Rentenversicherung
Zuordnung von in Polen zurückgelegter Versicherungszeiten zur Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI
Einstufung in Qualifikationsgruppen
Formelle Qualifikation
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zuordnung der vom Kläger in Polen vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 zurückgelegten Versicherungszeiten
zur Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum
SGB VI.
Der im April 1950 in Polen geborene Kläger, anerkannter Spätaussiedler (Ausweis A), hat seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet
seit 8. Dezember 1986. Nach dem Besuch der Volksschule von 1957 bis 1964 hat er ausweislich der Bestätigung des polnischen
Sozialversicherungsträgers vom 24. April 1987 vom 1. September 1964 bis 30. Juni 1969 das Bergbautechnikum in H. besucht und
im Anschluss daran folgende Tätigkeiten ausgeübt:
3. Oktober 1969 bis 28. Februar 1971: Zimmermann untertage 1. März 1971 bis 14. Juli 1974: Betriebszimmermann untertage 15.
Juli 1974 bis 24. Dezember 1983: Zimmermann untertage
Darüber hinaus ist in dieser Bestätigung vermerkt, dass der Kläger vom 23. März bis 24. Dezember 1983 Krankengeld bezog und
danach ab 25. Dezember 1983 BU-Rente (Invalidenrente) wegen eines Arbeitsunfalls. In der Zeit vom 3. Oktober 1969 bis 24.
Dezember 1983 habe er 3186 Schichten verrichtet, die zu 1 1/2 anzurechnen seien.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens gab der Kläger am 20. Dezember 1986 an, er habe vom 1. Oktober 1969 bis 25. Dezember
1983 eine Tätigkeit als Zimmermann in der Kohlengrube M. verrichtet und Schichtlohn erhalten.
Aus dem polnischen Legitimationsbuch geht für die Zeit vom 3. Oktober 1969 bis 24. Dezember 1983 eine Tätigkeit als Zimmermann
untertage hervor.
Mit Bescheid vom 11. Juli 1989 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf des Klägers gemäß § 108 h Abs. 3 RKG für die
Zeiten bis 31. Dezember 1982 fest. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 8. November 1999 stellte die Beklagte nach
§
149 Abs.
5 SGB VI die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als 6 Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis
31. Dezember 1992, als für die Beteiligten verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind. Die
in dem beigefügten Zuordnungsblatt eingetragenen rentenrechtlichen Zeiten würden in dem angegebenen Umfang anerkannt. Es seien
Zeiten zurückgelegt worden, die nach bisherigen rentenrechtlichen Vorschriften berücksichtigt wurden. Diese Vorschriften seien
geändert worden. Es sei geprüft worden, welche Zeiten nach den Neuregelungen anzurechnen sind. Sie seien in diesem Bescheid
dargestellt. Bisherige Bescheide über die Berücksichtigung dieser Zeiten werden hiermit insoweit aufgehoben. Aus dem Bescheid
geht hervor, dass die Zeit vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 der Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet worden ist.
Mit Schreiben vom 19. März 2008 begehrte der Kläger eine Überprüfung seiner Einstufung in Qualifikationsgruppen. Er habe das
Berufstechnikum abgeschlossen und müsse daher in die Qualifikationsgruppe 2 eingestuft werden. Er legte eine Bescheinigung
des hessischen Kultusministers vom 7. September 1987 vor. Daraus geht hervor, dass der Kläger am Bergbautechnikum Fachrichtung
Bergbauwesen in H. eine Ausbildung als Bergbautechniker abgeschlossen habe (nachgewiesen durch das Reifezeugnis). Er sei damit
berechtigt, die Berufsbezeichnung "Staatlich geprüfter Techniker Fachrichtung Bergbautechnik" zu führen.
Der Überprüfungsantrag wurde mit Bescheid vom 27. März 2008 abgelehnt. Es müsse nachgewiesen werden, dass eine der Qualifikation
entsprechende Tätigkeit auf Technikerniveau tatsächlich ausgeübt worden sei. Nach den vorliegenden Arbeitsbescheinigungen
sowie der Bestätigung des polnischen Rentenversicherungsträger habe er vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 jedoch durchgehend
die Facharbeitertätigkeit als Zimmermann/Betriebszimmermann untertage ausgeübt. Es verbleibe daher bei der Einstufung in die
Qualifikationsgruppe 4. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit weiterem Bescheid vom 9. Juni 2009 stellte die Beklagte erneut den Versicherungsverlauf gemäß §
149 Abs.
5 SGB VI fest. Für die Zeit vom 1. September 1964 bis 17. April 1967 könnten wegen einer Rechtsänderung die bisher vorgemerkten Anrechnungszeiten
wegen schulischer Ausbildung nicht mehr berücksichtigt werden.
Der hiergegen erhobene, nicht näher begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2009 zurückgewiesen.
Zur Begründung der hiergegen zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage (Az. S 4 KN 197/09) verwies der Kläger auf seine in Polen absolvierte Ausbildung zum Bergbautechniker. Techniker seien in die Qualifikationsgruppe
2 einzustufen. Zwar sei die Tätigkeit des Klägers im betroffenen Zeitraum als Zimmermann bzw. als Betriebszimmermann bezeichnet
worden. Der Kläger sei aber nicht lediglich als Facharbeiter im Einsatz gewesen, sondern habe Aufsichtsaufgaben innegehabt.
Insbesondere sei er aufgrund seiner Ausbildung und Qualifikation als Vorarbeiter beschäftigt worden. Er habe deswegen täglich
ca. 1,5 Stunden vor dem jeweiligen Untertageeinsatz an Betriebsbesprechungen teilgenommen, in denen die Tagesaufgaben verteilt
worden seien. Anschließend habe er als Vorarbeiter den einzelnen Bergleuten ihre Aufgaben in seiner Gruppe zugeteilt. Während
des Einsatzes sei er befugt gewesen, die Ausführung der Aufgaben zu kontrollieren. Für die Sicherheit am Arbeitsplatz sei
er ebenfalls verantwortlich gewesen. Nach der Durchführung des Tageseinsatzes sei es seine Aufgabe gewesen, entsprechende
Berichte über die ausgeführten Einsätze zu schreiben und diese an die Hauptaufsichtsperson weiterzugeben. Er habe auch die
Verantwortung dafür getragen, dass alle Mitarbeiter ihrer Gruppe eine Einsatzmarke ausgehändigt erhielten bzw. sie diese nach
ihrem Einsatz wieder zurückgegeben haben. Er habe also beaufsichtigt, ob alle Mitarbeiter aus ihrem Einsatz zurückkommen.
