Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung anstelle einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Die 1946 geborene Klägerin beantragte am 11.12.2006 - vertreten durch den VdK - bei der Gemeinde I. Altersrente wegen Arbeitslosigkeit
und Vollendung des 60. Lebensjahres ab 01.12.2006, die die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 03.01.2007 gewährte
(mtl. 224,39 EUR). Dagegen wurde kein Widerspruch eingelegt.
Mit Schreiben vom 10.03.2007 beschwerte sich die Klägerin über die geringe Rentenhöhe. Sie sei nach einem Sturz bei Glatteis
am 13.12.2005 zu 50% invalide. Die Beklagte erläuterte mit Schreiben vom 03.04.2007 das Zustandekommen der Rentenhöhe unter
Berücksichtigung eines Rentenabschlags, weil die Rente vor dem 65. Lebensjahr in Anspruch genommen werde.
Am 29.04.2007 machte die Klägerin geltend, dass sie die Rente wegen Krankheit beantragt habe. Wegen ihres Unfalls vom 13.12.2005
habe sie nicht mehr arbeiten können, was die Arbeitslosigkeit zur Folge gehabt habe. Sie habe 32 Jahre einbezahlt und zwei
Kinder großgezogen, weshalb sie nur halbtags habe arbeiten können. Die Beklagte legte das Schreiben als Überprüfungsantrag
aus, den sie mit Bescheid vom 04.05.2007 ablehnte. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie erneut auf die Folgen
ihres Unfalls hinwies.
Die Beklagte führte eine fiktive Berechnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Versicherungsfall vom 30.11.2006
und Rentenbeginn 01.12.2006 durch, bei der sich wegen des niedrigeren Rentenabschlags ein Rentenbetrag in Höhe von 244,19
EUR, d.h. ca. 20 Euro netto mehr als bei der bezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ergab. Mit Widerspruchsbescheid
vom 26.07.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Eine Mindestrente sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Von der Überprüfung,
ob die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung vorlägen, sei abgesehen worden, da eine Rentenänderung bei laufender
Altersrente nicht möglich sei. Die Berechnung der Rente sei in Anwendung der gesetzlichen Vorschriften und unter Berücksichtigung
aller Versicherungszeiten zustande gekommen.
Am 02.06.2009 stellte die Klägerin - vertreten durch einen Anwalt - einen erneuten Überprüfungsantrag zum Rentenbescheid vom
03.01.2007. Trotz der Falschbezeichnung im Rentenantrag habe die Klägerin in Wahrheit einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung
stellen wollen. Die Klägerin sei nach ihrem Unfall im Dezember 2005 voll erwerbsgemindert gewesen. Dies ergebe sich aus einem
Attest des Dr. E. vom 12.05.2009 und einem Bericht des Klinikums D. vom 16.12.2005.
Mit Bescheid vom 24.06.2009 wurde der erneute Antrag abgelehnt. Nach bindender Bewilligung einer Altersrente sei gemäß §
34 Abs.
4 Nr.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) der Wechsel in eine Rente wegen Erwerbsminderung ausgeschlossen. Auch wenn vom Vorliegen einer Erwerbsminderung ausgegangen
würde, könne frühestens das Schreiben vom 10.03.2007 als Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung gewertet werden. Damit läge
der Beginn der Rente wegen Erwerbsminderung gemäß §
99 SGB VI nach dem Beginn der Altersrente (01.12.2006). Der Wechsel in eine andere Rentenart sei jedoch ausgeschlossen.
In der dagegen gerichteten Klageschrift - - erläuterte die Klägerin, dass sie das Antragsformular, in dem verschiedene Rentenarten
aufgeführt sind, blanko unterschrieben habe. Sie habe den VdK gebeten, Widerspruch einzulegen. Das Klageverfahren endete durch
Klagerücknahme am 11.11.2010.
Mit Schreiben vom 16.12.2010, das die Beklagte als weiteren Überprüfungsantrag angesehen hat, forderte die Klägerin erneut
den Wechsel der Rentenart. Sie habe inzwischen gegen den VdK Anzeige wegen Betrugs gestellt. Frühere Rentenberechnungen hätten
außerdem höhere Beträge ergeben.
