Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Prüfung der Betriebsausgaben bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger
Arbeit
Gründe:
I. Der Antragsteller (ASt) begehrt die Feststellung, dass die Antragsgegnerin (Ag) verpflichtet sei, innerhalb von vier Wochen
eine Entscheidung zu treffen, nachdem die Anschaffung eines höherwertiges Gut angezeigt worden ist. Zudem habe die Ag die
endgültigen Feststellungen in Bezug auf die Leistungsansprüche monatlich zu treffen.
Der ASt und seine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau sowie deren gemeinsame Tochter beziehen sei 01.01.2005 laufend
Alg II unter Anrechnung von Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit des ASt als Steinbildhauer.
Zuletzt bewilligte die Ag mit Bescheid vom 22.01.2009 vorläufig laufende Leistungen in Höhe von 233,81 EUR monatlich für den
Bewilligungszeitraum vom 01.02.2009 bis 31.07.2009.
In der Folgezeit legte der ASt - wie bereits seit längerem praktiziert - zu Beginn eines Monats die Einnahmeüberschussrechnung
für den jeweils vorangegangenen Monat bei der Ag vor, woraufhin diese die Leistungen monatsweise endgültig feststellte (Bescheide
vom 23.02.2009, 12.03.2009 und 01.07.2009 für Januar 2009; Bescheide vom 08.04.2009 und 01.07.2009 für Februar 2009; Bescheide
vom 28.04.2009 und 01.07.2009 für März 2009; Bescheid vom 03.06.2009 für April 2009; Bescheid vom 07.07.2009 für Mai 2009;
Bescheid vom 27.07.2009 für Juni 2009; Bescheid vom 17.09.2009 für Juli 2009).
Im Anschluss an den Fortzahlungsantrag vom 25.06.2009 bewilligte die Ag für den Bewilligungszeitraum 01.08.2009 bis 31.01.2010
der Bedarfsgemeinschaft vorläufig laufende Leistungen in Höhe von 452,67 EUR (Bescheid vom 21.07.2009). Sie berücksichtigte
hierbei Einkommen des ASt in Höhe von 500,00 EUR monatlich. Eine monatliche Abrechnung werde nicht mehr erfolgen. Die endgültige
Feststellung sei - nach Änderung des § 3 Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) - nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes
vorzunehmen.
In Bezug auf den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 05.10.2009 (Widerspruch vom 27.07.2009) hat der ASt am 13.10.2009
einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Nürnberg (SG) gestellt (S 10 AS 1361/09 ER), über den bislang nicht entschieden ist. Der Eingang einer Klage gegen den Widerspruchbescheid vom 05.10.2009 ist nicht
zu verzeichnen.
Bereits am 29.07.2009 hat der ASt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim SG die Feststellung beantragt, dass die Ag verpflichtet sei, innerhalb von vier Wochen eine Entscheidung zu treffen, nachdem
die Anschaffung eines höherwertiges Gutes angezeigt worden ist. Zudem sei die Feststellung zu treffen, dass die Ag die endgültigen
Festsetzungen in Bezug auf die Leistungsansprüche monatlich zu treffen habe.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 28.09.2009 abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch in Bezug auf die gestellten Anträge sei nicht
gegeben. Hinsichtlich des Begehrens die Ag zu verpflichten, innerhalb von vier Wochen über Anträge zu entscheiden, stehe dem
grundsätzlich die Regelung des §
88 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) entgegen, wonach der Verwaltung in aller Regel bis zu sechs Monate Zeit zu geben sei, ehe deren Untätigkeit in zulässiger
Weise angegriffen werden könne. Darüber hinaus gebe es keine Rechtsgrundlage, die Ag allgemein zu dem vom ASt geforderten
Verhalten zu verpflichten. Soweit im Einzelfall die Entscheidung über einen Antrag keinen Aufschub dulde, sei der ASt gegebenenfalls
gehalten, einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Das weitergehende Begehren einer monatlichen endgültigen Festsetzung
der Leistungsansprüche finde im geltenden Recht keine Grundlage. Die durch den Gesetzgeber in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II und
§ 3 Alg II-V vorgegebene Anrechnungsmethode des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit mache es vielmehr erforderlich, eine
endgültige Festsetzung erst nach Ablauf des maßgeblichen Bewilligungszeitraumes - dann jedoch zügig - vorzunehmen.
Gegen diesen Beschluss hat der ASt am 13.10.2009 Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter
Instanz Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§
172,
173 SGG, in der Sache jedoch nicht begründet.
Vorliegend begehrt der ASt zwar anlässlich des Beiwilligungsbescheides vom 21.07.2009 (Zeitraum 01.08.2009 bis 31.01.2010),
im Ergebnis jedoch unabhängig von dieser Regelung - über den konkreten Bewilligungszeitraum hinausgehend - die Feststellung
bestimmter allgemeiner Pflichten, die die Ag im Zusammenhang mit dem Alg II-Bezug des ASt zu erfüllen habe. In Bezug auf diese
Anliegen wird der ASt im Rahmen des Hauptsacheverfahrens eine Feststellungsklage zu erheben haben, so dass für die Frage,
ob die Ag zu dem begehrten Verhalten zu verpflichten ist, §
86b Abs
2 Satz 2
SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darstellt.