Außerdem habe er ca. einmal wöchentlich die Mitarbeiter seiner Gruppe hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen und Vorschriften
zu unterrichten gehabt. Er habe aufgrund seiner Qualifikation eine Vorarbeiterfunktion innegehabt.
Die Klage wurde vom Kläger im Termin vom 16. November 2010 zurückgenommen, nachdem der Vorsitzende darauf hingewiesen hatte,
dass die Klage unzulässig sei, weil der Kläger hinsichtlich seines Antrags mit dem Bescheid vom 9. Juni 2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 16. November 2009 nicht beschwert sei. Die streitgegenständlichen Zeiten seien bereits mit Feststellungsbescheid
vom 8. November 1999 bestandskräftig festgestellt worden.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2011 begehrte der Kläger erneut die Überprüfung des Versicherungsverlaufs und die Einstufung in
die Qualifikationsgruppe 2. Es wurden Erklärungen von drei ehemaligen Mitarbeitern der Kohlengrube M., den Herren E., F. und
C. vorgelegt. Daraus ergäben sich das Ausmaß der Aufgaben des Klägers sowie seine Position in der betrieblichen Hierarchie.
Aus der Erklärung des Herrn E. vom 24. Mai 2011 geht hervor, er sei vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 Mitarbeiter in dem
Steinkohlenbergwerk M. gewesen. Seitdem habe er den Kläger gekannt. Der Kläger sei in diesem Zeitraum als Zimmerhauer beschäftigt
gewesen. Es sei bekannt, dass der Kläger das Bergbautechnikum beendet und an Berufsfortbildungslehrgängen oder Lehrgängen
zum Zweck der Qualifikationserhöhung teilgenommen habe. In Anbetracht der Ausbildung als Bergbautechniker habe er in der Aufsicht
gearbeitet. In Anbetracht der Ausbildung seien ihm Aufgaben mit einem Schwierigkeitsgrad und dem Verantwortlichkeitsbereich
anvertraut worden, die für Personen mit seiner technischen Ausbildung vorgesehen gewesen seien. Er habe an Besprechungen vor
seiner Schicht, vor der täglichen Arbeitsaufnahme teilgenommen (ca. 1,5 Stunden). Vor der Einfahrt habe er die Zuteilung der
Arbeitnehmer und der Arbeit für die einzelnen Posten der Arbeitsverrichtung untertage vorgenommen. Er habe sich mit der Verantwortung
für den Arbeitsschutz befasst, nach der Ausfahrt über Tage schriftliche Berichte für die höhere Aufsicht verfasst. Er habe
auch Belegschaftsschulungen im Bereich des Arbeitsschutzes und der Arbeitshygiene durchgeführt. Es sei oft vorgekommen, dass
Aufsichtsarbeitnehmer als einfache Arbeitnehmer geführt worden seien. Tatsächlich hätten sie jedoch andere, höhere Funktionsposten
bekleidet als die, die aus der Lohn-Personalzuordnung ersichtlich gewesen seien. Soweit ihm bekannt sei, habe eine solche
Situation über einen gewissen Zeitraum hindurch auch beim Kläger stattgefunden.
Herr F. erklärte, der Kläger sei in den siebziger Jahren sein Vorgesetzter als mittlere Aufsicht gewesen. Er habe das Bergbautechnikum
beendet und Arbeiten als mittlere Aufsicht verrichtet, obwohl er keine Ernennung besessen habe. Als Arbeitnehmer der mittleren
Aufsicht habe er an den täglichen Abfertigungen teilgenommen und die Arbeitnehmer untertage für die täglichen Aufgaben vorbereitet.
Herr C. führte aus, er kenne den Kläger seit 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983. In diesem Zeitraum sei der Kläger als Betriebszimmermann
beschäftigt gewesen. Im Übrigen finden sich - in einer fast wortgleichen Erklärung - dieselben Ausführungen wie bei Herrn
E ...
In einem von der Beklagten übermittelten Fragebogen gab der Kläger an, die Beschäftigung im strittigen Zeitraum sei nur untertage
im Dreischichtenmodell verrichtet worden. Er habe Barlohn zzgl. 8 t Kohle pro Jahr und eine Leistungszulage einmal im Quartal
erhalten. Er habe Aufsichts- und Dispositionsbefugnisse gegenüber anderen Beschäftigten gehabt. Seiner Aufsicht hätten 20-30
Facharbeiter/angelernte Kräfte unterstanden. Er habe ausschließlich Überwachungstätigkeiten ausgeführt. Zu seinen Pflichten
habe gehört:
- Teilnahme bei der Vorschicht-Abfertigung vor dem Arbeitsbeginn (1,5 Stunden vor den Einfahrten untertage) - Arbeits- und
Beschäftigtenverteilung auf einzelne Posten - Kontrolle der Posten und der ausgeübten Arbeit untertage, Kontrolle der Arbeitssicherheit
- Nach der Ausfahrt: Schreiben der Berichte über ausgeübte Arbeiten und Beratung im Büro der höheren Aufsicht - Prüfung der
Markenkontrolle, ob alle Beschäftigte von untertage ausgefahren sind. Außerdem habe die Schulung der Mannschaft aus dem Bereich
Arbeitsschutz und Arbeitshygiene einmal in der Woche zu seinen Pflichten gehört.
Das Reifezeugnis eines Technikums vom 20. September 1969 wurde vorgelegt. Danach hat der Kläger das Recht erworben, den Titel
eines Bergbautechnikers zu führen.
