Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer, der seinen Wohnsitz in Österreich hat, begehrte in dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht
München die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, die die Beklagte und Beschwerdegegnerin mit Bescheid vom 4. November
2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2005 abgelehnt hatte. Der Beschwerdeführer bevollmächtigte
mit Sitz in B-Stadt.
Der Kammervorsitzende wies die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 darauf hin, dass Mitglieder ausländischer
Gewerkschaften und Vereinigungen in der Bundesrepublik Deutschland für ihre Mitglieder als Prozessbevollmächtigte nicht tätig
werden können (§
73 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
In der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2007 war für den Beschwerdeführer niemand erschienen. Das Sozialgericht wies
die Klage mit Urteil vom 20. Dezember 2007 als unbegründet ab.
Die Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers haben mit Schreiben vom 21. Dezember 2007 die Ansicht vertreten, eine Zurückweisung
verstoße gegen das Recht der Europäischen Union (EU). Sie baten für den Fall, dass das Sozialgericht der Ansicht sei, eine
Vertretung durch die Kammer sei in dem Verfahren nicht möglich, um Erlass eines Beschlusses. Mit Beschluss vom 23. Mai 2008
wies das Sozialgericht die Kammer für Arbeiter als Bevollmächtigte zurück. Ein Sitz der Vereinigung im Inland sei nicht nachgewiesen.
Zur Begründung der Beschwerde hat der Beschwerdeführer einen Widerspruch gegen geltendes EU-Recht vorgebracht. Um einen Mandanten
in einem deutschen Rentenverfahren vertreten zu können, sei ein Sitz der Institution in Deutschland im Sinne der freien Vertretungswahl
nicht zwingend erforderlich. Die Kammer für Arbeiter und Angestellte sehe sich in jedem Fall weiterhin als gesetzliche Interessenvertretung
legitimiert, ihre Mandanten auch in deutschen Sozialrechtssachen zu vertreten. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 9. Oktober
2008 ist keine Stellungnahme des Beschwerdeführers eingegangen.
II. Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss des Sozialgerichts ist unzulässig. Ihr
fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.
Maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 23. Mai 2008 ist §
73 SGG in der bis 30. Juni 2008 gültigen Fassung (a.F.). Nach §
73 Abs.
1 SGG a.F. können sich die Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens durch prozessfähige Bevollmächtigte vertreten lassen. Für die
Zurückweisung von Bevollmächtigten gilt gemäß §
73 Abs.
6 S. 1
SGG a.F. §
157 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) in der ebenfalls bis 30. Juni 2008 gültigen Fassung entsprechend. Allerdings gilt §
157 Abs.
1 ZPO a.F. nicht für Bevollmächtigte, die Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften, von selbstständigen Vereinigungen von
Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung (...) sind, d.h., diese können grundsätzlich Bevollmächtigte
sein (zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2005, §
73 Rdnr. 4 c). Die Zurückweisung bedarf eines Beschlusses, gegen den die Beschwerde zulässig ist (§
172 Abs.
1 SGG). Der Ausschluss ergibt sich somit nicht kraft Gesetzes, sondern bedarf der Zurückweisung durch Beschluss des Gerichts (a.A.
Thomas/Putzo,
Zivilprozessordnung, 28. Aufl. 2007, §
157 Rdnr. 3 zu §
157 ZPO a.F.).
Vorliegend erfolgte die Zurückweisung erst nach Verkündung des Urteils. Bis zur Zurückweisung sind alle Prozesshandlungen
des Zurückgewiesenen wirksam. Das Sozialgericht verwarf die Klage deshalb zutreffend auch nicht als unzulässig (BSG SozR 1500
§ 73 Nr. 2), sondern setzte sich mit der materiellen Rechtslage auseinander und wies die Klage als unbegründet ab. Da der
Zurückweisungsbeschluss konstitutiv wirkt und die Rechtswirkung auf die Zukunft des Verfahrens gerichtet ist, ist nicht ersichtlich
und nicht vorgebracht, wie der Beschwerdeführer in seinen Rechten berührt ist.
Im Übrigen ist die Beschwerde aber auch unbegründet. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits in seinem Beschluss vom 13.
Januar 1984 (BSG, SozR 1500 § 166 Nr. 11, ergangen zu § 166 Abs. 2
SGG) ausgeführt, dass zu den selbstständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung
Vereinigungen mit Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des
SGG jedenfalls dann nicht gehören, wenn ihre zur Prozessvertretung berufenen Mitglieder oder Angestellten ausländische Staatsangehörige
sind. Dies ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift, jedoch aus deren Sinn und Zweck. Wie § 166
SGG bezweckt auch §
73 SGG, die Prozessvertretung durch sachkundige Personen sicher zu stellen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl. 2008, §
73 Rdnr. 2). Eine Vereinigung mit Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des
SGG bietet nach der Entscheidung des BSG nicht die Gewähr dafür, dass die von ihr bestellten Prozessbevollmächtigten über die
für eine Vertretung im Verfahren erforderlichen besonderen und detaillierten Kenntnisse des materiellen und des Verfahrensrechts
der Bundesrepublik Deutschland verfügen und damit insbesondere rechtsunbeholfenen Beteiligten die Möglichkeit einer sachgemäßen
Prozessvertretung sichern (vgl. auch BSG SozR Nr. 20 zu § 166
SGG). Diese Gewähr sei allein bei einer Vereinigung mit Sitz innerhalb des Geltungsbereichs des
SGG gegeben.
Diese Entscheidung des BSG wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1985, SozR
1500 § 166 Nr. 14), das darin keinen Verstoß gegen Art.
3 Abs.
1 und
3 des Grundgesetzes (
GG) sowie gegen Art.
103 Abs.
1 GG sieht. Dies entspricht auch der Fachliteratur (z.B.: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 73 Rdnr. 27 m.w.N.).
Der Senat sieht darin auch keinen Verstoß gegen Europäisches Recht. Insbesondere findet das Gesetz über die Tätigkeit europäischer
Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG vom 9. März 2000, BGBl. I 2000, 182), das Regelungen der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 (ABl. EG Nr. L 77
S. 36), der Richtlinie 89/48/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Dezember 1988 (ABl. EG 1989 Nr. L 19 S. 16) sowie der Richtlinie 77/249/EWG
des Rates vom 22. März 1977 (ABl. EG Nr. L 78 S. 17) umsetzt, keine Anwendung. Der persönliche Anwendungsbereich ist nach
§ 1 EuRAG ausdrücklich auf Rechtsanwälte beschränkt.
Auch die allgemeinen Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU sind nicht
tangiert. Bei der Kammer für Arbeiter und Angestellte handelt es sich um die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer
in Österreich. Sie basiert auf dem österreichischen Arbeiterkammergesetz 1992 (AKG, BGBl. I 626/91) und stellt eine öffentlich rechtliche Körperschaft dar. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer gewährleistet (vgl. Art. 39 des EG-Vertrages in der Fassung vom 2. Oktober 1997, zuletzt geändert durch den Vertrag
über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union vom 25. April 2005 (ABl. EG Nr. L 157/11) m.W.v. 1 Januar 2007), d.h. eine öffentlich rechtliche Körperschaft kann hieraus keine Rechte für sich ableiten. Entsprechendes
gilt für das Niederlassungsrecht, das Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates eingeräumt ist (Art. 43 EG-Vertrag).
Die Kostenentscheidung ergibt sich in entsprechender Anwendung des §
193 SGG und berücksichtigt, dass das Beschwerdeverfahren ohne Erfolg geblieben ist.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).