Zulässigkeit einer Leistungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren
Tatbestand
Streitig ist, ob bewilligte Leistungen vollständig ausgezahlt worden sind.
Der Kläger bezieht vom Beklagten zusammen mit seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau und seinem Sohn seit
dem 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er erklärte sich schriftlich mit einer Aufrechnung iHv 10,00 EUR monatlich wegen einer Rückforderung von Arbeitslosengeld
und iHv 240,00 EUR wegen einer Rückforderung von Alg II für Januar 2009 einverstanden.
Der Kläger hat beim Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben und die Zahlung von 1.499,28 EUR durch den Beklagten beantragt. Die für die Zeit von Oktober 2007 bis einschließlich
Oktober 2009 bewilligten Leistungen seien nicht in vollem Umfang ausgezahlt worden. Der Beklagte hat dazu ausgeführt, der
Kläger verkenne die monatlichen Aufrechnungen iHv 10,00 EUR aufgrund der Abtretungserklärung und berücksichtigte Nachzahlungen
nicht. Der Beklagte hat zum Nachweis der vollständigen Leistungszahlung Horizontalübersichten und FINAS-Auszahlungsübersichten
vorgelegt.
Der Kläger hat weiter ausgeführt, ihm sei nicht mehr erinnerlich, welche Forderung der monatlichen Überweisung an die Regionaldirektion
zugrunde liege. Auch nach den Übersichten des Beklagten seien Unklarheiten verblieben. Ein Zahlungseingang von 80,00 EUR im
Hinblick auf die Anweisung vom 19.12.2007 sei anhand der Kontounterlagen nicht feststellbar. Für März 2008 seien Zahlungseingänge
von 43,00 EUR und 197,00 EUR ebenfalls nicht nachvollziehbar. Eine Anweisung vom 27.08.2008 mit einem Zahlungseingang von
240,00 EUR habe nicht ermittelt werden können. Eine Zahlung in Höhe von 250,00 EUR an die Regionaldirektion für Januar 2009
sei ohne Berechtigung erfolgt. Schließlich habe der Kläger für Juli 2009 nur einen Zahlungseingang von 917,08 EUR feststellen
können. Hierauf hat der Beklagte erwidert, die monatliche Verrechnung resultiere aus einem Rücknahme- und Erstattungsbescheid
der Agentur für Arbeit vom 01.09.2006, wofür eine Einverständniserklärung des Klägers vorliege. Bereits bei mehreren Vorsprachen
sei dem Kläger erklärt worden, in welcher Höhe sich seine Leistungsansprüche errechneten und welche Nachzahlungen als neue
Berechnungen daraus resultieren würden. Die Nachzahlung für Dezember 2007 in Höhe von 80,00 EUR sei zusammen mit einer Nachzahlung
für Juli 2007 in Höhe von weiteren 144,00 EUR am 19.12.2007 in Höhe von insgesamt 224,00 EUR an den Kläger veranlasst worden.
Zusammen mit der am 24.11.2007 angewiesenen Zahlung in Höhe von 942,96 EUR und den 10,00 EUR, die zur Schuldentilgung bei
der Regionaldirektion verwendet worden seien, ergebe sich die bewilligte Leistung in Höhe von 1.032,96 EUR gemäß dem Bescheid
vom 18.12.2007. Mit dem Scheck vom 07.03.2008 über 240,00 EUR seien Nachzahlungen in Höhe von 43,00 EUR und weiteren 197,00
EUR geleistet worden. Zusammen mit der Zahlung am 24.02.2008 in Höhe von 942,96 EUR und dem Forderungseinzug der Regionaldirektion
in Höhe von 10,00 EUR seien damit die Leistungen für März 2010 in voller Höhe von 1.192,96 EUR ausgezahlt worden. Auch für
August 2008 seien die vollen Zahlungen geleistet worden. Eine Nachzahlung in Höhe von 240,00 EUR sei am 27.07.2008 überwiesen
worden. Zusammen mit dem bereits am 20.07.2008 überwiesenen 953,96 EUR sowie dem Forderungseinzug der Regionaldirektion in
Höhe von 10,00 EUR ergebe sich der Gesamtbetrag von 1.203,96 EUR gemäß dem Änderungsbescheid vom 22.07.2008. Die Zahlung von
250,00 EUR im Januar 2009 an die Regionaldirektion setze sich aus der Aufrechnung im Umfange von 10,00 EUR aufgrund des überzahlten
Arbeitslosengeldes und der am 27.11.2008 durch den Kläger und seiner Frau unterzeichneten Aufrechnungserklärung wegen einer
Überzahlung von Alg II im Oktober 2008 in Höhe von 240,00 EUR zusammen. Für Juli 2009 seien dem Kläger nicht nur 917,08 EUR
gezahlt worden, sondern darüber hinaus 10,00 EUR an den Forderungseinzug der Regionaldirektion und eine Nachzahlung in Höhe
von 87,20 EUR am 25.06.2009, worauf auch im Änderungsbescheid vom 23.06.2009 hingewiesen worden sei.