Die Beklagte legte daraufhin die eigenen Angaben des Klägers sowie die drei Zeugenaussagen dem polnischen Versicherungsträger
vor und bat um Mitteilung, ob statt der Tätigkeit als Zimmermann untertage tatsächlich die Tätigkeit als Aufseher verrichtet
worden sei. Der polnische Versicherungsträger antwortete, in dem Archiv der Grube befinde sich keine Dokumentation, die bestätige,
dass der Kläger während der Beschäftigung als Zimmermann untertage die Arbeit als Aufseher durchgeführt habe. Aus der Lohndokumentation
gehe auch nicht hervor, dass der Kläger die Aufsichtsarbeiten über die Arbeiter durchgeführt habe. Die übersandten Kopien
der Zeugenaussagen könnten als Beweismittel für die Durchführung der Änderung der Eintragung im Bereich der Tätigkeit nicht
verwendet werden.
Mit Bescheid vom 16. August 2012 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der polnische Versicherungsträger habe anhand
der Personalakte und Lohndokumentation des Klägers die Tätigkeit als Aufseher nicht bestätigt. Auch habe der Kläger laut Arbeitsbescheinigung
1 1/2 fache Schichten in dem besagten Zeitraum zurückgelegt. Zudem habe er am 13. April 1983 einen Arbeitsunfall erlitten,
der nach seinen eigenen Angaben beim Heben eines Kohletransportes geschehen sei. Diese beiden Tatsachen sprächen der Annahme
der Tätigkeit eines Aufsehers entgegen.
Der hiergegen erhobene, nicht begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2012 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben, das den Rechtsstreit zuständigkeitshalber an das SG verwiesen hat. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei Bergbautechniker und habe die Prüfung am 22. September 1969
in Polen erfolgreich bestanden. Er habe auch eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Dies ergebe sich aus den Aussagen der
ehemaligen Mitarbeiter E., F. und C ...
Mit Bescheid vom 23. Mai 2013 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit
ab dem 1. Mai 2013. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf das Rechtsmittel des Widerspruchs hingewiesen. Dieser wurde vom
Kläger mit Schreiben vom 14. Juni 2013 eingelegt. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 erklärte die Beklagte, der Altersrentenbescheid
sei Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden.
In der mündlichen Verhandlung am 18. November 2013 hat der Kläger erklärt, er habe während seiner gesamten Zeit in Polen die
gleichen Tätigkeiten ausgeübt. Er habe als Aufseher in einer Schicht gearbeitet. Körperliche Tätigkeiten als Zimmermann habe
er nicht ausgeübt. Sein Vorgesetzter sei ein Schichtsteiger gewesen. Für ihn habe er in einem Abschnitt die Aufsicht ausgeübt.
Sein Arbeitstag habe mindestens 11 Stunden gehabt, die normalen Zimmermänner hätten nur 7,5 Stunden täglich gearbeitet. Er
habe einen weißen Helm getragen; dies habe einen Aufseher symbolisiert. Die Zimmermänner hätten braune Helme getragen. Der
Unfall habe sich wie folgt ereignet: er habe gesehen, wie die Kohle vom Band gefallen sei und habe dann geholfen, diese wieder
auf das Band zu heben. Dabei habe er sich an der Wirbelsäule verletzt. Vor und nach jeder Schicht habe er im Büro über Tage
gearbeitet. Er habe vom Obersteiger im Beisein des Schichtsteigers Anweisungen erhalten und habe ihm Bericht gegeben. Er habe
erst nach Hause gehen dürfen, wenn alle Arbeiter ihre Marken abgegeben hätten. Die polnischen Zeugenaussagen seien von den
Zeugen persönlich geschrieben worden. Er habe ihnen eine Vorlage unterbreitet.
Mit Urteil vom 18. November 2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2012 aufgehoben
und die Beklagte verurteilt, dem Bescheid vom 8. November 1999 abzuändern und die Zeiten vom 3. Oktober 1969 bis 31. März
1983 in die Qualifikationsgruppe 2 einzustufen.
Der Altersrentenbescheid sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da dieser Bescheid den Bescheid vom 16. August
2012 weder abändere noch ersetze. Der streitgegenständlichen Bescheid sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X lägen vor. Der Kläger habe eine seiner Qualifikation als Techniker entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Eine reine Aufsichtstätigkeit
auf der mittleren Ebene im Bergbau nach Abschluss des Bergbautechnikums sei der Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen. Bei Zugrundelegung
der eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei es überwiegend wahrscheinlich, dass dieser ausschließlich
Aufgaben der mittleren Aussicht ausgeübt habe. Zwar habe der polnische Versicherungsträger nur Tätigkeiten als Zimmermann
untertage bescheinigt. Die eigenen Angaben des Klägers seien jedoch überzeugender bzw. zumindest überwiegend wahrscheinlich.