Eine einstweilige Regelung ist zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann
der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu
deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69 (74); vom 19.10.1997 BVerfGE 46, 166 (179) und vom 22.11.2002 NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. Rn. 652)
Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen
eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die
Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§
86b Abs
2 Satz 2 und
4 SGG i.V.m. §
920 Abs
2, §
294 Zivilprozessordnung -
ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
86b Rn. 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes
sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen
Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 Breithaupt 2005, 803 = NVwZ 2005, 927, NDV-RD 2005, 59) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich
unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
Unter Beachtung dieser Kriterien hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurecht abgelehnt, wobei in diesem Zusammenhang bereits die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens
in Frage steht. Zum einen hat der ASt die Möglichkeit, im Anschluss an einen Bewilligungsbescheid - jeweils nach Ablauf eines
Monats - eine endgültige Festsetzung des Anspruches - gegebenenfalls im Wege einer Verpflichtungsklage - zu betreiben, so
dass ein Feststellungsantrag gegenüber der Leistungsklage in aller Regel subsidiär sein dürfte (vgl. Keller aaO. § 55 Rn.19).
Zum anderen macht der ASt geltend, dass die Ag - innerhalb von vier Wochen - eine Entscheidung in Bezug auf von ihm angezeigte
Anschaffungen zu treffen habe. Dieses Begehren, wäre - auch als Verpflichtungsklage vorgetragen - im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens
als unzulässige Elementenfeststellungsklage anzusehen (vgl. Keller aaO. § 55 Rn. 9), denn der ASt begehrt hiermit die isolierte
Feststellung eines Berechnungselementes des Leistungsanspruches.
Dies kann im Ergebnis kann jedoch offen bleiben, denn ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht.
Es ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich, nach der die Ag verpflichtet wäre, eine Entscheidung zu den vom ASt angezeigten
Anschaffungen innerhalb von vier Wochen zu treffen, so dass auch die entsprechende Feststellung einer solchen Pflicht nicht
beansprucht werden kann.
In diesem Zusammenhang verkennen die Beteiligten, dass § 3 Abs 3 Alg II-V (idF des Gesetzes vom 18.12.2008 BGBl. I S. 2780) keine Rechtsgrundlage dafür bietet, Anschaffungen eines selbständig tätigen Leistungsempfängers vorab - iS einer Genehmigung
oder Ablehnung - zu kontrollieren. Die Frage der Anschaffung von Gütern für betriebliche Zwecke obliegt allein der Verantwortung
des Leistungsempfängers, und der Leistungsträger hat lediglich ein nachgehendes Prüfungsrecht, ob die getätigten Investitionen
mit dem Bezug von steuerfinanzierten Sozialleistungen in Einklang zu bringen oder ob offenkundige Manipulationen zu Lasten
der Sozialkassen zu belegen sind. Lediglich in letzterem Fall hat der Leistungsträger die Befugnis tatsächliche Aufwendungen
unberücksichtigt zu lassen, wohingegen allein die Zweckmäßigkeit der betrieblichen Mittelverwendung seitens des Leistungsträgers
nicht zu kontrollieren ist. Dies ist allein das Privileg aber auch das Risiko des Unternehmers, d.h. des Leistungsempfängers,
der demgegenüber dann auch nicht damit gehört werden kann, dass seine Einnahmen Schwankungen unterworfen seien, die der Leistungsträger,
d.h. der Steuerzahler auszugleichen habe. Dies obliegt allein dem selbständig tätigen Leistungsempfänger, denn das Risiko
eines Unternehmers drückt sich typischerweise in Schwankungen des Betriebsergebnisses aus, die der ASt - wie jeder nicht von
Sozialleistungen abhängige Unternehmer - eigenständig durch zweckmäßige Mittelverwendung im Laufe eines Geschäftsjahres auszugleichen
hat, um seinen Beitrag zu seinem Lebensunterhalt zu erbringen. Diesem Grundgedanken der Verteilung des unternehmerischen Risikos
trägt auch die Regelung des § 3 Alg II-V in ihrer Gesamtheit Rechnung.
Der ASt kann allenfalls geltend machen, die Ag habe ihn im Rahmen des Bescheides vom 21.07.2009 verpflichtet, außergewöhnliche
Betriebsausgaben vorab anzumelden, so dass sich hieraus ein Anspruch auf eine entsprechende Vorabentscheidung ableite.