Der streitgegenständliche Antrag wurde mit Bescheid vom 30.12.2010 zurückgewiesen. Darin wurde auf den Bescheid vom 24.06.2009
verwiesen. Es verbleibe bei der bisherigen Sachlage.
Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch vom 10.01.2011 erklärte die Klägerin u.a., dass sie im Juni 2005 eine Tätigkeit bei
der Fa. N. gekündigt habe, weil sie bis dahin keinen Lohn erhalten habe. Eine Tätigkeit auf der Basis von 400 EUR hätte am
15.12.2005 beginnen sollen; davor habe sie aber den Unfall vom 13.12.2005 gehabt, so dass der Vertrag hinfällig geworden sei.
Am 24.03.2011 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht München (S 47 R 746/11) erhoben. Sie hat u.a. ausgeführt, dass sie keine Grundsicherung erhalte, da ihr eine höhere Rente zustehe. In einem Fragebogen
des Gerichts hat sie eine Tätigkeit vom 01.7.2005 bis 13.12.2005 im Verkauf auf 398-EUR-Basis angegeben. Die letzten Arbeitgeber
seien Fa. W. bzw. Fa. W. gewesen, die geschlossen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Der Rentenbescheid vom 03.01.2007 entspreche den einschlägigen Regelungen. Die begehrte Erwerbsminderungsrente sei bereits
im Überprüfungsbescheid vom 04.05.2007 und 24.06.2009 abgelehnt worden. Darauf werde Bezug genommen. Der Widerspruchsbescheid
werde Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens.
Die Klägerin erklärte u.a., dass der VdK die Rente mit falschen Angaben beantragt habe; sie sei bis zu ihrem Unfall am 13.12.2005
nicht arbeitslos gewesen.
Nach Anhörung der Beteiligten ist die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.12.2011 abgewiesen worden. Am 11.12.2006 sei ausdrücklich
die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres beantragt worden. Darüber habe die
Beklagte zutreffend entschieden. Die Klägerin habe erstmals am 10.03.2007 sinngemäß Rente wegen Erwerbsminderung ab 01.12.2006
beantragt. Zu dieser Zeit habe die Beklagte die Rente wegen Alters bereits bindend bewilligt und gezahlt. Nach §
34 Abs.
4 Nr.
1 SGB VI sei der Wechsel in eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen.
Gegen den am 07.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09.12.2011 Berufung eingelegt, die sie mit den bekannten
Einwendungen begründet hat. Ihr Gesundheitszustand habe sich inzwischen verschlechtert.
Die Beklagte hat einen Versicherungsverlauf übermittelt, in dem vom 25.04.2005 bis zum Rentenbezug ab 01.12.2006 Zeiten der
Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vermerkt sind. Für den Zeitraum vom 25.04.2005 bis zum 04.07.2005 ist auch eine Pflichtbeitragszeit
angegeben, die einer Auskunft des N.-Marktes vom 26.03.2009 entspricht.
Dazu hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie in der Zeit vom 01.04.2005 bis 31.07.2005 bei N. gearbeitet, von dort aber keinen
Lohn bezogen habe; sie sei nicht angemeldet worden. Deshalb habe sie die Tätigkeit aufgegeben; die Fa. N. habe aufgrund einer
Klage beim Arbeitsgericht die Löhne nachgezahlt. Ihre letzte Tätigkeit sei auf 400-Euro Basis erfolgt und sie habe einen Ganztagesjob
gesucht.
Wegen der Folgen eines Schlaganfalls hat die Klägerin an der Verhandlung nicht teilnehmen können. Sie hat durch ihren Ehemann
mitteilen lassen, dass die Verhandlung ohne sie stattfinden könne.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 1. Dezember 2011 und des Bescheids der Beklagten
vom 30. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2011 zu verurteilen, den Altersrentenbescheid
vom 3. Januar 2007 und den Bescheid vom 24. Juni 2009 zurückzunehmen und ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Dezember
2006 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie des gerichtlichen Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage gegen den Bescheid vom 30.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.07.2011 zu Recht
abgewiesen. Die Bescheide vom 03.01.2007 und vom 24.06.2009 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2006 statt der gewährten Altersrente wegen
Arbeitslosigkeit.