Seine Angaben seien stimmig und sehr gut nachvollziehbar gewesen. Auch habe er offen zugegeben, dass er den Text der Zeugenaussage
auf Anraten seines Bevollmächtigten vorformuliert habe. Dies spreche für seine Ehrlichkeit. Er sei zwar als Zimmermann untertage
in der Personalverwaltung geführt worden, weil unter anderem bei seinem Eintreten in den Betrieb keine Stelle als Schichtsteiger
frei gewesen sei. Auch habe er später nicht als Steiger eingestuft werden wollen, da dies einen Beitritt in die Kommunistische
Partei erfordert hätte. Dies wollte er seinem Vater nicht zumuten. Er habe mit Details belegen können, dass er ausschließlich
aufsichtsführende Tätigkeiten als Gehilfe des Schichtsteigers verrichtet habe. Hierfür sprächen die unterschiedlichen Helmfarben,
die Vor- und Nachbesprechungen beim Obersteiger und die vergleichsweise langen täglichen Arbeitszeiten. Auch sei es grundsätzlich
wahrscheinlich, dass ein Arbeitnehmer entsprechend seiner Ausbildung eingesetzt werde. Die Angaben des Klägers in Hinblick
auf den Arbeitsunfall und die Anrechnung von eineinhalbfachen Schichten stünden einer Tätigkeit der mittleren Aufsicht nicht
entgegen. Der Kläger sei tatsächlich überwiegend und für die ganze Dauer einer Schicht untertage tätig gewesen. Damit rechtfertige
sich auch die eineinhalbfache Anrechnung. Der Arbeitsunfall sei nur anlässlich einer Hilfestellung eingetreten. Im Übrigen
habe der Kläger keine körperlichen Arbeiten verrichtet. Es sei üblich, dass aufsichtsführende Mitarbeiter bei Notfällen helfend
und dann auch mit körperlicher Arbeit unterstützend eingreifen.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, der Kläger verfüge zwar
über eine Qualifikation im Sinne der Qualifikationsgruppe 2. Fraglich sei jedoch, ob er entsprechende Tätigkeiten verrichtet
habe. Nach seinen eigenen Angaben im Rahmen des Zuzugs habe er die Tätigkeit als Zimmermann untertage verrichtet. Dies entspreche
den Eintragungen im polnischen Legitimationsbuch, in der Arbeitsbescheinigung vom 7. April 1987 und der Auskunft des polnischen
Versicherungsträgers vom 24. April 1987. Diesen Urkunden sei der Vorzug zu geben gegenüber der eidesstattlichen Versicherung
des Klägers. Die vorgelegten Zeugenerklärungen seien kaum verwertbar. Die Aussagekraft werde dadurch erschüttert, dass sie
vom Kläger selbst vorgefertigt gewesen seien. Der polnische Versicherungsträger habe nach deren Auswertung erklärt, nach Kontaktaufnahme
mit der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers könne eine aufsichtsführende Beschäftigung nicht bestätigt werden. Damit bestünden
Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vortrags des Klägers.
Der Kläger hat sich den Ausführungen des SG angeschlossen. Die Zeugenerklärungen stünden nicht im Widerspruch zu der bisherigen Arbeitsbescheinigung des Klägers. Vielmehr
würden sie den Sachverhalt ergänzen und vervollständigen.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2016 den Zeugen F. und in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar
2017 den Zeugen C. jeweils uneidlich einvernommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. November 2013 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 23. Mai 2013 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 23. Mai 2013 zu verurteilen,
die Versicherungszeiten vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 der Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum
SGB VI zuzuordnen und Leistungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, da die zulässige Klage unbegründet ist. Der Kläger hat entgegen der Annahme
des SG keinen Anspruch auf Zuordnung der Versicherungszeiten vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 zur Qualifikationsgruppe 2 der
Anlage 13 zum
SGB VI und Zahlung einer dementsprechend höheren Altersrente. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Streitgegenstand ist nur noch der Bescheid vom 23. Mai 2013 über die Gewährung von Altersrente an den Kläger, der gemäß §
96 SGG an die Stelle des ursprünglich angefochtenen Überprüfungsbescheids vom 16. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 22. November 2012 getreten ist.
Gemäß §
96 Abs.
1 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids
ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt.
Ursprünglich angefochtener Bescheid war der Bescheid vom 16. August 2012. Inhalt der Regelung dieses Bescheids war die Ablehnung
des Antrags des Klägers, den Bescheid vom 8. November 1999 teilweise zurückzunehmen und die Versicherungszeiten vom 3. Oktober
1969 bis 31. März 1983 der Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum
SGB VI zuzuordnen. Diese Regelung wurde durch den Rentenbescheid vom 23. Mai 2013 ersetzt. Ein Ersetzen im Sinne dieser Bestimmung
liegt vor, wenn ein neuer Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
96 Rn 4a). Der Rentenbescheid vom 23. Mai 2013 ist - nach Erlass des Widerspruchsbescheids - ganz an die Stelle sowohl des bestandskräftig
gewordenen Vormerkungsbescheids vom 8. November 1999 als auch des ablehnenden Überprüfungsbescheids vom 16. August 2012 getreten.
Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit sowie der Ablehnung, eine bereits bestandskräftig
gewordene Feststellung zurückzunehmen und durch eine andere zu ersetzen, und der Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung
auch dieser Zeit nicht um identische Regelungsgegenstände. Sie stehen jedoch in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher
Exklusivität zueinander. Vor dem Zeitpunkt der Feststellung einer Leistung darf der Rentenversicherungsträger nicht über die
Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheiden (§
149 Abs.
5 Satz 3
SGB VI) und den Rentenwert bestimmen. Ab dem Zeitpunkt der Feststellung einer Leistung wiederum erledigen sich Vormerkungsbescheide
gemäß § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt
werden. Nach Erlass seines Rentenbescheids besteht kein Rechtsschutzbedürfnis zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens
nur in Bezug auf einen Vormerkungsbescheid mehr; ein solches Verfahren ist vielmehr unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 118/08 R). Das Begehren des Klägers zielte auch - ungeachtet der Fassung seines Antrags vor dem SG in der mündlichen Verhandlung (§
123 SGG) - ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Rentenbescheids in Wirklichkeit auf dessen Anfechtung und die Verurteilung der Beklagten
im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1, 4
SGG) zu einer höheren Rentenleistung.
Die Klage gegen den Bescheid vom 23. Mai 2013 ist zulässig. Insbesondere wurde ein Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt.
Der erneuten Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gegen den die ursprünglich angefochtenen Bescheide ersetzenden Rentenbescheid
bedurfte es nicht.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung und Bewertung der von ihm in Polen zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten richtet
sich nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen - DPSVA - vom 9. Oktober 1975, da die Wohnsitzverlegung des Klägers
in das Bundesgebiet am 8. Dezember 1986 und damit vor dem 1. Januar 1991 erfolgte, der Kläger sich seitdem im Bundesgebiet
aufhält und die strittige Beitragszeit im zeitlichen Anwendungsbereich des DPSVA 1975 liegt (vgl. Art. 27 Abs. 2 bis 4 DPSVA
1990). Dieses Abkommen gilt auch nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 fort (vgl. Art. 8 Abs. 1 S.
2 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit Anhang II dieser Verordnung, wonach der Rechtsstatus auf der Grundlage des
Abkommens von 1975 der Personen beibehalten wird, die vor dem 1. Januar 1991 ihren Wohnsitz auf dem Hoheitsgebiet Deutschlands
oder Polens genommen hatten und weiterhin dort ansässig sind).