Mit Urteil vom 04.08.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nicht hinreichend substantiiert dargetan, dass ihm nicht alle bewilligten Leistungen
ausgezahlt worden seien. Die in den laufenden Bescheiden bewilligten Beträge würden sich mit den Horizontalübersichten und
den FINAS-Auszahlungsübersichten des Beklagten decken, sodass offene Zahlungsansprüche nicht zu erkennen seien. Barauszahlungen
und die Abtretungserklärung habe der Kläger nicht berücksichtigt.
Dagegen hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Ihm stehe noch ein Zahlungsanspruch in Höhe von
1.249,28 EUR zu. Für die Monate Januar 2007 bis März 2007 ergebe sich noch ein verbleibender Anspruch in Höhe von 743,96 EUR.
Ein an die Regionaldirektion abgeführter Betrag von 234,90 EUR sei dort fehlerhaft nicht zur Tilgung seiner Schulden herangezogen
worden. Für die Monate Juli und August 2007 sei jeweils ein Zahlungsanspruch in Höhe von 144,00 EUR offen geblieben. Im November
2007 sei die Gutschrift von 10,00 EUR auf die Forderung der Regionaldirektion nicht erfolgt, sodass sich insofern ein Anspruch
in Höhe von 10,00 EUR ergebe. Aus seinen Kontoauszügen ergebe sich die von dem Beklagten behaupteten Zahlungen in Höhe von
952,69 EUR und 80,00 EUR Nachzahlung nicht.
Der Kläger beantragt:
1.
Das Endurteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.08.2010, Az. S 5 AS 69/10 wird aufgehoben.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Gesamtgläubiger zusammen mit A., A. und A., F., wh. jeweils R. Str. 38, A-Stadt
1.249,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von vier vom Hundert beginnend ab 01.03.2008 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Er verweist insofern zur Begründung auf die Ausführungen im Urteil des SG.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-), aber nicht begründet. Das LSG kann außer in den Fällen des §
105 Abs.
2 Satz 1
SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für
erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§
153 Abs.
4 Sätze 1 und 2
SGG).
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die allgemeine Leistungsklage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand ist vorliegend ein vom Kläger geltend gemachter Zahlungsanspruch iHv 1.249,28 EUR. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren
diesen Zahlungsanspruch nicht nur auf Leistungsbewilligungen für den Zeitraum von Oktober 2007 bis Oktober 2009, der dem Verfahren
vor dem SG zugrunde lag, sondern auch auf teilweise fehlende Auszahlungen für einen Zeitraum davor stützt, handelt es sich um eine unzulässige
Klageänderung. Insofern werden nicht lediglich tatsächliche oder rechtliche Ausführungen iSv §
99 Abs.
3 Nr.
1 SGG ergänzt, sondern der Klagegrund (teilweise) geändert, da diesbezüglich ein anderer Lebenssachverhalt dem Klageantrag zugrunde