Nach § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem
Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und
deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid vom 03.01.2007, mit dem Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gewährt wurde, oder der
Bescheid vom 24.06.2009, mit dem explizit auch Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt wurde, rechtswidrig sind, liegen nicht
vor.
Die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres nach §
237 SGB VI wurde rechtmäßig gewährt. Es lag ein eindeutiger Antrag auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit vor. Auch die Voraussetzungen
nach §
237 Abs.1
SGB VI - 52 Wochen der Arbeitslosigkeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres und 6 Monaten (= 10.05.2005) und Arbeitslosigkeit bei
Beginn der Rente - waren erfüllt. Im Versicherungsverlauf ist Arbeitslosigkeit für die Zeit ab 05.07.2005 bis 30.11.2006 ausgewiesen.
Soweit die Klägerin davon abweichend zuletzt erklärt hat, dass sie bis 31.07.2005 bei der Fa. N. gearbeitet hat, entspricht
dieser Zeitraum nicht der Arbeitgeberauskunft der Fa. N. vom 26.03.2009 (01.04.2005 bis 04.07.2005). Im erstinstanzlichen
Fragebogen hat die Klägerin die Tätigkeit bei der Fa. N. im Übrigen nur bis 15.06.2005 angegeben.
Jedenfalls aber ist die Annahme von Arbeitslosigkeit ab 01.08.2005 nicht widerlegt. Nach §
119 Abs.
3 SGB III (i.d.F. ab 01.01.2005) ist die Beschäftigungslosigkeit als Merkmal der Arbeitslosigkeit nicht ausgeschlossen, wenn die Arbeitszeit
weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Soweit
die Klägerin vorträgt, ab 01.07.2005 bis 13.12.2005 eine Verkaufstätigkeit auf 398-EUR-Basis durchgeführt zu haben, ergibt
sich daraus kein Hinweis auf eine mindestens 15 Stunden wöchentlich ausgeübte Beschäftigung. Unterlagen über diese Beschäftigung
liegen nicht vor. Bezüglich der Adresse der letzten Arbeitgeber hat die Klägerin auf bereits "geschlossene" Firmen hingewiesen.
Weitere Aufklärung ist daher nicht möglich.
Die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit kann nicht in eine Rente wegen Erwerbsminderung umgewandelt werden. Ein solcher Wechsel
der Rentenart kommt hier nach §
34 Abs.
4 Nr.
1 SGB VI nicht in Frage. Ob die Klägerin wegen des Unfalls im Dezember 2005 tatsächlich erwerbsgemindert war, kann deshalb dahinstehen.
(4) Nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente ist der Wechsel in
eine
1. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2. Erziehungsrente oder
3. andere Rente wegen Alters
ausgeschlossen.
Ein sinngemäßer Antrag auf Erwerbsminderungsrente ist erstmals für die Beklagte erkennbar im März 2007 gestellt worden. Der
Antrag vom 24.11.2006 ist auch unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes insoweit eindeutig, als nur Rente
wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres beantragt wurde und eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Klägerin,
die Anlass zur Prüfung einer Rente wegen Erwerbsminderung hätte geben können, für die Beklagte auch aus der Verwaltungsakte
nicht erkennbar war.
Nach §
99 Abs.
1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen
für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird,
in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von
dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Demnach käme als Beginn einer Erwerbsminderungsrente nach
dem Vortrag der Klägerin, seit ihrem Unfall im Dezember 2005 erwerbsgemindert zu sein, frühestens der März 2007 in Betracht
Zu diesem Zeitpunkt war der Bescheid vom 03.01.2007 über die Gewährung der Altersrente bereits bindend geworden. Ein Wechsel
ist daher nach §
34 Abs.
4 1. Alternative Nr.
1 SGB VI ausgeschlossen.
Soweit die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass sie auf dem Antragsformular eine Blankounterschrift gegeben und dem VdK die
weitere Ausfüllung überlassen habe, kann daraus jedenfalls kein Beratungsfehler der Beklagten oder der Gemeinde abgeleitet
werden. Ein früherer Rentenantrag kann daher auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs angenommen werden.
Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), sind nicht ersichtlich.