Nach Art. 4 DPSVA 1975 gilt für Abkommenszeiten das Prinzip der Eingliederung in das innerstaatliche System der sozialen Sicherheit
des Wohnsitzlandes. Der die Rente gewährende Versicherungsträger des Wohnsitzlandes rechnet nach den für ihn geltenden Vorschriften
im anderen Staat zurückgelegte Versicherungszeiten, Beitragszeiten und diese gleichgestellte Zeiten so an, als ob sie im Wohnsitzland
zurückgelegt worden wären (Art. 4 Abs.1 DPSVA 1975). Gemäß Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 1975 vom 12. März
1976 (BGBl II 393) in der Fassung durch Art. 20 Nr. 2 und 3 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261)
sind diese Zeiten bei Feststellungen einer Rente nach dem 30. Juni 1990 in unmittelbarer Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz
(FANG), dessen Art. 1 das Fremdrentengesetz (FRG), bildet, zu berücksichtigen.
Darüber hinaus finden die Bestimmungen des FRG auf den Kläger unmittelbar Anwendung, da er als Spätaussiedler anerkannt ist (vgl. § 1 Abs. 1 a FRG).
Gemäß § 22 Abs. 1 FRG i.V.m. §
256 b Abs.
1 Satz 1
SGB VI sind die Entgeltpunkte für den Kläger nach Durchschnittsverdiensten zu ermitteln, die sich nach Einstufung der Beschäftigung
in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten
Bereiche ergeben. Damit hat der Gesetzgeber für die Versicherten aus den Herkunftsgebieten die Tabellenwerke übernommen, die
den Einkommensverhältnissen sowie den Ausbildungs- und Fortbildungsstrukturen der ehemaligen DDR angepasst waren.
In die "Qualifikationsgruppe 2 Fachschulabsolventen" sind einzuordnen:
1. Personen, die an einer Ingenieur- oder Fachschule in einer beliebigen Studienform oder extern den Fachschulabschluss entsprechend
den geltenden Rechtsvorschriften erworben haben und denen eine Berufsbezeichnung der Fachschulausbildung erteilt worden ist
2. -(betrifft Beitrittsgebiet) 3. Personen, die an staatlich anerkannten mittleren und höheren Fachschulen außerhalb des Beitrittsgebiets
eine Ausbildung abgeschlossen haben, die der Anforderung des Fachschulabschlusses im Beitrittsgebiet entsprach, und ein entsprechendes
Zeugnis besitzen 4. Technische Fachkräfte, die berechtigt die Berufsbezeichnung "Techniker" führten, sowie Fachkräfte, die
berechtigt eine dem Techniker gleichwertige Berufsbezeichnung entsprechend der Systematik der Berufe im Beitrittsgebiet (z.
B. Topograph, Grubensteiger) führten.
Eine Einstufung in "Qualifikationsstufe 3 Meister" kommt für Personen in Betracht, die einen urkundlichen Nachweis über eine
abgeschlossene Qualifikation als Meister bzw. als Meister des Handwerks besitzen beziehungsweise denen auf Grund langjähriger
Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Qualifikation als Meister zuerkannt wurde.
Hierzu zählen nicht in Meisterfunktion eingesetzte oder den Begriff "Meister" als Tätigkeitsbezeichnung führende Personen,
die einen Meisterabschluss nicht haben (z. B. Platzmeister, Wagenmeister).
In die "Qualifikationsgruppe 4 Facharbeiter" sind nach der Anlage 13 zum
SGB VI Personen eingeordnet, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung
in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief)
sind oder denen auf Grund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation
zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung
auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet
worden sind.
Nach S. 1 der Anlage 13 sind Versicherte in eine der Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale
erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben.
Bei der Einstufung in Qualifikationsgruppen ist zunächst zu untersuchen, welches Qualifikationsniveau der Versicherte im Herkunftsgebiet
erworben hat. Dann ist festzustellen, ob das im Herkunftsgebiet erworbene Qualifikationsniveau einem Qualifikationsniveau
der DDR entspricht, wie es in den Qualifikationsgruppen der Anlage 13 zum
SGB VI geschrieben ist (BSG, Urteil vom 12. November 2003, B 8 KN 2/03 R, in [...]).
Der Kläger verfügt im Sinne des Satzes 1 der Anlage 13 über eine formelle Qualifikation als Techniker im Sinne der der Qualifikationsgruppe
2. Dies steht für den Senat fest aufgrund des vom Kläger vorgelegten Reifezeugnisses vom 20. September 1969. Danach hat der
Kläger das Recht erworben, den Titel eines Bergbautechnikers zu führen. Dieser in Polen erworbene Technikerabschluss entspricht
auch - übertragen auf die Verhältnisse der ehemaligen DDR - einem dort erlangten Abschluss als Techniker. Denn aufgrund der
"Vereinbarung zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der Volksrepublik Polen über die Äquivalenz der Dokumente der
Bildung und akademischen Grade und Titel, die in der DDR und in der Volksrepublik Polen ausgestellt bzw. verliehen werden"
vom 24. Februar 1977 war ein polnischer Technikerabschluss einem DDR- Technikerabschluss gleichgestellt. Da sich in den Qualifikationsgruppen
die DDR-Verhältnisse widerspiegeln, ist es auch gerechtfertigt, diese in der ehemaligen DDR geltenden Abkommensregelungen
über die Gleichwertigkeit von Ausbildungsabschlüssen zu übernehmen (ebenso Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom
19. März 2002, L 13 KN 6/99, wonach zur Frage der Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen auf die bilateralen Abkommen der DDR zurückgegriffen werden
kann).
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen vor dem SG und dem erkennenden Senat ist jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger im Sinne des Satzes 1 der Anlage 13 auch eine
"entsprechende" Tätigkeit ausgeübt hat.
