Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Prüfung der Erfolgsaussicht
1. Keine Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht.
2. Prozesskostenhilfe muss nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich
geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende
Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint. Ist dies dagegen nicht der
Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren,
der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten. [Amtlich
veröffentlichte Entscheidung]
Gründe
I.
Streitig ist, ob das Verfahren S 9 AS 346/11 betreffend eine Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) durch die Erklärung der Klagerücknahme beendet worden ist.
Seine am 31.05.2011 erhobene Klage hat der damals von einer Bevollmächtigten vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung
vom 16.02.2012 zurückgenommen. Am 30.03.2012 hat er diese Rücknahmeerklärung angefochten und um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
(PKH) gebeten. Das SG hat mit Beschluss vom 26.09.2012 die Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Es sei von der
Wirksamkeit der Klagerücknahmeerklärung auszugehen, sodass der Rechtsstreit gemäß §
102 Abs.
1 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in der Hauptsache erledigt sei. Ein Widerruf bzw. eine Anfechtung dieser Rücknahmeerklärung sei nur bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen
möglich. Dafür fehlten jedoch jegliche Anhaltspunkte.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben und ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren erbeten,
weil, seit er einen Mehrbedarf am 07.02.2008 beim Beklagten beantragt habe, das Verfahren desolat behandelt worden sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für
die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht
den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder
zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich
ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl. §
73a Rn.7). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch
von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch
nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die
durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist
es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten
ihres Begehrens PKH vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060 ff).
Am Vorliegen der hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt es vorliegend. Die Erklärung der Klagerücknahme wurde vom Kläger wirksam
im Beisein seiner Bevollmächtigten abgegeben. Diese Erklärung ist eine Prozesshandlung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/
Leitherer,
SGG, 10.Aufl., §
102 Rdnr 7c). Diese wurde vom Kläger unmissverständlich erklärt und so in die Niederschrift aufgenommen. Wie sich aus dem Protokoll
ergibt (§
122 SGG i.V.m. §
165 Satz 1
Zivilprozessordnung -
ZPO -) wurde sie dem Kläger nochmals vorgelesen und von ihm genehmigt. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften
ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§§
122 SGG,
159,
160 ZPO). Eine Unterschrift der Beteiligten ist nicht erforderlich.
Der Kläger kann die Zurücknahme der Klage als Prozesshandlung nicht wegen Irrtums, weil er die Verfahrensbeendung nicht gewollt
habe, anfechten oder sie widerrufen (vgl. dazu BayLSG, Urteil vom 11.07.2012 - L 10 AL 197/11 - m.w.N.). Auch die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§§
179,
180 SGG, §
578 ff
ZPO) sind nicht gegeben. In den Ausführungen des Klägers finden sich hierzu keinerlei Anhaltspunkte.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).