Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II
Anforderungen an die zeitliche Kongruenz bei einem Erstattungsanspruch des Jobcenters gegen die Bundesanstalt für Arbeit
Für die zeitliche Kongruenz gemäß § 104 SGB X genügt es, wenn das Alg II für den ganzen Monat gezahlt wird, der erstattungsverpflichtete Leistungsträger Alg aber nur für
wenige Tage dieses Monats zu zahlen hat.
1. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist oder praktisch von vornherein
außer Zweifel steht.
2. Das BSG hat bereits mit Urteil vom 12.05.2011 festgestellt, dass die erforderliche zeitliche Kongruenz gegeben ist, wenn das Alg
(dort: Insolvenzgeld) nur für einzelne Tage eines Monats, das Alg II jedoch für den ganzen Monat gezahlt wird.
3. Dies ergibt sich eindeutig aus dem dieser Entscheidung des BSG zugrunde liegenden Zahlenmaterial in Zusammenschau mit der vorausgegangenen Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom
21.04.2010 (L 7 AL 203/09).
Gründe
I.
Streitig ist ein Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 91,35 EUR.
Der Beklagte bewilligte dem Leistungsempfänger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-)
ab dem 11.08.2015 und machte gegenüber der Klägerin einen Erstattungsanspruch in Höhe von 626,85 EUR für die Zeit vom 10.11.2015
bis 30.11.2015 (21 Tage x 29,85 EUR) geltend.
Die Klägerin bewilligte Arbeitslosengeld (Alg) ab 10.11.2015 in Höhe von 29,85 EUR täglich, wobei sie den Eintritt zweier
Sperrzeiten für die Zeit vom 11.08.2015 bis 02.11.2015 und vom 03.11.2015 bis 09.11.2015 feststellte. Sie behielt einen Betrag
in Höhe von 626,85 EUR ein, um diesen an den Beklagten zu erstatten (Bescheid vom 09.11.2015). Auf den gegen die Einbehaltung
gerichteten Widerspruch des Leistungsempfängers hin zahlte die Klägerin an diesen weitere 91,84 EUR aus und erstattete dem
Bevollmächtigten des Leistungsempfängers 29,51 EUR als anteilige Kosten des damit beendeten Widerspruchsverfahrens. Vom Beklagten
forderte die Klägerin 91,84 EUR zurück; die Erstattungsforderung hätte sich lediglich auf 535,01 EUR belaufen dürfen, denn
der Beklagte habe für die Zeit vom 10.11.2015 bis 30.11.2015 (21 Tage) lediglich 535,01 EUR Alg II gezahlt (764,30 EUR: 30
Tage x 21 Tage). Der Beklagte erstattete daraufhin weitere 30,00 EUR; dieser Betrag wäre dem Leistungsempfänger als Versicherungspauschale
vom Einkommen aus Alg abzuziehen gewesen. Dagegen hat die Klägerin nach erfolgloser Mahnung Klage zum Sozialgericht Nürnberg
(SG) erhoben und eine Erstattung in Höhe von 61,84 EUR sowie die Übernahme der Kosten für das teilweise erfolgreiche Widerspruchsverfahrens
des Leistungsempfängers (29,51 EUR), insgesamt somit 91,35 EUR, begehrt. Zu erstatten gewesen wäre von ihr nur das vom Beklagten
in der Zeit vom 10.11.2015 bis 30.11.2015 gezahlte Alg II, nicht aber Alg II für die Zeit vom 01.11.2015 bis 09.11.2015, für
die kein Anspruch auf Alg bestanden habe.
Das SG hat den Beklagten zur Zahlung weiterer 9,83 EUR an die Klägerin verurteilt, im Übrigen aber die Klage abgewiesen. Der nachrangig
zur Leistung verpflichtete Beklagte hätte bei rechtzeitiger Auszahlung des Alg 626,85 EUR abzüglich 30,00 EUR Versicherungspauschale
als Einkommen berücksichtigt und auf den Anspruch auf Alg II in Höhe von insgesamt 764,30 EUR für November 2015 angerechnet.
Somit hat der Beklagte 596,85 EUR zu viel an Alg II ausgezahlt, das von der Klägerin zu erstatten sei. Auf die taggenaue Identität
des Anspruches sei nicht abzustellen, Alg II sei monatsweise zu bewilligen. Die tageweise Bewilligung von Alg sei nicht entscheidend.
Damit hätte die Klägerin im Rahmen des vom Leistungsempfänger geführten Widerspruchsverfahrens nur 30,00 EUR, nicht aber 91,84
EUR an den Leistungsempfänger auszahlen dürfen, so dass die Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren nur ein Drittel,
also 9,81 EUR, hätte betragen dürfen. Dieser Betrag sei vom Beklagten an die Klägerin zurückzuzahlen. Die Berufung hat das
SG nicht zugelassen. Dagegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Es sei
auf die zeitliche Identität abzustellen, so dass das anteilig für die Zeit vom 10.11.2015 bis 30.11.2015 (21 Tage) gezahlte
Alg II zu erstatten sei. Nur für diese Zeit sei der Beklagte nachrangig verpflichteter Leistungsträger gewesen (so auch LSG
Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2016 - L 11 EG 1547/15- veröffentlicht in [...]). Das Urteil des BSG vom 12.05.2011 (- B 11 AL 24/10 - veröff. in [...]) entscheide diese grundsätzliche Rechtsfrage nicht.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Klägerin und des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster
und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §
145 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht.
Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§
144 Abs.
1 Satz 2
SGG).
Nach §
144 Abs
2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung
des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel
geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter
Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des
Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12.Aufl, §
144 RdNr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur
nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten
ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).
Die aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn sie ist geklärt. Das BSG hat bereits mit Urteil vom 12.05.2011 a.a.O. festgestellt, dass die erforderliche zeitliche Kongruenz gegeben ist, wenn das
Alg (dort: Insolvenzgeld) nur für einzelne Tage eines Monats, das Alg II jedoch für den ganzen Monat gezahlt wird. Dies ergibt
sich eindeutig aus dem dieser Entscheidung des BSG zugrunde liegenden Zahlenmaterial in Zusammenschau mit der vorausgegangenen Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom
21.04.2010 (- L 7 AL 203/09 - veröff. in [...]). Die Zurückverweisung durch das BSG erfolgte allein wegen der Frage der Personenidentität (Rn. 23 des Urteils des BSG vom 12.05.2011 aaO). Diese Rechtsprechung des BSG wird durch die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg a.a.O., die auf die Rechtsprechung des BSG zu dieser Frage nicht eingeht, nicht abgelöst, vielmehr nimmt das LSG gerade auf diese Entscheidung Bezug. Aus dem von der
Klägerin ebenfalls genannten Urteil des BSG vom 19.03.1992 sind für die vorliegende Frage keine Erkenntnisse zu gewinnen.
Weitere Rechtsfragen ebenso wie ein Abweichen des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung oder einen Verfahrensfehler des SG hat die Klägerin nicht angeführt und sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Erstattung der von der Klägerin
getragenen Kosten des Widerspruchsverfahrens des Leistungsempfängers gegen die Klägerin besteht nicht. Hierfür ist keine Rechtsgrundlage
ersichtlich. Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§
145 Abs.
4 Satz 4
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
197 a SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).