Für die Feststellung, dass ein Versicherter eine seiner formellen Qualifikation "entsprechende Tätigkeit" ausgeübt hat, ist
ausreichend, dass die verrichtete Tätigkeit im Wesentlichen der erworbenen Qualifikation entspricht (BSG, Urteil vom 12. November 2003, B 8 KN 2/03, in [...]). Aus der Bezugnahme auf den "Grubensteiger" als eine Berufsbezeichnung,
die dem des Technikers gleichwertig ist, im Rahmen der Qualifikationsgruppe 2 lässt sich ableiten, dass im Bereich des Bergbaus
tatsächlich Tätigkeiten auf dem Niveau eines Steigers verrichtet worden sein müssen, damit von einer dem Berufsabschluss "Techniker"
entsprechenden Tätigkeit gesprochen werden kann. Der Steiger ist auch im polnischen Bergbau eine Aufsichtsperson, die Verantwortung
für einen Teil des Bergwerks und die ihm unterstellten Personen trägt. Eine Tätigkeit als verantwortlicher Aufseher mit überwachenden
und planenden Arbeiten ohne prägende persönliche, zimmermannstypische handwerkliche Mitarbeit würde diesem Tätigkeitsbild
eines Grubensteigers entsprechen. Unabdingbar hierfür ist die Übernahme von Verantwortung dafür, dass die bergmännischen Arbeiten
in dem jeweiligen Zuständigkeitsgebiet des Grubenbetriebs fachgerecht und störungsfrei durchgeführt werden.
Kennzeichnend für Tätigkeiten im Sinne der von der Beklagten angenommenen Qualifikationsgruppe 4 ist hingegen die eigenhändige
und selbstständige Verrichtung von Zimmermannsarbeiten auf einem Niveau, das grundsätzlich eine mehr als 2-jährige Ausbildung
voraussetzt.
Für die Frage, welche Tätigkeiten der Kläger tatsächlich ausgeführt hat, ist nicht ein Nachweis im Sinne einer an Sicherheit
grenzenden Wahrscheinlichkeit erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, dass der Kläger glaubhaft macht (§ 4 FRG), Arbeiten auf dem Niveau eines Steigers verrichtet zu haben.
Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren
Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies gilt auch für außerhalb der Bundesrepublik Deutschland
eingetretene Tatsachen, die nach den allgemeinen Vorschriften erheblich sind.
Bei Berücksichtigung der vom Kläger selbst gemachten Aussagen, der Angaben in seinem Legitimationsbuch, der Auskünfte des
polnischen Sozialversicherungsträgers, der schriftlichen Zeugenaussagen sowie der vor dem Senat abgegebenen Aussagen der erreichbaren
Zeugen F. und C. ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger tatsächlich im strittigen Zeitraum
Tätigkeiten auf dem Niveau eines Steigers verrichtet hat.
Gegen die vom Kläger geltend gemachte Verrichtung von Überwachungstätigkeiten sprechen schon sehr deutlich seine eigenen Angaben
im Kontenklärungsverfahren. Dort hatte er nicht angegeben, ausschließlich Aufsichtstätigkeiten verrichtet zu haben. Vielmehr
hat er hier erklärt, als "Zimmermann" tätig gewesen zu sein.
Auch später ist noch ausgeführt worden, der Kläger sei als "Vorarbeiter" eingesetzt gewesen. Diese Selbstbeschreibung spricht
für eine herausgehobene Position unter den Facharbeitern ("primus inter pares"), da auch ein Vorarbeiter - wie sich auch schon
aus der Bezeichnung ergibt - üblicherweise noch selbst Arbeiten verrichtet, und nicht nur Überwachungstätigkeiten ohne eigene
Mitarbeit ausübt. Auch der Zeuge C. hat angegeben, dass Vorarbeiter noch selbst körperlich mitgearbeitet haben. Diese frühen
Angaben des Klägers haben für den Senat einen hohen Beweiswert, da sie zum einen im Unterschied zu der späteren Behauptung
einer Tätigkeit als Aufseher noch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Begehren (Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe)
gemacht wurden und es zum anderen nicht der Lebenserfahrung entspricht, dass man sich bei der Angabe seiner eigenen beruflichen
Tätigkeiten abqualifiziert.
Darüber hinaus sprechen die übereinstimmenden Angaben im Legitimationsbuch sowie die Auskünfte des polnischen Sozialversicherungsträgers
gegen die spätere Behauptung des Klägers, er sei ausschließlich als Aufsichtsperson tätig gewesen. Hier ist übereinstimmend
von einer Tätigkeit als (Betriebs)Zimmermann die Rede. Die Eintragung "Aufsichtsperson" oder "(Gruben)Steiger findet sich
an keiner Stelle. Der polnische Sozialversicherungsträger hat seine Angaben auch nach Vorlage der Zeugenerklärungen und Nachfrage
beim Arbeitgeber des Klägers nicht revidiert.
Der Umstand, dass vom polnischen Arbeitgeber bestätigt worden ist, der Kläger habe im streitigen Zeitraum überwiegend 1 1/2
fache Schichten verfahren, spricht ebenfalls gegen die Verrichtung von Aufsichtstätigkeiten. Nach polnischem Recht hat eine
1 1/2 fache Anrechnung zu erfolgen, soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die im Rundschreiben Nr. 2 des polnischen Ministers
für Bergbau und Energie vom 23. Februar 1970 (Rundschreiben) aufgrund des § 5 der "Verordnung des Vorsitzenden des Komitees
für Arbeit und Entlohnung vom 22. Oktober 1968 über die Bestimmung einiger Arbeitsposten, deren Beschäftigungsausführung als
eine Bergbautätigkeit angesehen wird, die zum Empfang von Bergmannsruhegeld oder Bergmannsrente berechtigt" (V. 1968) sowie
- für Zeiten ab 1. Januar 1983 - der Verordnung des polnischen Ministers für Arbeit, Löhne und soziale Angelegenheiten vom
21. Januar 1984 (Verordnung 1984; vgl. Poletzky, Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Volksrepublik Polen, 2. Aufl. 1990, S. 335, 329; vgl. BSG, Urteil vom 29. September 1997, Az. 8 RKn 16/96, in [...] Rn. 27), aufgeführt sind.
