gemäß §
66 Abs.
3 SGB I auf die Rechtsfolgen im Schreiben vom 20.10.2016 zutreffend hingewiesen worden. Der Beklagte hat das ihm zustehende und von
ihm auszuübende Ermessen auch ausgeübt. Er hat dazu ausgeführt, dass er das Interesse der Klägerin an Leistungen mit dem öffentlichen
Interesse an der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit abgewogen habe und keine Gründe vorlägen, die im Rahmen der Ermessensentscheidung
zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden könnten. Ein überwiegendes Interesse der Klägerin gegenüber den Interessen der
Allgemeinheit liege nicht vor. Der Klägerin seien mehrere Termine zur Antragsabgabe genannt worden. Sie hätte den Antrag und
die Unterlagen jedoch auch per Post oder durch einfache Abgabe vorlegen können. Ein ernsthaftes Interesse der Klägerin an
der Einreichung der erforderlichen Unterlagen sei nicht zu erkennen. Weitere Gesichtspunkte, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung
vorliegend zu berücksichtigen wären, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Gerade unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes,
dass die Klägerin von vornherein nicht bereit war mitzuwirken, bestehen auch keine Bedenken gegen die Ermessensentscheidung
des Beklagten (so im Ergebnis auch: BSG, Urteil vom 19.09.2008 a.a.O.).
Nach alledem war somit die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.