gelegt wird (vgl dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl, §
99 Rn 2b). Eine Änderung der Klage i.S.d. §
99 Abs.
1 SGG (zu den Voraussetzungen vgl. Leitherer a.a.O. Rn 12) ist nur zulässig, wenn der Beklagte zustimmt oder das Gericht die Änderung
für sachdienlich hält. Beides ist nicht der Fall. Insbesondere hat der Beklagte in der Berufungserwiderung in der Sache nur
auf die Ausführungen des SG in dessen Urteil Bezug genommen, sich damit allein auf die dort streitigen Zahlungsansprüche mit dem Bezugszeitraum Oktober
2007 bis Oktober 2009 eingelassen.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger nicht die ihm bewilligten Leistungen ausgezahlt bzw. im Hinblick auf die
von ihm unterschriebenen Einverständniserklärungen zur Aufrechnung erbracht worden sind. Der Kläger legt zur Begründung seiner
Klage lediglich eine tabellarische Aufstellung vor. Dabei bezieht er sich auf angebliche Zahlungseingänge auf seinen Kontoauszügen,
legt diese jedoch nicht vor. Die Wahrheit bzw. Vollständigkeit der Aussage lässt sich daher nicht prüfen. Dagegen hat der
Beklagte durch Vorlage der entsprechenden Buchungsunterlagen substantiiert die Erfüllung der Leistungsansprüche des Klägers
dargetan. Darüber hinaus wurden im Schriftsatz vom 19.05.2010 weitere Zahlungen im Einzelnen erläutert. Insbesondere für die
vorgenommene Aufrechnung im Umfang von 10,00 EUR monatlich liegt eine entsprechende Zustimmungserklärung des Klägers vor.
Gleiches gilt für die Aufrechnung im Umfange von 240,00 EUR im Januar 2009, mit der sich der Kläger und seine Ehefrau am 27.11.2008
schriftlich einverstanden erklärt haben. Im Berufungsverfahren geht der Kläger darauf auch gar nicht mehr ein.
Im Hinblick auf die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche für den Zeitraum von Oktober 2007 bis einschließlich Oktober
2009 wird lediglich noch ein Anspruch im Umfang von 10,00 EUR für November 2007 geltend gemacht und die Zahlungen für Dezember
2007 angezweifelt. Insofern ergibt sich jedoch eine Zahlungsanweisung im Hinblick auf die 10,00 EUR für November 2007 aus
den von dem Beklagten vorgelegten FINAS-Aufstellungen für den 21.10.2007 mit Fälligkeit zum 31.10.2007. Die Gutschrift findet
sich dementsprechend auch unter dem Buchungstag 02.11.2007 in der Aufstellung des Forderungseinzugs vom 19.05.2010 wieder.
Dementsprechend wurde mit der Aufrechnung im Umfang von 10,00 EUR der diesbezügliche Zahlungsanspruch erfüllt. Im Hinblick
auf die Leistungen für den Monat Dezember 2007 hat der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 19.05.2010 an das SG im Einzelnen konkret dargelegt, dass eine entsprechende Anweisung in Höhe von 942,96 EUR zuzüglich 10,00 EUR zur Schuldentilgung
bei der Regionaldirektion am 24.11.2007 erfolgt und die Nachzahlung in Höhe von 80,00 EUR mit einer weiteren Nachzahlung für
Juli 2007 in Höhe von 144,00 EUR mit insgesamt 224,00 EUR am 19.12.2007 veranlasst worden ist, sodass die Gesamtsumme der
bewilligten Leistungen in Höhe von 1.032,96 EUR ausbezahlt worden sind. Dies entspricht auch den Daten der FINAS-Aufstellungen.
Da der Kläger keine Kontoauszüge für diesen Zeitraum vorgelegt hat, woraus sich das Gegenteil ergibt, kann eine unterbliebene
Auszahlung der Leistungen nicht festgestellt werden, wobei der Senat auch keine Zweifel daran hat, dass die vom Beklagten
dokumentierten Auszahlungen erfolgt sind.
Im Hinblick auf die vollständige Auszahlung der bewilligten Leistungen kann es dahin stehen, ob der Kläger berechtigt gewesen
wäre, die Auszahlung nicht nur an sich, sondern auch an A. und F. A. als Gesamtgläubiger zu verlangen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.