Gemäß § 1. 1 Nr. 10 Rundschreiben gelten als Beschäftigungszeiten, die gemäß Verordnung (1968) eineinhalbfach bei der Bemessung
des Bergmanns-Ruhegeldes oder der Bergmannsrente anrechenbar sind, Beschäftigungszeiten nach der Befreiung auf den nachstehend
aufgeführten Arbeitsposten: Bergmann-Zimmermann und Füller vor Ort und im Querschlag beim Umlegen, im Trockenversatz und im
hydraulischen und pneumatischen Versatz.
Soweit der Kläger als Zimmermann untertage tätig war, ist damit die Anrechnung eineinhalbfacher Anrechnung nachvollziehbar.
Reine aufsichtsführende Tätigkeiten sind jedoch in § 1. 1 Rundschreiben nicht genannt. Damit ist nicht plausibel, warum dem
Kläger vom polnischen Sozialversicherungsträger eineinhalbfach anzurechnende Schichten bestätigt worden sind, wenn er rein
aufsichtsführend tätig war.
Aus der Verordnung 1984 geht aus § 2 hervor, dass als Zeiten der Arbeit unter Tage wie auch in Schwefelbergwerken im Sinne
des Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Rentenversorgung der Arbeitnehmer und ihrer Familien vom 1. Februar 1983 (Gesetz 1983)
Arbeitszeiten an den Arbeitsplätzen angesehen werden, die in dem als Anlage Nr. 2 dieser Verordnung beigefügten Verzeichnis
aufgeführt sind. Unter der Anlage Nr. 2 (Verzeichnis derjenigen Arbeitsplätze, an denen die Arbeitszeit untertage sowie in
Schwefelbergwerken eineinhalbfach angerechnet wird) ist unter der Nr. 8 der Bergmann-Zimmermann, Füller, Ausbauer, die vor
Ort beim Verlegen von Förderanlagen, beim Bau von Versatzdämmen beim Umbau von Versatzrohrleitungen sowie beim Abbauversatz
beschäftigt sind, aufgeführt. Auch hier findet sich kein Hinweis auf Aufsichtstätigkeiten.
Diesbezüglich findet sich nur in § 3 folgende Regelung: "Als Arbeitnehmer der Bergwerksbetriebsaufsicht und -leitung, die
mindestens die Hälfte der Arbeitstage im Monat untertage oder in Schwefelbergwerken arbeiten und denen die Zeiten der Zugehörigkeit
zu Rettungsmannschaften oder der Arbeit als Mechaniker für die Rettungsgeräte nach Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes 1983 eineinhalbfach
angerechnet werden, werden Arbeitnehmer angesehen, die in dem als Anlage Nr. 3 dieser Verordnung beigefügten Verzeichnis aufgeführt
sind." In der Anlage 3 finden sich dann alle Steiger, sowie Aufsichtsmeister der Abteilungen unter anderem für Schachten sowie
andere Bedienstete der Betriebsaufsicht und Betriebsleitung von Gruben, die eine entsprechende Genehmigung des Bergamtes besitzen.
Daraus folgt jedoch nur, dass derartigen Aufsichtspersonen eineinhalbfach Schichten nur insoweit angerechnet worden sind,
als sie zu Rettungsmannschaften zugehörig waren oder als Mechaniker für die Rettungsgeräte eingesetzt wurden. Dies ist beim
Kläger aber nicht der Fall.
Die schriftlichen Zeugenaussagen sprechen zwar für die Behauptung des Klägers, als Aufseher tätig gewesen zu sein. Ihre Glaubwürdigkeit
leidet aber darunter, dass der Kläger diese Aussagen nach seinen eigenen Angaben vorformuliert hat.
Die Aussagen der in den mündlichen Verhandlungen am 16. Oktober 2016 und 25. Januar 2017 uneidlich einvernommenen Zeugen F.
und C. vermochten den Senat ebenfalls nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger im strittigen Zeitraum eine Tätigkeit als
verantwortlicher Aufseher auf dem Niveau eines Steigers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeübt hat.
Am ehesten für den Kläger sprechen die Aussagen des Zeugen C ... Dieser hat angegeben, der Kläger sei als "Starzysta" tätig
gewesen, habe dabei 10 bis 20 Leute unter sich gehabt. Er sei für diese verantwortlich gewesen. Die Verantwortung für die
Schicht habe beim Steiger gelegen. Steiger und "Starzysta" hätten nicht körperlich mitgearbeitet. Ein "Starzysta" sei ein
Steiger in einer Art Probezeit ohne behördliche Genehmigung gewesen. Unterhalb der "Starzysta" habe es noch Vorarbeiter gegeben,
die körperlich mitgearbeitet hätten. Um "Starzysta" zu werden, habe man die Ausbildung zum Techniker im Bergbau benötigt.
Für körperlich Arbeitende seien Schichten bis zu 1,8 fach angerechnet worden. Auch die "Starzysta" seien so behandelt worden,
sie seien ja auch als Zimmermänner geführt worden. Steiger hätten diese Vergünstigungen nicht bekommen.
Die Glaubwürdigkeit des Zeugen C. leidet allerdings nach der Einschätzung des Senats darunter, dass der Kläger ausweislich
seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2017 mit dem Zeugen C. über das Verfahren gesprochen und ihn auch
über die Aussagen des Zeugen F. informiert hat, wenn auch nicht in allen Details. Der Zeuge C. wiederum hat angegeben, "er
sei gestern mit dem Kläger noch mal durchgegangen, was in der Erklärung vom Mai 2011 stehe. Er wisse von der Aussage des Zeugen
F., könne sich aber nicht an Einzelheiten erinnern. Er habe mit dem Kläger darüber gesprochen, dass die Angaben nicht mit
der schriftlichen Erklärung des Zeugen übereinstimmen. Die schriftliche Erklärung des Zeugen F. kenne er aber nicht".