Der Hinweis im Bescheid vom 21.07.2009, der die Qualität einer Nebenbestimmung iSd § 33 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht erreicht, erlegt dem ASt - mangels Rechtsgrundlage - zwar zu Unrecht eine Mitteilungspflicht auf, denn auf der Grundlage
des § 3 Alg II-V ist der Leistungsträger nicht berechtigt, während des laufenden Bewilligungszeitraumes eine Einkommensprognose
anzupassen, und es widerspricht dem Wesen einer Prognose eine Anpassung vorzunehmen, insbesondere wenn - wie vorliegend -
die Befugnis besteht eine vorläufige Entscheidung zu treffen (§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr.1a SGB II) und nach Abschluss des Bewilligungszeitraumes
eine endgültige Festsetzung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vorzunehmen (§ 3 Abs 6 Alg II-V), so dass
der ASt während des laufenden Bewilligungszeitraumes wesentliche Änderungen in Bezug auf seine selbständige Tätigkeit nur
insoweit mitzuteilen hat, wie sie den Bezug der Einkünfte dem Grunde nach betreffen.
Aus dem Hinweis im Bescheid vom 21.07.2009 ist jedoch nicht abzuleiten, dass die Ag verpflichtet wäre, auf Antrag eine Regelung
für den Einzelfall in Bezug auf eine konkrete Anschaffung, d.h. einen Verwaltungsakt zu erlassen, denn die isolierte Feststellung
eines Berechnungselementes des Leistungsanspruches ist einer Entscheidung durch Verwaltungsakt nicht zugänglich.
Es kann allenfalls in Form einer Zusicherung (§ 34 SGB X) geschehen, ein bestimmtes Berechnungselement im Rahmen einer endgültigen Festsetzung zu berücksichtigen, wobei auf die Erteilung
einer Zusicherung jedoch regelmäßig kein Anspruch besteht. Die Abgabe einer solchen Zusicherung steht allein im pflichtgemäßen
Ermessen eines Leistungsträgers (vgl. BSGE 56, 249, 251). Um unter diesen Voraussetzungen in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anordnungsanspruch annehmen
und die vom ASt begehrte Feststellung aussprechen zu können, müssen die Voraussetzungen für die Reduzierung dieses Ermessens
in der Weise vorliegen, dass jede andere Entscheidung als die beantragte rechtlich fehlerhaft erscheinen muss (vgl. BayLSG,
Beschluss vom 20.06.2007 - L 11 B 116/07 SO ER; zur sog. "Ermessensreduzierung auf Null"; Keller aaO. § 86b Rn. 30a).
Hierfür gibt es nach Lage der Akten jedoch keinerlei Anhaltspunkte, insbesondere ist - abgesehen von dem rechtlich fehlerhaften
Hinweis im Bescheid vom 21.07.2009, der sich bislang auf den Bewilligungszeitraum bis 31.01.2010 beschränkt - kein Aspekt
ersichtlich, der es auf Dauer rechtfertigen würde, der Ag eine Verpflichtung aufzuerlegen, Anträge des ASt in Bezug auf beabsichtigte
Anschaffungen vorab zu überprüfen und innerhalb einer bestimmten Frist zu verbescheiden.
Soweit der ASt bei der Ag im Einzelfall einen Antrag auf Erteilung einer Zusicherung stellt, ergibt sich daraus auch keine
Reduzierung des Ermessens in dem Sinne, dass der ASt allein wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit Anspruch auf eine kurzfristigen
Entscheidung innerhalb von vier Wochen hätte, denn Gesetzgeber hat dem Interesse der Leistungsempfänger auf rasche Klärung
eilbedürftiger Angelegenheiten durch die Regelung des §
88 SGG sowie die Vorschriften über den einstweiligen Rechtsschutz hinreichend Rechnung getragen.
Auch in Bezug auf den weitergehenden Feststellungsantrag, die Ag sei verpflichtet, die endgültigen Festsetzungen monatlich
zu treffen, ist ein Anordnungsanspruch nicht gegeben, denn nach der geltenden Rechtslage (§ 3 Abs 4 Satz 1 Alg II-V) hat die
Ag einer Leistungsbewilligung das Durchschnittseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit während des Bewilligungszeitraumes
zugrunde zu legen, das aus tatsächlichen Gründen erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes ermittelt werden kann, so dass
im Falle einer vorläufigen Bewilligung (§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II) die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruches
auch erst nach dem Ende des Bewilligungsabschnittes - und nicht wie vom ASt gefordert monatlich - zu erfolgen hat.
Auf die beiden zuletzt genannten Aspekte hat bereits das SG zurecht und mit zutreffender Begründung abgestellt, so dass von einer weiteren Begründung abzusehen und auf die Gründe des
angefochtenen Beschlusses zu verweisen ist, §
142 Abs
2 Satz 3
SGG.
Darüber hinaus ist auch ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit nicht zu erkennen, zumal es der ASt
bislang auch nicht für notwendig erachtet hat, ein entsprechendes Hauptsacheverfahren auf den Weg zu bringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG und folgt aus dem Unterliegen des ASt.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar, §
177 SGG.