Es hat also (erneut) eine Besprechung der Angelegenheit zwischen dem Kläger und dem Zeugen stattgefunden, was Zweifel daran
sät, dass der Zeuge völlig unbeeinflusst seine Aussage abgegeben hat. Während der Kläger deutlich klargestellt hat, dass er
vor der Verhandlung mit dem Zeugen C. über das Verfahren gesprochen und ihn auch über die Aussage des Zeugen F. informiert
habe, wenn auch nicht in allen Details, hat der Zeuge C. versucht, dies auf ein bloßes Gespräch über den Inhalt der Erklärung
vom Mai 2011 zu reduzieren. Auch sind seine Einlassungen zu der Aussage des Zeugen F. wenig glaubwürdig. Seine Aussage, er
wisse von dessen Aussage, könne sich aber nicht an Einzelheiten erinnern, habe mit dem Kläger darüber gesprochen, dass die
Angaben nicht mit der schriftlichen Erklärung des Zeugen F. übereinstimmen, wobei er aber diese nicht kenne, erwecken nicht
den Anschein offener und wahrheitsgetreuer Angaben der tatsächlichen Vorgänge im Vorfeld der mündlichen Verhandlung.
Darüber hinaus hat der Zeuge C. erklärt, der Kläger habe ihn gebeten, seine schriftliche Erklärung vom 23. Mai 2011 zu schreiben.
Er habe sie in Anwesenheit des Klägers formuliert. Es sei kein vorformulierter Text des Klägers gewesen. Dies widerspricht
jedoch der Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 18. November 2013 vor dem SG, wonach die Zeugenaussagen zwar von den Zeugen persönlich geschrieben worden seien, er ihnen aber eine Vorlage unterbreitet
habe. Für die Einlassung des Klägers spricht dabei, dass die schriftliche Aussage des Zeugen C. sehr ähnlich zu der des Zeugen
E. ist.
Darüber hinaus zeichnet der Zeuge C. ein Bild des polnischen Bergbaus, das von jahrzehntelangen falschen Angaben in Legitimationsbüchern
und Lohnlisten und der rechtswidrigen Beschäftigung von Mitarbeitern mit aufsichtlichen Tätigkeiten ohne bergaufsichtliche
Genehmigung geprägt ist. Nach seinen Angaben ist der Kläger unter den Augen der zuständigen Behörden über Jahrzehnte als Steiger
ohne behördliche Genehmigung ("Starzysta") tätig geworden, wobei er aber doch wieder nicht vollumfänglich die Verantwortung
eines Steigers getragen hat, da nach der Aussage des Zeugen C. die Verantwortung für die Schicht beim "wirklichen" Steiger
gelegen habe. Auch war bei Zugrundelegung der Angaben des Zeugen C. über Jahre die Lohnabrechnung des Klägers offensichtlich
rechtswidrig, da die Zuerkennung von eineinhalbfachen Schichten an Aufsichtspersonen nach den einschlägigen Bestimmungen des
polnischen Rechts nicht zulässig war. Dies erscheint dem Senat wenig plausibel.
Schließlich ist bei der Bewertung der Aussage des Zeugen C. auch zu berücksichtigen, dass dieser jedenfalls seine Angaben
über die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten nicht aus eigener Wahrnehmung machen konnte. Er und der Kläger hätten, so der
Zeuge, in verschiedenen Abteilungen in der Vorbereitung gearbeitet. Er wisse nicht mehr, ob ihm der Kläger einmal unterstellt
gewesen sei.
Deutlich gegen den Kläger sprechen die Angaben des Zeugen F ... Dieser hat bestätigt, der Kläger habe auch länger arbeiten
müssen. Der Kläger habe an den Treffen mit dem Obersteiger aber nur als Vorarbeiter teilgenommen. Auch Vorarbeiter hätten
Rapporte schreiben müssen. Selbst die mittlere Aufsicht habe tatsächlich in der Gruppe mitgearbeitet und nicht lediglich die
Aufsicht geführt. Auch die mittleren Aufsichten hätten, so der Zeuge F., ihm als Steiger unterstanden. Eigene Verantwortung
hätten sie nicht getragen, nur Aufsichtsfunktionen vom Abteilungsleiter zuerkannt erhalten. Diese mittlere Aufsicht im Sinne
der Angaben des Zeugen F. soll nach Aussage des Zeugen C. mit den "Starzysta" identisch sein.
Die Aussage des Zeugen F. spricht deutlich dafür, dass der Kläger - entsprechend seinen Angaben im Kontenklärungsverfahren
- selbst handwerkliche Arbeiten verrichtet und nur im eingeschränkten Umfang darüber hinaus wie ein Vorarbeiter oder allenfalls
wie eine mittlere Aufsicht aufsichtlich tätig geworden ist. Diese Aussage ist auch eher damit vereinbar, dass für den Kläger
eineinhalbfache Schichten verrechnet wurden und der Kläger keine bergaufsichtliche Genehmigung als verantwortliche Aufsichtsperson
hatte. Bei der Zugrundelegung der Aussage des Zeugen F. ergibt sich nach Einschätzung des Senats ein viel stimmigeres Bild
als bei der des Zeugen C ... Erstere ist im Gegensatz zu letzterer sowohl mit den urkundlichen Eintragungen als auch den ursprünglichen
Angaben des Klägers gut vereinbar. Durch eine Vorarbeitertätigkeit mit zusätzlichen aufsichtlichen Komponenten bzw. als mittlere
Aufsicht wird aber die Qualifikationsebene der Qualifikationsgruppe 2 noch nicht erreicht. Eine einem Steiger entsprechende
Verantwortung liegt in einer derartigen Tätigkeit nicht.
In der Zusammenschau aller Umstände hält der Senat damit die tatsächliche Verrichtung von der Qualifikationsgruppe 2 entsprechenden
Tätigkeiten durch den Kläger im strittigen Zeitraum nicht für überwiegend wahrscheinlich. Die Qualifikationsgruppe 3 kommt
von vornherein nicht in Betracht, da der Kläger weder eine Meisterqualifikation hat noch als Meister tätig geworden ist. Damit
hat es bei der von der Beklagten vorgesehenen Zuordnung des strittigen Zeitraums zur Qualifikationsgruppe 4 zu verbleiben.
Der Berufung war daher stattzugeben und die Klage gegen den nur noch angefochtenen Bescheid vom 23. Mai 2013 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.